Beiträge von Iunia Sibel

    Sie hatte es befürchtet. Anfangs war da nur der fragende Blick und die Verwirrung in seine Stimme. Dies änderte sich jedoch alsbald. Spätestens als er das Eine mit dem Anderen verband und ihm wirklich klar wurde, was die Lykierin da soeben von sich gegeben hatte, verhärteten sich seine Gesichtszüge. Auch seine Stimme gewann langsam an Schärfe. Ein vorwurfsvolles Entsetzen lag in seiner Frage. Wie konnte sie nur! Und dann dieses hektische Nachhaken, als hänge alles davon ab. Der Names des Tribuns… Iulius… Iulius Dives.


    Beroe schnappte nach Luft. Mit einer solch heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Dass er nicht darüber erfreut sein würde, hatte sie ja geahnt. Doch das? Ein Gedanke überkam sie, dass es doch besser gewesen wäre, hätte sie alles so belassen, wie es war. Das wäre am Unkompliziertesten gewesen, auch wenn es nicht die ganze Wahrheit gewesen wäre. Doch sie hatte es vorgezogen, dem zarten Pflänzchen ihres wiedergewonnenen Glücks den Garaus zu machen. Wieder füllten Tränen ihre Augen und rannen schon bald darauf ihre Wangen hinunter.
    „Ich habe deinen Namen nur geflüstert… aus tiefster Verzweiflung… Er muss es gehört haben und fragte mich danach aus. Ich war über mich selbst erschrocken und wollte noch etwas anderes entgegnen Doch dieser Tribun… ja, ich glaube, er hieß Iulius Dives…. Er hat mich so eingeschüchtert… und dann stellte er mich vor die Wahl: deinen Name und das, was du für mich bist gegen… meine Freiheit.“ Ihre Stimme war wieder so tonlos geworden, wie damals beim Verhör.

    „Nein, das ist nicht alles,“ antwortete sie. Avianus war nun hellwach. Ihm musste nun endlich bewusst geworden sein, das ihre Erlebnisse im Carcer noch lange nicht die Spitze des Eisberges gewesen war. Dass noch Schlimmeres im Verborgenen lauerte, auf dass er gefasst sein musste, ganz gleich wie es über ihn hereinbrach.
    Die erhoffte Umarmung war ausgeblieben, doch wenigstens hatte er ihre Hand ergriffen. Aber auch das half Beroe, auch noch das letzte Geheimnis zu offenbaren. Die Erinnerungen hatten sie eingeholt. Ihr eindringlicher Blick lag auf Avianus. Endlich fasste sie sich den Mut und erzählte weiter.
    „Eines Tages öffnete sich wieder die Zellentür. Ein junger eleganter Mann betrat die Zelle und fragte jede nach ihrem Namen und weswegen sie hier war. Als ich an der Reihe war, erregte ich anscheinend seine Aufmerksamkeit. Ich erzählte ihm, ich sei auf einer Versammlung der Christianer gewesen. Daraufhin wollte er die genaueren Umstände meiner Verhaftung erfahren. Ich sagte ihm, dass ich mich widersetzt habe, als einer der Urbaner mich vergewaltigen wollte. Dann haben sie mich in einen Verhörraum gebracht. Dieser Mann, er war der Tribun Sowieso, den Namen habe ich vergessen und zwei weitere Soldaten waren bei dem Verhör dabei. Sie haben mich beschimpft und der Lüge bezichtigt. Sie fragten mich immer und immer wieder. Aber ich konnte doch nichts anderes sagen, weil es doch schon die Wahrheit war. Irgendwann sagten sie mir, dass Rachel entlassen worden wäre… weil sie hier keine Leichen sammelten. Ich war wirklich am Ende, Aulus. Ich konnte nicht mehr. Und dann habe ich es gesagt… weil ich an dich denken musste, Aulus… An dich! ….Es ist mir einfach so rausgerutscht,… wirklich Aulus, Es tut mir so leid!“ Mit jedem einzelnen Satz ging ihr Atem schneller. Bis sie schließlich völlig aufgelöst war. Sie zitterte am ganzen Körper. In ihrem Blick spiegelte sich ein Mischung aus Scham und Sehnsucht und die Bitte, sie nun nicht fallen zu lassen.

    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/5c9hed8l.gif] | Mirjam [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Mirjam war erneut in ihrer Trauer um ihr einziges Kind versunken. Nachdem Rachel verschwunden war und nicht wieder kam, hatte sie bereits schlimme Vorahnungen. Doch als diese sich heute bei Beroes Besuch bestätigt hatten, grämte sie sich nur noch. Lediglich ihre Flucht aus der Taberna hatte etwas für „Abwechslung“ gesorgt. Aber nun, nachdem sie Avianus wieder erkannt hatte, war ihr Verlust wieder allgegenwärtig. Nach ihrem Gefühlsausbruch starrte sie nun ins Nichts und schien irgendwie abwesend zu sein. Sie hatte das Reden Elias´ kleiner Schwester Sarah überlassen. Lediglich bei der Nachfrage des Optios, ob sie beide Christianerinnen seien, streiften ihn ihre leeren Augen. Aber auch hierauf antwortete sie nicht.


    Auch bei Sarah konnte man anfangs bei dieser Frage eine gewisse Nervosität feststellen und da Mirjam schwieg, blieb es an ihr, zu antworten. Jedoch wollte sie ihren Glauben nicht verleugnen.
    „Ja, ich bin Christin. Aber Mirjam nicht. Sie hat sich noch nicht taufen lassen. Du musst sie bitte entschuldigen. Sie hat heute, kurz bevor ihr kamt, vom Tod ihrer Tochter erfahren. Auch ich bin noch ganz erschüttert. Rachel war meine Freundin.“ Die junge Frau begann ruhig zu erzählen, als wäre alles ganz selbstverständlich, was sie sagte. Ebenso ihr Gegenüber. Der Optio schien sich fast schon entschuldigen zu wollen, für die Übergriffe der Stadtwachen in den vergangenen Wochen. Er zeigte sogar Verständnis, was in Sarahs Augen sehr mutig von ihm war. Schließlich sprach er in Anwesenheit seiner Männer mit ihr.
    „Ich kann dir versichern, wir tun nichts, was gegen das Gesetz verstößt. Wer zu uns kommt, der kommt aus freien Stücken. Es stimmt, unsere Treffen finden meistens im Verborgenen statt. Doch das geschieht nur, um uns zu schützen. Denn schon oft waren wir üblen Anfeindungen ausgesetzt. Die Razzia war dabei ein trauriger Höhepunkt.“ Sarah schien bekümmert zu sein. Zwar war sie damals davongekommen, doch einige ihrer Freunde nicht. Manche von ihnen würde wohl nie wieder zurückkehren.
    „An dem Abend strömten viele unserer Geschwister zu der Versammlung. Einige Tage zuvor war ein Prediger aus Myra in Rom angekommen. Er hat übrigens hier bei Simon und Mirjam gewohnt. Er sollte an diesem Abend predigen. Weil ich aufgehalten worden war, kam ich zu spät. Ich sah nur noch, wie die Cohortes Urbanae den Keller stürmten und unsere Leute hinauftrieben. Ich bin dann wieder nach Hause gelaufen. Aber so wie ich hörte, haben sie viele von uns mitgenommen. Einige kamen in den nächsten Tagen wieder frei. Aber etliche kehrten nie wieder zurück.“ Die junge Frau hatte Tränen in den Augen. „Ich kann dir nicht genau sagen, wie viele von uns noch ünrig sind. Da kann dir vielleicht mein Bruder Elias weiterhelfen. Aber seit der Razzia sind wir noch vorsichtiger geworden, wie du dir vorstellen kannst. Manche trauen sich nicht mehr, zu unseren Versammlungen zu kommen, weil sie Angst haben. Deshalb sind wir vorhin auch weggelaufen. Auch wir hatten Angst. Aber das war falsch.“

    Ihr Liebster war bereits schon dabei gewesen, langsam hinüber in den Schlaf zu gleiten, als sie beschlossen hatte, ihm auch noch den letzten Rest ihrer Geschichte zu beichten. Vielleicht würde sie sich danach besser fühlen und er klarer sehen können. Vielleicht aber zerstörte diese Beichte auch alles, was zwischen ihnen war. Doch es war inzwischen eine ganze Menge, was sie miteinander verband. Und genau das ließ Beroe hoffen, dass er verstehen würde.
    Nun, da er wieder seine Augen aufgeschlagen hatte und ihr zärtlich über ihre Wange strich, hätte sie beginnen können. Doch dann zögerte sie wieder und küsste stattdessen seine Hand. Sie war noch immer so ausgehungert nach seinen Zärtlichkeiten und hätte am liebsten die ganze Sache wieder aufgeschoben. Sie wusste jedoch, dass dies nichts daran ändern würde. Außer dass es feige gegenüber ihm war.
    „Ich habe dir noch nicht erzählt, unter welchen Umständen ich wieder frei kam. Wieso sie mich gehen ließen..“, begann Beroe schließlich und wollte sich vorsichtig an die Sache herantasten. Sie wollte es ihm schonend beibringen. Stück für Stück, damit er nachvollziehen konnte, was und wie es geschehen war. „Ich weiß nicht, wie viele Wochen ich eingesperrt war, in der Dunkelheit. Jeden Tag mit der Angst leben zu müssen, dass sie mich holen und dass es mir so ergeht, wie den anderen Frauen, die in meiner Zelle saßen.“ Es fiel ihr nicht einfach, diese schlimme Zeit wieder vor ihrem inneren Auge auferstehen zu lassen. Es blieb ihr aber keine andere Wahl. „Doch niemand kam und fragte nach mir. Ich war mir nicht sicher, ob ich darüber froh sein sollte, dass sie mich vergessen hatten. Doch je länger ich da drinnen war umso mehr war ich davon überzeugt, dass ich dort sterben würde. Das ich eins werde, mit der Mauer in meiner Zelle. Da drinnen habe ich meine Hoffnung verloren und das war das Schlimmste.“ Dann schwieg sie. Sie brauchte einen Moment, bevor sie weiter erzählen konnte. Dabei hoffte sie, er würde sie in den Arm nehmen und damit sei dann alles gut.

    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Sarah, eine bisher unbescholtene junge Frau, die gerade erst die schlimmsten Momente in ihrem bisherigen Leben durchgemacht hatte, saß ganz in sich gekehrt mit am Tisch neben der Wirtin. Ihr schlotterten noch immer die Knochen, sobald einer der Urbaner an ihr vorbei ging oder sie sogar ansprach. Dies lag allerdings keinesfalls an ihrer klammen Kleidung, die vom Regen nass geworden war, sondern an ihrer Begegnung der „besonderen Art“. Bisher hatte ihr noch niemand zuvor ein Messer an die Kehle gehalten und gedroht, sie umzubringen, wenn sie nicht spurte. Nur ihre Gebete, die sie stumm an ihren Gott richtete, gaben ihr jetzt noch ein wenig Halt.
    Der Optio, der seine Befragung mit Mirjam begonnen hatte, schien ein wenig freundlich gesinnter zu sein, als jener Rüpel, der sie auf der Straße aufgegriffen hatte. Er begann über die Razzia zu sprechen, bei der auch einige ihrer Freunde verhaftet worden waren. Wie durch ein Wunder war sie damals der Stadtwache entkommen, weil sie sich verspätet hatte. Seitdem lebte sie, wie auch viele ihrer Geschwister in ständiger Angst, weiter verfolgt zu werden. Dabei waren sie doch alle nur friedliche Menschen, die niemandem etwas Böses wollten. Doch der römische Staat sah in ihnen eine große Bedrohung.


    Ihre Augen starrten auf die Tischplatte vor ihr. Sie war nur Mirjams Begleiterin gewesen, sonst nichts. Was hätte sie sagen können, wenn sie gefragt worden wäre? Eigentlich gar nichts. Sie hoffte nur, dass die Soldaten sie bald wieder gehen ließen.
    Sarah sah kurz auf, als Simon an ihr vorbeigeführt wurde. Der arme Mann war das beste Beispiel für die Gewalt, die gegen die christliche Gemeinde ausgeübt wurde. Dabei war er nicht einmal einer von ihnen. Genauso wenig wie Mirjam hatte sich Simon bisher noch nicht taufen lassen. Doch seit seiner Rückkehr aus dem Carcer sympathisierte er mit ihrer Gemeinschaft.
    Im vorbeigehen hatte der Wirt seiner Frau etwas zugeflüstert, was sie erst nicht verstanden hatte. Erst im Nachhinein wurde ihr klar, dass Simon den Optio angesprochen hatte. Mirjam wirke auf einmal wie ausgewechselt. Sie reagierte plötzlich ganz hysterisch und schrie den Optio an. Sarah erschrak und wäre am liebsten irgendwie eingeschritten. Sie konnte es doch nicht zulassen, dass sich Mirjam hier um Kopf und Kragen redete! Aber sie konnte nichts tun. Ihr angsterfülltes Gesicht prallte an der Wirtin ab. Mirjam war von Sinnen. Gleich würde man sie verhaften und Sarah auch noch dazu. Doch nichts dergleichen geschah. Mirjams Anfeindungen prallten an dem Optio einfach nur ab und brachten ihn auch nicht aus der Fassung. Das war wirklich seltsam!
    Statt Mirjam zu drohen oder seine Befragung noch zu intensivieren, wandte er sich nun an die junge Christianerin. Sarah, die eher schüchtern war, brauchte erst einen Moment, um sich zu sammeln, ehe sie auch nur irgendetwas sagen konnte.
    „Ich? Mein Name ist Sarah, Herr. Ich war nur hier, um Mirjam etwas zur Hand zu gehen.“

    Bei ihm zu liegen war die vollkommene Harmonie. Ihre Worte hatten dazu beigetragen, dass auch seine Sorgen um sie von ihm abfielen. Sie waren zusammen und hatten noch die ganze Nacht für sich. Bei beiden wollte sich langsam der Schleier der Müdigkeit ausbreiten. Nach allem was sie durchlebt hatten, diesen Augenblick des vollkommenen Glücks hatten sie sich redlich verdient. Doch Fortuna war sprunghaft. So schnell und unverhofft sie manchmal zu den Menschen kam, verschwand sie auch wieder und ließ diejenigen, die geglaubt hatten, es nun endlich geschafft zu haben, standen auf einmal wieder im Regen.


    Ja, sie hatte es gut hier. Bis vor wenigen Tagen hatte sie auch noch selbst fest daran geglaubt. Beroe hatte ihre Zweifel geschickt vor Avianus verbergen können. Vielleicht hatte sie sich einfach auch nur zu viel Sorgen gemacht, weil sie so oft schon in ihrem Leben schlechte Erfahrungen hatte machen müssen. Sie wollte ihre Probleme, die eben gerade erst am Horizont aufgetaucht waren, vor Avianus fernhalten. Jedenfalls solange, bis sie tatsächlich zur Bedrohung wurden.
    Dennoch gab es da immer noch eine Sache, die tief in ihrem Inneren an ihr nagte. Etwas, was sie auf später verschieben wollte, was ihr aber nun unablässig im Kopf herumschwirrte. Anfangs hatte sie sich eingeredet, den Abend nicht mit dieser letzten Sache zu vergiften, die noch zwischen ihnen stand. Doch nun, nachdem er glaubte, alles sei gut, konnte sie ihm diese „letzte ausstehende Wahrheit“ nicht länger vorenthalten. Selbst wenn dies das Ende ihrer Beziehung bedeuten sollte. Sie redete sich plötzlich ein, seine Liebe nicht zu verdienen, wenn sie nicht voll und ganz aufrichtig zu ihm zu sein.
    Beroe schlug ihre Augen auf, hob ihren Kopf an, so dass sie sein Gesicht sehen konnte und strich ihm sanft über den Arm. „Aulus, es gibt da noch etwas… was ich dir sagen muss,“ sagte sie leise, aber bestimmt.

    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/5c9hed8l.gif] | Mirjam


    Mirjams angsterfüllte Augen starrten in die Richtung des Optio. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Aber sie wusste ihn nicht recht einzuordnen. Außerdem war ihr nicht wohl dabei, als er alle nach draußen komplimentierte. Ein Trost war wenigstens, dass man ihrem Mann Simon nicht angetan hatte. Der junge Mann, der ihn stützte, wollte ihm nun dabei behilflich sein, nach draußen zu gehen. Im Vorbeigehen wandte sich Simon aber noch einmal an den den Optio, den gerade damit begonnen hatte, sein Frau und Sarah zu befragen. „Du und deine Hure, ihr habt nur Unglück über uns gebracht.“ Seine leise Stimme klang kraftlos und verbittert. Nur einen Moment lang hatte er in das Gesicht des jungen Mannes geschaut. Dann ging er mit seinem Helfer weiter.


    Die beiden Frauen hatten sich zwischenzeitlich an einen Tisch gesetzt. Ihre Ängste ließen langsam nach, nachdem der Optio angefangen hatte, mit ihnen zu reden. Er war ganz anders, als die Schergen, die vor etlichen Wochen die Razzia durchgeführt und Mirjams Mann mitgenommen hatten. Die beiden ließen sich von seinen Versprechungen einlullen, ihnen würde nichts geschehen, wenn sie kooperierten. Ja, das war leicht! Jetzt, da er auch noch bei ihnen am Tisch saß, waren sie sich sicher, ihm konnten sie vertrauen, denn er würde nicht zulassen, dass ihnen etwas geschehen.


    Doch dann vernahm sie die Stimme ihres Mannes. Ganz plötzlich verschwand die vermeintliche Sicherheit. Mirjam dämmerte es endlich. Sie zählte eins und eins zusammen und kam auf ihr ganz eigenes Ergebnis. „Du bist es!“, rief sie, als wäre sie von Sinnen. „Du! Du warst hier und hast mich nach deinem Mädchen gefragt! Sie war heute auch hier, kurz bevor ihr... SIE hat uns verraten! Sie hat meine Tochter auf dem Gewissen!“

    Hätte dieser Moment doch nur für immer und ewig sein können! So nah bei ihm in seinen Armen, seinen Herzschlag hören. nur sie beide und die Welt dort draußen konnte auf sie warten.Bei ihm fühlte sie sich geborgen, ganz gleich, was kam. Beroes Tränen trockneten wieder. Wenn er bei ihr war, dann vergas sie alles Schlechte, was ihr den Alltag erschwerte.


    Doch dann durchbrach Avianus das Schweigen. Seine Frage war durchaus berechtigt, denn im Prinzip verbrachten sie die gemeinsame Zeit während ihrer Arbeitszeit und für gewöhnlich hatte sie auch noch nach Sonnenuntergang zu tun. Bisher hatte sie sich wenig Sorgen darum gemacht, wie lange ein Mann bei ihr blieb, denn schließlich arbeitete sie ja für sich und musste nur einen Teil ihres Verdienstes abtreten. So war es zumindest, solange Morrigan hier das Sagen hatte. Nur war Morrigan nun aber nicht mehr da. Seitdem sich der eigentliche Besitzer des Lupanars bei ihr vorgestellt hatte, kamen ihr langsam Zweifel, ob Morrigans Regeln auch weiterhin Bestand haben würden. Beroe aber hätte es nicht übers Herz gebracht, ihren Geliebten nun einfach so fortzuschicken. Und selbstverständlich würde sie von ihm kein Geld verlangen!
    „Mach dir keine Sorgen. Normalerweise stellt hier keiner blöde Fragen. Jedenfalls bisher nicht,“ raunt sie ihm zu und begann mit ihren Fingerspitzen über die geschmeidige Haut seines Oberkörpers. „Die Frau, die mich hierher brachte, ist leider nicht mehr da. Und Greta, die sie vertritt, ist eigentlich sehr kulant und schaut über einiges hinweg.“ Die Lykierin fragte sich, ob sie Morrigan jemals wieder sehen würde, jetzt nachdem sie gefasst worden war. Sklavenhalter konnten zu ihren geflüchteten Sklaven unglaublich grausam sein. Das hatte sie selbst einmal miterleben müssen. Umso mehr war sie nun wegen der Begegnung mit dem Helvetier besorgt, der sie aus „Vorsichtsmaßnahmen“ praktisch zu seiner Sklavin machen wollte.

    Ihr Bericht ließ nun vollends seinen Zorn in sich aufkeimen. Es musste ihm sehr zusetzten, nun zu hören, dass es im Grunde seine Kameraden gewesen sein konnten, die dazu beigetragen hatten, was seiner Geliebten widerfahren war. Doch es lag nicht in Beroes Interesse, noch mehr Zwietracht zu säen oder gar auf Rache zu hoffen. Umso mehr erschrak sie, als Avianus plötzlich diesen Namen nannte, der sich förmlich in ihrem Gedächtnis eingebrannt hatte. Ahenobarbus – genauso hatten sie ihn gerufen. Und auch sein Äußeres würde sie nie wieder vergessen können.
    „Ja, ich glaube, er hieß Ahenobarbus. Und ja, er war kräftig und groß. Ob er dukles Haar hatte, kann ich nicht genau sagen. Dafür war es zu düster.“ Kaum hatte sie geantwortet, da bereute sie es bereits. Sie ahnte, dass es Avianus damit nicht bewenden lassen würde. Vielleicht hätte man das als Beweis seiner Liebe zu ihr interpretieren können. Beroe jedoch sah das ganz anders. „Aulus bitte! Bring dich wegen mir nicht in Schwierigkeiten. Nicht wegen mir!“ Sie hatte sich nun aufgesetzt, sah ihn mit einem sehr eindringlichen Blick an und beschwor ihn, nichts weiter zu unternehmen. Am Ende würde er sich damit nur selbst schaden. Und vielleicht würden sie sich dann niemals mehr sehen können.


    Er zog sie wieder zu sich her. Hoffentlich würde er sich ihrer Bitte erinnern können, wenn er wieder bei seinen Männern war. Beroe versuchte sich wieder zu entspannen. Er half ihr dabei, indem er sie streichelte. Dann begann auch er zu erzählen.
    Er hatte sie nach seiner Rückkehr tatsächlich gesucht. Er war zur Taberna gegangen und hatte sich auch ausgerechnet mit diesem Urbaner getroffen, der ihr damals nicht geholfen hatte. Als sie das hörte, meldete sich sofort ihr schlechtes Gewissen zurück. Wie hatte Beroe damals im Carcer nur einen Moment zweifeln können? Wie hatte sie sich einreden können, er habe sie vergessen können? Warum hatte sie nicht glauben können?
    Still rannen ihr die Tränen über die Wangen. Auch dann noch, als er weiter erzählte, glaubte sie, diese schreckliche Zeit noch einmal erleben zu müssen. Offenbar war er nur wenige Stunden später im Carcer gewesen, nachdem der Tribun sie hatte gehen lassen. Und dieser Optio, der ihr während der Befragung so zugesetzt hatte, hatte sich mit ihm einen bösen Scherz erlaubt.
    „Dann warst du nur wenig später nach meiner Entlassung im Carcer? Und sie haben dir gesagt, ich sei tot?“ Beroe schluchzte. Wenn sie ihm nun auch noch von ihrem Verrat erzählte, dann würde sie ihm damit doch einen weiteren Stoß in sein Herz versetzen. Aber sie durfte es ihm auch auf keinen Fall verschweigen! Aber wie sollte sie es ihm beibringen? Sie war in einer Zwickmühle gefangen.
    Vielleicht nicht heute, sagte ihr eine innere Stimme. Erzähl es ihm irgendwann später! Dieser Abend ist viel zu kostbar.
    Also legte sie wieder ihren Kopf auf seine Brust ab und lauschte dem Schlag seines Herzens, der sich langsam wieder zu beruhigen schien. So lag sie eine ganze Weile bei ihm und schwieg einfach. Auch wenn es noch so viel zu sagen gegeben hätte. Jedes weitere Wort aber hätte jetzt nur gestört. Sie wusste nun, was auch er durchgemacht hatte. Für ihn musste es auch der reinste Tartaros gewesen sein. Aber nun war alles wieder gut… War es das?

    Kommentarlos hörte der Iunier ihr zu. Scheinbar hatte er ihre Beweggründe akzeptiert, die sie dazu bewogen hatten, mit diesem einen Gast zu gehen. Auch wenn er sich für sie etwas besseres erhofft hatte. Beroe fragte sich insgeheim, wie enttäuscht er wohl von ihr war. Im Grunde musste sie ihn doch auf ganzer Linie enttäuscht haben. Er hatte ja noch keine Ahnung, was sie ihm noch alles beichten wollte.


    Wenigstens machte Avianus ihr keine Vorwürfe oder beschuldigte sie gar, mit den Christianern zu sympathisieren. Stattdessen schluckte er all seinen Ärger hinunter und warnte sie eindringlich vor diesen Leuten, die in seinen Augen nichts anderes als Unruhestifter waren. Natürlich war der Lykierin aber auch nicht entgangen, was in ihm wirklich vorging. Sie schwor sich in diesem Augenblick für die Zukunft, sich von den Christianern fernzuhalten. Auch wenn sie noch immer nicht genau nachvollziehen konnte, was an ihrer Lehre so schlecht sein sollte.
    Doch letztendlich war es der weitere Verlauf jenes Abends, der ihn interessierte. Das Zusammentreffen mit den Urbanern. Der eigentliche Grund für ihre Verhaftung und alles, was danach geschah.
    „Ja, sie haben mich und Rachel mitgenommen,“ nahm sie vorneweg. „Das Zusammentreffen fand in einem Kellergewölbe statt. Es gab nur einen Ausgang. Als dann das Gerücht umging, die Urbaner seien da, wurden alle ganz panisch und versuchten irgendwie herauszukommen. Ich wurde von Rachel getrennt. Dann bekam ich einen Schlag auf den Kopf. Was dann passiert ist, weiß ich nicht so genau. Als ich wieder zu mir kam, war ich nicht mehr in diesem Keller. Jemand hatte mich und die anderen Verletzten nach oben gebracht. Wir befanden uns in einem Hof. Als mich niemand mehr beachtete, wollte ich einfach abhauen, aber dann rief Rachel nach mir. Sie war schwer verletzt. Ihr Bein war gebrochen und sie konnte auch nicht mehr laufen. Ich konnte sie doch dort nicht zurücklassen und wollte ihr helfen. Einer der Urbaner wurde auf uns aufmerksam. Ich tischte ihm die Geschichte auf, wir seien einfach nur zwei Lupae, die mir ihren Freiern hierhergekommen waren. Ich bat ihn, uns zu helfen, weil Rachel doch solche Schmerzen hatte. Aber umsonst wollte er uns nicht behilflich sein. Er forderte mich auf, kurz mit ihm zu verschwinden. Ich sollte für Rachel und mich arbeiten, dann wollte er uns gehen lassen. Als ich ihm dann zu Willen sein sollte, konnte ich es nicht. Nicht noch einmal! Ich rammte ihm meinen Oberschenkel zwischen seine Beine und rannte, so schnell ich konnte. Weil es aber dunkel war, stolperte ich und fiel hin. Der Kerl hatte mich natürlich eingeholt. Sie legten uns in Ketten und brachten uns in die Castra. Dort haben sich mich von Rachel getrennt. Ich habe sie dann nie wieder gesehen.“ Als Beroe geendet hatte, standen ihr Tränen in den Augen.

    Als sie genau an diesem Punkt angekommen war, an dem zu berichten gewesen war, wie sich ihr Leben schlagartig verändert hatte, befiel sie wieder diese furchtbare Angst, er könne sich doch noch von ihr abwenden, weil das, was sie getan hatte, doch viel schwerer wog, als er es für möglich gehalten hatte. Doch sie durfte ihm nichts vorenthalten, das wäre in ihren Augen einer Lüge gleichgekommen. Seine Sorge um sie aber gab ihr wieder neue Hoffnung. Wenn sie ihm berichtete, was passiert war und erklärte, warum sie so gehandelt hatte, würde er sicher Verständnis aufbringen können.
    „Der Mann hieß Ioannis. Ich kann nicht sagen warum, aber ich war von Anfang an beeindruckt von ihm. Wir sprachen viel über Myra, obwohl ich mich kaum an meine Heimat erinnern kann, Aber vielleicht war es das, was mich so an ihm fesselte. Alles, was er sagte klang so überzeugend. Von ihm ging so viel Friede und Hoffnung aus.“ Noch immer konnte sie nicht begreifen, was an diesem so friedlichen Mann so Gefährliches gewesen sein sollte. „Kein Wunder, dass seine Anhänger sich um ihn gescharrt haben. An diesem einen Abend trafen sie sich in der Taberna. Sogar Rachel war gekommen. Simon war das gar nicht recht gewesen. Die Taberna aber war voll, wie seit langem nicht mehr. Ein paar Urbaner kamen dann auch noch. Ich weiß nicht, ob das ein Zufall war, oder ob ihnen jemand verraten hatte, dass sich einige Christianer dort aufhielten... Und dann war dann noch dieser feine Herr und seine Männer, die an diesem Abend gekommen waren.“ Im Grunde war dies der Anstoß zu ihrem Unglück gewesen. Dieser mysteriöse Herr und seine Männer…
    „Sie tranken und aßen viel und einer von ihnen drängte mich dazu, mich zu ihm zu setzen,“ fuhr sie fort. „Mir war schnell klar, was er von mir wollte. Er meinte, ich könne mir etwas dazuverdienen. Eigentlich wollte ich nicht mit ihm gehen. Ich wollte so etwas nicht mehr machen…das musst du mir glauben. Aber dann bin ich doch mitgegangen.“ Beroes eindringliches Geständnis musste wohl sehr bizarr in diesem Moment geklungen haben, denn schließlich arbeitete sie ja nun wieder als Lupa. Doch damals hatte sie auf ein besseres Leben gehofft.
    „Danach fühlte ich mich so schlecht, so schmutzig. Ich musste da einfach raus! Ich lief ziellos durch die kalte Nacht, bis ich auf Rachel und einige ihrer Freunde traf. Sie wollten zu einer ihrer Versammlung. Dort sah ich dann auch diesen Ioannis wieder. Er erzählte den Menschen dort von seinem Gott und was er sagte, das ging mir so nahe. Es war, als würde er nur zu mir sprechen, um mir Trost und wieder Hoffnung zu geben.“ Ob Avianus das verstehen konnte? Schließlich wusste sie ja, dass auch er, nun als frischgebackener Optio der Chohortes Urbanae, gegen die Chrisitianer vorgegangen war. „Und dann kamen die Urbaner…“ Beroe stockte. Sollte sie ihm wirklich alles erzählen? Sollte sie ihm davon berichten, wie rigoros seine Kameraden vorgegangen waren? Wie sie die Leute zusammengetrieben hatten. Wie einer der Seinen einen Handel mit ihr abschließen wollte – ihren Körper gegen ihre Freiheit…

    Sie verschmolzen zu einem Leib und stiegen gemeinsam hinauf zum höchsten Gipfel der Leidenschaft und gaben sich gegenseitig das, was sie so lange vermisst hatten. Die Zeit der Entbehrung war endlich vorüber!


    Als Avianus schließlich neben ihr im die Kissen sank, war sie so voller Glück. Ihre Hand suchte seine, um sie festzuhalten – um ihn festzuhalten, damit er ihr nie wieder verloren ginge. Ob er ähnlich empfand? Sie zweifelte nicht daran. Auch wenn sie der Alltag in so vielem trennte, so waren ihre Gefühle füreinander doch die Gleichen. Dieser Abend und die Nacht würde ihr Band wieder erneuern.
    Zufrieden lag sie nun da. Ihr Körper war noch erhitzt von der heftigen Erregung, die sie in vollen Zügen genossen hatte. Kleine Schweißbläschen hatten sich auf ihrer Haut gebildet, die nun langsam wieder verschwanden. Einfach nur daliegen und zu wissen, dass er hier direkt neben ihr lag, war wohl das Vollkommenste. Was hätte sie gegeben, wenn dieser Moment ewig gewährt hätte?


    Sie spürte seinen Blick, der auf ihr lag. Er beobachtete sie. Er ergründete sie. Dann, als sie seinen Blick erwiderte, lächelte er schließlich. Sein wunderschönes Lächeln, dass sie so an ihm liebte und dass ihr so sehr gefehlt hatte. Doch dann, so hatte es den Anschein, wollte sein Lächeln nachlassen. Seine Worte und die Vorwürfe, die er sich machte, zwangen ihn dazu.
    Beroe setze sich etwas auf und sah nachdenklich zu ihm herab. Dann küsste sie ihn, als ob sie ihn trösten wollte „Du hattest keine andere Wahl, Aulus,“ erwiderte sie und schenkte ihm ein versöhnliches Lächeln. Um ihm noch näher zu sein, legte sie ihren Kopf auf seiner Brust ab, so dass sie ihren Herzschlag hören konnte.
    „Nachdem du weg warst, lief anfangs noch alles gut. Und dann, nach einigen Wochen, als das Geld knapp wurde, bot ich Simon an, seiner Frau in der Taberna zu helfen. So konnte ich weiterhin dort wohnen und ich kam auf andere Gedanken und hatte nicht solche Sehnsucht.“ Allmählich wurden die Bilder vor ihrem inneren Auge wieder lebendig. Die Tage und Wochen, bevor das Unglück über sie hereinbrach, machten es ihr nicht schwer, sich zu erinnern. „Doch dann kam dieser Mann aus Myra in der Taberna an...“ Dann verstummte sie und ihr Lächeln verschwand. Stattdessen wirkte sie aufgewühlt. Es fiel ihr nicht leicht, nun über alles, was von da an geschehen war, zu sprechen.

    Er antwortete ihr lediglich mit einem Kuss, um sie auf diese zärtliche, doch bestimmte Art und Weise zum Schweigen zu bringen. Er wollte nichts davon hören. Es störte ihn scheinbar auch gar nicht. Alle Worte waren nun überflüssig, ja vielleicht sogar bedeutungslos in diesem so kostbaren Moment. Für Beroe, deren Gewissen sie noch bis zuletzt gequält hatte, war dies ein eindeutiges Indiz, dass er ihr in allem, was sie getan oder gedacht hatte, bereits längst verziehen hatte. Nichts konnte sie jetzt noch trennen. Und allein dieses Wissen machte sie überglücklich. Liebe heißt, niemals um Verzeihung bitten zu müssen. Es stimmte also doch, er liebte sie so wie sie war, ganz gleich, was sie irgendwann einmal getan hatte. Das Gleiche empfand sie für ihn. Die lange Zeit der Trennung, der Entbehrungen und der Erduldungen hatten sie nur noch enger zusammen geschweißt. Nichts und niemand konnte sie jetzt noch trennen.


    Sie erwiderte seinen leidenschaftlichen Kuss und war so dankbar dafür, dass sie diesen Augenblick erleben durfte. Er war nur wegen ihr da. Weil er sie liebte und endlich wieder spüren wollte. Umso besser, dass sie nun beide vom Stoff ihrer Kleidung befreit waren. Der sie nur voneinander getrennt hatte und sie in ihre Rollen gepresst hatte. Nun waren sie einfach nur Mann und Frau, so wie die Natur sie erschaffen hatte.
    Ohne zu zögern öffnete sie nun ihre Schenkel, um ihn endlich willkommen zu heißen, da sie sein Verlangen bereits deutlich spüren konnte. Gleichzeitig erkundeten ihre Finger den festen muskulösen Körper, für den sie so viel empfand und den sie so lange hatte entbehren müssen. Ihre Lippen flüsterten seinen Namen und liebkosten ihn. Sie war mehr als bereit. Nein, sie war ausgehungert nach ihm. Alles in ihr sehnte sich nach ihm.

    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/140909/92ffy7yt.gif] | Evander


    Nur langsam erholte sich Evander wieder von den Schlägen auf seine Stirn, die ihn überwältigt hatten und ihm für eine Weile das Bewusstsein geraubt hatten. Blinzelnd nun schlug er wieder die Augen auf und rührte sich. Jedoch war seine Bewegungsfreiheit wesentlich eingeschränkt worden, durch die Präsenz der Urbaner, sie auf ihn aufpassen sollten. Er versuchte sich zu erinnern, was gerade geschehen war. Irgendwie fehlten ihm ein paar Minuten. Er spürte etwas feuchtes Klebriges in seinem Gesicht. Hätte er mit seinen Fingern hinlangen können, dann hätte Evander sein eigenes Blut fühlen können, was nun aus einer Platzwunde an der Stirn und aus seiner Nase heraustropfte.
    Sein Schädel brummte und allmählich begann er zu begreifen, was geschehen sein musste.
    Ehe er sich aber versah, packte man ihn. Seine Füße schleiften mehr am Boden, als dass sie einen Schritt nach den anderen auf den Boden setzten konnten. Schließlich fand er sich vor dem Anführer dieser Bande wieder, den Kerl, den seine Männer mit Optio titulieren. Zu seinem Entsetzen musste Evander im gleichen Moment feststellen, dass die Urbaner auch Mirjam und Sarah habhaft geworden waren.


    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/5c9hed8l.gif] | Mirjam [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Die beiden Frauen waren total eingeschüchtert und widersetzten sich nicht. Sie zitterten vor Angst. Vielleicht fragten sie sich, ob es ihnen nun ebenso erging, wie ihren Brüdern und Schwestern, die bei der Razzia verschleppt worden waren? Viele von ihnen waren danach auf nimmer wiedersehen verschwunden. Sollte es so wirklich enden? War das der Weg, der ihnen ihr gekreuzigter Gott vorbestimmt hatte? Dabei waren die Anweisungen des Nazareners so eindeutig gewesen: "Widersteht nicht dem Bösen, sondern wer irgend dich auf deine rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin." Zumindest in Sarah keimte nun die Erkenntnis, wie falsch es gewesen war, davonzulaufen. Die Konsequenz daraus, war noch abzuwarten.
    Schließlich schob man auch sie vor den Optio, der nach ihnen verlangt hatte.

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    Simon, der von dem ganzen Getöse um sicher herum wach geworden war, erkannte erst nicht den Grund für die ganze Aufregung. Allerdings erfuhr er dann recht schnell, dass die fremden Besucher in Wirklichkeit nichts anderes als Urbaner waren, die sagen wir mal, ihre Uniform zu Hause vergessen hatten. Der alte kränkliche Wirt assoziierte mit dieser Erkenntnis sofort wieder die schrecklichen Wochen im Carcer, in denen er um Jahre gealtert war und nun nur noch ein Wrack war. Offenbar war die Stadtwache auf der Suche nach seiner Frau. Er begann wirres Zeug zu reden und wirkte sehr aufgebracht. Zum Glück schenkte ihm keiner so wirklich Beachtung. Was konnte denn auch ein alter Krüppel schon anrichten? Einer der Christianer, ein junger Mann, kümmerte sich schließlich um ihn und half ihm auf. Ohne Hilfe hätte er kaum drei Schritte machen können. Als Simon dann plötzlich den Optio sah, schienen ein paar Rädchen in seinem Kopf zu arbeiten. Den Mann kannte er von irgendwo her. Doch, er hatte ihn schon einmal gesehen. Es wollte ihm aber partout nicht einfallen, wo oder wann das gewesen war.

    Scheinbar nahtlos wollte ihre Begegnung an ihre letzte gemeinsame Nacht vor vielen Monaten anknüpfen. Obwohl in der Zwischenzeit doch so vieles geschehen war, was sie selbst beide verändert hatte. Und dennoch hätte man glauben können, dass die Zeit ihnen und den Gefühlen, die beide füreinander hatten, nichts anhaben konnte. Auch wenn um sie herum nichts Bestand hatte, so war es doch ihre Liebe füreinander, die eine feste Größe in ihrem Leben darstellte.


    Für Beroe war es, als wäre endlich ein heiß ersehnter Traum in Erfüllung gegangen, als er ihre Zärtlichkeiten erwiderte und sie sanft hinüber zu ihrem Bett schob. Auch er, so war sie sich ganz sicher, hatte diesen Moment herbeigesehnt, in dem sie endlich wieder vereint waren. Ob er auch wie sie nächtelang wach gelegen hatte und sich nach ihr verzehrt hatte? Und selbst in den schwärzesten Stunden, hatte er da an sie gedacht? Sie selbst, so musste sie gestehen, hatte in dieser Zeit an ihm gezweifelt. Doch nun sah sie, wie töricht ihre Gedanken gewesen waren.


    Seine Berührungen und seine Bestrebungen, sie endlich ganz und gar zu spüren, waren doch der Beweis dafür, wie sehr er sich nach ihr gesehnt hatte. Sanft bettete er sie auf ihrem Lager und beugte sich über sie, um sie zu küssen. „Später“ hauchte sie leise auf seine Frage, obwohl es wichtiges zu berichten gab. Doch angesichts ihr beider Verlangens wurde dies, zumindest im Augenblick, zur Bedeutungslosigkeit degradiert.
    Um dasselbe voranzutreiben, begann sie, seine Tunika stetig nach oben zu schieben, um ihn von dem lästigen Stoff zu befreien. Ihr Ziel war es, die Wärme seiner Haut auf ihrer zu spüren und mit ihm dann endlich wieder zu verschmelzen. „Du hast mir so gefehlt!“ flüsterte sie ihm zu. „Bitte verzeih mir, dass ich in größter Not auch nur einen Herzschlag lang an dir gezweifelt habe.“

    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/5c9hed8l.gif] | Mirjam [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Mirjam konnte so gar nicht das Grinsesn dieses ungehobelten Kerls erwidern. Ihr stand der Schrecken noch immer ins Gesicht geschrieben. Ängstlich nickte sie nur auf seine Anweisungen und setzte sich auch sofort in Bewegung. Ihre Kleidung und das Haar waren bereits ganz durchnässt, da sie im Eifer des Gefechtes keinen Umhang mitnehmen konnte. Immer wieder sah sie zurück, um sich zu versichern das er noch da war… das Sarah noch da war, die sich noch immer in der Gewalt des Fremden befand.


    Sarah indes stand Todesängste aus. Dies waren die schlimmsten Minuten ihres bis dahin beschaulichen Lebens. Alleine schon die Tatsache, diesem fremden Mann so nah sein zu müssen, war die reinste Tortur für sie. Er hatte sie fest in seiner Umarmung und so dicht an sich gedrückt, dass sie all seine Ausdünstungen riechen konnte.
    Er nutzte diese Gelegenheit aus und ließ seine dreckige Hand über ihre Rundungen gleiten, was sie zu einem spitzen Aufschrei veranlasste. Ganz erschrocken war sie zusammengezuckt, weil sie damit rechnete, dass er jede Sekunde über sie herfallen würde. Doch das blieb ihr glücklicherweise erspart.


    Ihr Aufschrei hatte jedoch Mirjam kurzfristig stoppen lassen. Verängstig sah sie sich um und sandte ein Stoßgebet zu Jhwh, er möge sie doch aus diesem Martyrium befreien. Anscheinend hatte ihr Gott sie wenigstens diesmal erhört, denn Sarah war noch immer unversehrt. Ihr Peiniger jedoch wies Mirjam die weitere Richtung an und machte ihr unmissverständlich klar, dass sie hier keine Wurzeln schlagen sollte.


    Die dunkle Gasse, die vor ihnen lag, ließ sie Schlimmes ahnen. Aber sie tat, was er ihr sagte und bog in die Gasse ein. Inzwischen war sie schon etwas außer Atem gekommen, was allerdings auch an dem Stress lag, dem sie ausgesetzt war. Je näher sie der Taberna kamen, umso mehr drehten sich ihre Gedanken um Simon, ihren Mann. Wenn die Urbaner ihn noch einmal mitnehmen würden, dann würde er das nicht überleben.
    Schließlich lag die Taberna direkt vor ihnen. Alles sah ruhig aus. Vielleicht zu ruhig! Mirjam öffnete vorsichtig die Tür. Sollte sie sich nun Sorgen machen, dass im Schankraum keiner der Ihren mehr war? Lediglich zwei Urbaner fand sie dort vor, die ziemlich verdutzt aus der Wäsche schauten. Der Mann, der Sarah noch immer eng umschlossen in seinem Arm hielt, schob die Wirtin ins Innere der Taberna, quer durch den Schankraum, bis hin zur Küche. Von dort drangen Stimmen an ihr Ohr. Simon? wo war Simon?!

    „Daran habe ich keinen Moment gezweifelt,“ hauchte sie ihm ins Ohr. Dieses Gefühl, wieder in seinen Armen zu liegen, hatte sie so schmerzlich vermisst. Nachdem sie bereits geglaubt hatte, ihn verloren zu haben, hatte es den Göttern gefallen, sie wieder zu vereinen. Nun war er da und nur das zählte. Auch wenn ihr Beieinandersein nun eher reservierte Züge aufwies, so entsprach dies keinesfalls Beroes Gefühlen, die sie für Aulus hegte. Es war nur eine Vorsichtsmaßnahme. Niemand hier sollte wissen, wem ihr Herz gehörte.


    Wie es schien, hatte er Karriere gemacht, auch wenn er scheinbar kein Prätorianer mehr war. Beroe nickte anerkennend, auch wenn sie, wie man sich vorstellen konnte, nicht viel für die Urbaner übrig hatte. Doch dann befiel sie schrecklicher Gedanke. War etwa am Ende ihr Verrat daran schuld, so dass diese „Beförderung“ für ihn wohl eher eine Strafe für ungebührliches Verhalten war? Beroe versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sie sah zu ihm auf und lächelte immer noch. „Mir geht es gut. Weil du da bist.“


    Vorsichtig löste sie sich von ihm. Sie wollte nicht länger warten und endlich mit ihm allein sein. Hier, wo jeder sie beobachten konnte, wollte sie niemandem offenbaren, dass er für sie mehr als nur ein gewöhnlicher Kunde war. Sie erhob sich langsam, ohne den Augenkontakt mit ihm zu verlieren. „Lass uns nach oben gehen. Dort sind wir ungestört.“ Dann nahm sie seine Hand und zog ihn mit sich bis zur Tür ihres Zimmers. Unterwegs hatte sie der kleinen Sklavin noch aufgetragen, das Obst und den Wein zu ihrem Zimmer zu bringen.


    Nachdem sich die Zimmertür hinter ihnen geschlossen hatte, brachen all ihre Gefühle für ihn aus ihr heraus. All das Warten und Hoffen sollte nun endlich ein Ende haben. Alles zwischen ihnen sollte wieder so sein, wie damals in den Horti Lolliani, wo sie sich an lauen Sommerabenden unter freiem Himmel geliebt hatten.
    Beroe stürzte sich förmlich auf ihn und küsste ihn so voller Leidenschaft, so wie sie es früher immer getan hatte. Ihre Hände umschmeichelten seinen Körper und streichelten sein Haar.

    Eine blaue Tunika trug sie. Aus dünnem, fast durchsichtigem Stoff, der einen vagen Einblick auf ihre körperlichen Reize zuließ und die Fantasien eines jeden Mannes, der sie darin sah, beflügelte. Ihr Gesicht war nur flüchtig geschminkt, so dass ihre natürliche Schönheit die Oberhand behalten konnte. Sie hatte es schlichtweg noch nicht nötig, ihr Antlitz hinter einer dicken Schicht Bleiweiß zu verstecken. Von ihr ging ein verführerischer honigsüßer Duft aus, der ihr das parfümierte Öl verlieh, welches sie nach dem Bad aufgetragen hatte.
    Sie hatte ihre Gedanken frei gemacht, um ganz für ihren Freier da zu sein, der auf sie wartete und für die kommenden Stunden mit ihr bezahlen würde. Das, was sie fühlte und dachte würde sie auch diesmal tief in ihrem Innersten bewahren.


    Sie näherte sich der Kline. Darauf saß ein Mann, der ihr den Rücken zukehrte. Scheinbar wartete er – im Zweifelsfall auf sie. Das Sklavenmädchen hatte bereits für etwas verdünnten Wein und Obst gesorgt.
    Mit einem scheinbar unverfänglichen „Salve“ begrüßte sie ihn, als sie an die Kline heran trat. Sie versuchte, ihre Nervosität zu verbergen. Endlich hob sie nun auch ihre Augen und war zunächst überrascht. Mit ihm hatte sie nicht gerechnet, jedenfalls nicht so, auf diese Weise. Andererseits hatte sie ihm doch gesagt, er solle nach Sibel fragen.
    „Aulus!“ raunte sie leise und lächelte über beide Ohren. „Du bist es!“ Sie nahm neben ihm Platz und umarmte ihn. So lange hatte sie sich nach diesem Moment verzehrt. Endlich war er hier bei ihr. Sie würden sich viel zu erzählen haben. Und dann würde alles wieder so sein, wie früher…

    Es war die kleine Sklavin gewesen, die die Tür öffnete, um dem jungen Mann Einlass zu verschaffen. Er war auf der Suche nach Sibel, wie er sagte. Nicht das dies ungewöhnlich gewesen wäre. Es gab viele Kunden, die zu einer ganz bestimmten Lupa wollten. Wobei sich die Sklavin nicht an das Gesicht dieses Kunden erinnern konnte. Doch das sollte nichts heißen. Vielleicht kam er ja auf Empfehlung. Das "Aedes iste Laetitia" genoss einen guten Ruf unter den Lupanaren Roms. Daher war es für das Mädchen selbstverständlich, den potentiellen Kunden hereinzubitten.
    „Bitte Herr, folge mir ins Atrium. Ich werde sofort nach Sibel schicken lassen.“ Nachdem der junge Mann eingetreten war, ging die junge Sklavin voraus und führte ihn in das stimmungsvoll eingerichtete Atrium. Sie wies ihm eine Kline zu, auf der er es sich gemütlich machen konnte, bis die Lupa kam.
    „Darf ich dir noch etwas zu trinken anbieten Herr? Vielleicht etwas Obst?“, erkundigte sie sich, bevor sie sich zurückzog. Dem Kunden sollte es an nichts fehlen, solange er sich in diesem Etablissement aufhielt.


    In der Zwischenzeit war eines der Mädchen zu Beroes Zimmer gelaufen, um ihr mitzuteilen, dass Mann nach ihr verlangte. Die Lykierin hatte sofort damit begonnen, sich für ihren Kunden zurecht zu machen. Schließlich sollte sie ja ansprechend auf ihn wirken. Dass sich hinter dem Kunden Avianus verbergen könnte, damit hatte sie nicht gerechnet. Ihre überraschende Begegnung vor einigen Tagen schien schon wieder eine Ewigkeit zurückzuliegen. So Vieles war inzwischen passiert...