Beiträge von Iunia Sibel

    Avianus wandte sich zu ihr um und ging auf sie zu. Er strich ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht, während er ihr wieder dieses schiefe lächeln schenkte, das sie so lieb gewonnen hatte. Genau so wollte sie ihn in Erinnerung behalten. Beroe schloss ihre Augen um seine letzten Berührungen, auch wenn sie nur kurz und flüchtig waren, zu genießen. Es war gut so, dass er sie nicht umarmte und auf weitere Zärtlichkeiten verzichtete. Dann würde es leichter für sie werden, so hoffte sie.


    Statt der erwarteten Aufforderung, nun zu gehen, waren dem Iunier ganz andere Worte über die Lippen gekommen, die Beroe wohl am wenigsten erwartet hätte. Ein kurzer Satz nur, der aber dennoch so vielsagend war, dass sie schon fast an sich zweifeln musste, ob sich nun etwa auch noch ihre Sinne einen schlechten Scherz mit ihr erlaubten.
    Unvermittelt schlug sie wieder die Augen auf und musterte ihn erst kritisch. Noch immer lächelte er, wenn auch etwas müde, aber er machte keinerlei Anstalten, sie von hier wegzubringen.
    „Was?“, war alles, was sie schließlich leise hervorbrachte. In ihrem Kopf nahm sie noch einmal jedes einzelne Wort auseinander, welches er ihr soeben gesagt hatte. Er will uns helfen… Uns!
    „Uns?“, hakte sie ungläubig nach. Eigentlich hätte die Freude über diese Mitteilung doch riesengroß sein müssen. Ihr Lächeln hätte wieder zurückkehren müssen. Aber das tat es nicht. Noch immer zweifelte sie daran, was sie da soeben gehört hatte. Außerdem musste sie sich die Frage stellen, ob es denn überhaupt noch ein uns gab, nach allem, wie sie ihn am Abend zuvor behandelt hatte.

    Über den Tag hinweg war sie ständig am Grübeln gewesen. Am Abend zuvor hätte sie sich wohl bedenkenlos an die Cohortes Urbanes ausliefern lassen, um wieder in die Unfreiheit zurückzukehren. Inzwischen aber sträubte sich alles in ihr und sie fragte sich, ob sie das wirklich wollte. Andererseits standen ihr nur noch wenige Optionen offen, wenn man ein Leben auf der Straße und der ständigen Angst vor Silanus wirklich als Option bezeichnen konnte.


    Als sie ein Knirschen des Kieses auf dem Weg hörte, stieg wieder die Angst in ihr auf und sie versteckte sich wieder in den Büschen nahe der kleinen Baumgruppe. Von dort aus beobachtete sie, wer sich mit schnellen Schritten dem kleinen Teich näherte. Erleichterung kam auf, als sie Avianus erkannte. Er rief ihren Namen, aber sie rührte sich nicht. Was wäre, wenn sie einfach in ihrem Versteck bliebe? Er würde wieder gehen und mit ihm jede Chance auf ein einigermaßen annehmbares Leben, falls es diese Chance überhaupt gab. Eigentlich glaubte sie gar nicht an diese Chance. Sie war ein Wunschgedanke gewesen. Ein Hirngespinst, von Avianus geschaffen, um sie noch etwas hinhalten zu können, damit er sie am Abend zuvor nicht hatte ausliefern müssen. Und wenn sie ehrlich mit sich selbst war, dann hatte sie Avianus doch eigentlich schon verloren.


    Wieder rief er ihren Namen. Diesmal noch lauter und noch bestimmter. Wenn sie sich jetzt nicht rührte, dann war sie wieder völlig auf sich selbst gestellt, ...niemand mehr, der sich um sie kümmerte, und niemand mehr, dem sie wichtig war.
    Ewig lange Minuten vergingen, bis sie sich endlich rührte. Ein Knacken im Gebüsch, ein Rascheln in den Blättern.
    „Ich bin hier,“, antwortete sie leise, als sie schließlich hinter ihm auftauchte und ihn mit müden Augen in ihrer niedergeschlagenen Stimmung musterte.

    Er nahm ihr Amulett wieder an sich und ließ es an seinem Hals unter seiner Tunika verschwinden. Dann küsste er sie zum Abschied. Seine zärtlichen Berührungen würde sie wohl am meisten vermissen.
    „Ja, Glück.. das wünsche ich dir sehr!“ Glück war in ihrem Leben bisher ein seltenes Gut, mit dem die Götter bisher recht sparsam umgegangen waren. Warum sollten sie sie also diesmal damit überhäufen? Doch ihre Gedanken behielt Beroe für sich. Avianus stand sehr unter Druck und den wollte sie nicht noch unnötig verstärken.


    „Ich habe alles, ja.“ Sie nickte und wies auf ihren Geldbeutel, der unter ihrer Tunika steckte und in dem sich ihre Tageseinnahmen befanden. Damit konnte sie sogar einige Tage über die Runden kommen. Sie versuchte zu lächeln. Selbst jetzt, nachdem sie ihn doch so verletzt hatte, sorgte er sich so rührend um sie und wenn seine Bemühungen scheitern sollten, würde sie es ihm mit einer weiteren Kränkung am nächsten Abend danken.


    „Dann bis morgen Abend. Ich werde hier sein und auf dich warten. Du hast mein Versprechen!“, sagte sie schließlich und sah ihm noch nach, als Avianus ging.


    Beroe blieb sie am Ufer des Teiches zurück, zog ihren Umhang enger um sich und starrte in die Dunkelheit. Sie fand nicht den Mut hinunter in die Stadt zurückzugehen, um dort einen Platz zum Schlafen zu suchen, nicht nachdem, was heute Abend geschehen war.
    Sie machte ein paar Schritte, auf eine Baumgruppe zu und setzte sich dort ins Gras. Hier, so fand sie, war ein guter Platz, um im Schutz der Bäume wenigstens etwas Ruhe zu finden. Sie blickte hinauf zum Himmel, der in dieser Nacht so klar war, dass man hunderttausende von Sternen sehen konnte. Einen Moment dachte sie an die Geschichten, die ihr ihr Vater vor so vielen Jahren erzählt hatte. Geschichten von Helden und wilden Kreaturen, die man am Abend am Firmament wiederentdecken konnte. Es waren kostbare Augenblicke gewesen, denn dass der Vater mit ihr etwas Zeit verbringen konnte, war nur sehr selten vorgekommen.
    Ihre Augen wurden langsam müde, sie sank langsam auf den Boden und schlief dort ein…


    „Vor langer Zeit hatte sich einst Zeus in die schöne Alkmene verliebt. Aus dieser Verbindung ging Herakles hervor, der tapferste und größte Held, den Achaia je gesehen hatte. Damit auch dieser die göttlichen Kräfte seines Vaters erhielt,ließ Zeus seinen Sohn an der Brust seine schlafenden Gattin Hera trinken. Doch der Junge trank so heftig, so dass Hera erwachte und den fremden Säugling von sich stieß. Dabei wurde auch ein Strahl ihrer Milch über den Himmel gespritzt und daraus entstand dann die Milchstraße…“


    Das kleine schwarzhaarige Mädchen hatte ihrem Vater andächtig zugehört. Es liebte diese Momente, wenn ihr Vater sich zu ihr setzte, um mit ihr zu spielen oder ihr eine Geschichte zu erzählen. Von seiner letzten Reise hatte er ihr eine Puppe mitgebracht, die nun ihr allerliebstes Spielzeug geworden war…


    ...Vor ihr tauchte ein warmes Licht auf. An aufwändig bemalten Wänden schritt sie vorbei als sie schließlich einen hellen Raum betrat. Diese Umgebung kam ihr seltsam vertraut vor und dennoch hätte sie nicht sagen können, wo sie war. Schnell hatte ihr Blick den kleinen am Boden kauernden Kinderkörper entdeckt. Ein kleines schwarzhaariges Mädchen mit geflochtenen Zöpfen, welches in eine hübsche und aufwändig verzierte Tunika gekleidet war. Ganz vertieft in ihr Spiel saß sie dort mit ihrer Puppe und summte eine wohlvertraute Melodie eines Kinderliedes, welches ihre Mutter ihr einst vorzusingen pflegte. Doch irgendwann musste das Mädchen wohl bemerkt haben, dass es nicht allein war. Es sah auf und drehte sich zu der Frau um, die dort an der Tür stand und es aufmerksam beobachtete.


    „Hallo!“, begrüßte sie die Fremde fröhlich. „Schau mal, meine neue Puppe! Die hat mir mein Papa mitgebracht.“ Das kleine Mädchen streckte der Frau voller Stolz ihr neues Spielzeug entgegen.
    „Mein Papa hat gesagt, die Puppe kommt von weit her nur um..“ „...bei dir zu sein und ihre Kleider sind aus Seide.“, ergänzte die Frau, während das Mädchen, ganz verliebt in seine Puppe, zustimmend nickte. „Ich hatte früher auch einmal eine solche Puppe,“ erklärte sie dem Kind, welches sich ihr nun ganz zugewandt hatte. „Und wo ist deine Puppe jetzt?“, frage das Kind. Die Frau antwortete nicht gleich, es schien, als suche sie nach einer Antwort. „Ich habe sie leider verloren,“ entgegnete sie schließlich. „Ach, das ist aber Schade!“, meinte die Kleine. „Ja, das ist es…“


    Die Frau trat einige Schritte näher und setzte sich zu dem Mädchen. Eine Weile beobachtete sie sie nur, doch dann begann sie zusammen mit dem Mädchen zu spielen.
    „Stell dir vor, mein Papa hat mir versprochen, er nimmt mich auf seiner nächsten Reise mit. Dann fahren wir zusammen auf einem Schiff nach Rhodos zu meiner Tante.“, erzählte das Mädchen, während es immer noch mit seiner Puppe spielte. Die Frau hielt inne und riss vor Schreck ihre Augen auf.
    „Geh nicht auf dieses Schiff, Sibel! Hörst du? Du darfst nicht auf dieses Schiff gehen! Bitte Sibel, geh nicht…!“ Je weiter die Frau auf aus Kind einredete, umso schneller löste es sich buchstäblich vor ihr auf, bis sie schließlich alleine in dem hellen Raum saß, der allmählich seine schöne warmen Farben vorlor, bis nur noch ein hässliches Dunkelgrau übriggeblieben war….


    „Geh nicht! … Da darfst nicht… nicht auf dieses Schiff!“ Endlich erwachte Beroe aus ihrem unruhigen Schlaf. Sie spürte etwas Feuchtes auf ihrem Gesicht. Einzelne Regentropfen, die durch die Blätter des Baumes auf ihrem Gesicht gelandet waren. Es hatte angefangen, zu regnen.


    Sie zog ihren Umhang noch enger um sich und verkroch sie noch dichter unter die Bäume, um sich so besser vor der Nässe schützen zu können. So verharrte sie den Rest der Nacht und als der Tag anbrach versteckte sie sich in einem Gebüsch, damit niemand, der durch den Park spazierte, sie sah. Erst als es Abend wurde, kam sie zu dem kleinen Teich zurück, dorthin wo sie Avianus erwartete.


    Sie musste sicher erschreckend aussehen. Ihre Tunika und der Umhang waren von der aufgeweichten Erde schmutzig geworden, das Haar war wirr und die Ringe unter ihren augen kündeten von einer sehr kurzen Nacht und vielen Tränen.Sie hatte kaum etwas gegessen, nur das, was sie im Park gefunden hatte, ein paar Nüsse von einem Baum und ein angebissenes Brot, welches ein Passant achtlos weggeworfen hatte.

    Es war ihr nicht entgangen, was jedes ihrer Worte in ihm anrichtete, wie sie ihm dadurch unendliche Schmerzen zufügte und wie sehr sie ihn damit verletzte. Sie hätte wirklich alles dafür getan, wenn dies vermeidbar gewesen wäre. Schließlich war er der einzige Mensch auf der Welt, den sie noch hatte und dem sie etwas bedeutete. Aber sie sah keinen Ausweg mehr. Ihr Streben nach Freiheit war nur ein törichter Wunschgedanke gewesen, den jeder Sklave irgendwann einmal träumte, der auf Freiheit hoffte. Denn selbst jetzt, da Silanus weg war, würde sich absolut nichts ändern. Wo sollte sie denn nun hin? Und wovon sollte sie leben? Sie würde wieder in der Gosse landen, bis der Nächste kam, der sie ausbeuten oder sogar töten würde.
    Natürlich war ihr auch klar, was mit ihr geschehen würde, wenn er sie den Cohortes Urbanes übergeben würde. Mit ein wenig Glück würde sie in einigen Jahren ihr jämmerliches Leben irgendwo als Sklavin beenden, vielleicht würde man sie aber auch vorher töten, aber selbst das wäre besser, als so weiter machen zu müssen, wie bisher.


    „Ich liebe dich auch, Aulus… und ich wünschte, alles wäre anders gekommen. Ich wollte dir niemals so wehtun, wie ich es jetzt tun muss. Aber du wirst sehen… so ist es besser,“ entgegnete sie ihm schluchzend.
    Schließlich streifte er das Lederbändchen, an dem ihr Amulett befestigt war, über den Kopf und legte es in ihre Hände, dann drückte er sie an sich, was für sie in dieser Situation der einzige Trost war. Sie schmiegte sich weinend an ihn, als könne sie so Schutz bei ihm finden, wenigstens für den Augenblick.


    Schließlich versuchte er einen letzten rettenden Halm zu ergreifen, bevor er mit ihr in den Abgrund hinunter stürzte. Vielleicht war dies der letzte Hoffnungsschimmer, der doch noch das Schlimmste abwenden konnte. Aber Beroe wollte sich nicht mehr an vage Möglichkeiten klammern, um am Ende nur wieder enttäuscht zu werden. Doch sie war bereit, ihm wenigstens diese eine Gelegenheit noch einzuräumen, wenn es so etwas leichter für ihn wurde.
    „Ich werde hier auf dich warten. Das verspreche ich.“ antwortete sie, als sie sich langsam von ihm löste. Um ihr Versprechen zu bekräftigen drückte sie ihm ein letztes Mal ihr Amulett in seine Hand, um es am folgenden Abend wieder einfordern zu können.

    Natürlich wollte er ihr nicht das Amulett zurückgeben, denn er hatte sofort geahnt, was sie vor hatte. Sie würde hier und jetzt aus seinem Leben verschwinden. Anfangs würde er vielleicht sehr darunter leiden, sie verloren zu haben, aber wie man so schön sagte, die Zeit heilt alle Wunden. Und auch seine Wunden würden irgendwann heilen, wenn er sie vergessen hatte. Für Beroe stand nun fest, dass es der einzige Weg war, der ihr noch offen stand, ohne ihn noch länger einer Gefahr auszusetzen. Doch er machte er es ihr durch seine Weigerung nur noch schwieriger. Tränen rannen ihr über die Wangen, ihr Herz wollte zerbersten, doch sie musste nun stark sein. „Doch! Du musst es mir geben!“, entgegnete sie ihm mit erstickender Stimme und nickte dabei. Sie versuchte, nicht seinem Blick auszuweichen. Auch wenn es schwer war, sie musste ihn davon überzeugen, was das Beste für ihn war.
    „Genau deswegen musst du es mir wieder zurückgeben.“ Sie hatte an diesem Abend schmerzlich erkennen müssen, dass es keine Zukunft für sie geben konnte, ganz gleich wie man es biegen wollte, ihre Beziehung würde immer wieder zum Scheitern verurteilt sein. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn sie bis morgen warteten. „Du weißt genau, dass das eine Lüge ist. Morgen wird nichts anders sein. Es wird nur noch schwerer für uns werden.“ Sie musste ihn loslassen. Das war die einzig logische Konsequenz, wenn sie ihn liebte. Und ja, das tat sie. Sie liebte ihn mehr, als alles andere!


    „Es war kein Zufall, dass wir uns begegnet sind.“ Sanft strich sie ihm über seine Wange. „Das müssen die Götter gewesen sein. Ich danke ihnen für jede Stunde, in der ich mit dir zusammen sein durfte. Aber nun musst du tun, was einzig richtig ist!“ Ihre Hände hielten nun fest seine Hand und sie gab sich die größte Mühe nun nicht ganz in Tränen auszubrechen.
    „Worum ich dich nun bitte, tue ich einzig nur, weil ich die unendlich viel liebe.“ Sie küsste seine Hand und sah ihn wieder eindringlich an. „Du wirst mich jetzt den Urbanes ausliefern und ihnen sagen, ich sei eine entflohene Sklavin, die dir zufällig über den Weg gelaufen ist. Damit hast du dann nicht einmal gelogen und du tust dann, was du von Anfang an hättest tun sollen.“

    Nachdem seine Nase weitestgehend versorgt war, wollte sie sich seine Hand vornehmen, die Avianus noch immer zur Kühlung ins Wasser hielt. In ihr wollte einfach keine Freude aufkommen, obwohl sie doch eigentlich allen Grund dazu gehabt hätte. Schließlich hatte sie nun die Chance, ein ganz neues Leben anzufangen. Doch die Angst, die ihr ein ständiger Begleiter geworden war, seit sie Silanus begegnet war, wollte einfach nicht nachlassen. Und auch Avianus, der ihr mit seiner Fragerei scheinbar nur Vorwürfe machen wollte, trug auch nicht dazu bei, dass sie sich nun besser fühlen konnte. Sie konnte es spüren, wie immer wieder von neuem sein Zorn aufkeimte und dabei wuchsen ihre Selbstvorwürfe.
    „Nein, das war alles… Es tut mir so leid!“, schluchzte sie. „Er mir mit seinem Dolch gedroht. Er wollte mir damit schlimme Dinge antun und mich dann anschließend umbringen, wenn ich ihn verrate,“ brachte sie als Entschuldigung vor. Aber ob er nachvollziehen konnte, wie furchtbar es in Silanus Fängen gewesen war, war mehr als fraglich.
    „Was hätte ich denn tun sollen?“ Auf ihre Frage schien es wohl keine Antwort zu geben, jedenfalls hatte sie für sich keine finden können. Der Gedanke, dass er hätte getötet werden können, war unerträglich für sie. Sie liebte ihn doch! Aber diese Liebe war lebensgefährlich für ihn und langsam kam sie zur Überzeugung, dass es nur einen Ausweg gab, um ihn zu schützen. Sie würde ihn gehen lassen müssen. Das war der einzige Ausweg und wohl auch das Vernünftigste. Ein römischer Bürger, der dazu noch Prätorianer war und eine entlaufene Sklavin, die sich als Lupa durchgeschlagen hatte – etwas Gegensätzlicheres hatte die Welt wohl noch nie gesehen!


    Inzwischen hielt sie seine verletzte Hand in ihren Händen. Sie war etwas geschwollen, aber wohl nicht gebrochen. Mit dieser Faust hatte er sie verteidigt, er hatte sich wegen ihr in Gefahr gebracht und musste sich nun weiter mit ihr herumschlagen.


    Sie wischte sich die Tränen aus ihren Augen und sah wieder zu ihm auf. „Hast du noch mein Amulett?“, fragte sie und ihre Stimme klang ruhig und fest. „Bitte gib es mir.“

    „Du hast ihn besiegt!“, rief Beroe. Doch ihre Freude war verhalten, denn sie wusste, solange Silanus noch lebte, würde sie nicht sicher vor ihm sein. Einst hatte er ihr gedroht, er würde sie überall finden, ganz gleich wo auch immer sie sich verstecken würde. Doch vorerst wog sie sich in Sicherheit, denn Avianus war bei ihr und nur das zählte.


    Durch die Ereignisse dieses Abends hatten Beroes Gefühle eine wahre Achterbahnfahrt erlebt. Die Freude, Avianus wiederzusehen, aber auch die Furcht vor Silanus und dann das Bangen um den Ausgang des Zwistes der beiden Männer. Und nachdem der Kampf entschieden war, hatte sie das Gefühl, ein großer Stein sei von ihrem Herzen gefallen. Welche Konsequenzen nun all diese Ereignisse mit sich ziehen sollten, darüber hatte sie sich noch keine Gedanken machen können. Dafür war sie auch noch viel zu sehr aufgewühlt. Mal ganz abgesehen von Beroes Sorge um ihren Geliebten, der nicht wenige Blessuren von dem Kampf davon getragen hatte. Avianus hatte wirklich alles gegeben, um sie aus Silanus´ Händen zu reißen. Und noch immer steckte in ihm die Anspannung, die nur langsam abebben wollte. Die beiden hatten sich nach dem Ende des Kampfes zu ihrem „ geheimen“ Platz im Park zurückgezogen.
    Er hatte sie bei der Hand genommen und zog sie mit sich. An dem kleinen Teich hatten sie sich niedergelassen. Notdürftig versuchte er sich am Wasser zu behelfen. „Lass mich die helfen, Komm!“ Mit einem Stück ihres Umhanges, den sie vorher angefeuchtet hatte, wusch sie ihm vorsichtig sein Gesicht ab. Aus seiner Nase rann noch ein feines Rinnsal aus Blut, welches sich mit dem Wasser vermischt hatte. „Lege deinen Kopf etwas zurück, damit das Nasenbluten aufhört.“ Wieder wusch sie ihm sanft das Blut ab. Hier nun mit ihm allein zu sein, fühlte sich gut an. Hier an diesem Ort hatte sie mit ihm die schönste Zeit erlebt. Von nun an konnte sicher alles nur noch besser werden, redete sie sich ein und doch, irgendetwas in ihr sträubte sich dagegen, wirklich daran glauben zu wollen.


    Avianus Frage traf sie indessen sehr unerwartet. Auch er hatte sich Silanus Worte gut gemerkt, so wie sie es getan hatte, als sie noch in ständiger Angst vor ihm lebte. Stete hatte er sich mit seinen Taten gebrüstet, um ihr noch mehr Angst und Unbehagen zu bescheren. Und sie hatte niemals daran gezweifelt, dass seine Worte nur bloßes Imponiergehabe sein könnten. Erst am Abend zuvor war ihr die zweifelhafte Ehre zuteilgeworden seinen Trophäen zu begutachten.
    „Ich weiß nicht, wen er getötet hat, doch er tut es, weil man ihm dafür Geld gibt. Und wenn er seiner Opfer habhaft wird, dann quält er sie erst, bevor er sie tötet.“ Noch immer schauderte es Beroe, wenn sie allein nur daran denken musste. Spätestens jetzt musste ihr klar sein, dass sie beide noch in Gefahr waren. „Er wird sich mit dem, was heute Abend geschehen ist, nicht zufrieden geben,“ meinte sie nach einer Weile. „Es tut mir leid, was geschehen ist. Ich hätte nicht hierher kommen dürfen. Jetzt weiß er, wer du bist.“

    Je näher die Stunde des erneuten Treffens mit Soranus heranrückte, umso mehr stieg in Beroe die Nervosität. Schließlich war sie es, die sich Soranus und Thalia stellen musste. Im Hintergrund würden Silanus Handlanger agieren und den richtigen Zeitpunkt abwarten, bis sie zuschlagen konnten. Ob Silanus selbst auch anwesend sein würde, darüber hatte er sie im Dunkeln gelassen. Doch ganz gleich, ob er auch dabei sein würde, eines war sicher, die Stunden des fetten Tuchhändlers Soranus waren bereits angezählt. Wahrscheinlich würde man ihn in den nächsten Tagen mit aufgeschlitzter Kehle aus dem Tiber fischen können, vorausgesetzt alles lief nach Plan ab.


    Am späten Nachmittag begab sich Beroe zur Straße der Färber, dem Treffpunkt den ihr Soranus am Tag zuvor genannt hatte. Sie hatte sich in einem langen Umhang gehüllt und hatte die Kapuze in ihr Gesicht gezogen. Um diese Zeit hatte die Geschäftigkeit auf der Straße bereits nachgelassen. Diejenigen, die jetzt noch unterwegs waren, waren auf dem Weg zu ihren Häusern und Wohnungen. Es war bald Zeit für die cena, die je nachdem üppiger oder aber auch ärmer ausfiel.


    Langsam schlenderte sie durch die Straße und sah sich dabei um, bis sie zu einer Stelle kam, von wo aus sie einen recht guten Überblick über die ganze Straße hatte. Dort blieb sie stehen und wartete.

    Der Kampf der beiden Männer war nun im vollen Gange. Die beiden schenkten sich absolut nichts und gingen mit voller Härte aufeinander los. Im Augenblick schien noch alles offen zu sein und ein Sieger war noch lange nicht ermittelt. Beide hatten genug Wut in sich und würden auch ganz sicher bis zum Letzten gehen. Derjenige, der den Siegerdavon tragen würde, dem würde Beroe zufallen. Dass einer der beiden aufgeben würde, war so gut wie ausgeschlossen. Derjenige, der das längere Durchhaltevermögen besaß, war hier eindeutig im Vorteil.


    Beroe zuckte immer wieder zusammen, wenn Silanus Schläge wieder einmal Avianus´ Nase trafen. Wahrscheinlich würde der Kampf damit enden, dass seine Nase wieder gebrochen war. Doch wenn er es schaffen würde, Silanus zu vertreiben, dann…

    Sogar Beroe war von sich selbst überrascht gewesen, als sie ihrer Wut freien Lauf gelassen hatte. Wenn sie noch etwas mutiger gewesen wäre, dann hätte sie sich Silanus sogar entgegengestellt. Doch so weit ging sie dann doch nicht. Silanus allerdings verhöhnte sie nur und wieder musste sie erkennen, dass etwas Wahres dran war, was er ihr antwortete. Doch bevor sie noch etwas entgegnen konnte, übernahm dies Avianus für sie. Er löste seinen Arm und Beroe begriff, dass er nun seinen Worten Taten folgen lassen wollte. Sachte schob er sie zur Seite und sie machte noch einige Schritte zurück.
    Sie wurde nun Zeugin dessen, wovor sie sich immer gefürchtet hatte, eine offene Auseinandersetzung zwischen ihrem Geliebten und Silanus. Dabei musste sie hilflos daneben stehen.


    Scheinbar ließ es Silanus ziemlich kalt, dass er sich mit einem Prätorianer anlegte. Nachdem ihn Avianus gepackt hatte und weggestoßen hatte, holte er zum Gegenschlag aus. Ihre Angst hatte sie wieder voll im Griff und als Silanus sich auf seinen Kontrahenten stürzte, stieß sie einen spitzen Schrei aus. Beroe blieb nichts anderes übrig, als alles mit anzusehen. Fassungslos schlug sie ihre Hände vor den Mund.
    Avianus wagte sehr viel für sie. Natürlich hoffte sie, er würde als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen. Dann war sie endgültig frei und ihr Leben würde sich von Grund auf ändern. Was allerdings geschehen würde, wenn Silanus gewann, wollte sie sich lieber nicht ausmalen. Dann war alles verloren…

    Sie hatte geahnt, dass Avianus so argumentieren würde. Letztendlich war das ja auch der anfängliche Grund gewesen, weshalb sie sich mit den Iunier treffen wollte. Nun, da aber die Situation brenzlig wurde, hatte sie einfach nur Angst um ihn. Doch wie es schien, ging es hier lange schon nicht mehr nur um sie. Für Avianus war diese Auseinandersetzung zu einer Frage seiner Ehre geworden.
    „Ja,“ antwortete sie ängstlich und nickte. Ein flüchtiges Lächeln umschmeichelte kurzzeitig ihre Lippen, doch ihre Furcht ließ nicht mehr zu.


    Noch bekämpften sich die beiden Männer mit Worten, jedoch war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie handgreiflich werden würden. Am meisten jedoch fürchtete sich Beroe vor Silanus Gebären. Sein eisiges Lachen, welches sie nur zu gut kannte und das immer dann kam, wenn er sich seiner Sache besonders sicher war.
    Wieder richtete er seine Worte an Beroe. Und was er sagte war so verletzend. Jedes einzelne Wort versetzte ihr einen Stich. Aber das Schlimmste daran war, dass er recht hatte. Anfangs schien es, als würde Silanus dieses Mal wieder mit seiner altbewerten Methode erfolgreich sein, denn genau damit hatte er ihren empfindlichen Nerv getroffen. Avianus und Sibel, zwei Menschen aus zwei verschiedenen Welten, die niemals eine gemeinsame Zukunft haben würden. Doch etwas Entscheidendes hatte er außer Acht gelassen, wahrscheinlich weil es für Silanus etwas gänzlich Unbekanntes war - die Liebe. Doch je mehr er sie damit verletzte, umso stärker wuchs in ihr ein Gefühl, welches sich in seiner Gegenwart noch nie so stark entfaltet hatte: Wut. Beroe nahm ihren ganzen Mut zusammen und brüllte es ihm entgegen. „Ja, genau! Die große Liebe! Er liebt mich und ich liebe ihn. Du weißt doch gar nicht, was Liebe ist! Du blutleeres Monster!

    Beroe kauerte zusammengesunken am Boden. Silanus hatte binnen kürzester Zeit wieder alle Macht über sie gewonnen. Allein seine bloße Anwesenheit versetzte er sie in grenzenlose Angst. Doch während er noch auf sie einredete, spürte sie, wie Avianus sie vorsichtig an den Schultern anpackte, um sie wieder aufzurichten versuchte. Aber was noch wichtiger war, er hielt sie fest bei sich. Dabei konnte er mit Sicherheit fühlen, wie aufgewühlt sie war und wie ihr Herz raste.
    Avianus Frage beantwortete Beroe lediglich mit einem raschen aber verängstigten Nicken. Nicht ein Wort kam ihr über die Lippen. Ja, das war er! Silanus, der leibhaftig gewordene Erebos, der es auf geschickte Weise verstand, sie gefügig zu machen.
    Noch in Avianus Armen musste sie miterleben, wie Silanus ihrem Geliebten drohte. Wieder lief ihr ein Schauer über den Rücken.
    „Bitte, du musst das nicht tun! Du weißt nicht, wie er ist. Er wird dich töten. Ich bin es nicht wert..“, versuchte sie auf Avianus einzureden, um einen Konflikt zwischen den beiden zu vermeiden. Doch sie ahnte bereits, dass sie bei ihm auf taube Ohren stoßen würde.

    Sie sollte sich keine Sorgen machen! Beroe fragte sich, ob er wusste, was er da sagte. Natürlich hatte sie nicht vergessen, was Avianus ihr an ihrem letzten Abend gesagt hatte und auch sie wusste, wie schwierig ihre Beziehung war und wie wenig Bestand sie auf Dauer haben würde. Doch sollte es jetzt und hier enden? Dieses zarte Pflänzchen ihrer Liebe, war doch erst aufgegangen. Es hatte noch gar keine Möglichkeit, sich zu entwickeln.


    Trotzdem hörte sie ihm weiter zu. Was er zu sagen hatte, klang fast wie eine Rechtfertigung. Doch je mehr er redete, musste sie sich eingestehen, wie wenig sie ausrichten konnte, um ihn wirklich an sich zu binden. Diese Erkenntnis schnürte ihr fast die Kehle zu. Sie hätte am liebsten laut schreien wollen, aber sie konnte nicht.
    Selbst seine Versicherung, ihr helfen zu wollen, schien nun so wertlos geworden. Wie sollte sie denn nur weiterleben? Letztendlich war sie doch nicht in der Position, ihm etwas entgegenzusetzen. Sie musste die Dinge so akzeptieren, wie sie waren und noch mehr Tränen hätten daran auch nichts geändert. Eigentlich konnte sie sich glücklich schätzen, dass er überhaupt hier war. Und dann seine Versicherung, er würde nie wieder verschwinden. Er dachte ernsthaft darüber nach, wie er ihr helfen konnte!


    „Er sagte, er würde mich überall finden,“ antwortete sie resigniert. Beroes Tränen waren inzwischen verronnen. Ihr leerer Ausdruck glich genau dem Zustand, der in ihrem Inneren herrschte. „Du kannst…“ hatte sie gerade begonnen zu sagen, als sie direkt hinter sich jemand wahrnahm. Als sie dann noch dessen Stimme vernahm, wollte ihr das Blut in den Adern gefrieren. Ihre Augen weiteten sich vor Furcht. Ihr schlimmster Alptraum schien Realität geworden zu sein.
    Blitzschnell wandte sie sich um und erkannte Silanus, der nun direkt vor ihr stand. Die Angst, die sie nun empfand, wollte sie schier auffressen. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Silanus von ihrem Gespräch mit angehört hatte. Daher kam sie auch erst gar nicht auf die Idee, ihm irgendetwas vorzugaukeln. Silanus hätte sie sowieso durchschaut.
    „Dominus, bitte verzeih mir! Ich… ich wollte nicht…ich… es ist meine Schuld. Er hat mir nur helfen wollen.“ Sie hatte sich ihm zu Füßen geworfen und bettelte darum, wenigstens Avianus zu verschonen.

    „Ja,“ entgegnete sie ihm nickend. Wobei sie sich lebhaft vorstellen konnte, was Silanus mit ihr angestellt hätte, wenn sie ihm gestern Abend alles verraten hätte. Sie wollte gar nicht erst darüber nachdenken, was sein würde, wenn er von diesem Treffen erfuhr. Im Grunde genommen war sie schon so gut wie tot. Und Avianus? Woher nahm er die Gewissheit her, dass ihm nichts passieren sollte? Er kannte Silanus doch gar nicht. Er hatte keine Ahnung davon, wie kaltblütig und grausam er war.


    Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen aus ihrem Gesicht. Beroe wusste gar nichts mehr. Sie war so voller Angst und vermutete mittlerweile hinter jedem Strauch einen von Silanus´ Spionen. „Ich weiß nicht. Manchmal glaube ich, er kann in mich hineinsehen und kennt meine geheimsten Gedanken.“ Wieder rannen ihr Tränen herab und dazu kam das Gefühl hilflos, ja sogar nutzlos zu sein. Nicht einmal jetzt konnte sie eine verlässliche Einschätzung abgeben. Beroe spürte, wie ihre Kraft langsam nachließ, als ihr endgültig bewusst wurde, dass sie dabei war, alles zu verlieren, was in ihrem Leben wichtig war.


    Er begann auf sie einzureden, schrie sie fast schon an und war gleich darauf, um seine Entrüstung zu relativieren, wieder zärtlich zu um ihr letztlich damit zu zeigen, wie wichtig sie ihm war. Beroe schaute zu ihm auf. Was war ihr Leben wert ohne ihn? Aber vielleicht war es ja doch möglich. Vielleicht konnte es Avianus schaffen, sie endgültig aus Silanus ´ Gewalt zu befreien. Doch noch ängstigte sie die Vorstellung, die beiden könnten sich eines Tages Mann gegen Mann gegenüberstehen.


    „Du hast deinem Vetter von uns erzählt?“, fragte sie nach einer Weile, als sich alles Gesagte gesetzt hatte. „Er hat es akzeptiert… vorläufig? ... und ich muss mir keine Sorgen machen?“ Langsam begriff Beroe, wie aussichtslos alles war. Selbst wenn Silanus sie gehen lassen würde, was ziemlich unwahrscheinlich war, selbst dann gab es für sie und ihn keine Zukunft.

    Zitat

    Original von Silanus....


    „Danke, ich habe keine Zeit!“, rief sie Garicus zu und eilte hinauf in Silanus Officium. Nach einem kurzen Anklopfen trat sie sofort ein. Sie fand ihn an seinem Schreibtisch sitzend vor. Ohne zu warten, bis er zu ihr aufblickte, quollen die Neuigkeiten auch schon aus ihr heraus.
    „Ich hab sie gefunden! Und ich weiß wo sie ist! Morgen… morgen schon kann ich sie treffen!“ Beroe kam nur langsam zur Ruhe. Zu sehr war sie von ihrem Erfolg überwältigt und sie hoffte, nun auch von Silanus etwas Anerkennung zu erhalten.

    Er war wieder bei ihr. Das war erst einmal das Wichtigste. Die Zweifel, die wieder versucht hatten, an ihr zu nagen, waren verschwunden. Beroe schmiegte sich fest an ihn, als wolle sie Avianus nie wieder loslassen. Nur in seiner Nähe fühlte sie sich noch wirklich sicher.
    Auch für ihn musste die Nachricht von Silanus´ Rückkehr vollkommen überraschend gewesen sein. Sie spürte die Veränderung, die in ihm vorging. Schließlich schob er sie von sich, um sie zu mustern, während sie weiter unter Tränen fortfuhr.
    „Ja,“ brachte sie mühevoll heraus. „Er hat mich gewürgt.“ Die Angst saß noch fest in ihren Knochen. Doch war sie weniger um sich selbst besorgt als um ihn. Wenn Avianus etwas geschehen sollte würde sie sich das niemals verzeihen können.
    „Er hat nichts aus mir heraus bekommen. Ich sagte ihm, ich hätte das Amulett verloren.“ Zum Glück ihr wenigstens das gelungen. Dennoch gab es keinen Grund sich sicher zu fühlen. Dieses seltsame Gefühl, welches sie am Morgen bereits hatte und das die auch vorhin beschlichen hatte, als sie zu den Gärten gelaufen war, konnte sie einfach nicht beiseiteschieben…


    „Ich hoffe es…“ erwiderte sie. „Vielleicht leide ich ja schon unter Verfolgungswahn… aber heute Morgen, als ich zur Casa Iunia lief, dachte ich, jemand verfolge mich. Allerdings konnte ich niemanden sehen…“ Silanus war alles zuzutrauen und er verfügte über genügend Männer, die ihm folgten. Und wenn er davon erfuhr, dass sie ihn nun auch noch verriet, dann war sie sich sicher, dass ihr Leben kein einziger Sesterz mehr wert war.
    „Tagsüber ist er meistens in seinem Lupanar "Magnum Momentum" anzutreffen. Und abends… nun, seit gestern besucht er mich wieder… auf dem Aventin in einer verlassenen Casa, der Casa Ogulnia.“ Die ganze Zeit über hatte sie es vermieden, Avianus von ihrem Unterschlupf zu erzählen. Nun, da sie auch dies preisgegeben hatte, würde es ihr noch schwerer fallen, dorthin zurückzukehren. Dann saß sie erneut auf der Straße und auch mit ihrem Broterwarb war es dann vorbei…
    „Manchmal glaube ich, ich kann nur wirklich frei sein… wenn ich tot bin,“ sagte sie auf einmal tonlos, ihrer aussichtslosen Lage voll bewusst.