Beiträge von Iunia Sibel

    Nachdem erfrischenden Bad hatte sie gewartet… und gewartet… und gewartet. Aber es war niemand gekommen. Beroe dachte sich nicht viel dabei, denn schließlich hatte er ihr ja angedeutet, dass er nicht jeden Abend hier sein würde.


    Die Abende, die darauf folgten, verliefen ähnlich. Sie blieb allein und war somit Herrin über die Casa. Man hätte fast meinen können, er sei in der Lage, ihre Gedanken zu lesen – auch über größere Entfernungen hinweg. Sie begann sich deshalb einzubilden, er wüsste von ihren Absichten und besäße so etwas wie übersinnliche Kräfte, was natürlich Schwachsinn war. Beroe hatte mit niemandem darüber gesprochen. Wie also bittschön hätte Silanus davon erfahren sollen?


    Langsam begann sie zu hoffen, dieser Spuk könnte nun vorbei sein. Vielleicht war sie ihn nun endgültig los? Diese Vorstellung wäre nur zu verlockend gewesen.
    Allmählich verblasste die Liste in ihrem Kopf und damit verließ sie auch wieder der Mut, sich tatsächlich gegen ihren Peiniger zur Wehr zu setzen. Dafür kehrte ihr Leben langsam in die Normalität zurück. Endlich frei! Und ihr Verdienst gehörte nun auch ganz allein ihr.
    Sie begann das Geld für sich auszugeben: Kosmetik, eine weitere Tunika und Lebensmittel.
    Endlich konnte sie die Früchte ihrer Arbeit genießen und zwar nur sie ganz allein! Von nun an würde ein sorgenfreies Leben beginnen. Vielleicht würde sie sogar reich dabei werden! Und wenn nicht, dann ging es ihr wenigstens für den Augenblick gut.

    Beroes Gedanken kreisten immer wieder um die Frage, wie es sein würde, wenn Silanus heute Abend wieder in der Casa erscheinen würde. Ob er es ihr ansah, dass sie ihn verraten hatte? War es ganz deutlich auf ihrer Stirn zu lesen: Verräterin! Würde sie sich durch ihr Verhalten am Ende selbst verraten?
    Und was war mit Avianus? Sie wusste, wie sehr er sich in eine Sache hineinsteigern konnte. Doch der versprach ihr hochheilig nichts zu unternehmen und niemand etwas zu sagen. Und trotzdem hatte ihre Angst sie voll im Griff.
    „Ich vertraue dir!“ Und das war nicht nur so daher gesagt. Sie glaubte ihn nun schon etwas besser zu kennen und sie wusste, dass der Iunier immer zu seinem Wort stand. Er würde auch da sein, wenn sie ihn eines Tages brauchte, da war sie sich ganz sicher. Den Brief würde sie nur im dringendsten Notfall benutzen. Ja, sie hatte verstanden, sie nickte. Wie schön wäre es gewesen, wenn sie sich in diesem Moment in vollkommener Sicherheit hätte wiegen können. Aber das konnte sie nicht. Es gab so viele durchlässige Stellen in ihrem Plan, die ihre und seine Sicherheit gefährdeten.


    Doch was er dann zu ihr sagte, rührte sie fast zu Tränen. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte es nie wieder jemand so gut mit ihr gemeint, wie er es tat. Sie hätte sich so gerne mit irgendetwas erkenntlich gezeigt, mit irgendeinem Zeichen des Dankes. Aber was hätte sie ihm geben können?
    Schließlich umarmte sie ihn. „Danke, dass du das alles für mich aufnehmen willst. Aber du weißt, du musst das nicht tun.“ Wie schön wäre die Vorstellung, wenn er sie tatsächlich eines Tages von Silanus befreien könnte. Dann wäre sie endlich wirklich frei. Und was wäre dann? Wie sehr würde sich ihr Leben dann von dem unterscheiden, das sie jetzt gerade führte?

    So ein verdammter Mist, wenn man den Typen wirklich mal brauchte, war er nicht da! So oder so ähnlich waren Beroes Gedanken. Ein wenig hektisch sah sie sich um, ob vielleicht nicht doch noch gerade eine verhüllte Gestalt auf dem Weg zu ihr war, um sie aus dieser prekären Lage zu befreien. Aber nichts da! Die einzig verhüllte Gestalt, war die, die vor ihr stand und sie mit seinem Dolch bedrohte.


    Na prima, dann musste sie wohl oder übel alleine klarkommen. Ob dieser Holzkopf überhaupt eine Ahnung hatte, mit wem er sich da einließ? Auf jeden Fall hieß es jetzt ruhig Blut bewahren und nicht hysterisch werden. Denn genau das wollte dieser Kerl doch! Lechter gesagt, als getan!


    Allerdings brachte sie ihr Freier ganz schön aus dem Konzept, denn der Kerl reagierte nicht in der erhofften Weise. Ganz im Gegenteil!
    „Hä?“, war deshalb ihre erste Bemerkung. Aber zum Glück fand sie nach einer Weile wieder den Faden, als es fast schon zu spät gewesen wäre.
    Der Kerl fuchtelte mit seinem Messer vor ihr herum. Ihr blieb dabei der Atem stehen, als er damit noch näher an sie herankam. Nun ja, sie war ja schon einiges gewöhnt. Beschämend war nur, als er sie über ihre heutige Ausbeute aufmerksam machte. Das hätte er sich echt sparen können!
    „Und genau der wird sich dich mal zu Brust nehmen, wenn du mir was antun solltest! Mein Dominus kann nämlich ziemlich grantig werden, wenn man sein Eigentum beschädigt oder kaputt macht! Er hat übrigens auch so einen Faible Dolche!“ Ihre Antwort kam eher gepresst daher. Man konnte erahnen unter welchem Druck sie stand und dass sie Angst hatte.


    Aber ihre Erleichterung war groß, als es so aussah, als würde ihr endlich jemand zu Hilfe kommen. Es wurde ja auch mal Zeit! Man sah es ihrem Gesicht förmlich an, wie sie wieder Hoffnung zu schöpfen begann, als jemand versuchte, Askan von seinem Vorhaben abzubringen. Umso größer war dann allerdings die Enttäuschung, als ihr Retter das Weite suchte, nachdem er Askan erkannt hatte. Beroe sah ihm noch sehnsüchtig nach. Jetzt war sie wieder mit ihrem „Kunden“ allein.

    Oh nein, was hatte sie getan! Warum war ihr das nur herausgerutscht? Avianus griff den Namen natürlich gleich auf und begann sie wieder zu löchern.
    „Ich weiß nicht, ob er Römer ist…Aber bitte, vergiss diesen Namen wieder ganz schnell! Er wird mich töten, wenn er erfährt, dass ich ihn verraten habe!“ Beroes unbändige Angst trat in diesem Moment wieder ganz deutlich hervor. Sie hatte es noch ganz genau vor Augen, wie er sie bedroht hatte. Warum war sie auch immer so ungeschickt!


    „Ich werde den Brief immer gut verstecken… ehrlich… ich sorge dafür, dass er ihn nicht findet“ Hoffentlich klappte wenigsten das! Und falls er den Brief doch finden sollte, so war er völlig unverfänglich, da er ja ohne Inhalt war.


    Beroe hing an seinen Lippen. Sie würde es genauso machen, wie er es ihr sagte. Sie würde auch weiterhin jeden Tag hierher in die Gärten kommen und unter dem Stein nachsehen. Eigentlich hätte sie jetzt froh sein müssen. Sie hätte sich sicherer fühlen müssen. Doch irgendetwas verhinderte das. Es musste wohl ihre Furcht vor Silanus sein. Wie schnell konnte er ihr die Kehle durchschneiden, wenn er von Avianus erfuhr und von ihrem Verrat.
    „Ach ja,… das Amulett! Hier habe ich es.“ Beroe wirkte etwas abwesend, als sie das Amulett über ihren Kopf streifte und es ihm gab.
    „Bitte versuch nicht Silanus zu finden. Das musst du mir versprechen. Bring dich wegen mir nicht in Gefahr. Glaub mir, ich bin es nicht wert.“ Ihr Gesicht hatte sich verfinstert, denn sie meinte es genau so, wie sie es gesagt hatte.


    Ah, er erinnerte sich! Das war gut! Die Sklavin hatte sich inzwischen zurückgezogen und Beroe kam innerlich wieder zur Ruhe. „Ja, genau! Der Zwischenfall.“ Sie nickte höflich und versuchte zu lächeln. Dieser gutgekleidete Herr schindete mächtig Eindruck, sie war richtig gehemmt. Auch seine Ausdrucksweise war ganz anders – so fein. Das war sie gar nicht gewohnt.


    „Äh ja, ich hab mich schnell aus dem Staub gemacht und konnte mich gar nicht richtig bedanken.“ Es war ihr wirklich ein wenig peinlich. Schließlich hatte er einer flüchtigen Sklavin geholfen, zu entwischen und das war doch bestimmt strafbar! Nun ja, aber das wusste ja der Claudier nicht und sicher musste er es auch nicht erfahren.
    „Ja, allerdings! Der Kerl war ganz schön hartnäckig!“ Sie schmunzelte bei dem Gedanken, denn inzwischen war ihr der „Kerl“ ja wieder über den Weg gelaufen. Nur diesmal hatte sie ihn auf eine ganz andere Art und Weise erleben dürfen.

    „Ja, das hab ich gemerkt!“, kicherte sie und spielte dabei auf ihre erste Begegnung auf dem Markt an. Wenn sie nur daran dachte, wie hartnäckig er sich mit dem Claudier gestritten hatte - wegen ihr!
    „Ja, nachts ist es in den Gassen gefährlich. Und manchmal sogar am Tag,“, gab sie zu bedenken. Seit sie Silanus kennengelernt hatte, wusste sie das nur zu gut. Dass nun die Diebe und Verbrecher aber so dreist geworden waren und sogar einen Soldaten überfielen, war schon sehr bedenklich. Dieses Gesindel, eigentlich gehört sie ja genaugenommen auch dazu, wurde immer unverschämter. Und sie würde da auch nichts ausrichten können. Sie brachte es ja nicht mal fertig, sich Silanus vom Leib zu halten.
    „Ach nee. Dazu habe ich keine Lust. Abends will ich meine Ruhe haben,“ entgegnete sie ihm lachend. Wahrscheinlich würde sie in der Castra unnötigerweise auch noch einige ihrer Kunden über den Weg laufen. Dieser Gedanke war wirklich nicht besonders erstrebenswert.


    Es nagte wirklich an Beroe. wie gerne hätte sie schreiben und lesen gelernt! Jetzt hätte sie es brauche können. Offen gesagt hatte sie keine Idee, wie sie ihm sonst signalisieren konnte, wenn sie Hilfe brauchte. Schließlich konnte sie nicht einfach zur Castra spazieren, um ihn zu besuchen. Doch dann hatte Avianus eine Idee, die sich nicht schlecht anhörte. Ein Brief, ja genau ein Brief! Ein Brief war unauffällig. Das allein würde bereits ausreichen. Und den Brief musste sie gar nicht bei der Castra abgeben sondern im Haus seiner Familie.
    „Das ist eine gute Idee! Wirklich! Ich muss ihn nur gut vor Silanus verstecken.“ Den letzten Satz hatte eigentlich mehr zu sich gesagt und erst jetzt realisierte sie, dass sie den Nmen ihres Peinigers Preis gegeben hatte.

    Nun hatte sie ihm ja wirklich schon ein sensationell günstiges Abgebot gemacht. So günstig, das es bereits fast schon lächerlich war. Sicher, Beroe war darauf angewiesen, dass sie Kunden gewann, sie war schließlich neu in dem Geschäft. Und ihr war auch klar, dass zufriedene Kunden wieder kamen. Aber sie hasste es einfach, wenn die Kerle ewig lang herumdrucksten und dann auch noch feilschen wollten. Und der hier war eindeutig einer von der Sorte, die ewig lang herumdrucksten und feilschten. Solche Kerle waren schlecht fürs Geschäft. Sie hielten nur unnötig auf und brachten absolut gar nichts ein.


    „Na ja, wenn ich mir´s recht überlege, hast du recht! Also alles was du willst für fünfzehn.“ , antwortete sie sachlich und grinste ebenso, wie er es tat.
    Und dann diese Frage nach Spielereien mit seinem Dolch. Sie seufzte gelangweilt. Wenn nun Silanus vor ihr gestanden hätte, dann hätte sie echt Angst gehabt. Aber dieser Tropf sah nicht wirklich gefährlich aus. Also ging sie mal davon aus, dass er mit Dolch sein bestes Stück meinte. Seltsam die Kerle, dachte sie, suchen sich die abwegigsten Namen dafür aus, nur um uns Frauen zu imponieren. Na ja, vielleicht hatte er´s ja auch nötig! :P


    Aber dann offenbarte er ihr, was er unter Dolch verstand und sie merkte sofort, dass sie von zwei grundverschiedenen Dingen ausgegangen war. Ihr Blick verfinsterte sich. Verdammt, was sollte sie jetzt tun? Von Silanus Leuten war sicher keiner hier, der ihr die unliebsamen Freier vom Hals schaffen konnte. Allerdings wusste das ja der Freier nicht!


    „Verpiss dich, du Scheißkerl, sonst kriegst du Ärger! Aber gewaltigen Ärger!“, rief sie deshalb laut, damit es alle, die um sie herum standen hörten (vielleicht auch einer von Silanus Leuten) und hoffte inständig, dass sie ihn damit vertreiben konnte.

    Beroe musste schon wieder lachen. Avianus war einfach zu komisch! „Irgendwie hab ich das Gefühl, dass du gar nichts ernst nimmst,“ erwiderte sie lachend. „Mit sowas sollte man wirklich nicht scherzen! Aber wenn du´s genau wissen willst, ja es sah echt schlimm aus. Ich meine, ich hab ja nicht genau gesehen, wie sie dich überfallen haben. Aber ich hab gesehen, wie der eine zugeschlagen hat..also das sah ziemlich gefährlich aus. Aber klar,weil die Kerle mich kommen sehen haben, sind sie mal eben schleunigst abgehauen,“ erzählte sie weiter mit einem unterdrücktem Grinsen. „Naja, vielleicht hätte ich ja sogar Chancen bei euch in der Castra… um jeden Angreifer in die Flucht zu schlagen, meine ich.. allerdings nur nachts,“ fügte sie lachend noch hinzu.


    Ja, so ausgelassen war sie schon lange nicht mehr gewesen. Und allein das war schon Grund genug, sich mit ihm zu treffen. Auch sie hatte das Gefühl, dass er dieses Treffen genoss. Sich mit einer Lupa zu treffen und mit ihr im Park spazieren zu gehen und herumalbern, das hatte auch nicht jeder! Und da er es zuließ, dass sie seine Hand genommen hatte, bestätigte sie darin. Mehr wollte sie nicht, ein wenig Zuneigung, etwas Geborgenheit. Avianus gab ihr das alles und so spazierten sie eine Weile durch den Park ohne viele Worte. Dass sie beide hier waren, sagte schon alles.


    Doch dann spürte sie, dass ihn etwas bedrückte. Und es dauerte nicht lange, bis sich das bestätigte. Sie sah, wie betroffen er war und das diesmal seine Worte ernst gemeint waren.
    „Etwas was du mir geben könntest? Ich weiß nicht. Könnte ich dir eine Nachricht zukommen lassen?“ fragte sie. „Allerdings.. ich kann weder schreiben noch lesen“, gab sie etwas beschämt deswegen zu.

    Endlich einer der stehen bleibt, dachte Beroe. Auch wenn der Mann noch skeptisch dreinblickte, wollte sie sich richtig ins Zeug legen. Sie brauchte das Geld! Na ja, und wenn sich der Gute nicht überzeugen ließ, konnte sie ihm immer noch mit einem geschickten Griff von seinem Geldbeutel befreien.


    „Alles, was du dir wünschst, wirklich alles!“, versprach sie ihm verheißungsvoll, dabei ließ sie sie ihre Tunika etwas nach unten rutschen, so dass man ganz leicht einen großzügigen Blick auf ihren enthüllten Oberkörper werfen konnte.
    „Da brauchst du dir keine Gedanken zu machen, ich bin gesund und wasche mich regelmäßig.“ Sie lächelte ihm verführerisch zu und begann Anstalten zu machen, als verspüre sie große Lust, ausgerechnet mit ihm mal kurz zu verschwinden.


    Drusilla hatte die Lykierin die ganze Zeit beobachtet, nachdem der potentielle Freier bei Beroe stehengeblieben war. Dass ihre junge Konkurrentin weitaus bessere Chancen bei den Freiern hatte, erregte ihre Missgunst. Zu gerne hätte sie sich eingemischt, hätte Beroes Avancen madig gemacht, aber allein der Name Silanus hielt sie davon ab.
    Aber als sie sich den halbverhüllten Freier etwas genauer besah, manifestiert sich plötzlich die Überzeugung, dass sie den Mann schon einmal gesehen hatte. Ja sicher, kannte sie ihn! Und dass ausgerechnet er nun an Beroe geraten war, fand sie dann doch sehr belustigend. Grinsend wandte sie sich ab, damit Askan nicht etwa merkte, dass sie sich gerade über ihn und die Lupa lustig machte.


    Derweil versuchte Beroe ihren Kunden endgültig an Land zu ziehen, indem sie ihm ein günstiges Angebot machte. Für gerade mal zehn Sesterzen wollte sie sich verkaufen. Besser als nichts, hatte sie gedacht. Besser als gar nichts!

    [Blockierte Grafik: http://imageshack.us/a/img404/5201/3gn.gif„Na Süßer, wie wär´s mit uns beiden? Kostet auch nur fünfzehn! Um wenn deine Alte uns dabei zuschauen will, dann dreißig!“, rief Drusilla lachend einem Passanten zu, der mit seiner Frau unterwegs war und es gewagt hatte, sie mal kurz anzuschauen.
    Drusilla, Mitte vierzig, fett, vulgär und geschminkt, wie eben eine Lupa geschminkt war. Viel zu viel billige Farbe im Gesicht und sobald man sich ihr näherte, strömte einem dieser Geruch in die Nase: Eine üble Mischung aus billigem Parfum und Schweiß.
    Drusilla hatte sich gleich an Beroes erstem Tag als Cheffin aufgespielt. Aber als sie erfahren hatte, wem Beroe „gehörte“, gab sie klein bei und ließ sie in Ruhe. Dabei war Drusilla nicht immer eine Straßenhure gewesen. Wie so oft hatten die Folgen des Bürgerkrieges auch bei ihr Spuren hinterlassen. Einst hatte ihr ein Lupanar in der Subura gehört. Die Geschäfte waren gut gelaufen, bis der Krieg begonnen hatte. Sie hatte auf einmal weniger Einnahmen und dann kam auch noch dieses Fieber dazu, das ihre Lupae krank machte. Einige von ihnen starben und für die anderen hatte sie zuletzt nicht mehr die Arztrechnung bezahlen können. Da sie nun selbst mittellos war und auf der Straße saß, musste sie sich irgendwie ihr Geld verdienen. Und dann tat sie, was sie am besten konnte!


    Beroe hingegen versuchte ihr so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Sie mochte sie einfach nicht. Drusilla sprach wirklich jeden an, der vorbei kam. Im Gegensatz zu Beroe. Sie betrachtete sich erst ihre potentiellen Freier, bevor sie sie ansprach. Meistens hatte sie dann auch Erfolg. Sobald ein Freier Interesse an ihr zeigte, regelte sie erst das Geschäftliche, dann verschwand sie mit ihm um die Ecke.
    Allerdings war heute kein guter Tag gewesen. Die Leute waren einfach zu geschäftig und keiner hatte Zeit. Beroes Geldbeutel war noch so gut, wie leer. Daran musste sie unbedingt noch etwas ändern. Da kam auch schon der Nächste, der für sie in Frage gekommen wäre.
    „Na, hättest du Lust? Ich kann dir vieles bieten. Und es kostet nur wenig!“


    Sim-Off:

    Reserviert!

    Silanus war noch am Abend überstürzt aufgebrochen. So hatte Beroe die Casa für sich ganz allein, was auch nicht unbedingt schlecht war. Sie hatte sich sogar noch einmal vergewissert, dass er ganz sicher fort war, denn sie traute ihm kein bisschen. Doch wie es schien, war sie tatsächlich allein.


    Erleichtert darüber, betrat sie wieder das Triclinum. Sie aß noch ein wenig von dem Hühnchen, welches inzwischen kalt geworden war. Aber das machte ihr nicht viel aus, genauso wenig störte es sie, dass es leicht angebrannt schmeckte. Sie hatte einfach Hunger und der Wein tröstete sie dann wenigstens ein paar Stunden über ihr Schicksal hinweg, bis sie schließlich auf ihrer Kline eingeschlafen war.


    Erst die Sonnenstrahlen des nächsten Morgens weckten sie aus ihrem tiefen Schlaf. Sobald sie aber zu sich gekommen war, sah sie sich hektisch um. Doch diesmal war kein Silanus da, der sie mit dem Messer bedrohte oder der sie sonst noch quälte.
    Bevor sie das Haus verließ schaffte sie noch etwas Ordnung. Man konnte ja nie wissen! Dabei kamen ihr wieder ihre Gedanken vom Abend zuvor in den Sinn. Wie werde ich ihn los? Und das möglichst schnell?
    Zugegebenermaßen, ihre „Versuche“, wenn man sie überhaut so bezeichnen konnte, waren mehr als stümperhaft gewesen. Um Silanus endgültig loszuwerden, mussten schon schwerere Geschütze aufgefahren werden. Zu allem Überdruss war Beroe in diesen Dingen auch nicht sehr gut bewandert. Im Grunde hätte sie keiner Fliege etwas zuleide tun können. Also begann sie zu überlegen, welche Optionen sie hatte.
    Da sie leider nicht schreiben konnte( was in diesem Fall eventuell sogar hilfreich war) aber dafür ein gutes Gedächtnis besaß, stellte sie folgende Überlegungen an, wie man Silanus geschickt und ohne viel Aufwand um bie Ecke bringen konnte:


      mit einem Messer die Kehle durchtrennen
      mit einem Messer ins Herz stechen
      mit einem schweren Gegenstand erschlagen
      vergiften
      ihn die Treppe hinunter stürzen und dabei hoffen, dass er danach nie wieder aufsteht
      ihn im Schlaf erdrosseln
      mit einem Kissen ersticken


    Das war nur der Anfang. Und je länger sie darüber nachdachte, wurde sie immer kreativer und ihre gedankliche Liste immer länger. Ja, das wär´s doch! Dem Mistschwein einfach eins überbraten und dann braucht er nur noch ein paar Münzen, um den Fährmann zu bezahlen, dachte Beroe in sich hinein grinsend.


    Als sie dann das Haus verließ, um dann zuerst zu den Hortii Lolliani zu gehen und anschließend zurück zu den Märkten, um ihrer Arbeit nachzugehen, schmiedete sie in Gedanken weiter Pläne. Und je länger sie das tat, umso überzeugt wurde sie, ihre Pläne auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.
    Drum war es überhaupt nicht sehr verwunderlich, dass sie am Abend gutgelaunt nach Hause kam und als allererstes sich ein Bad bereitete, um den Schmutz von ihrem Leib zu waschen. Ja, das Bad würde sie nun zu genießen. Apropos Bad…

      im Bad ersäufen

    , fügte sie zu ihrer Liste noch hinzu.

    Eigentlich hatte Beroe nun mit der nächsten Gemeinheit gerechnet, die er noch für sie auf Lager hatte. Aber Silanus verstand es immer wieder auf Neue, sie völlig aus dem Konzept zu bringen. Er war und blieb einfach unberechenbar. Er ging ganz überstürzt und ohne große Erklärung, außer dass er arbeiten müsse. Beroe glaubt ihm kein Wort!


    „Ja Dominus, das werde ich“, erklärte sie, als er bereits aufgestanden war und tatsächlich ging. Erst schaute sie ihm noch nach und als sie hörte, wie er übereilt die Stufen nach unten nahm, schaute sie ihm nach. Nach einer Weile ging auch sie vorsichtig nach unten, um nachzusehen, ob er sie nicht wieder hereingelegt hatte. Aber von Silanus war keine Spur mehr zu sehen. Er war endlich weg!

    Ja, davon verstand er nichts und sie würde ihm deswegen auch gar keine Vorwürfe machen. Er hatte immer auf der Sonnenseite des Lebens gestanden und hatte sich nie darüber Gedanken gemacht, wie sich seine Sklaven fühlten.
    Es war gut, dass sie dieses Thema, welches sie unweigerlich trennen würde nicht weiter erörterten. Selbst jetzt war der Graben zwischen ihnen schier unüberwindbar, er ein Soldat aus einer alten römischen Familie und sie eine Ex-Sklavin, die sich nun als Lupa verdingte. Und doch waren sie beide hier und sprachen miteinander.


    Die Stimmung hatte sich nun endgültig ins Positive verlagert. Endlich konnte Beroe wieder einmal lachen.
    „Meinst du wirklich? Ich dachte echt, diese Kerle hätten dich umgebracht.“ , gab sie ernst zu bedenken, konnte dann aber über seinen Scherz richtig amüsieren. „Ja sicher! Als die gesehen haben, wen sie da zusammengeschlagen haben, sind sie so erschrocken und mussten gleich reis aus nehmen.“ Wieder lachte sie. „Aber vielleicht sind sie ja auch wegen mir abgehauen. Die konnten ja nicht ahnen, wer ich bin, “ fügte sie noch grinsend hinzu. Als er weitergehen wollte, ging sie mit ihm und sie genoss es an seiner Seite. Wahrscheinlich durch Zufall traf ihre Hand auf seine. Sie nahm die Chance wahr und die seine.


    „Ach, es tut so gut, mal wieder zu lachen.“, meinte sie, als sie schon eine Weile gegangen waren. Sie fühlte sich einfach wohl bei ihm. Nur wenn sie darüber nachdachte, dass niemals mehr zwischen ihnen sein konnte, als das was sie jetzt hatten, machte sie das traurig. Doch sie versuchte diesen Gedanken so weit wie möglich wegzuschieben.

    Beroes Angespanntheit steigerte sich immer weiter nach oben. Jetzt begann ihr die Sklavin auch noch eine Szene zu machen, nur wegen ihrer „Notlüge“. Sie war einfach mit den Nerven fertig konnte nichts mehr sagen. Am liebsten wäre sie davongerannt, jetzt wo sie doch fast am Ziel gewesen wäre.


    Aber da ging die Tür auf und ein sehr gut gekleideter Mann trat heraus. Beroe richtete verwirrt ihren Blick auf ihn und erkannte in ihm ihren Retter von neulich. Nun redete die Sklavin auf ihren Dominus ein und stellte die „Sache“ richtig.


    Endlich schien Beroe wieder sie selbst zu sein und war ihr einen dankenden Blick zu.
    „Äh, ja. Ich habe ich an der Tür unten falsch ausgedrückt. Ich bi… äh.. erkennst du mich wieder? Neulich auf dem Markt… du und der Prätorianer? Ihr habt euch gestritten, wegen mir. Weißt du noch… ? Ich hatte mich für deine Sklavin ausgegeben.“ Dabei sah sie verschmitzt zu der Sklavin, die noch bei ihr stand.

    Endlich trat die Sklavin wieder aus dem Cubiculum. Aber was machte sie da? Sie schrie, ja richtig, sie schrie nach einem Sklaven! Beroes Unruhe war nun nicht mehr zu verbergen. Irgendetwas lief hier plötzlich mächtig schief! Und schon hatte sich sie Sklavin an sie gewandt und giftete sie nun an. Ihre Geschichte drohte gerade nach hinten loszugehen! Also trat sie die Flucht nach vorne an. „Na, schön, er hat mich nicht bestellt, aber…“ Und da rannte plötzlich ein Sklave an ihr vor, der sie irritierte. „Ich muss aber den Claudier aber sprechen!“, rief sie mit lauter Stimme, so dass man sie garantiert noch im Erdgeschoss hörte.“Ich bin die, die er auf dem Markt vor dem Prätorianer gerettet hat!“

    Beroe sah wieder auf, als Avianus ihren ehemaligen Dominus erwähnte. Ob er wirklich so schlimm war? Hatte er diese Frage ernst gemeint? Sie sah ihn forschend an, blieb aber ruhig dabei. Wie wohl die meisten Römer konnte er sich wahrscheinlich keine Vorstellung davon machen, wie es war, als Sklave leben zu müssen. Wenn man das Eigentum eines anderen war. Die meisten glaubten allen Ernstes, die Sklaverei sei doch gar nicht schlimm, da man denen, die nicht mit dem Segen des römischen Bürgerrechtes geboren worden waren, so eine Möglichkeit gab, doch noch am römischen Leben teilzunehmen, eben nur als Sklaven. Aber sie konnte es ihm auch nicht übel nehmen, dass er so dachte. Aus seinem Blickwinkel gesehen, hätte sie wahrscheinlich ähnlich so gedacht.


    „Kannst du dir vorstellen, wie es ist, tagtäglich den Launen und Allüren anderer ausgesetzt zu sein, die sich als deine Herrn erklärt haben? Du bist dazu verdammt, alles zu tun, was sie dir sagen. Wenn du es nicht tust, dann erhältst du Schläge. Also tust du, was sie von dir wollen…. ALLES!“ Sie sparte es sich, näher darauf einzugehen, zu was man sie alles in diesen Jahren gezwungen hatte. Deswegen hatte sie ja auch Misenum hinter sich lassen wollen, um hier ein neues Leben zu beginnen. „Glaub mir, es war schlimm. Ich war erst acht, als man mich zur Sklavin gemacht hat.“, fügte sie noch mit ruhiger aber bestimmter Stimme hinzu.
    Zum Glück rettete er die Situation, die sonst womöglich wieder in die ganz falsche Richtung gesteuert wäre. Nein, er war nicht ihr Dominus und sie war auch froh darum. Mit Latro hätte sie auf diese Weise wohl nie sprechen können. Sie erwiderte sein Lächeln, als er lächelte. „Schön, wenn dir der Name gefällt. Beroe hat auch mir nie so richtig gefallen.“


    Doch dann begann sie wirklich zu grinsen, als er sie fragte ob sie ihm auch geholfen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass er es war, der überfallen worden war. „Nie im Leben!“, antwortete sie übertrieben ernst doch sie lachte gleich darauf ganz herzlich. Aber dann meinte sie wieder mit einem sehr ernsten Unterton: „ Ich denke, ich hätte dir auch dann geholfen. Ich hab ja gesehen, was diese Kerle mit dir gemacht haben. Und keiner…, nicht mal du,…“ Nun begann sie doch wieder zu grinsen, „… hat es verdient, wie ein Köter auf der Straße zu krepieren.“ Bei diesen Worten musste sie wieder unweigerlich an Silanus denken, denn er waren genau seine Worte gewesen.

    Nun trink schon endlich! Beroe sehnte es förmlich herbei. Sie wünschte ihm genauso viele Qualen, wie er ihr bereitet hatte. Aber keiner der Götter ließ sich erweichen, ihr auch nur im Mindesten beizustehen. Das rote Kleid, das sie schnell noch angezogen hatte, vernebelte dermaßen seine Sinne, dass er zum falschen Becher mit dem Wein griff.
    Große Enttäuschung, nein Fassungslosigkeit befiel sie. Sie verstand die Welt nicht mehr! Aber sie verstand langsam, dass sie in Zukunft nichts mehr dem Zufall überlassen durfte. Wenn er am nächsten Tag fortging und sie endlich allein war, würde sie beginnen, einen Plan auszuarbeiten, um diesem Scheusal Einhalt zu gebieten.


    Über ihre Enttäuschung hinweg, sprach er dann wieder zu ihr. Ja, natürlich würde sie dieses Kleid nur hier anziehen. Um es auf der Straße zu tragen, war sie einfach noch zu wenig Lupa.
    „Ja Dominus, nur für dich! Ich habe verstanden“, antwortete sie artig und begann sie langsam zu drehen damit er sie von allen Seiten bewundern konnte.

    Es war, als ging ein sehnlichst geharrter Wunsch in Erfüllung, als er seinen Arm um sie legte. Beroe wandte sich ihm gleich zu und legte ihren Kopf auf seiner Schulter ab. „Danke!“, flüsterte sie in sein Ohr. Sie war unsagbar dankbar für diese Geste. Eine Geste die sie so seit dem Tod ihrer Eltern nicht mehr erfahren hatte. Sie konnte dich kaum noch an ihre Gesichter erinnern, denn sie waren in all den Jahren allmählich verblasst, doch an die Liebe, die sie ihrer Tochter gegeben hatten, konnte sie sich noch sehr wohl erinnern.


    Sein Geständnis, welches er ihr nach einer Weile machte, konnte sie kaum erschüttern. Ehrlich gesagt hatte sie ja damit gerechnet. Niemals im Leben hätte sie ihm deshalb einen Vorwurf gemacht. Ihr Blick, dem sie ihm zuwarf, war versöhnlich. Wenn sie an seiner Stelle gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich ähnlich gehandelt.
    „Ist schon gut. Ich kann das verstehen. Jetzt bist du ja hier. Das alleine zählt!“, erwiderte sie und ihre Worte hatten etwas Tröstliches. Beroe hatte zum ersten Mal seit dem sie in Rom angekommen war, ein Gefühl der Geborgenheit. Sie fühlte sich wohl bei ihm, denn seine Absichten waren gut. Wieder legte sie ihren Kopf auf seine Schulter und wünschte, dies hier könnte immer so bleiben. Er bot ihr sogar seine Hilfe an, wenn es nicht mehr ginge… Beroe hatte schon so viel erlebt und das meiste davon war nicht besonders schön gewesen. In ihrem Leben hatte sie gelernt, schlimme Zeiten einfach über sich ergehen zu lassen. Wann würde sie also wissen, wenn es nicht mehr ging?
    „Danke Aulus! Ich wünschte, ich wäre damals an jemanden wie dich geraten…“, dann wäre ihr Leben vielleicht anders verlaufen. Dann wäre sie vielleicht nicht geflohen. Dann…. wäre sie vielleicht jemand anderes Sklavin geworden.


    „Du bist übrigens der einzige Mensch auf der Welt, der meinen wahren Namen kennt“, verriet sie ihm nach einer Weile. Das machte ihn noch mehr zu etwas besonderem, fand sie. Wenn sie schon bei den Geständnissen waren, konnte sie ihm auch das anvertrauen. „Sibel ist der Name, den mir meine Eltern gaben. Beroe – so hat mich mein Dominus genannt.“

    Eine weitere Schimpftirade war ausgeblieben, stattdessen wollte er Wasser! Er wollte allen ernstes Wasser! Der Mann musste verrückt sein! Kein Mensch trank freiwillig reines Wasser. Da konnte man doch gleich pures Gift zu sich nehmen.


    Beroe zögerte nicht lange. Schnell eilte sie zur Cullina um ihm einen Becher unverdünnten Wassers zu bringen. Bevor sie aber zurückkehrte, zog sie sich noch schnell die neue rote Tunika an, die eigentlich ein Hauch aus nichts war, da sie durchscheinende Einblicke auf ihren Körper erlaubte. Wenn er sich schon mit dem Wasser vergiftete, dachte sie, dann durfte er sie auch noch einmal so sehen. „Ihr Götter, helft mir wenigstens dieses eine Mal!“, seufzte sie leise, als sie, in der Hand den Becher haltend, zurückkehrte.
    „Hier Dominus, dein Wasser. Lass es dir munden!“ War da etwa ein Quäntchen Süffisanz aus ihren Worten zu hören? Neeeein, Beroe tat nur, was man ihr sagte!

    Das war alles? Beroe verstand die Welt nicht mehr! Sie sollte ihn einfach nicht mehr enttäuschen und damit war ihr Vergehen vergessen? War das Silanus´ neue Taktik, um sie noch mehr zu verunsichern? Sie hatte keine Erklärung dafür, sie war aber in erster Linie auch froh, dass er sie nicht weiter drangsalierte.


    Als er sich wieder zur Kline begeben hatte und nach verdünntem Essig verlangte, flitzte sie sofort los, um in der Culna nach Essig zu suchen. Essig, Essig, wo konnte denn nur der Essig sein?
    Sie suchte alles ab, ob sich nicht irgendwo ein bisschen Essig auftreiben ließ. Aber nach langem Suchen musste sie enttäuscht feststellen, dass kein Essig im Haus war, denn sie hatten ja nur Wein auf dem Markt besorgt.


    Beroe traute sich kaum, ins Triclinium zurückzukehren. So groß war ihre Angst vor neuen Drohungen und noch schlimmeren Folgen „ihres“ Vergehens.
    Mit gesenktem Kopf trat sie schließlich neben die Kline. „Dominus, es ist leider kein Essig im Haus. Wir haben nur Wein.“ Sie deutete vorsichtig auf den mit verdünnten Wein gefüllten Krug. Wieder schlug ihr Herz wie wild. War das nun das endgültige Aus für sie? Sie wollte sich lieber nicht seinen Wutausbruch vorstellen, der nun mit Sicherheit folgen würde.