Beiträge von Lucius Helvetius Falco

    Alles was ich will ist leben. So sprach kein Rebell, zu allem bereit, bereit Leben, Ehre, Ansehen und Zukunft zu opfern. Aus diesen Worten sprach vielmehr Sehnsucht. Sehnsucht nach unbeschwertem Leben.


    Falcos Einstellung wurde sanfter. Er hatte keinen Feind vor sich. Dessen war er sich sicher. Sein Vater? Sein wahrer Vater war ein altiulischer Patriarch gewesen. Geminus war ähnlich und doch ganz anders.


    "Senator Geminus hat stets auf Meinungen anderes gehört, so sie begründet waren. Doch letztlich trifft wohl jeder Vater seinen Ratschluss allein, da hast Du recht. Ich glaube Dir und werde Dir vertrauen. Enttäusche dies nicht. Wenn Dein Vater für Dich hier Gastfreundschaft und Zuflucht erwartete, so hat er das zurecht gedacht. Du bist hier willkommen, trotz der Taten Deines Vaters. Diese bringen die ganze Gens in eine schwere Lage und sind sicher nicht einfach zu handhaben. Das musst Du verstehen. Er spielt mit dem Feuer und jeder, der ihm zu nahe kommt wird verbrennen. Ich rate Dir deswegen vorsichtig zu sein und ich sorge dafür, dass ich es bin. Das musst Du mir zugestehen. Jenseits aller Politik und Loyalitäten."


    Ihre Tränen in den Schoß fallen sehend.


    "Es so junges Leben soll nicht bereits so schwere Bürden tragen. Dein Vater hat diese Entscheidung gefällt. Zu recht. Und ich mag über ihn denken, was ich will. Ich werde seine Entscheidung mittragen. Du hast ein Leben verdient. Und innerhalb meiner Möglichkeiten werde ich Dir dabei helfen es auch zu bekommen."


    Sie hatte schon zuviel Härte im Leben erfahren, doch zerbrochen war sie nicht. Im Gegenteil. Ihre Lebensflamme schien sehr hell zu flackern, auch wenn sie ein paar mehr Schatten warf als manch andere. Doch gerade das zog ihn mehr als, als dass es ihn abstieß.


    "Du kannst nicht wissen, ob Du Deinen Vater nie wieder siehst. Das wird davon abhängen, wie sehr er bereit ist für Ideale Wahrheiten zu opfern und wann er das einsieht. Dieser Kaiser ist keiner des Zornes und der Ungerechtigkeit. Nicht zwingend findet Dein Vater den Tod. Es sei denn er sucht ihn. Doch das weiß keiner bereits vorher."


    Auch Falcos Züge noch sanfter. Eine seltene Einstellung. Verdrängung und Verbitterung waren starke Schirme. Die nur selten durchlässig wurden.


    Mögen sich all deine Wünsche und Absichten verwirklichen und dass du heil nach Hause kommst ... diese Worte kannte er ... von ihr, deren Namen er nicht mehr benutzte.


    "Ich danke Dir. Es ist lange her, dass man sich um mich sorgte. Ich werde Dir stets die Möglichkeit geben meine Meinung über Dich noch zu beeinflussen.


    Ich werde den Aufenthalt Deines Onkels für Dich ermitteln."


    Ein Brief für ihren Onkel? Sie schien es zu wollen, dass er ihn las, also öffnete er seine Hand.

    "Nur zu, setz Dich."


    Etwas hatte sie getroffen. Die Information über die Schande ihres Vaters? Oder weil er sie entlarvt hatte?


    "Nun die Casa gehört ja auch Mitgliedern der Gens Helvetia. Der Junge ist wohl nicht zu schelten. Ich bezweifelte nicht, dass Du Deinen Vater liebst und auch nicht, dass Du gehorsam bist. Ich frage ja gerade wie weit dieser Gehorsam denn geht. Die Tatsache, dass Dein Vater Dich herschickte beweist mit nichten, dass Du nichts weißt, junge Dame. Er befindet sich in exponierter Lage, das Ende droht, wie ich höre. Und er bringt in Sicherheit, was ihm lieb ist. Oder rettet gar Unterlagen ... Gelder ... Anhänger?"


    Wieder mustert er das Mädchen, schaut ihr lange in die Augen.


    Biss hatte sie und Stolz. Demütig war sie im Grunde ihres Seins nicht im Ansatz. Was nichts per se schlimmes war, er mochte solche Frauen. Manche hatte er sogar sehr gemocht. Aber genau solche Frauen wären es auch, die eigene politische Ansichten entwickeln würden und wer weiß, sogar versuchen würden, diese umzusetzen.


    "Noch zähle ich Dich zu gar nichts. Ich frage Dich. Es liegt an Dir meine Meinung zu bilden."


    Sie konnte die Tränen nicht weiter völlig unterdrücken. Er mochte den Moment, an dem weibliche Stärke in Emotionalität kippte. Doch das war eine Verwandte, wenn auch nur nominell und die Lage war gefährlich.


    "Letztlich ist es nicht wichtig, was nun wahr ist, mein Kind. Ich gehe mit dem Kaiser in den Osten, in den Krieg. Ich werde noch offener zu Dir sein. Wenn ich aus diesem Kampf zurückkehre, so ich das tue, dann ist meine Stellung entweder soweit gefestigt und sicher, dass ich mich die Umtriebe Deines Vaters nicht mehr gefährden oder ich fiel soweit ab von Ruhm und Ansehen, dass es dann darauf so oder so nicht mehr ankäme.


    Ich verlange keine Entschuldigung, ich erwarte kein Jammern, keinen Segen oder Fluch. Aber Ehrlichkeit erwarte ich. Ich werde was ich weiß niemandem sagen. Heute. Ich kann aber nicht versprechen, dass ich es ignorieren werde, wenn ich zurückkomme. Die Familia ist mir wichtig und heilig. Wirke auf Deinen Vater ein, damit er dieses Unterfangen beendet und die Rebellen verlässt. Und verlasse Du sie, so Du Dich ihnen denn nahe fühlst."

    Falco erzählte der wirklich hübschen junge Dame nur ungern was er sagen musste.


    "Publius Helvetius Gracchus ist nicht hier. Meines Wissens ist diese Casa auch nie sein Wohnsitz gewesen. Ich war längere Zeit .... verreist und kam erst kürzlich wieder. Ich habe nicht viele Mitglieder der Gens gesehen seit dem. Du bist ehrlich gesagt erst die dritte. Meiner erinnung nach waren die Familienbande zwischen Geminus und den anderen so oder so nicht sonderlich eng. Es gab nicht viel Kontakt. Es wundert mich, dass Dein Vater dies nicht zu wissen scheint. Obwohl er es müsste. Ich könnte Erkundigungen einholen, wo Dein Onkel zu finden sein könnte, aber ich bin selber nicht mehr lange in der Stadt. Ich gehe nach Mantua und bald wohl noch weiter weg. Aber ich tue gern, was in meiner Macht steht. Solange und auch länger, wenn es nötig sein sollte, kannst Du hier bleiben ... ich ..."


    Und jetzt erinnerte er sich. An den Brief, der angekommen war. Die jüngsten Ereignsise hatten seine Erinnerung überlagert, doch jetzt kam sie wieder. Der Brief war an Gracchus gesandt worden, eben vom Vater dieser jungen Dame. Und er machte deutlich, dass dieser ein Rebell gegen den Kaiser war. Falcos Miene verfinsterte sich sichtlich. Er versuchte mit aller Macht sein Ansehen beim Kaiser wieder zu steigern und dieser .... Helvetier riskierte die ganze Gens in Ungnade zu stoßen! Aber das war nur die Tochter. Wieviel wusste sie? Was dachte sie darüber?


    Falco schaute sich um, niemand in Hörweite. er trat näher an die Frau heran.


    "Laevina. Ich weiß von den ... Aktivitäten Deines Vaters. Ich heiße sie nicht gut, verurteile sie sogar auf das schärfste. Ich war der Praetorianerpraefect unseres Kaisers und dulde keine Verräter in meiner Gens! Was weißt Du darüber? Was denkst Du darüber? Ist bekannt, dass Dein Vater ein republikanischer Verräter an seinem Kaiser ist? Sprich!"


    Falco war hin und her gerissen zwischen seiner Loyalität zur Dynastie, die es verlangte seine Informationen unverzüglich weiterzugeben und seinen Eigeninteressen. Eine Offenbarung würde ihm schaden. Wie Tacitus bereits mehr als genug geschadet hatte. Diese Gens begann ihn in den Untergang zu ziehen. Ob Laevina nun für oder gegen ihren vater war, war ihm erstmal egal. In beiden Fällen würde sie hierbleiben dürfen. Aber sollte die Schande ihres Vater offen bekannt werden, dann würde er sein Wissen leugnen und sich von ihr distanzieren müssen. Zunächst wollte er aber wissen, was sie dachte.

    Helvetia Laevina .... er erinnerte sich dunkel. Tochter von Appius Helvetius Sulla ....


    "Kein Problem. Gensmitglieder finden in unserem Hause immer Hilfe. Die reise war problemlos? Von Hispania hört man nuerdings ja keine allzu erfreulichen Dinge. Dein Onkel müsste dann wohl ... Helvetius Gracchus sein? Richtig?"


    Er hatte schwer nachgrübeln müssen um diesen namen hervor zu befördern. Er hatte keine Ahnung wo er war oder wo er sich aufhielt.

    Falco war gerade von der kaiserlichen Besprechung zurückgekehrt und wollte noch einmal sein Gepäck durchgehen. Der Pförtner hatte ihm bereits von weiterem Besuch berichtet und er war in den Garten getreten und hörte die letzten Worte.


    Doch bevor er ansetzte etwas zu sagen, betrachtete er sie noch ein wenig. Sie schien nachdenklich und murmelte auch noch einige Worte, die er allerdings nicht verstand. Schließlich gab er sich zu erkennen.


    "Jetzt ist er wieder in der Casa. Um Deine Sklaven wird sich selbstverständlich ebenso gekümmert."


    Er nickt Musa zu, der ein wenig hinter ihm steht und sich daraufhin entfernt.


    "Ich grüße Dich. Ich bin Lucius Helvetius Falco. Und Du gehörst, wie ich höre, ebenso der Helvetia an?"

    Falco war bei der Curia Iulia gewesen, um die Rede des Kaisers zu hören. Durch die offenen Tore konnte ja jeder mit ausreichend Ellebogeneinsatz genug verstehen. Und ein Ritter mit unmöglichen Manieren wunderte in Rom keinen. Die Rede war knapp gewesen, eine Erklärung, eine Information. Falco hatte schnell das Gefühl, dass eine Aussprache nicht folgen würde. Und so war es dann auch. Das hatte einige Senatoren sichtlich irritiert. Falco fragte sich, ob der Kaiser dies zur Abrechnung alter offener Rechnungen mit der Curie tat. Er erinnerte sich, dass der Kaiser untypisch wütend geworden war. Bei zwei Gelegenheiten. Wegen Einmischung des Gremiums ins Heer und bei der Augusta. Das hatte er ihnen nie wirklich verziehen. Wahrscheinlich wollte er der Versammlung deutlich machen, dass Krieg seine Sache war und nicht deren. Eine Vermutung ....


    Nun eilte er nach Hause.

    Falcos Weg führte ihn erneut zum Officium des Kaisers.


    Er war nicht der erste. Macer und Livianus hatte er im Eingangsbereich ebenso gesehen und Quarto war bereits hier. Ebenso der neueste Praetorianerpraefect Publius Acilius Attianus. Falco verdrehte die Augen und ging innerlich in Abwehrstellung.


    "Mein Kaiser, ich grüße Dich. Ich bin Deinem Ruf umgehend gefolgt ..."


    Deutet eine Verbeugung an.
    Wendet sich freundlich lächelnd Quarto zu.


    "Lucius Aelius Quarto, ich grüße auch Dich!"


    Kurze Kopfbewegung zum Praefecten, das Lächeln erstirbt.
    Falco würgt ein ...


    "... Praefectus ..."


    Heraus und setzt sich.

    "Der Besitzer ist Senator Titus Helvetius Geminus, der allerdings keine Besucher empfängt. Das Anwesen untersteht nun seinem Sohn, Lucius Helvetius Falco. Möchtest Du ihn sprechen?


    Helvetia Laevina? Eine Erfrischung, natürlich. Folge mir."


    Im Garten lässt er sie Platz nehmen und lässt einige Getränke und eine kleine Speisen auftragen.

    Ein Bote brachte eine Nachricht. Falco wusste wohl als einziger, dass sie eintreffen würde und auch worum es geht.


    An den Lucius Helvetius Falco
    Roma



    Salve Lucius Helvetius Falco,


    Du möchtest bitte als bald unseren Augustus Lucius Ulpius Iulianus zwecks einer dringenden Besprechung aufsuchen.



    I.A.


    gez.
    Appius Tiberius Iuvenalis



    ANTE DIEM V KAL MAI DCCCLVII A.U.C. (27.4.2007/104 n.Chr.)


    Roma
    Palatium Augusti


    Er brach sofort auf.

    Falco hatte bereits alle Sachen gepackt. Obenauf in die Truhe legte er sein Schwert. Er hatte immer zwei baugleiche gehabt. Doch eines hatte er ja im Osten verloren. Der Gladius steckte in einer mit schwarzem Leder bezogenen Scheide. Beschlagen und umrandet mit Silber. Kaiserliche Embleme und Scorpione verzieren sie. Der Griff endet in einem Adlerkopf, ebenso aus Silber. Eine Waffe eines Praefecten würdig, der er ja wieder war ... nur eben anders. Als Militärberater würde er Tunika tragen. Unbewaffnet. Waffen zu tragen wäre ... unpassend. Was ihn allerdings wehmütig machte. Als Römer in den Kireg ziehen sah anders aus ...


    Er würde mit Severina reden müssen. Er würde es ihr freistellen, ob sie hier bliebe oder mit ihm gen Osten zog. Sie könnte dann in Damascus bleiben, oder woanders. Er war sich nicht sicher.

    Wieder zu Hause begann Falco mit seinen ganz persönlichen Planungen. Der Kaiser hatte im Weggehen noch nach dem Befinden von Geminus gefragt. Und ihm gesagt, dass seine erste Aufgabe als Berater des Legaten der Legio Prima bei den Feldzugsvorbereitungen sei. Also war er sofort zu einem ihm bekannten kaiserlichen Agenten gegangen und hatte sich einige Informationen über die Führung der Legio Prima besorgt. Einige Namen und Besonderheiten hatte er sich kurzerhand notiert.



    Legatus Legionis
    Marcus Decimus Livianus
    Karriere in der Legio IX Hispana, Quaestor, Praefectus Urbi, Pater Factionis - Factio Aurata, Aedilis Plebis
    Tribunus Laticlavius
    Quintus Tiberius Vitamalacus
    Laufbahn ebenso in der Legio IX Hispana, Quaestor Consulum, Aedilis Curulis
    Praefectus Castrorum
    Camillus Matinius Plautius
    Karrierestart ebenso LEG IX, Wechsel zur Prima
    Tribunus Angusticlavius
    - Herius Claudius Vesuvianus
    Info erhalten, scheidet wohl bald aus
    - Tiberius Iulius Numerianuns
    Start auch in LEG IX, Kommandant der Legionsreiterei
    Centurio
    - Lucius Artorius Avitus
    Ex-Urbauer, Wechsel IX, Wechsel I, Primus Pilus
    - Marcus Flavius Aristides
    LEG IX, dann LEG I


    Standort war noch immer Mantua. Letzter Kampfeinsatz liegt lange zurück. Bislang nicht im Osten eingesetzt. Der Kaiser würde sie mitnehmen. Er nahm immer die Prima mit, wenn er selber in den Krieg zog. Er würde dem Kommandeur Reitertaktiken, Angriff und Verteidigung, das agmen Quadratum und Belagerung als Übung empfehlen. Aber die Erste wurde sicher stets umfassend gedrillt.

    Mächtigere Factiones gab es ja bereits. Wieder fiel Falco auf wie sehr es in Roma üblich war von einem Extrem ins Gegenteil zu schwenken und kurz darauf zurück.


    "Es mag sein, dass ihr Einfluss weitergehend ist ... und es mag auch sein, dass er das auch sollte."


    Falcos Priorität waren Dinge, die ihm nutzten.

    Doch ich will hoch hinaus? Ein Mann mit Ambitionen.


    "Den politischen Kurs? Sind die Factiones nicht nurmehr ein Sportverein?


    Ich unterstütze die Veneta allerdings so oder so gerne."


    Nun, da er die Verfügungsgewalt über Geminus' Konten hatte, hatte er auch wieder ein paar Finanzmittel. Und Finanzen musste man nutzen. Eine Factio im Rücken war immer nützlich gewesen.

    "Ganz deiner Ansicht. Die Factio Veneta muss uneingeschränkt kaisertreu sein. Wer das nicht kann, sollte nicht für die Veneta tätig sein und woanders seine Heimat suchen. Hast Du eine Funktion in der Veneta?"


    Republikaner? Seine persönliche Nemesis.


    "Wieder stimme ich Dir zu. Und meines Wissens tun sie das auch. Ein Praefectus der Garde ist doch nach dort beordert worden und ringt den Aufstand mit Praetorianern nieder, soweit ich gehört habe."

    "Ich lernte ihn allerdings nicht auf einem kaiserlichen Bankett kennen, sondern in einer Taverna!"


    Lacht. Hohe Persönlichkeiten .... der Ausdruck verhöhnte ihn. Auch wenn der Aussprecher dies sicher nicht so meinte. Er war tief gefallen.


    "Mein Vater stand dem Kaiser vor seiner Krankheit sehr nahe. Senator Geminus. Doch unlängst hat die Gens Helvetia an Ansehen und Einfluss eingebüßt. Doch noch immer sind wir Klienten der Dynastie. Ich selber stehe dem Kaiser heute also nicht wirklich nahe ..."


    Stand ihm .... und seiner Frau .... aber früher einmal näher.


    Nimmt einen weiteren tiefen Zug. Diesesmal mehr aus Frust, denn aus Lust.


    "Die Veneta? Die einzig wahre Factio!"