Beiträge von Tiberia Lucia

    Canus schaltete sich in die für Lucia leicht anstrengende, aber doch spannende Unterhaltung ein und seine nüchterne Enthüllung der Namen brachte Lucia unwillkürlich zum Schmunzeln. Das verstärke sich nur noch durch die Reaktion des Iuniers. Um die amüsierte Krümmung ihrer Mundwinkel zu verbergen, hob Lucia eine Hand an den Mund, doch man konnte ihre Belustigung noch deutlich an ihren Augen ablesen.


    Sie hatte die anstehende Durchsuchung beinahe vergessen, bis sie so nett wieder daran erinnert wurde. Ihre Augen verloren ein wenig ihren erheiterten Glanz und sie verschränkte defensiv die Arme vor der Brust. Schon wieder dieses unverschämte Grinsen, das auch noch von den Worten Canus‘ bestätigt wurde! Das Augenzucken des Iuniers kommentierte sie mit einem wenig damenhaften Laut, den man wohl am besten mit einem gegrummelten „Hrrrmpf!“ umschreiben konnte. Doch da sie ja nun wusste, dass es sein musste, wehrte sie sich natürlich nicht.

    Mit einer so trockenen Erwiderung hatte Lucia nicht gerechnet, sie war viel zu begeistert davon gewesen was in ihren Augen Passendes sagen zu können. Mit leicht geöffnetem Mund blickte sie vom für sie noch Namenlosen zu Canus, der sie mit seinem breiten Grinsen wieder zu einer Antwort anstachelte. Doch diesmal fehlte ihr ein wenig der Wortwitz: „Na, immerhin etwas. Dass von ihr geredet wurde, das hört man als Frau doch tatsächlich ganz gerne.“ Sie glaubte zwar nicht, dass da so viel Gutes dabei gewesen war, aber wenigstens hatte sie irgendetwas erwiderte. „Wem würden wir denn die netten Grüße schicken?“ Lucia hoffte ihre neugierige Frage zumindest durch die übertriebene Betonung ein wenig ins garstige gezogen zu haben.
    Manlia ließ sich unterdessen bereitwillig durchsuchen, warf Canus sogar einen schelmischen Blick gefolgt von einem Zwinkern zu. Sie amüsierte sich grade über ihre ‚Kleine‘ und wie sie sich so tapfer schlug.

    Es war und wird wohl immer ein Klischee sein: Als Frau kommt man grundsätzlich ein wenig zu spät. Auch wenn man von einem Sklaven zum Essen gebeten wurde, hieß das noch lange nicht, dass man sofort mitkommen konnte! Lucia hatte an sich nichts gegen dieses Gerücht einzuwenden; es war viel zu praktisch, wenn man noch ein letztes Mal Hand an Frisur oder Make-Up anlegen wollte. Von dem kompletten Wechsel der Kleidung mal ganz abgesehen, immerhin wollte sie nur den besten Eindruck machen (und möglichst kein Kleidungsstück aus der großen Truhe umsonst mitgenommen haben). Wenigstens diesmal hatte sich auch dieses weitere Klischee bewährt: Wenn Lucia nicht so viel Gepäck mitgenommen hätte, wäre sie aufgrund von dem Schmutz da draußen wohl schon in arge Bedrängnis gekommen. Aber welche Frau nahm nicht mindestens fünf verschiedene Garderoben für ein, zwei Tage mit? Heute hatte sie nun ihre dritte Aufmachung angelegt, dieses Mal die Zarteste von denen die sie mitgebracht hatte. Allein schon vom Gewicht des Stoffes machte es einen so großen Unterschied zu der vorherigen, dass Lucia glaubte in den Raum zu schweben. Das einzig schwere an der Kleidung schien der breite bestickte Gürtel zu sein, der Lucias Taille betonte und das Prunkstück des ganzen Aufzugs war.


    Um auf das erste Klischee zurückzukommen: Lucia war nicht weiter überrascht ihren Bruder schon vor Ort anzutreffen, das war sie gewohnt. Aber war sie tatsächlich die Letzte? Doch dieser Gedanke wurde gewaltsam von dem Eindruck des Zimmers verdrängt. Wer auch immer das hier eingerichtet hatte, verstand nicht allzu viel davon! Die Wandbehänge erzählten keine zusammenhängende Geschichte, waren farblich unbedacht nebeneinander platziert und wirkten alles in allem eher… unüberlegt arrangiert. Lucias Blick schweifte durch den Raum und ihr Eindruck schien sich in jedem Möbelstück zu bestätigen. Lediglich die Kohlebecken stießen bei ihr auf Wohlwollen, da ihr in ihrem dünnen Stöffchen doch etwas kühl war. Nachdem sie die erste Wirkung des Zimmers überwunden hatte, versuchte sie sich höflicherweise nichts anmerken zu lassen. Sie setzte ihr Standart-Lächeln auf und trat still an die Seite ihres Bruders.

    Als selbstverständlich würde Lucia diese Aktion nun so überhaupt nicht bezeichnen. Wer sprang schon für ein Stück Stoff in den so unberechenbaren Ozean? Was wenn Neptun gerade in diesem Moment entschied mit seinem Dreizack in den Wellen zu rühren? Als Schwimmer in diesen riesigen Fluten war man doch noch ausgelieferter, als auf einem Schiff, welches wenigstens vor der Fahrt dem Gott ein Opfer brachte.


    Umso eindrucksvoller war die ganze Aktion. Zwar war sich Lucia noch nicht ganz im Klaren, ob sie diese nun beeindruckend oder beeindruckend dumm gewesen sein mochte, doch das sei mal als unwichtig dahingestellt.


    Da Decimus, wie Lepidus ihn nannte, schon angeboten hatte den Schal mit hineinzunehmen, blieb Lucia nicht mehr viel anderes übrig, als bestätigend zu den Worten ihres Bruders zu nicken. Der Witz an der ganzen Sache ging ihr leider gänzlich ab, da sie viel zu verwirrt von sich selbst war und ihre Gedanken lieber zuerst sortieren wollte. So fiel ihr auch erst später auf, dass sich der Decimer nicht wirklich vorgestellt hatte.

    Flaminina stimmte Lucias Vorschlag zu. Das freute die junge Patrizierin mehr, als sie es zugeben wollte. „Dann wollen wir mal!“, sprach sie auch sogleich tatkräftig. „ ich hab ja nun schon einen kleinen Vorsprung, durch den grünen Stoff, aber lass dir ruhig Zeit! An diesem Stand gibt es so viel zu entdecken!“ Das meinte Lucia ganz genauso wie sie es sagte. Dieser Stand gehörte zu den bestausgestatteten in ganz Rom, zumindest hatte Manlia das ihrer Freundin versichert und was das Einkaufen anging vertraute Lucia der älteren voll und ganz. Natürlich war dies auch mit einer der teuersten, aber Qualität hatte nun mal ihren Preis. Die beiden trennten sich also, so gut es an diesem Stand nun mal ging und der Händler hatte seine liebe Not zu entscheiden, wen der beiden Frauen er nun beraten sollte. Lucia war zwar die offensichtlich kaufkräftigere Kundin, aber wenn die andere Dame für die Patrizierin aussuchte, musste er sich wohl an diese halten. Doch eigentlich sollte sein Gehilfe mit dieser jungen Dame genauso gut zurechtkommen wie er. So kam es, dass Flaminina von einem geschwätzigen jungen Kerl einen Stoff nach dem anderen vorgelegt bekam, während Lucia sich weiter mit dem Verkäufer herumschlagen durfte.
    Es dauerte nicht allzu lange, da hatte sich Lucia schon entschieden: Es würde zum einen der grüne Stoff werden, dann ein recht schwerer, tief blauer, der sanft schimmerte und zu guter Letzt doch noch ein angenehmer Braunton, da Lucia überzeugt davon war, dass dieser zusammen mit einer goldgelben Borte ihrer Freundin wunderbar stehen würde! Zufrieden ließ sie den Händler die Stoffe bereitlegen und schielte neugierig zu der Decima herüber. Sie war schon furchtbar gespannt, was diese ihr wohl präsentieren würde!

    „Salve“, grüßte Lucia zurück und schalt sich schon eine Närrin. Offensichtlich hatte sie sich getäuscht… die Wachen schienen sie nicht zu kennen, warum sonst sollten sie nach ihren Namen fragen? „Tiberia Lucia und Manlia Laeva, wir wollen zur staatlichen Lotterie.“ Doch diese Soldaten sahen nicht nur alle gleich aus, sie verhielten sich auch alle gleich! Dieses Lächeln mit dem dieser Canus auf sie zukam gefiel Lucia nicht im Geringsten! Sie wollte dem Mann schon einen vernichtenden Blick zuwerfen, als der Sprecher sich doch als einer vom letzten Mal zu erkennen gab. Manlia setzte zu einer Antwort an doch Lucia war – auch für sie selbst überraschend – schneller: „Natürlich, wir haben dich extra abgepasst! Welche Frau wird denn nicht gerne wie Frischfleisch angestarrt?“ Ihre Stimme troff nur so von Ironie. Dann schien ihr jedoch etwas aufzufallen. Sie musterte das Gesicht der Wache ein zweites Mal und runzelte kurz die Stirn. „Wobei… ich glaube dein Kollege war darin noch ein wenig besser als du, vielleicht hätten wir besser auf ihn warten sollen?“ Wo kamen all diese Worte denn her? Normalerweise hatte Lucia das Gefühl immer erst im Nachhinein zu wissen, was sie hätte sagen können. Doch die Worte die da aus ihrem Munde purzelten, gefielen ihr außerordentlich gut!

    Lucia hatte beim besten Willen nicht damit gerechnet, wie sehr man sich doch in diese Ziehung hineinsteigern konnte! Am Tag wo das Ergebnis ausgehängt wurde war sie die ganze Zeit angespannt, ja hibbelig, gewesen. Nicht eine Sekunde der Langeweile hatte sie an diesem tag gequält! Leider war es ja nicht ihre Zahl gewesen und darauf hatte sie es eigentlich beruhen lassen wollen. Doch als Manlia nach ihrem wöchentlichen Besuch der Therme vorsichtig nachfragte, ob Lucia denn noch einmal Lust hätte, sagte die junge Frau nicht nein.


    So kam es dass die Beiden, wie beim letzten Mal, in ihrer Sänfte bis vor die Porta gebracht wurden. „Wirst du wieder die gleiche Zahl nehmen?“, fragte Manlia beim Austeigen neugierig, worauf Lucia nur mit den Schultern zucken konnte. „Weiß ich noch nicht. Aber ich bin mir sicher, wenn ich eine andere nehmen würde und meine ursprüngliche dann gezogen würde…“ Lucia schüttelte den Kopf. „Das würde mich doch zu sehr ärgern! Also wird es wohl auf das gleiche hinauslaufen, ja.“ Die Frauen schlenderten auf die Porta zu und Lucia musterte die Wachen argwöhnisch. Waren es dieselben wie beim letzten Mal? In diesen Rüstungen sahen doch alle Männer gleich aus! Sie konnte es beim besten Willen nicht sagen. „ich denke, ich werde eine andere Zahl probieren. Vielleicht hatte der Mann das letzte mal ja doch Recht... Ich werde mir irgendwas zwischen 31 und 45 aussuchen.“ Lucia nickte nur, konnte ihren Blick nicht von den Wachen lösen, zumindest einer schien ihr bekannt vorzukommen, doch sie war sich nicht sicher.

    Betrübt schaute Lucia ihrem Schal nach, der war wohl genauso unwiederbringlich verloren wie ihre Schuhe. Nie im Leben hätte sie mit dem gerechnet was dann folgte! Einer der Fischer sprang doch tatsächlich ins Wasser und schien ihrem Schal nachzuschwimmen, während das Boot machte was es wollte und ein weiterer unfreiwillig im Wasser landete. Im ersten Moment hatte Lucia das Gefühl nicht hinsehen zu können und bedeckte ihre Augen mit einer Hand. Doch ihre Neugierde siegte und sie lunzte zwischen ihren Fingern hindurch und beobachtete gespannt das geschehen, das ihr Schal da unten in Gang gesetzt hatte. Sie schwankte zwischen Heiterkeit und Scham, doch ersteres gewann dann doch die Oberhand, als Lepidus so herzlich neben ihr zu Lachen begann.


    Das ganze wurde ihr dann doch wieder peinlich, als der Mann mit ihrem Schal um die Wette tropfend vor ihnen stand. Ihr Bruder und der Mann kannten sich? Sie spürte die Röte in ihre Wangen steigen und senkte rasch den Blick. „Ja, er gehört mir. Ich danke dir!“, sprach sie leise und blickte den Mann mit einem verlegenen Lächeln an. Die Befürchtung, dass der Schal ob des Salzwassers flecken bekommen könnte und damit so wie so ruiniert sein könnte, behielt sie lieber für sich. Dann hätte sich dieser Decimus am Ende ganz umsonst in die Fluten gestürzt und das wollte sie ihm nicht antun. „Ja bitte, zieh etwas Trockenes an!“, stimmte sie ihrem Bruder zu. „Ich könnte mich nicht über die Rettung meines Schales freuen, wenn du dafür krank werden würdest!“ Die Worte waren heraus ehe Lucia zweimal darüber nachdenken konnte und jetzt klangen sie grässlich schwärmerisch in ihren Ohren. Aber man traf auch nicht jeden Tag jemanden, der sich in die Fluten warf, nur um ein geliebtes Kleidungsstück zu retten. Lucia würde es nie zugeben, aber irgendwie hatte sie diese närrische Aktion beeindruckt.

    „Der Stoff hat etwas, den müssen wir uns auf jeden Fall merken!“, stimmte Lucia ihrer übermütigen und schnellentschlossenen Begleiterin zu. „Doch lass uns doch sehen, was der gute Mann sonst noch so zu bieten hat. Ich könnte mir an dir auch ein sattes blau mit einer silbrigen Borte vorstellen!“ Lucias Phantasie malte ihr grade die tollsten Bilder, was man nicht alles an der dunkelhaarigen jungen Frau an ihrer Seite ausprobieren könnte. Sie selbst trug meist helle und weiche Farben, weil das einfach viel besser zu ihren blonden Haaren und hellen haut passte, doch Flaminina konnte mit ihren Teint Lucias Meinung nach eigentlich alles tragen. Ein wenig Eifersucht kam schon in der jungen Tiberia hoch, doch sie lenkte sich sogleich mit der Ware um sich herum ab. „Ich hab eine Idee, ich suche für dich drei Stoffe aus, aus denen du dann einen wählst und du suchst drei für mich aus.“ Dieser Einfall war Lucia ganz spontan gekommen, doch es kam ihr als eine gute Idee vor. Da würde sie auch gleich erfahren was andere dachten dass ihr stehen konnte. Der Händler rieb sich indes verstohlen die Hände. So wie das klang würde er heute gut verdienen! Lucia merkte von den gierigen Augen, nicht nur des Händlers sondern auch aus dem Getümmel, nicht das Geringste. Sie war grade viel zu sehr in ihrem Element!

    Dieser Germanicus schien eine äußerst rechtschaffende Person zu sein. Zumindest bekam Lucia ob seiner Worte diesen Eindruck. Es war verlockend eventuell doch noch Nein zu sagen, aber das brachte sie dann doch nicht über sich. Gerade nachdem Dives sie so groß angekündigt hatte… und außerdem wollte sie doch ohnehin irgendeiner Factio beitreten, dann hatten halt die Götter für sie enschieden! Also sammelte sie sich und sprach klar und deutlich:


    „Ich fühle mich geehrt dieser ehrwürdigen Factio beitreten zu dürfen.“


    Sie schenkte sowohl Germanicus als auch Dives ein strahlendes Lächeln und fragte sich gleichzeitig was sie nun tun sollte. Sie hätte sich vorher wirklich besser über die Gepflogenheiten bei solchen Treffen informieren sollen! Ein ihr unbekannter Mann erlöste sie, indem er selbst zu reden begann. Doch was dieser erzählte ergab für sie keinen Sinn, warum sollte man ein Geschäft absichtlich ins Nichts führen? Sollte man nicht viel eher versuchen es zu retten? Bis auf die Führung eines Haushaltes hatte Lucia jedoch keinerlei Erfahrung in geschäftlichen Dingen, vielleicht war das ja so üblich...

    Die junge Tiberia indes hing noch immer ihren leicht beleidigten Gedanken, bezüglich des alten Aeliers, nach. Jetzt wurde der auch noch Ehrenmitglied… Sie hatte natürlich keine Ahnung, was der Mann geleistet hatte oder nicht, aber im Moment konnte sie ihm diese Ehrenmitgliedschaft aus reinem Trotz nicht gönnen. Da tat der auch noch so überrascht und verlegen! Kaufte sie ihm das so nicht ab, die hatten das doch sicher vorher abgesprochen! Germanicus redete weiter, irgendwas über fehlende Lenker, so gut konnte… ach Lucia, bleib lieb! Sie atmete abermals tief durch, schloss kurz die Augen und sprach stumm mit sich selbst. Reiß dich zusammen! Du musst hier schließlich auch die Tiberier repräsentieren, also Kopf hoch, Lächeln an! Sie öffnete wieder die Augen und schaffte es ihre Aufmerksamkeit auf den nun sprechenden Dives zu lenken. Seinetwegen war sie ja auch hier und Lepidus wollte sicher ganz genau wissen, was dieser so alles getan hatte.


    Auf die nette kurze Dankesrede und dann schaute Dives Lucia so komisch an. Finanzen, Kontakte? Sie ahnte etwas… Nein, da kam auch schon die ausgestreckte Hand! Deutete er, oder wollte er dass sie vorkam? Lucia lächelte möglichst selbstsicher in die Runde, grad so als wäre auch das hier geplant. Auch wenn sie sich immernoch überrumpelt fühlte, jetzt konnte sie wohl erst recht nichts mehr dagegen tun. Doch was wollte Dives nur von ihr, sollte sie etwas sagen? Sollte sie nach vorne kommen? Lucia hatte überhaupt keine Ahnung was nun zu tun war. Zögerlich trat sie ein paar Schritte auf Dives zu und lächelte tapfer weiter. Er würde es schon direkt aussprechen, wenn sie etwas sagen sollte, so beschränkte sie sich einfach darauf hübsch auszusehen, das konnte sie.

    „Nein, das kann nicht sein. Das hat sie nicht wirklich gemacht!? Aber da würde doch sicher ihr Mann…“ „Aber der hat doch überhaupt keine Ahnung davon, wie auch? Die meisten Männer haben doch die Aufmerksamkeitsspanne einer Fliege!“ „Aber dennoch, er muss doch was argwöhnen!“ „Ich versichere dir, er hat nicht den Hauch einer Ahnung! „Nicht zu fassen…“


    Auf dem Weg hinaus kamen die beiden Frauen natürlich nocheinmal an den Wachen vorbei. Bis knapp vor der Porta plapperten sie fröhlich, doch am Tor selbst verstummten sie. Manlia fixierte den unverschämten und hob auch nocheinmal drohend den Fächer, während Lucia ihr bestes tat die Wachen einfach zu ignorieren. Wenn es nach ihr ginge, würde sie so bald nicht wieder herkommen!

    Wenn dieser Mann jedem diesen Tipp gab, war es vielleicht doch besser Zahlen unter 32 zu nehmen. So oder ähnlich könnten die Frauen gedacht haben. Oder sie hatten sich wie Lucia schon vorher entschieden und wollten das Ganze nur schnell hinter sich bringen.
    Als dann endlich das entscheidende Wort ‚Notiert‘ kam, lächelt Lucia erleichtert und komplimentierte sich und Manlia, die wohl noch gerne weiter mit dem genervte Mann geschäkert hätte, aus dem raum hinaus.


    „Ah, endlich, erinner mich daran dir das nächste Mal abzusagen. Wir gewinnen doch ohnehin nichts und dafür dieser ganze Aufwand?“ „Ach, komm schon, so schlimm war es nicht, ich finde es hat Spaß gemacht. Was wäre das Leben denn ohne ein paar Schwierigkeiten?“

    Dass sich Flaminina so bereitwillig auf ein Umstyling einließ, freute Lucia ungemein. Sie liebte es mit Stoffen, Farben und allem anderen umzugehen und wenn sie das auch noch auf eine lebende Person übertragen konnte, umso besser! Gerade Flaminina, die in ihrem Aussehen so gegensätzlich zu dem Lucias war, das würde ein Spaß werden! Als ihre neue Freundin sie dann auch noch nach ihrer Meinung bezüglich ihrer Farbe fragte, war Lucia kaum mehr zu bremsen: „Diese Gelbtöne stehen dir auch sehr gut!“, bestätigte sie Flaminina zunächst einmal. „Aber sie lassen dich doch ein wenig kindlich wirken. Ich glaube wir sollten es mit einem satten, dunklen Grünton versuchen, ja Grün vielleicht mit einer Goldgelben Borte. Oder einer Palla (dieses ‚Kopftuch‘ der Römerinnen) in einem helleren Grünton. Wir könnten auch Beige oder Braun ausprobieren, aber die wirken recht schnell bäuerlich. Ach, warten wir doch lieber ersteinmal ab, was es momentan zu kaufen gibt.“ Sie schenkte Flaminina ein vorfreudiges Lächeln.


    Nicht viel später waren sie auch schon an dem besagten Stand angekommen. Auf einem niedrigen Holzpodest unter einem bunten Segeltuch gegen Sonne und Regen, waren mehrere Auslagen nach innen ausgerichtet. An der Seite und dem ‚Rücken‘ des Standes schützten halbhohe Bretterwände, gefolgt von weisem Segeltuch die Ware vor gierigen Händen, nervigem Wind und Straßendreck. Man konnte als fast von einem kleinen Raum sprechen, in den man eintrat und in dem man von den wunderbarsten Stoffen umgeben war – ein Paradies! Kaum dass die jungen Frauen eingetreten waren, still und leise gefolgt von Sekunda, begrüßte sie auch schon der Händler freudig: „Meine Damen, eine Ehre! Sie beehren ihren demütigen Diener erneut, welche Freude!“ Offensichtlich war Lucia nicht zum ersten Mal hier und schien bei den vorherigen Malen eine gute Kundin gewesen zu sein. „Wie kann ich heute behilflich sein? Vielleicht eine Palla aus reiner Seide, passend zu ihrem wunderbaren Gewand, oder doch lieber Stoff für ein noch prächtigeres Kleid?“ Lucia musste Schmunzeln und verlangte: „Zeig uns, was du an grünen Stoffen hast! Meine Freundin hier möchte eine neue Gaderobe!“ Der Händler musterte Flaminina kurz und bemerkte mit Sicherheit auch den Unterschied zu Lucia, doch da die junge Frau in Begleitung der Patrizierin war vertraute er wohl darauf dass schon irgendwer zahlen würde. „Bitte gerne! Hier drüben haben wir einen sanft schimmernden dichtgewebten, aber doch leichten Stoff, dieses Mintgrün würde die perfekte Haut der jungen frau noch besser zur Geltung bringen!“ Lucias Gesichtsausdruck war nicht grade begeistert und der Händler fuhr rasch fort: „Vielleicht doch lieber etwas dunkleres?“, ein kurzer sich versichernder Seitenblick zur schon zufriedener wirkenden Lucia und er wagte es weiter zu sprechen: „Ein Stoff, fast wie samt, fühlen sie ruhig! Er umschmeichelt sie wie eine Wolke und das Moosgrün würde die hübschen dunklen Augen der jungen Domina noch besser in Szene setzen!“ Lucia griff nach dem Stoff und bewegte das Fabrikat zwischen ihren Fingern, es war tatsächlich wunderbar weich, fragend sah sie zu Flaminina, was hielt sie davon?

    Flaminina hielt wohl auch nicht viel von persönlichem Raum, stellte Lucia überrascht fest, als diese ihr unvermittelt ins Ohr flüsterte. „Das mag stimmen.“, gab Lucia ihr nach und lächelte schwach. Ohne Calena… es würde mit Sicherheit interessant werden! Immerhin war Flaminina sofort von Lucias Idee begeistert und ihr Lächeln wurde selbstzufrieden.


    Die Einwände ob der Kosten wischte Lucia mit einer Handbewegung weg. „Lass das mal meine Sorge sein!“, tat sie großspurig, obwohl ja auch sie ein beschnittenes Budget hatte. „Du gibst dein Geld am besten an Sekunda weiter, sie wird dann das Zahlen übernehmen. Sollte etwas übrig bleiben bekommst du es selbstverständlich zurück.“ Wie aus dem Nichts trat die alte Sklavin zu den beiden jungen Frauen und verneigte sich vor Flaminina „Domina Decima.“, grüßte sie die junge Frau und war bereit das Geld entgegen zu nehmen.


    Lucia sprach indes schon weiter: „Diese beiden hier werden uns auch noch begleiten, zum einen zu unserem Schutz, zum anderen um unsere Einkäufe zu tragen.“, bei den letzten Worten zwinkerte Lucia ihrer ‚Freundin‘ schelmisch zu, während zwei große, kräftige aber doch recht tumb wirkende Sklaven hinzutraten.


    „Fangen wir doch gleich mit den Stoffen an! Dort drüben gibt es einen hübschen kleinen Stand, der erstaunliche Farben zu bieten hat!“ Schwesterlich, auch wenn sich Lucia dabei ein wenig komisch vorkam, hakte sie sich bei Flaminina unter und führte sie in die eben von ihr gezeigten Richtung.

    „Ich kann dir gerne all die Geschichten wiederholen, die Manlia mir erzählte, wobei ich nicht einmal bei der Hälfte glaube, dass sie tatsächlich so passiert sind!“, beantwortete Lucia ebenso scherzhaft die Frage ihres Bruders, wie man wohl ein Frauenheld würde. Hätte es sich dieser Duccius nicht ebenfalls anmerken lassen, wenn er sie kannte? Lucia zumindest hatte davon nichts mitbekommen, aber vielleicht hatte ihr Bruder ja Recht. „Vielleicht tut er das, ja.“, bestätigte sie ihn zunächst, um dann die Schultern zu zucken. „Vielleicht hofft er auf mehr?“ Die Gründe für diese Einladung konnte sie wohl noch weniger erahnen, als ihr Bruder, wusste sie ja noch nicht einmal wie viel dieser gespendet hatte.


    Der Wind wurde rauer, je näher sie dem Strand kamen und Lucia flatterte ihr Schal um die Ohren. Entnervt zupfte sie ihn zurecht, was jedoch nicht lange zu halten versprach. „Lass mich raten, was es zum Abendessen geben wird!“, sprach sie mit einem schiefen Lächeln, auf seine Beobachtung der Fischer. Eher weniger interessiert ließ sie ihren Blick über die Männer schweifen, musste dann aber zugeben dass diese markigen Burschen durchaus etwas hatten, das einem Mädchen gefallen konnte. „Dafür können sie wohl nicht viel anderes.“, erwiderte sie aber ziemlich herablassend, um ihren Bruder von ihrem eigentlichen Eindruck von den Männern abzulenken. Da flatterte Lucia der Schal wieder ins Gesicht. Sie riss ihn die falsche Richtung weg, der Stoff verlor jeden Halt und Lucias reflexartiger Versuch ihn doch noch einzufangen ging daneben. „NEIN!“ Lucias Aufschrei klang wie Entsetzen und Resignation zugleich. Das durfte doch nicht wahr sein! Ihr schöner Schal flog fröhlich durch die Lüfte und tänzelte parallel zur Küstenlinie davon. „Erst meine Schuhe, nun mein Schal. Diese Insel kann mich nicht leiden!“, beschwerte sich Lucia weinerlich.

    Was ein gemeiner Kerl ihr Bruder doch sein konnte! Lucia musste dennoch darüber lachen und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Nein, so wie Drusilla würde sie sicher nicht werden! „Natürlich ist der Duft hervorragend! Wenn ich schon viel ausgebe, dann nur für Qualität!“, verteidigte sich Lucia, denn in letzter Zeit hatte ihr Bruder recht häufig ihre Ausgaben vorgeworfen. Sie wusste ja selbst, dass es seit sie wieder in Rom war zugenommen hatte, aber sooo schlimm war es auch nicht.


    Wieder draußen, umweht von diesem salzigen Meeresduft, überprüfte Lucia vorsichtshalber nochmal die Höhe ihres Saums, ehe sie sich vollständig auf den Spaziergang einlassen konnte. An sich hatte die Insel eine raue Schönheit, die nicht zu verachten war… doch irgendwas störte Lucia hier gewaltig. Sie konnte den Finger nicht drauf legen, was es war, vielleicht lag es wirklich nur am Wetter oder ihren Schuhen vorhin, aber irgendwas an diesem Eiland störte sie. Als ihr Bruder sie dann auf den Senator ansprach, blickte sie ihn überrascht an: „Das hast du bemerkt? Ich bin beeindruckt! Das seltsame ist, dass ich nur das Gefühl habe ihm schon einmal begegnet zu sein, aber ich weiß beim besten Willen nicht wo das gewesen sein könnte.“ Lucia legte die Stirn in Falten und versuchte abermals angestrengt sich zu erinnern, doch die Erleuchtung blieb aus und sie schüttelte den Kopf. „Ich komme einfach nicht drauf! Es ist zum verrückt werden! Aber vielleicht hat mir Manlia auch einfach zu viele Klatschgeschichten über ihn erzählt… Auf den ersten Blick wirkte er ganz genau wie der Frauenheld, vor dem sie mich gewarnt hat. Aber das hat sich auf dem Weg zur Villa gegeben. Vielleicht hab ich auch nur meine Erwartungen aufgrund der ganzen Geschichten auf ihn projiziert und deshalb das Gefühl gehabt ihn zu kennen.“ Lucia tat grad ihr Bestes sich selbst dieses komische Gefühl zu erklären, doch es wollte sie nicht so wirklich überzeugen. Ihr Blick schweifte in die Ferne über das Meer, als hoffte sie dort zu sehen, woher sie diesen Duccius kannte – ob sie ihn kannte.

    Die Erklärung war jetzt wirklich alles andere als befriedigend… Vorschrift. Das klang so als ob sich der Herr hier nur ungern selbst seine Gedanken machte! Aber wenigstens ging es jetzt voran! Lucia und Manlia bezahlten brav den geforderten Einsatz, wobei Manlia dabei munter weiter plapperte: „Ach herrje, was nehme ich denn da? Ich könnte die 3 nehmen, immerhin habe ich so viel Kinder, oder ich nehme die 19, so lange bin ich schon mit meinem Mann verheiratet. Oder soll ich doch lieber die 32 nehmen, das eigene Alter wird einem doch Glück bringen oder?“ Lucia sah Manlia leicht verwundert an: Da hatte die Gute sich wohl ein wenig jünger gerechnet, als sie tatsächlich war, hm? Lucia schätzte sie eher auf Ende dreißig, aber das tat man einer Freundin natürlich nicht an, dass man solche Zweifel in der Öffentlichkeit äußerte!
    Milde Lächelnd schüttelte die junge Frau den Kopf und nannte dem Mann schlicht und einfach die Zahl, welche sie sich herausgesucht hatte. Nach einigem weiteren Hin und Her hatte sich dann schließlich auch Manlia entschieden und auch ihre Wette konnten abgegeben werden.

    „Du tust ja grade so, als ob ich immer eine Duftwand um mich herum aufbauen würde!“, erwiderte Lucia ebenfalls mit einem Lächeln. „Ich bin nicht Großtante Drusilia!“ Diese Kindheitserinnerung war zwar schon etwas verblasst, doch diese Parfümwolke um die ältere Dame würde Lucia wohl nie vergessen! Kurzentschlossen griff Lucia nach dem Lavendel-Flakon und tupfte sich mit dem Glasstäbchen je einen Tropfen auf die Innenseite ihrer Handgelenke und mit den Fingerspitzen noch ein kleines bisschen davon hinter jedes Ohr – fertig!


    Sie stand auf, trat zu ihrem Bruder und wedelte mit den Händen, damit er mehr von ihrem Duft wahrnehmen konnte. „Zufrieden?“, fragte sie selbstsicher, noch nie hatte sich jemand bei ihr über ihren Geruch beschwert! Sekunda legte Lucia geübt den Mantel um die Schultern und weil sich die junge Frau grade nicht wehrte auch noch ein Tuch um den Hals. Immerhin war es draußen sehr windig!


    „Gehe wir lieber, bevor Sekunda noch auf die Idee kommt ich sollte mir lieber noch warme Socken anziehen!“, scherzte Lucia, hakte sich bei ihrem Bruder unter und wunderte sich selbst, wie schnell ihre Launen momentan wechselten. Oh nein… Sie überschlug die Tage im Kopf und wusste plötzlich, was ihr in drei Tagen wieder bevorstehen würde. Na wunderbar! Aber wenigstens würde sie dafür wieder daheim sein.


    Sim-Off:

    meinetwegen gerne, dauert nur noch ein bisschen ;)