Beiträge von Rachel

    Das Zwinkern nicht erwidernd, schmunzelte Rachel, den Rest vom Zicklein genießend und mit einem Schluck Wein nachspülend. Es wird kein Ausrutscher sein, die Küche ist gut geführt und ich werde mich mit dem Maiordomus über den Einkauf unterhalten.
    Bisher war er ihr nicht begegnet und eigentlich, war sie auch ganz froh darüber, konnte sie sich vorerst um andere Belange kümmern und Varus etwas mehr Annehmlichkeiten verschaffen. Auf die Worte mit der langen Zusammenarbeit, erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Von meiner Seite ebenso, wobei ich es nicht so bezeichnen möchte.
    Abgelenkt von ihren Gedanken und mit dem zuletzt Gesagten beschäftigt, sah sie ihn teils forschend, teils schmunzelnd ins Gesicht und zog die Konturen seiner Wangen und der Kinnpartie nach. Das Rasieren bedarf der Zusammenarbeit, da gebe ich dir Recht, sonst fließt sehr schnell Blut. Jetzt kam das Zwinkern, was sie vorher vermieden hatte und es wurde begleitet von einem charmanten fast schon kessen Schmunzeln.

    Soso Unordnung! Kaum waren die Worte ausgesprochen, röteten sich die Wangen von Rachel und man konnte die Verlegenheit erkennen, während sie schnell ihren Becher griff und einen Schluck vom verdünnten Weißen nahm. Wie kannst du nur, schalt sie sich in Gedanken, in der Hoffnung, er würde es nicht als zu vorlaut ansehen. Ich bin dazu hier, Ordnung in zu schaffen, es bereitet mir Freude und vor allem fühle ich mich nicht nutzlos. Ich war immer eine Person, die ihre Hilfe anbot und der keine Arbeit zu gering erschien, deshalb möchte ich auch in deinem Haushalt mein Bestes gegen.
    Kurz ruhte ihr Blick auf den duftenden Speisen, bevor sie sich etwas von dem eingelegten Gemüse nahm und es in den Mund schob. Das brachte ihr wenig Zeit zum Nachdenken über die Antwort auf seine Frage und in Folge mehr Appetit auf die Hauptspeise. Ob ich Rasieren kann, davon werden wir uns gemeinsam überzeugen müssen. Es ist eine Frage des Könnens und ich möchte mich nicht dafür preisen, du solltest dich lieber davon überzeugen. Natürlich konnte sie eine Rasiermesser handhaben, auch damit umgehen und würde es wahrscheinlich in der Zwischenzeit nicht verlernt haben. Allerdings war es sehr lange her, dass sie einem Mann um den Bart gegangen war. Hielten sich doch die Männer oft auf dem Märkten auf und die Frauen erledigten die täglichen Arbeiten.
    Noch einmal griff sie zu, nahm sich ein Stück von dem zarten Zicklein. Obwohl sie sonst Fleisch eher mied, genoß sie den Bissen, was sie auch mit ihren zarten Gesichtzügen auszudrücken vermochte, beim Kauen ein zufriedenes Schmunzeln auf ihren Lippen sichtbar wurde.

    Rachel war dabei, ihr grünes Kleid aus der Truhe zu nehmen, als sie das Klopfen an der Tür vernahm und danach die leisen Worte von Wulfried erklangen. Ich bin da und ja, ich werde mich darum kümmern. Schnell ordnete sie ihr Haar, beließ es bei dem taubenblauen Kleid. Mit einem kurzen Blick in den Spiel vergewisserte sie sich, dass sie entsprechend zurecht gemacht war, schob kurz die Zunge über die rosaroten Lippen und noch eine verirrte Strähne ihres pechschwarzen Haares hinter das Ohr. Nun aber gut. Kamen die Worte auffordernd, endlich das Zurechmachen zu beenden. Während sie sich der Tür näherte, ordnete sie noch zu guter Letzt die Falten des Halsausschnittes und verließ nun doch zügig ihre Kammer.

    Während Varus liegend Platz nahm, ging Rachel zur anderen Seite. Geschickt griff sie sich die Kanne mit dem unverdünnten Weißen und goß ihm ein. In ihren Becher füllte sie zuerst das Wasser und dann den Rest mit Wein auf. Erst dann ließ sie sich ebenfalls auf der ihm gegenüber stehenden Liege nieder und hob ihm ihren Becher entgegen. Ich hoffe, dir wird es munden und du bist zufrieden mit dem Angebot.
    Nippend nahm sie einen Schluck, betrachtete ihn dabei voller Interesse. Wie ich sehe, hast du dich in deinem Cubiculum zurecht gefunden. Ein Schmunzeln zog sich über ihre rosaroten Lippen, als der Blick zu seinen Haaren ging. Wann darf ich auf deinem Kopf Ordnung schaffen?

    Noch bevor Varus durch den Vorhang ins Triclinium trat, hatte Rachel seine Schritte bereits gehört. Schnell wurden noch einmal die Lippen angefeuchtet und der Ausschnitt des Kleides am Hals geordent.
    Als er eintrat erhob sie sich von der kleinen Sitzgruppe, um ihn zu begrüßen. Salve Varus. Sehr, zwar in einen ungewohnten Rhythmus, aber dennoch angenehm. Gleichzeitig zu ihren Worten, lud sie ihn mit einer unmißverständlichen Geste zum Platznehmen auf eine der Klinae ein, die um den gedeckten Tisch standen. Ich hoffe, dein Tag war ebenfalls angenehm und du hast Hunger und Appetit mitgebracht.
    In ihren Grünen war fast ein wenig Stolz zu erkennen und dennoch klangen ihre Worte eher bescheiden. Eurydice hat mich in die Besonderheiten einer Cena hier im Haus eingeführt und ich bin ihr beim Zubereiten zu Hand gegangen. Es ist ein bescheidenes Mahl und hoffentlich nach deinem Geschmack.
    Noch wartend, um ihn die Möglichkeit zu geben, sich den Platz zu wählen, lächelte sie ihn an ohne ihn direkt in die Augen zu sehen.

    Von Eurydice erfuhr Rachel, dass eine Cena in der Casa Helvetia in der elften Stunde beginne.
    Beruhigt, ob der Aussage, ließ sie sich von ihr die Abfolge erklären. Erfuhr dabei von Vorspeise, Hauptspeise und Nachtisch. Welche Getränke wichtig wären und in welchen Gefäßen sie gereicht werden. Rachel beobachtete die flinken Handgriffe, das hektische Hin und Her, half beim Schneiden und Vorbereiten. Die Verständigung funktionierte zwischen den beiden Frauen. Selbst als sie von ihren Vorstellungen sprach, vermehrt hebräische Gerichte zuzubereiten, gab es keine gravierenden Einwände. Eurydice gab zu bedenken, dass nicht alle Zutaten dazu im Haus seien. Gab ihr den Hinweis sich an den Maiordomus zu wenden. Sie sei nur für die Küche zuständig und er würde sich um das Besorgen und Bereitstellen kümmern.


    Es war eine einfache Speisenfolge, die sie gemeinsam ins Triclinium auftrugen. Auf dem Tisch standen inzwischen eingelegtes Gemüse, hartgekochte Eier, die Krüge mit weißen Wein und Wasser. Dazu trugen Rachel noch eine große Schale mit verschiedenem Obst aus der Region und Eurydice gedünstetes Zicklein und Bohnen mit Speck auf. Die zwei Sorten Brot, rundeten das Mahl ab und verbreiteten einen Duft von frischen Kräutern und Gewürzen aus dem Orient.


    Inzwischen war Rachel allein im Raum, konnte sich dort in Ruhe umsehen. Es gab mehrere Sitzgruppen mit Korbsesseln und kleinen Beistelltischen. Sie waren an die Seiten geschoben und zeugten von wenig Nutzung. Hatte sie doch in der Küche erfahren, dass es kaum noch Gäste und große Essen gab. Mittig stand der gedeckte Tisch, etwas größer als die restlichen, um ihn herum drei leicht ausgeblichene Klinae. Die Wände waren mit terrakottafarbenen und ockergelben Motiven bemalt, ergaben mit ihrem Farbspiel eine stilvolle Einheit mit den Bodenmosaiken. Der Vorhang an der Tür, war vom gleichen Stoff wie der Bezug der Liegen und fügte sich in das Gesamtbild des Triclinium ein.


    Noch einmal warf Rachel einen prüfenden Blick auf den Tisch, zog die Krüge weiter an die Seite neben die beiden dezent verzierten Trinkbecher. Wasserschalen, Servietten und Hilfsbesteck platzierte sie so, dass sie nicht störend, aber gut zu erreichen waren.
    Zufrieden lächelnd und in der Hoffnung, Varus würde die Zeit nicht übersehen, trat sie auf eine der Sitzgruppen zu und nahm dort inzwischen Platz, nicht ohne vorher noch einmal den Faltenwurf und ihr pechschwarzes Haar zu ordnen.

    Bei der Vorstellung der Sklaven waren Rachel zwei Gesichter und die dazu gehörigen Namen in Erinnerung geblieben. Einmal handelte es sich um eine Frau mit dem Namen Eurydice und um einen Mann namens Maeadrius. Alle anderen, ihr Vorgestellten, waren für sie eher uninteressant, würde sie sich zu gegebener Zeit an sie erinnern oder nach ihnen fragen.
    Von der einzigen weiblichen Sklavin wusste sie, dass diese das Zepter in der Culina schwang und von hektischer Geschäftigkeit getrieben war. Den Maiordomus empfand sie eher als mürrisch in seiner Art, aber nach Angaben von Varus, wohl die Seele des Hauses bezüglich Haushaltsführung.
    Auf der Suche nach den beiden Personen streifte sie durch die leer wirkende Casa wieder bemüht, sich die Wege einzuprägen. Als sie den Weg zur Küche einschlug, erinnerte sie sich an die Worte von Verus, der ihr eine Tür besonders empfahl in Erinnerung an ihre Begegnung. Dort könnte sie ihren Bedürfnissen nachgehen und müsse nicht erst außer Haus. Jetzt ging sie daran vorbei und bleib dann einen Augenblick vor der Küchentür stehen, bevor sie eintrat.

    Ohne sich zu verlaufen, war Rachel zum Cubiculum von Varus gelangt und zügig eingetreten. Dort sah es noch genau so aus, wie beim gemeinsamen Verlassen. Der Raum besaß viel Ähnlichkeit mit ihrer Kammer, nur war dieser etwas größer und die Möbel edler in Form und Farbe. Ähnelte ihr Bett eher einer Cline, schmal und weniger bequem, war sein Bett von angenehmer Größe und Bequemlichkeit. Die Truhe für die Kleider stand an der Wand und konnte zweigeteilt geöffnete werden. Darauf lagen grob gewebte Tuniken, wie die, welche Varus derzeit trug. Das Bett wirkte zerwühlt, wie nach einer unruhigen Nacht. Bettlaken und Schlummerrolle waren im Farbton leicht verblichen und ließen nur noch das dezente Ockergelb erahnen. Mittig standen ein Korbstuhl und ein kleiner, in seiner Form verspielt wirkender Tisch, auf dem sich einige schmucklose Fibeln neben Schreibrollen tummelten.


    Nach kurzen Verweilen und wenige Augenblicke später begann Rachel mit gekonnten Handgriffen das Bett zu ordnen. Auf die Bespannung zog sie das weiche Laken glatt, gab der Schlummerrolle ihren angestammten Platz am Kopfende zurück. Beim Überbeugen stieg ihr ein leichter Duft von Moschus in die Nase, zwang sie zum ungewollten Niesen.
    Ungeachtet dessen, widmete sie sich den herumliegenden Kleidungsstücken, die sie sorgsam zu falten begann. Nun bestand auch die Möglichkeit die eine Hälfte der Truhe zu öffnen und einen Blick hinein zu werfen. Gähnende Leere und Aufwirbeln von Staubteilchen ließen Rachel schmunzeln. Eine Tunika nach der anderen fand den Weg hinein, wobei die weniger geglätteten unten und die faltenfreien zu oberst auf dem Stapel lagen. An die Seite platzierte sie die schlicht wirkenden Fibeln, die sich vorher verstreut auf dem Tisch und neben der Truhe befanden. In die andere Hälfte wanderten die leicht verschlissene Paenula und die Gürtel.
    Nach einem Kontrollblick hinein und einen leisen zufriedenen geschafft, schloß sie die beiden Deckel und widmete sich dem Zurechtrücken von Sessel und Tisch.


    Mit wenigen Handgriffen hatte sich das Zimmer in ein gemütliches Domizil verwandelt, wenn auch recht schmucklos und unpersönlich. Vorerst war sie zufrieden mit dem Ergebnis, vielleicht nicht gänzlich, aber das ließ sich nach und nach ändern.
    Mit ihren Gedanken an Veränderung und einer leicht spürbaren Nervosität, begab sie sich auf den Weg in die Küche, um bei den Sklaven nach den Vorräten zu fragen.

    Wieder blieb Rachel an seiner Seite und lauschte seiner sonoren Stimme. Nicht jeder Plan, war ein guter, deshalb beließ sie es dabei und konzentrierte sich auf seine Ausführungen über die Qualität der Waren.
    Meine Vorfahren waren Händler und ich bin mit Handel von Oliven und Olivenöl große geworden. Begann sie erklärend auf seine Worte zu reagieren. Auf Märkten habe ich mehr Zeit meines Lebens verbracht, als in einem Haus und ich weiß, Qualität muss nicht immer teuer sein. Sie wollte ihm vorallem damit beruhigen, klang doch wieder der 'arme Winzersohn' an und sie hatte bestimmt nicht vor, sein Geld auf den Markt zu tragen.
    Getier aus dem Meer wird hier in Rom etwas schwierig sein, hier beschränkt es sich eher auf Getier aus dem Fluß ... gemäß des schmalen Geldbeutels. Das letzte sprach sie so leise, dass er es nur erahnen konnte, waren sie doch fast am Ziel und ihre Schritte wurden langsamer, um ihn den Vortritt zu lassen. Trotzdem werde ich versuchen aus Fischen, Krebsen und Muscheln die bestmöglichen Leckereien zuzubereiten.


    Inzwischen waren sie angekommen und es wurde Zeit für sie, sich ihren Aufgaben zu widmen. Ich werde mich jetzt zurück ziehen in dein Cubiculum und danach den Sklaven in der Küche über die Schulter schauen. Wenn du noch einen Wunsch hast, weißt du mich zu finden. Sonst sehen wir uns heute zur ersten Casa ... ich freu mich.
    Mit einem kurzen Blick in seine Augen, einem sachten Neigen des Kopfes, deutete sie ihre Verabschiedung an, blieb jedoch aus Höflichkeit weiter stehen, um ihn das letzte Wort zu ermöglichen.

    Wäre Rachel auf seinen frechen Unterton eingegangen, hätte sie ihm wohl geantwortet, er sei das Nötigste. So hob sie nur leicht die Augenbraue und ihr Näschen. Ich werde mich erst einmal um dein Cubiculum und deine Kleidung kümmern. In der Zwischenzeit könntest du dir von den Sklaven etwas Obst reichen lassen und dazu ein Bad nehmen.
    Nun war die Wortwahl doch frecher ausgefallen als sie geplant hatte und auf ihrem Gesicht erschien eine dezente Röte. Natürlich nur, wenn es dir danach verlangt. Kamen die Worte leise ergänzend, dabei sein Haar und seine Kleidung betrachtend. Bemerkungen dazu ließ sie offen, bestand ohnehin die Möglichkeit in ihren Grünen mehr zu lesen.
    Das tägliche Absprechen finde ich eine gute Variante, ein gewisse Regelmäßigkeit in unsere Symbiose zu bringen, Ausnahmen bestätigen dabei die Regel. Sehr gut verstand sie seinen Einwand und wusste, dass sie als Freie keinen Zugang zu einem Familienmahl hatte. Allerings gab es auch da Ausnahmen, die nur der Herr des Hauses festlegen konnten und bisher war sie ihm nicht begegnet und er hatte sie nicht in Augenschein genommen.
    Mit allem Anderen werde ich mir einen Überblick verschaffen und mich in alles einweisen lassen. Vorerst das nutzen, was vorrätig ist und später für frischen Fisch und frisches Obst selbst sorgen. Zu unserer Küche gehört nicht nur ein guter Wein sondern auch jegliches Getier aus Fluss und Meer.
    Bei den letzten Worten nahm sie ihren Handspiegel vom Tisch und warf einen kurzen Blick hinein. Sich noch einmal über die Lippen leckend, kontrollierte sie das fest geflochtene Haar im Nacken und den korrekten Sitz des Kleides am Halsausschnitt. Es war ihr wichtig ihre Erscheinung nicht zu vernachlässigen, auch wenn sie vom Stand her nicht aus wohlhabenden Hause kam. Der Spiegel fand seinen Platz wieder auf dem Tisch und Rachel ging an Varus vorbei zur Tür und öffnete sie. Anschließend sah sie sich nach ihm um und lächelte. Ich bin bereit.

    Seine Worte mit der Zukunftsmusik überging sie mit einem Lächeln, erinnerte sich vielmehr erneut an das Gesprochene auf dem Weg bis zu ihrer Kammer. Sie wollte diese noch einmal aufgreifen, um nicht Fehl zu gehen in ihrer Annahme. Auch wollte sie ihn nicht von wichtigen Aufgaben abhalten, die für die Folge des Tages noch anstanden. Dabei kamen ihr seine letzten Worte besonders gelegen und sie griff sie wieder auf.
    Um mich um dein persönliches Wohl angemessen kümmern zu können stellen sich mir die Fragen, bekommst du Waren geliefert, darf ich die Küche benutzen, lässt du mich benachrichtigen, wann du im Haus bist oder wann du außer Haus dich aufhältst?
    Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er jedes Mal zu ihr käme und sich bei ihr melden würde, auch war es ihr wichtig, ihn nicht zu stören und ihn nur dann Gesellschaft zu leisten, wenn es von ihm erwünscht war.
    Ich würde dir an deinem Lieblingsplatz dein Morgenmahl richten und mich dann um dein Zimmer und deine Kleidung kümmern. Solltest du dein zweites Mahl im Haus einnehmen, würde ich mich darum kümmern, wenn nicht, dir etwas zum Mitnehmen vorbereiten.
    Was die Cena betrifft... Kurz hob sich einer ihrer Mundwinkel zu einem Schmunzeln, bevor sie weiter sprach. Dabei leiste ich dir sehr gerne Gesellschaft und erzähle dir von mir und natürlich ... und wieder erschien das Schmunzeln. Es wird einiges aus der hebräischen Küche zum Kosten geben, zu der übrigens der Wein nicht verschmäht wird.
    Die ganze Zeit war sie auf und ab gegangen, war zu nervös stehen zu bleiben. Jetzt verharrte sie fast regungslos und betrachtete ihn. Womit möchtest du, dass ich beginne?

    Das Leuchten in ihren grünen Augen verstärkte sich, als Varus sie in ihre Kammer einließ. Sie war um ein mehrfaches größer, als in der Insula und von der Möblierung fast luxuriös ausgestattet. War sie auf dem Gang nach hier bereits still geworden, war die Schwarzhaarige nun gänzlich sprachlos. Ziellos irrte ihr Blick durch den Raum bis sie ihre Sprache zu beherrschen vermochte und leise, übersteigt meine Erwartungen, von sich gab.
    Zögerlich und mit kleinen Schritten ging sie von einem Möbelstück zum nächsten, strich mit zitternden Fingern darüber. Dazwischen wanderte ihr Blick immer wieder zu Varus, als müsse sie sich vergewissern, dass es kein Traum sei. Am kleinen Tisch angelangt, nahm sie ihr Bündel vom Arm, emsig darin suchend. Heraus zog sie wenig später einen Kamm und einen Spiegel. Etwas von ihrer Habe, was ihr besonders am Herzen lag und was in ihrem Zuhause einen besonderen Platz bekommen sollte. In die kleine Truhe ließ sie ihren Mantel und ihr Bündel gleiten, nahm sich vor, für sie später einen vorteilhafteren Platz zu suchen.
    Einen Moment stand sie noch mit dem Rücken zu Varus, dann wendete sie sich ihm zu. Ich weiß nicht, was ich sagen soll ... danke.

    Rachel folgte ihn und seinen Ausführungen. Sie ging mit ihn durch die Räumlichkeiten der Casa, immer darauf bedacht, ihn nicht von der Seite zu weichen.
    Natürlich wollte sie keinem Sklaven die Arbeit abnehmen, allerdings gab es wohl für ihn auch keinen Leibsklaven, den sie diese streitig machen könnte. Den Eindruck vermittelte er ihr bei der Vorstellung, war diese doch eher weniger von Herzlichkeit geprägt.
    Als er dann der hebräischen Küche begann, lächelte sie leicht verlegen. Davon leben, das könntest du sicherlich, allerdings ist es eine sehr magere und eintönige Kost. Mehr wollte sie ihm vorerst nicht verraten, stutzte dann aber bei der Fragen nach den Speisegewohnheiten der Römer und den Zeiten. Kennen? Mir ist bekannt, sie essen dreimal am Tag und steigern sich von jeder Mahlzeit mit der Menge bis zur Cena, dem Hauptmahl. Über die Zeiten werde ich mich informieren, oder du sagst mir, wann du sie gereicht haben möchtest.


    Weiter folgte sie seiner Führung durch die Casa und ihr blieb dabei nicht verborgen, wie sich seine Stimme veränderte und fast stolz zu klingen begann. Er sprach von den Weinstöcken, etwas, was ihm offensichtlich am Herzen lag, was ihn an sein Zuhause erinnerte. Rachel kannte sich damit nicht aus, aber sie war sehr naturverbunden, wuchs sie doch in einer Gegend auf, wo es mehr Olivenbäume gab als Einwohner. Dann werde ich dir hier einen Platz herrichten, wo du morgens ins Ruhe speisen kannst. Ideen dafür, waren bereits beim Umsehen vorhanden, mussten nur noch umgesetzt werden und dazu wollte sie sich mit den zuständigen Sklaven beraten.
    Auf dem Rest des Weges blieb sie stumm, die Stille war für sie schon fast bedrückend bis er sie in ihre Kammer einließ ...

    Rachel war ihm in seine Räumlichkeiten gefolgt und betrat sie nach ihm. Auf dem Weg dort hin hatte sie sich genau eingeprägt, wo sie lang gingen, um später nicht zu oft eine falsche Tür zu öffnen. Sofort als sie eintrat, erkannte sie sein Problem und er musste ihr nicht sonderlich viel erzählen. Beim Zuhören sah sie sich um, ging bereits in Gedanken die vor ihr stehenden Arbeiten durch. Wahrscheinlich war er unter der Obhut seiner Mutter aufgewachsen und nun war er auf sich gestellt und es fehlte die weibliche Fürsorge.
    Der 'arme Winzersohn‘ wird bald nicht mehr so aussehen, ich werde mich schnellstmöglich darum kümmern. Es sollte sich nicht bestimmend anhören und sie hatte auch nicht die Absicht ihn zu verwöhnen, sie wollte ihn nur etwas Bequemlichkeit ermöglichen und ein wenig mehr Freiraum schaffen. Die Kleidung ist nicht alles, aber wichtig, vor allem für einen Mann in einer höheren Position und in solch einem Domicil, wie die Casa Helvetia. Kam es fast mütterlich, obwohl sie es so nicht klingen lassen wollte und dabei leicht errötete.
    Wenn du mir jetzt noch mein Zimmer zeigen könntest, wär es mir möglich heute hier noch Ordnung zu schaffen. Du hast sicher noch viel vor und möchtest dich auf den Tag vorbereiten. Bisher hatte sie den Blick in seine Augen gemieden, jetzt sah sie ihn offen an und lächelte.

    Mit Schwung wendete Rachel ihren zierlichen Körper in die Richtung, aus der die sonore Stimme kam. Längst von ihr erkannt, tat sie doch erstaunt und drückte dies mit ihren großen grünen Augen aus. Dir ebenfalls ein Salve Varus. Fiel ihre Begrüßung dann auch sehr offen und herzlich aus und das Lächeln auf ihren leicht feuchten Lippen rudete das Bild ab.
    Du hast es mir leicht gemacht, hier her zu finden, dank deiner genauen Beschreibung. Dabei verschwieg sie ihm, dass sie sich einmal verlaufen hatte und mehrfach nach dem Weg fragen musste.
    Ein beeindruckendes Haus hat deine Familie. Die lobenden Worte unterstrich sie mit einer Handbewegung in die Runde, ließ dabei wenige Wimpernschläge ihren Blick durch das Atrium schreifen.
    Es wird mir eine Ehre sein, mich hier um dein Wohl zu kümmern. Inzwischen ruhte ihr Blick auf seiner Erscheinung und ein Schmunzeln huschte über ihr Gesicht. Ohne dass sie näher auf das Gesehene einging, war ihr nicht entgangen, dass seine Kleidung und auch seine Haare der Pflege bedurften. Wenn du mir den Bereich meines Wirkens zeigst, werde ich gleich damit beginnen.

    Als der Ianitor davon gegangen war, sah Rachel sich in Ruhe um. Die Sonne, bahnte sich ihren Weg durch das Loch in der Decke und ihre Strahlen tanzten in kleinen Kreisen über den Boden. Die Säulen ragten majestätisch nach oben und endeten an den Deckenbalken. Ihre Blick ruhte auf den Wänden und den, für sie exotisch anmutenden, Pflanzen.
    Beiläufig sah sie immer einmal wieder erwartend in die Richtung, wo er davon gegangen war. Freute sie sich doch auf das Wiedersehen mit Varus. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, ihr Herz schlug bei dem Gedanken an ihn, erheblich schneller.

    Als die Tür für sie geöffnet wurde und sie eintreten konnte, ging sie an ihm vorbei und bleib dann stehen. Dabei warf sie einen kurzen schnellen Blick auf ihr Kleid, feuchtete sich die dezent geschminkten Lippen an und strich sich im Nacken über ihr fest geflochtenes Haar. Nachdem sie damit zufrieden schien und er soweit war, dass sie folgen konnte ging sie ihm nach. Hätte er sich zu ihr umgedreht, wär ihm aufgefallen, wie ihre grünen Augen vor Staunen zu leuchten begannen und sie nervös an ihrem Bündel zu nesteln an fing. Glücklicherweise sah er sie nicht und sie konnte sich in Ruhe umsehen und nervös ihre Löckchen kringeln, ihn ins Atrium folgend.

    Als der, von Varus bereits angekündigte, Ianitor die Tür öffnete, trat Rachel einen Schritt zurück. Kurz musterte sie seine Gestalt, überragte er sie doch um einiges. In ihren Grünen lag Offenheit und so gab sie sich auch, indem sie begann ihren Namen zu nennen.
    Salve, Rachel mein Name. Ich werde von Tiberius Helvetius Varus erwartet und hoffe, ich bin nicht zu früh?
    Erneut fortschten ihre Blicke in seinem Gesicht, um eine Regung dahinter zu erkennen. Was ihr frühes Erscheinen betraf, sah es allerdings nicht so aus, als sei er darüber verärgert. Den Schritt wieder vor tretend, lächelte sie ihn nun verhalten an.

    Wie beschrieben, war Rachel den Weg bis zu den Hügeln gegangen. Zahlreiche Rempler musste sie dafür in Kauf nehmen und nicht immer kam sie zügig voran. Doch war sie früh los gelaufen, um nicht zu spät zu kommen.
    Jetzt stand sie vor der Casa der Gens Helvitia, gelegen auf dem Mons Esquilinus in der Via Labicana und war tief beeindruckt von den Fresken am Portal. Eine große äußerst robuste Tür versperrte ihr die weitere Einsicht und wie sie von Varus erfahren hatte, gab es einen Ianitor.
    Tief luftholend, ihr Haar und ihr Kleid erneut ordnend zögerte sie einen kurzen Moment. Das Grün ihrer Augen leuchtete vor Bewunderung und verband sich zu einer Einheit mit ihrem taubenblauen Kleid. Ein nicht zu tiefer Ausschnitt ließ den Brustansatz nur erahnen und gab wenig Einblicke auf ihren makellosen Körper frei. Ihre matt schimmernde Haut war leicht gerötet durch die aufsteigende Nervosität. Aus ihrem fest nach hinten geflochtenen, pechschwarzen Haar hatten sich noch ein paar mehr Löckchen gelöst, die sie flink zu bändigen versuchte, was ihr nicht sonderlich gut gelang. Sie umspielten weiterhin ihre Wangen und Ohren und verliehen ihr ein mädchenhaftes Aussehen.
    Die rechte Hand zu einer Faust geballt und mit der Linken ihr Bündel fest haltend verharrte sie noch wenige Augenblicke mit geschlossenen Augen. Ihr Herz schlug bis zum Hals und der Kloß in ihrer Kehle, hätte sie ohnehin am Sprechen gehindert. Abermals sog sie die Luft tief in ihre Lungen, bis sie sich dann endlich in der Lage fühlte, zu Klopfen und sie dreimal mit den geballten Fingern dagegen schlug.

    Es war nicht Alles nach den Vorstellungen von Rachel gelaufen, dennoch war sie zufrieden, wenn auch nicht besonders ausgeschlafen. Wie sie es bereits vermutet hatte, wollte der Besitzer der Insula für Waschen und Bedürfnis mehr, als für die Übernachtung in dem winzigen Zimmer. Aber auch das war sie gewillt zu zahlen, sollte es doch die letzte Nacht in seinem Haus sein. Sehr früh war sie aufgestanden, die hölzerne Stiege nach unten gelaufen, hatte sich erleichtert und Morgentoilette durchgeführt. Das Wasser war kalt und erfrischend, hatte sie wach gerüttelt.
    Jetzt stand sie am Fenster und sah hinaus. Die Sonne war aufgegangen und küdigte einen recht heißen Tag an. In der Hand hielt sie ihren kleinen Spiegel und einen Kamm. Ihr pechschwarzes Haar glänzte durch die Sonnenstrahlen liebkost und kringelte sich an den Seiten neckend um ihre Ohren. Geschickt wurde es im Nacken geordnet und kunstvoll verflochten. Nur ein paar einzelne Löckchen blieben lose zurück und umspielten ihre Wangenknochen. Sich im Spiegel betrachtend, tupfte sie schlußendlich noch etwas Farbe auf Wangen und Lippen.
    Ihr Kleid lag ausgebreitet auf der Cline und sie musterte es ein letztes Mal. Es war im Schnitt ähnlich ihres Lieblingskleides und im Farbton taubenblau. Die Stickerei in der Taile war nicht ganz so edel, dennoch sehr kunstvoll gearbeitet mit dunkelblauen und naturfarbenen Fäden. Nach dem Überstreifen ordnete sie den Faltenwurf an Hals und Armen, wollte sie doch heute ohne Mantel das Haus verlassen, auch wenn es ungewohnt für sie war. Ihre Sandalen waren nicht mehr die Neuesten, doch glänzten sie von dem regelmäßig aufgetragenen Olivenöl und waren dadurch vor Schmutz und Wasser geschützt. Zu guter Letzt verstaute sie ihre Utensilien zurück in ihr Bündel, was jetzt ihre komplette Habe barg. Auch ihren leerer Geldbeutel lag dabei, den sie sonst sorgsam in ihrer Manteltasche trug, um nicht bestohlen zu werden.
    Den Mantel über den Arm schiebend und das verknotete Bündel in die Armbeuge, betrachtete sie sich ein allerletztes Mal, den Blick auf den Boden gelenkt. 'Du siehst gut aus Rachel, straff die Schultern und nimm den Kopf hoch.' Worte die sie lange nicht gehört hatte und dennoch gut kannte. Ein glückliches Lächeln zierte ihr Gesicht, als sie sich an die alte Frau erinnerte, die sie wie eine Mutter in ihrem Haus aufgenommen und zu dem erzogen hat, was sie heute ist. 'Nun aber los, du wirst erwartet.'