Beiträge von Iunia Sibel

    Geduldig hörte Beroe ihrem Gast zu, der auch ziemlich schnell zu Sache kam und sie mit der Aufzählung verschiedener nützlicher Attribute von sich zu überzeugen versuchte. Sie vermied es, ihn dabei zu unterbrechen. Frei heraus sollte er sprechen, nur so konnte sie herausfinden, ob er zu etwas nützlich war.
    Schließlich begann er über sich und sein „altes“ Leben zu erzählen und was ihn dazu bewogen hatte, von dort auszubrechen. Im Grunde unterschied sich seine Geschichte nicht sonderlich von denen, die man immer wieder hörte. Alle suchten sie ihr Glück in Rom. Auch sie hatte ihr Glück in Rom zu finden gehofft, aber auch ihr war recht schnell klar geworden, dass Glück nur etwas für Reiche und Bessergestellte war. Sicher würde er dies in naher Zukunft auch noch merken.


    Tja, was sollte er tun, um das große Geld zu machen. Er hatte ihr so viel erzählt, doch das wichtigste dabei hatte er schlichtweg vergessen.
    „Was wärst du denn bereit, zu tun?“ antwortete sie mit einer Gegenfrage. „In gewisser Weise liegt ja das Geld auf der Straße, doch man muss auch bereit dafür sein, es aufzuheben…“ Mit fragender Mine und leicht angehobenen Augenbrauen blickte sie in ihr Gegenüber, um jede seiner Regungen aufzufangen. Wer in Rom groß absahnen wollte, der musste auch ein gewisses Maß Risikobereitschaft mitbringen. Ob ihm das klar war? Am Ende handelte es sich womöglich nur um ein Missverständnis.

    Nur wenige Stunden später, nachdem sich Beroe mit ihrer „netten“ Kollegin etwas intensiver beschäftigt hatte, beglückte sie sie erneut mit ihrer Anwesenheit. Doch der grundlegende Unterschied zu ihren sonstigen Auftritten war ihr eher zurückhaltendes, ja sogar freundschaftliches Verhalten ihr gegenüber. Mit sich im Schlepptau führte sie einen schon etwas in die Jahre gekommenen, und deswegen kahlköpfigen, schwitzenden Fettwanst, dessen Aussehen nicht im Mindesten eine Spur von Attraktivität aufwies. Jedoch die Qualität seiner Kleidung ließ darauf schließen, dass es sich um einen wohlhabenden Mann handelte.
    Seine Gesäusel und die anzüglichen Blicke, mit der er Beroe überschüttete, widerten sie an. Allerdings war nun nicht die Zeit, um wählerisch zu sein. Der Kerl konnte ihr vielleicht sagen, wo man Thalia finden konnte. Darum spielte Beroe das Spiel mit.
    „Salve Soranus, wie schön, dass wir uns endlich kennenlernen,“ entgegnete sie zuckersüß und verführerisch und trat noch näher heran, so dass der Einblick auf ihre Rundungen noch etwas erleichtert wurde. „Meine Freunde nennen mich Beroe.“ , hauchte sie ihm in sein Ohr, um den Appetit des Alten noch ein wenig zu steigern. „Ich denke, wir sollten uns einmal… unterhalten.“ Ihr laszives Lächeln, welches sie ihm nun zuwarf kam einer Einladung gleich, die über jeden Zweifel erhaben war.

    Beroes Blick ruhte eine Weile auf ihm, während sie darüber nachdachte, ob es nicht doch besser war, wenn sie den Fremden einfach weiter seiner Wege ziehen ließ. Inzwischen war sie etwas vorsichtiger geworden. Manche Männer entpuppten sich erst dann als wahre Psychopathen, wenn man unter vier Augen mit ihnen war. Ob er nun dazu gehörte, konnte sie nicht mit Bestimmtheit sagen. Zwar waren ihr die Narben an seinen Findern aufgefallen, doch sie konnten auch von schwerer Arbeit oder einem Unfall herrühren.


    „Du willst an einen ruhigen Ort? Na schön, komm mit!“ Sie griff nach seiner Hand und zog ihn mit sich. Für alle um sie herum war dieses Bild nichts besonderes, eine Lupa, die sich mit ihrem Freier zurückzog.
    Beroe führte ihn von den Märkten weg, hinzu einer ruhigen Seitengasse. Sie verschwanden in einer Insula, in der sie sich unlängst in einer verlassenen Wohnung ein Zimmer notdürftig für ihre Arbeit eingerichtet hatte. sie öffnete die Tür, ließ ihn ein und schloss hinter sich die Tür. Der Raum selbst wirkte düster. Nur einige wenige Lichtstrahlen drangen durch einen mottenzerfressenen Vorhang durch. „Ist das hier ruhig genug für dich?“ Sie zündete eine Öllampe an .Im Schein des Lichtes kam nun ein Bett, ein einfacher Tisch und zwei Stühle zum Vorschein. „Setz dich!“, sagte sie und bot ihr einen Platz an. Sie selbst blieb noch stehen und beobachtete ihn weiter. „Nun?!“

    Endlich lockerte dieser Grobian etwas seinen Griff. Doch er trieb sie weiter vor sich her, direkt zum Magnum Momentum, an dem Türsteher vorbei direkt in Silanus´ Officium und ließ seiner Wut freien Lauf. Beroe selbst stürzte geradezu vor Silanus Füße, nachdem Askan ihr einen ordentlichen Stoß versetzt hatte. Da lag sie nun und traute sich kaum nach oben zu blicken, während die beiden Männer miteinander stritten. Im Grunde genommen traf sie eigentlich gar keine Schuld, denn schließlich befolgte sie doch nur die Wünsche ihres Peinigers, der just dabei war, sie zu verleugnen.


    „Ich habe ihm gesagt, dass ich zu dir gehöre, Dominus,“ kam es kleinlaut und kaum hörbar aus ihr heraus. Vorsichtig erhob sie sich und stand nun zwischen den beiden. Selbst dabei traute sie sich kaum, ihren Blick zu erheben, um einen von beiden anzuschauen.
    „Dieser Kerl dort hat mich mit seinem Messer bedroht und dann….“ Sie hatte wirklich heulen können, weil sie Todesängste ausgestanden hatte. Aber Tränen zählten bei Silanus nicht viel, das wusste sie auch.

    Ähm, moment mal, wie war das? Sesterzen wären hervorragend? Und das sagte er ihr, einer Lupa?! Nun ja, sie war damals auch ziemlich abgebrannt gewesen, als in Rom angekommen war und ihr erster Gedanke damals war auch, wie sie zu Geld kommen sollte. Und ähnlich wie sie, wägte er nun ab, welche Möglichkeiten er hatte. Sie hatte sich damals für dieses Leben entschlossen. Dass sie allerdings kurz darauf auf einen wie Silanus gestoßen war, hatte sie ja nicht ahnen können.


    „Vielleicht kenne ich jemanden, wer weiß. Aber…was bist du denn bereit, zu tun… um das große Geld zu machen?“, fragte sie schließlich und betrachtete sich ihn eine Weile. Was würde Silanus sagen, wenn sie ihn anschleppte? Nein, nein, sie konnte nicht einfach mit diesem Wildfremden im Schlepptau in der Casa erscheinen. Silanus würde vor Wut explodieren! Vorher musste sie erst noch ein bisschen mehr über ihn erfahren und vielleicht konnte er sie ja sogar von seinen Vorzügen und Fähigkeiten überzeugen, damit sie für ihn ein gutes Wort bei Silanus einlegen konnte. Von kräftiger Statur war er ja. Einer wie er konnte ihr zum Beispiel die unangenehmen Kerle vom Hals halten…
    „Nun komm, erzähl mir ein bisschen von dir und dann werden wir sehen, ob ich was für dich tun kann.“ Das war doch ein gutes Angebot! Und völlig kostenlos noch dazu!

    Besonders redselig war der junge Mann nun wirklich nicht. Offenbar gehörte er zu jener Sorte, denen man jede Einzelheit aus der Nase ziehen musste. Aber auch gut, dachte sich Beroe. Da es eh nichts zu tun gab, konnte sie sich genauso gut mit ihm etwas abgeben.
    „Ja sicher, aber dann verrate mir doch einmal, wie ich dir helfen kann. Suchst du etwas Bestimmtes oder…“ und dabei deutete sie auf den großen Markt, der vor ihnen lag. „… brauchst du etwas Besonderes, von dem ich weiß, wo man es herbekommen kann.“ Mittlerweile kannte sich Beroe in ihrem „Revier recht gut aus und hatte bereits mit manch einem der Händler geschäftlich zu tun gehabt. Außerdem wusste sie auch, wo man ganz einfach auch mal etwas mitgehen lassen konnte, ohne dass man dabei erwischt wurde.

    Sie hatte ihm den restlichen Würzwein bis zum letzten Tropfen eingeschenkt, als er ihr den Becher entgegenstreckte. Nun verschwand das edle Gesöff in Silanus Kehle. Es war schon ein wenig ironisch, wenn man bedachte, dass sie den Wein extra dafür gekauft hatte, um mit Avianus auf Silanus´Verschwunden und ihre damit verbundene wiedergewonnene Freiheit anzustoßen. Doch die letzten Stunden hatten sie wieder in die Realität zurückkatapultiert. Wie hatte sie auch nur im Entferntesten annehmen können, dass Silanus einfach verschwunden sein könnte? Auch wenn nun die Enttäuschung darüber noch so groß war, so wusste Beroe aber, dass sie auch damit irgendwie fertig werden würde.


    Offenbar war es Silanus´ Aufmerksamkeit nicht entgangen, wie erleichtert sie darüber war, dass die gesuchte Frau unbeschadet bleiben sollte. Schon öfters hatte sie den Eindruck gehabt, er besäße die Fähigkeit, in ihre Gedanken blicken zu können. Wie sonst hätte Beroe sich seine nächste Bemerkung erklären sollen? Beroe überlegte gut, was sie sagte und doch kam sie etwas ins Stocken.
    „Nein…nein, natürlich nicht, Dominus. Es ist nur…es ist nur gut zu wissen, dass ihr nichts …geschieht“… und dass sie letztendlich nicht an ihrem Tod schuld war. Wieder starrte er sie so an und langsam wurde ihr mulmig dabei. Sie wollte seinen Blicken ausweichen, doch es schien fast so, als könne er sie mit seinem bloßen Blick festhalten.
    Ihre erste Reaktion, als er ihr Amulett erwähnte, war der automatische Griff zu ihrem Hals, an dem so viele Jahre lang dieser einfache Anhänger mit einem Lorbeer bekränztem A an einem einfachen Lederbändchen gehangen hatte. Nie im Leben hätte Beroe damit gerechnet, dass ihm ausgerechnet das Fehlen dieses „Schmuckstückes“ eines Tages auffallen würde. Jetzt musste sie einfach Ruhe bewahren, damit ihr kein falsches Wort über die Lippen kam. Aber das war leichter gesagt, als getan!
    „Das Amulett…äh…ja äh… keine Ahnung… das…das muss ich …äh… verloren haben…. Ja, ganz sicher hab ich es verloren!“, stammelte sie.

    Seine Bemerkung versetzte ihr sogleich wieder einen Seitenhieb. Offenbar hatte Beroe ihm bereits zu viel versprochen, allerdings davon nur wenig halten können. Selbstverständlich war dies nicht absichtlich geschehen. Nun ja, wenn man einmal von diesem Abend absah, an dem sie ihn mehrmls schamlos angelogen hatte... Sie hatte nun mal eine Begabung dafür, das Unheil magisch anzuziehen. Aus dem Grund hatte ihre ehemalige Domina sie wohl auch Beroe genannt. Ihr nächstes Missgeschick hatte sich bereits nahtlos an all die anderen angereiht, als sie eines seiner „Gebote“ missachtet hatte! Du sollst keine Fragen stellen! Aber genau das hatte sie soeben getan.
    Allerdings war seine Reaktion darauf wesentlich milder gestimmt, als sie es erwartet hätte. Und nicht nur das! Er ließ auch durchblicken, dass dieser Frau kein Leid geschehen sollte. Natürlich machte es das für Beroe um einiges leichter. Sie wirkte wesentlich beruhigter, nachdem sie dies erfuhr.


    „Möchtest du noch etwas Trinken, Dominus?“ fragte sie ihn, als sie bemerkt hatte, dass sein Becher leer war. Offenbar mundete ihm dieser Würzwein, den sie eigentlich für ihr Treffen mit Avianus am Vorabend gekauft hatte.

    „Ja, natürlich umsonst!“,bestätigte sie fast schon gekränkt ihre Worte und nickte dabei. So konnte diesem armen Tropf doch nicht auch noch Geld dafür abknöpfen, nur weil er keine Ahnung hatte, wo er war oder wo er hin wollte. Natürlich würde ihre Hilfsbereitschaft irgendwann auch auf Grenzen treffen. Sicherlich würde sie ihn nicht durchfüttern können oder ihm sogar Geld leihen. Doch was Beroe tun konnte, würde sie auch gerne tun.


    Nachdem der Mann sie eine Weile angestarrt hatte, schien es als ließe er seine Vorbehalte gegenüber ihr fallen. Vielleicht überwand er aber auch einfach nur seine Scham vor der Lupa. Sie wusste nur zu gut, wie manche Menschen sich gaben, wenn sie einer Lupa gegenüberstanden.
    „Na siehst du!“, entgegnete ihm Beroe lächelnd. „Du bist nicht von hier, oder?“ Eigentlich sah man ihm das ja schon an, doch sie fand, es wäre sicher gut, sich etwas mit ihm zu unterhalten, um vielleicht auch herauszufinden, wie man ihm helfen konnte.

    Dieser Mann begegnete ihr genauso, wie sie es eigentlich auch erwartet hatte und wie wohl sicher jeder andere auch reagieren würde, wenn er von einer ihres Standes angesprochen wurde. Seine abwehrende Haltung ihr gegenüber, die durch seine Geste nur noch verstärkt wurde, und ihrem einfachen Angebot, ihm nur helfen zu wollen, war irgendwie schon bezeichnend. Nun ja, man konnte es ihm sicher nicht verdenken, dass er so dachte, Schließlich war das hier Rom und nicht ein Hinterweltlerdörfchen, in dem man jedem Fremden freundlich gesinnt gegenüber trat. Aber trotzdem, und das erstaunte Beroe am meisten, war er nicht weitergegangen, sondern war bei ihr stehen geblieben.


    „Du kannst dir meine Hilfe nicht leisten?“, echote sie und sah ihn dabei verwundert an. Seltsam, was in ihm wohl vorging? Entweder hatte er zu oft schlechte Erfahrungen gemacht oder er war einfach nur schüchtern. „Wieso das denn? Eigentlich dachte ich, ist meine Hilfe … umsonst…“ Nun lächelte sie ihm geduldig zu. Dabei begann sie ihn und sein äußeres zu mustern. Seine Kleidung, die irgendwann einmal sauber gewesen war, ließ darauf schließen, dass er sie entweder irgendwo gestohlen hatte oder aber dass er ursprünglich nicht unbedingt aus den untersten Schichten stammte. Vielleicht hatte er ja auch einfach nur Pech gehabt, so wie sie damals.
    „…und so wie du aussiehst, könntest du sicher welche gebrauchen!“, fuhr sie schließlich fort und beobachtete ihn weiter.

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    Drusilla hatte es mal wieder geschafft, sich direkt in den Mittelpunkt zu katapultieren. Nun lachte sie hämisch. Das tat sie immer, wenn sie sich im Vorteil glaubte. Dementsprechend baute sie sich vor Beroe auf. „Was sollte dich das interessieren, hä?“
    Das war mal wieder so typisch für Drusilla! Doch falls wirklich etwas dran sein sollte und sie etwas über Thalias Aufenthaltsort wusste, dann musste sie das unbedingt aus ihr herausbekommen. „Es interessiert mich, weil es Silanus interessiert!“ konterte sie, um ihr gleich klarzumachen, mit wem sie sich einließ. Bisher hatte Silanus‘ Name immer einen gewissen Effekt bei den Leuten in diesem Milieu bewirkt. Und auch Drusilla hatte stets Respekt gezeigt, wenn Silanus mit im Spiel war. So auch nun.
    „Silanus sagst du“, und klang nun gar nicht mehr so selbstsicher. „Ja genau der! Und wenn er erfährt, dass du mir Informationen vorenthältst, dann werde ich dafür sorgen, dass er dir mal einen Besuch abstattet, um dir ein paar nette Verzierungen in deinen fetten Wanst zu schnitzen!“ Inzwischen hatte Beroe gelernt, wie man Menschen einschüchterte und dabei ruhig und gelassen zu bleiben. Sie hatte ja dafür einen guten Lehrmeister und oft genug war sie selbst diejenige gewesen, die von ihm eingeschüchtert wurde. „Also, was weißt du?“


    Drusilla bekam schon Angst bei dem bloßen Gedanken daran. Sie musste nicht lange darüber nachgrübeln, ob sie reden sollte, oder nicht. Sie sah sich erst um, bevor sie zu sprechen begann. „Also dieses Mädchen, Thalia, hat früher in den höchsten Kreisen verkehrt. Aber dann während des Bürgerkrieg, als sich das Blatt für den Fetten zu wenden begann, soll sie sich hier irgendwo versteckt haben, hieß es.“ Beroe war nicht sonderlich zufrieden mit dieser Antwort, denn im Grunde war es nichts anderes, als das, was sie eh schon wusste. Also musste sie Drusilla einfach noch etwas mehr unter Druck setzen, damit sie endlich mit den interessanteren Details herausrückte. „Was du nicht sagst! Und erzählt du mir nun etwas, was ich noch nicht weiß? Zum Beispiel, wo man sie finden kann? Du weißt doch, wie gerne Silanus mit seinem Messer spielt!“ Drusilla stand der Schweiß auf der Stirn. In einer gewissen Weise gefiel es der Lykierin, sie so zu sehen und vielleicht konnte sie in diesem Moment ein Fünkchen der Befriedigung empfinden, die Silanus empfand, wenn er sie bedrohte.
    „Ich weiß es nicht! Glaub mir… ich weiß es wirklich nicht! niemand hat sie seitdem gesehen. Vielleicht ist sie ja umgekommen. Es gibt genug Leute, die ein Interesse an ihr haben…“ Nein, diese Antwort ging gar nicht! Beroe schüttelte enttäuscht den Kopf. „Nein Drusilla, so wird das nichts! – He, Kleiner!“ Sie rief einen kleinen Straßenjungen zu sich, der gerade in der Gegend herumlungerte und der gelegentlich Botengänge für Silanus erledigte. Der Junge schaute sich um und kam auf Beroe zu. „Sag Silanus, er soll herkommen. Diese fette Schlampe hier hat ihn betrogen!“ Der Kleine nickte, aber ließ sich etwas Zeit mit gehen, so lange, bis Drusillas Erinnerungsvermögen schlagartig zurückgekehrt war. „Nein, nein, hör zu! Vielleicht kenne ich jemanden, der weiß, wo man sie findet! Ein Mann namens Soranus. Ich könnte dafür sorgen, dass er dich trifft!“ Mittlerweile rannen ihr die Schweißperlen an den Schläfen herab. Sie wirkte ziemlich aufgewühlt. So hatte Beroe die alte Lupa noch nie erlebt. Aber wenn sie darüber nachdachte, was sie hier eigentlich tat, konnte sie dabei nicht wirklich Genugtuung fühlen, so wie es Silanus getan hätte. Eigentlich tat sie das alles nur, damit es ihr nicht so erging.


    „Na schön! Zieh wieder Leine, Kleiner!“ Mit einer Handbewegung schickte Beroe den Jungen wieder fort. Als er außer Hörweite war, widmete sie sich wieder voll und ganz Drusilla. „Gut! Dann sieh zu, das der Kerl hier auftaucht und bete darum, dass er mir sagen kann, wo sie steckt!“ Drusillas nickte hektisch und war froh, dass sie vorerst auf Silanus Gesellschaft verzichten durfte. „Ja, mach ich! Mach ich sofort!“ Sie verzog ihr Gesicht zu einem Lächeln und wollt wieder zu ihrem Platz zurück. „Ach und Drusilla!“, rief Beroe ihr noch nach. „Ja?“ Auf der Stelle war sie stehen geblieben und sah sich um. „Nenn mich nie wieder Schlampe!“

    Sim-Off:

    Diese Geschichte hat ihren eigenen Threasd verdient! Deshalb habe ich sie vom "Kundenfang" hierher verschoben.



    Beroe war nicht die einzige Lupa, die an den Märkten auf ihre Kundschaft wartete. Es gab genügend andere Frauen, die sich teils aus der Not heraus oder aber auch weil man sie dazu zwang, verkauften. Einige von ihnen hatte sie mit der Zeit besser kennengelernt und pflegte mit ihnen einen freundschaftlichen Umgang. Dennoch waren sie alle Konkurrentinnen und so blieben diese Freundschaften meist nur oberflächlich.
    Aber an diesem Tag hoffte Beroe, diese Freundschaften mochten tief genug sein, um dadurch vielleicht an ein paar Informationen zu kommen. Die Hinweise, die ihr Silanus am Abend gegeben hatte, waren mehr als spärlich gewesen. Im Grunde musste ihr von Anfang an klar gewesen sein, dass sie wenig bis gar keinen Erfolg haben würde, denn ausgerechnet dieses Mädchen in einer Stadt wie Rom zu finden, war ungefähr so schwer, als suche man die Nadel im Heuhaufen.


    „Kennst du eine gewisse Thalia, ungefähr so groß, dunkles Haar, blau Augen, zwischen achtzehn und zwanzig Jahren alt.“ Irgendwann hatte sie aufgehört zu zählen, wie oft sie diese Frage schon gestellt hatte. Und jedes Mal erhielt die gleiche ernüchternde Antwort, das gleiche Schulternzucken, den gleichen fragenden Blick. Es war wirklich wie verhext! Sie hatte sogar einen nicht unerheblichen Teil ihrer Einnahmen verwendet, um die Zungen der Leuter zu lockern. Niemand wusste aber etwas, niemand hatte etwas gehört, niemand hatte sie gesehen. Und doch konnte sie nicht vom Erdboden verschluckt worden sein! Dieses Mädchen konnte sich doch nicht die ganze Zeit versteckt halten. Irgendwann musste sie doch auch ihr Versteck verlassen. Schließlich musste sie doch auch von etwas leben…


    [Blockierte Grafik: http://imageshack.us/a/img404/5201/3gn.gif„He du, kleine Schlampe! Nach wem suchst du denn so angestrengt schon den ganzen Morgen?“ Die mittlerweile ihr wohlbekannte Stimme Drusillas hatte Beroe ziemlich überrascht getroffen. Sie hatte sich zwar inzwischen an ihre Unverschämtheiten, mit denen sie sich ihr entgegenstellte, gewöhnt. Trotzdem dreht sie sich zu ihr um , als ob man sie bei einer verbotenen Sache erwischt hätte. Die beleibte Mittvierzigerin hatte wieder ihr verschlagenes Grinsen aufgesetzt und bedachte ihre jüngere Kollegin mit diesem abschätzigen Blick, den sie auch schon früher, als sie noch stolze Besitzerin ihres Lupanars gewesen war, inne hatte.
    „Kümmere dich um deinen eigenen Kram, Drusilla!“, konterte Beroe genervt und wandte sich wieder von ihr ab. Dass sie es einfach nicht lassen konnte und sich ständig in ihre Angelegenheiten einmischen musste! Sie war doch nur neidisch auf sie, weil die meisten Männer sich für‚ Beroe entschieden, statt für sie.
    „Nun ja, wenn sich jemand nach der Hure des Fetten erkundigt, dann ist das doch schon was Besonderes, oder?!“, gab sie süffisant zurück und hatte dabei dieses Lächeln, wie das der Katze, die gerade den Kanarienvogel gefressen hatte.
    Beroe wäre beinahe die Kinnlade heruntergeklappt, als sie das hörte. „Die Hure des Fetten?“, wiederholte sie ungläubig, als wolle sie sich vergewissern, dass sie richtig gehört hatte. „Was… was weißt du über sie?“

    Zitat

    Original von Herodorus


    Auf die Dauer tat es ihr verdammt weh, wenn dieser Kerl sie so an den Haaren zog. Beroe versuchte daher mit Askan Schritt zu halten. Eigentlich hatte sie mittlerweile die Hoffnung aufgegeben, Silanus oder auch nur irgendein anderer könne sie aus dieser misslichen Situation befreien. Dabei hatte sie diesem Mistkerl Askan doch gar nichts getan!
    Als dann plötzlich noch dieser kahlköpfige Muskelprotz neben ihnen auftauchte und dieser dann auch noch Askan als „Freund“ titulierte, war es mit Beroes Hoffnung ganz am Ende. „Na prima!“, krächzte sie nur. Wie hatte sie es nur geschafft, binnen kürzester Zeit, den ganzen Ärger der römischen Unterwelt auf sich zu ziehen? dabei wollte sie doch einfach nur ihrer Arbeit nachgehen!

    Die Tage konnten ziemlich lang sein, wenn nur wenig zu tun war. Und die ganze Zeit den Passanten zusehen, wie sie an einem vorbeizogen, ohne dass auch nur einer von ihnen Interesse bekundete, machte die Sache noch ein ganzes Stückchen unerträglicher. Wenn Beroe dabei dann auch noch die Stunden zählte, bis es endlich Abend wurde, um endlich zu den Horti Lolliani zu eilen, dann war das so das absolut Schlimmste, was ihr passieren konnte. Außerdem sah es in ihrem Geldbeutel wahrlich nicht besonders gut aus. Wenn es so weiterging, reichte es diesmal nicht einmal für eine anständige Mahlzeit am Abend.


    Irgendwann fiel ihr schließlich ein junger Mann auf, nach seiner Kleidung zu urteilen, wohl ein Peregrinus. Im Gegensatz zu den meisten Leuten, die hier vorbei kamen, um auf den Trajansmärkten ihr Geld zu lassen, hatte er es nicht besonders eilig. Eigentlich wirkte er ziemlich ziellos und desorientiert.
    Einen Moment lang war sie an sie selbst erinnert, damals vor etlichen Wochen, als sie selbst neu in der Stadt gewesen war. Völlig abgerissen und hungrig war sie damals und hatte keine Sesterze in der Tasche.


    Wahrscheinlich war es ein Fehler, doch sie näherte sich dem jungen Mann und sprach ihn an. „Hey du! Du bist nicht von hier, oder? Kann ich dir helfen?“ Von ihrem Äußeren zu schließen, war es nicht zu verleugnen, welcher Profession sie nachging. Ihre Absichten allerdings waren ganz andere, als man sie sich wohl im Allgemeinen vorstellte. Aber das konnte der junge Mann ja sicher kaum ahnen. Vielleicht dachte er, sie bediene sich einer neuen Masche. :D



    Sim-Off:

    Ich würde gerne! :)

    Die ganze Sache war ziemlich mysteriös aber auch sehr spannend. Und wenn Beroe dadurch ihre „Schulden“ begleichen konnte, sollte es ihr recht und billig sein. So konzentrierte sie sich in erster Linie auf diese Sache und vielleicht wurde sie dadurch nachlässig und unvorsichtiger gegenüber Silanus. Die Informationen, die er ihr gab, merkte sie sich gut. Allerdings waren es nicht viele und die die sie bekam, waren eher vage. Die Suche würde schwierig werden. Doch sie wollte es wagen.
    „Dann werde ich mich dort umsehen und hören, was die Leute so sagen. Du wirst sicher mit mir zufrieden sein, Dominus.“ Ein vages Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Allerdings beschlich sie langsam die Frage, was er von der Frau eigentlich wollte und vor allen Dingen, was würde mit ihr geschehen? Er würde sie doch nicht umbringen wollen! Am Ende trug sie die Schuld an ihrem Tod. Was würde Avianus dann von ihr denken, wenn sie nur des Geldes wegen eine Frau in den Tod trieb?
    „Was hast du eigentlich mit ihr vor? Du wirst ihr doch nichts antun? Oder?“Sie klang irgendwie besorgt, auch wenn sie ihre Bedenken vor ihm verbergen wollte.

    „Ja,“ sagte sie einfach nur und lächelte dabei, damit sie ihre Tränen unterdrücken konnte. Wie sollte sie nur die Zwischenzeit überstehen, in der sie ihn nicht sah und er sie nicht berühren konnte?
    Der letzte Kuss, noch ein Händedruck, die letzte Umarmung. Dann ging er und verschwand in der Dunkelheit. Beroe blieb allein zurück. Und sie verharrte auch für den Rest der Nacht in den Gärten, an dem Platz, an dem sie sich ihre Liebe gestanden hatten, an dem ihr die schönsten Momente ihres Lebens widerfahren waren.


    Erst als der Morgen graute, konnte man eine sich grämende Gestalt beobachten, die ein wenig verloren durch den Park lief, um sich dem neuen Tag zu stellen. Noch ahnte sie nichts von den drohenden Unwetterwolken, die sich unmerklich über ihr zusammenbrauen sollten… Auch wenn der Abschied ihr so schwer gefallen war, hatte sie dennoch Sonne im Herzen, die sie wärmte und ihr Trost spendete, wenn die Sehnsucht ins unermessliche zu steigen drohte.

    Ja, sie wollte daran glauben, wie viel sie ihm bedeutete. Er hatte es ihr ja bereits oft genug gesagt und dennoch tief in ihr dinnen, zerfraß sie die Angst, vor dem, was passieren würde, wenn sie ihn doch verlieren sollte. Zum ersten Mal in ihrem bisher eher glücklosen Leben, hatte sie jemanden gefunden, der ihr unglaublich viel bedeutete und für den sie so viel Liebe empfand. Es würde ihr das Herz zerreißen, wenn sie sich eines Tages eingestehen musste, dass alles nur ein wirrer Traum gewesen war.
    „Ja ich verstehe ja,“ entgegnete sie und sie war fast den Tränen nah. „ Bitte verzeih mir, ich denke wieder nur an mich und merke gar nicht, wie schwer ich es dir damit mache.“ Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Brust, als wolle sie noch einmal seinen Geruch in sich einatmen, damit sie auch noch an den folgenden Tagen davon zehren konnte. Auch wenn es ihr schwer fiel, musste sie akzeptieren, dass sie ihn ein Stück loslassen musste, um ihn nicht zu verlieren. Eine schwere Lektion für jemanden, der bisher noch nie etwas Eigenes besessen hatte.


    Seine anfängliche Skepsis über ihren Wunsch war auf einmal wie weggefegt. Offenbar gefiel ihm diese Vorstellung, ihr das Nötige beizubringen und sein Versprechen, es versuchen zu wollen, tröstete sie ein wenig, dass wenigstens ein vages Lächeln wieder zurückkehrte.
    „Danke, dass du es mir beibringen willst. Das bedeutet mir sehr viel!“
    Nachdem er nun auch seine Tunika übergestreift hatte und bereit zum gehen war, nahm er noch einmal ihre Hand und strich mit der anderen einige Strähnen aus dem Gesicht. Natürlich hätte sie ihn am liebsten bei sich behalten, doch sie musste ihn für die nächsten Tage zumindest wieder frei geben, bis sie sich wieder trafen. Auch wenn es ihr schwer fiel. Ach, wie sehr sie doch Abschied nehmen verabscheute! Sein Versprechen, so bald wie möglich wieder hier zu sein, tröstete sie ein wenig.
    „Das wollte ich hören!“, flüsterte sie und gab ihm zum Abschied noch einen Kuss. Von nun an würde sie wieder jeden Morgen zu ihrem Platz pilgern, an dem er für sie immer das Amulett hinterlegte. Und sobald sie es dort fand würde sie wieder damit beginnen, die Stunden zu zählen, bis sie sich wiedersahen.

    Die außergewöhnlichen Wünsche ihres Kunden hatten jegliche Zeitrahmen gesprengt. Statt der üblichen halben oder ganzen Stunde war daraus fast die ganze Nacht geworden. Irgendwann war sie mit ihm erschöpft eingeschlafen.
    Erst am Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen den neuen Tag ankündigten, wurde sie wieder wach. Inzwischen war er weg und hatte ein wahres Durcheinander hinterlassen.
    Als auch sie ihre Sachen zusammensuchte, fand sie auf dem Boden einen weiteren Dinar, den sie natürlich schnell in ihrem Geldbeutel verstaute.
    Dann ging auch sie.

    Je heftiger seine Einwände wurden, umso einsichtiger wurde sie. Er hatte ja recht! Wegen ihr sollte er keinen Ärger bekommen, es wäre das Letzte, was sie wollte. „Ja, schon gut! Ich weiß ja…“ In ihrer Stimme schwang eine gewisse Enttäuschung mit, die sich nicht ganz verbergen ließ. Die Frage, wann sie sich denn wiedersehen würden, schenkte sie sich, denn sie würden vielleicht nur noch zu mehr Irritationen führen. Langsam führte sie ihren Arm wieder zurück, mit dem sie ihn regelrecht festgehalten hatte, so dass er nun wieder „frei“ war.
    Die letzten Minuten, die ihnen zusammen blieben, wollte sie so intensiv genießen, wie dies nur möglich war. Wenn sie an den nächsten Tag dachte, überkam sie die Angst. Was, wenn dies doch nur ein Traum gewesen war?


    Beroe spann ihren Gedanken weiter, was denn alles möglich war, wenn sie erst einmal lesen und schreiben konnte. Nicht nur ihrer Beziehung würde es helfen, wenn sie es lernte. Nur wo sollte sie es lernen und wann?
    Avianus Stimme merkte man es an, wie verwundert er wohl sein musste, als sie ausgerechnet jetzt mit diesem Thema kam. Dabei hatte Beroe keinerlei Hintergedanken gehabt. Sie wollte schon viel früher mit ihm darüber sprechen, nur gab es nie die richtige Gelegenheit dazu. Aber er war dem auch nicht unbedingt abgeneigt. Inzwischen begann er sich wieder anzuziehen.
    Beroe lächelte. „Ich weiß nicht…, wenn du die Möglichkeit dazu hättest…. Aber wenn dir dazu die Zeit fehlt…. ach, nein… du musst das nicht tun!“ Irgendwie wurde ihr gerade bewusst, wie ungeschickt sie den Zeitpunkt für diese Frage gewählt hatte. Der Moment des Abschieds war schon grausam genug, nun belastete sie ihn auch noch zusätzlich damit!


    Auch sie schlüpfte wieder in ihre Tunika und nach kurzer Zeit war dann tatsächlich der Moment gekommen, an dem sie auseinander gehen mussten. Betrübt stand sie vor ihm. Sie schaffte es nicht einmal, aufzuschauen, um ihm in die Augen zu sehen, denn der Schein des Mondlichtes hätte ihre Tränen, die in ihren Augen waren, verraten.