Beroe hörte interessiert zu, als er weiter berichtete. Es war am Ende doch recht einfach für ihn gewesen, sich aus seinen "Schwierigkeiten" hinauszumanövrieren. Im Gegensatz zu ihr. Aber sie war ja auch keine Römerin und besaß erst recht nicht deren vielgerühmtes Bürgerrecht. Und sie hatte es bereits geahnt: Natürlich war er nicht geflohen. Weshalb auch?
Wieder war dieses schiefe Grinsen in seinen Mundwinkeln zu sehen, das sie so an ihm mochte, als er über seinen vermeintlichen Mut sprach. Wie gerne hätte sie ihm dies nun anvertraut. Aber sie beließ es besser dabei, weil sie einfach zu schüchtern dafür war. Vielleicht hätte er dabei an ihrer Aufrichtigkeit gezweifelt, denn schließlich wusste er ja, womit sie ihren Unterhalt verdiente.
Nachdem sie aber ihr anderes Geständnis losgeworden war, war auch aus Avianus´ Gesicht jegliches Wohlbehagen gewichen. Stattdessen wurde sein Ausdruck ernster, strenger, verärgerter, enttäuschter. Ja, sie konnte ihm seine Enttäuschung über sie ansehen, was alles noch viel schlimmer machte. Ausgerechnet er, der ihr Fels in der Brandung sein sollte, das einzig Gute in ihrem Leben, war nun maßlos enttäuscht von ihr! Doch er machte ihr keine Szene, schrie sie nicht an. Zum Glück verschwand er auch nicht wutendbrand. Nein, er blieb bei ihr und bat sie, am besten gar nichts mehr zu sagen. Aber sie wollte, nein sie konnte nicht schweigen! Er musste es wissen... Es war doch nicht ihre Schuld gewesen! Sie war doch unschuldig in diese Sache geraten! Ob er das je verstehen konnte? Vorausgesetzt er glaubte ihr noch.
„Bitte, du musst mir glauben,… ich kann nichts dafür!“, begann sie aufgebracht und weinend auf ihn einzureden. „Am Abend unserer ersten Begegnung war es… ich war so ausgehungert und müde. Da kam ich an einem verlassenen Haus vorbei. Dann entschloss ich mich, dort wenigstens die Nacht zu verbringen. Ich fand dann dort sogar noch etwas zu essen... und Kleidung. Am nächsten Morgen, als ich aufwachte, war ich dann nicht mehr allein... Er kommt direkt aus dem Tartaros! Er hat mir gedroht, mich umzubringen, wenn ich nicht tue, was er sagt. Bitte… du musst mir glauben!“, flehte sie und ihre Tränen rannen weiter über ihre Wangen.
„Er wird mich sowieso töten, wenn er erfährt, dass ich mich mit dir treffe , Denn er betrachtet mich als sein Eigentum. Du siehst also, ich komme vom Regen in die Traufe.“ sagte sie nach einer Weile resigniert mit einem Tick Sarkasmus. „Aber weißt du, das war es mir wert! Trotzdem bin ich jeden Tag hierhergekommen und habe gehofft, ein Zeichen von dir zu finden.“
Avianus hatte letztlich das ausgesprochen, was Beroe längst geahnt hatte. Natürlich würde sie wieder auf irgendeinem Sklavenmarkt enden. Was aber sonst noch mit ihr geschehen würde, sparte er sich lieber aus, was verständlich war. „Dann entscheide du!“, meinte sie schließlich. Wenn er immer noch so sehr von ihr enttäuscht war, hatte er nun Gelegenheit, seine Drohung von ihrem letzten Treffen wahrzumachen. Schlimmer als das Leben mit Silanus konnte diese Perspektive auch nicht sein.