Beiträge von Lucius Helvetius Falco

    Auch Falco griff schnell zu. Seit der Wiederberufung in kaiserliche Dienste war sein Weinkonsum allerdings wieder deutlich zurückgegangen. Er trug zwar noch immer keine Uniform, aber die Richtung der Entwicklungen gefiel im deutlich besser. Im Großen und Ganzen.


    "Es ist ein Sabiner, eine sehr gute Sorte wie ich finde. Kaiser Vespasian fand das auch.


    Ostia, ja. Ich kenne sie ehrlich gesagt fast nur als letzten Abreisepunkt aus Italia hinaus. Es freut mich, dass Dein Aufenthalt dort glücklich war. Gibt es einen akuten Grund warum Du es nun verlassen hast? Was planst Du für die Zukunft zu tun?"

    Das beruhigte Falco imens.


    Der Abstand zwischen ihm, Laevina und ihrem Vater war ausreichend groß. Der Kopf der Rebellion schien er auch nicht zu sein. Die Sache gestaltete sich also doch weniger schlimm. Ernst, aber nicht unlösbar.


    "Gut, ich betrachte das Thema also als vorerst abgehakt."


    Er lehnt sich zurück und seufzt.


    "Also zu weniger unfreundlichen Dingen."


    Er winkt den im Hintergrund wartenden Sklaven mit dem Wein heran.


    "Du hast in Ostia gelebt und gearbeitet? Was hast Du dort getan, wie ist es Dir ergangen?"

    Er wollte die Zweige auch vereinen? Das wäre ja interessant geworden. Ein republikanischer Rebell und der ehemalige Hauptfahnder des Kaisers eben gegen republikanische Umtriebe.


    Keinen Kontakt mehr? Von der Tochter hat er erfahren. Und der Grund sie wegzuschicken ergab sich ja erst mit Zuspitzung der Lage in Hispania. Falco war mehr als überrascht, dass der Mann es so schnell und so gründlich und ohne direkt gefragt worden zu sein zugab. Er hatte seinen Bruder damit mal eben mit einem Schwerverbrechen auf das die Todesstrafe stand in Verbindung gebracht. Und mit einem Hochverräter verwandt zu sein brachte auch dem Rest der Familie nicht grade viel kaiserliches Ansehen. Falco empfand diesen Teil der Familie zunehmen als gefährlich. Für ihn. Aber dem Problem würde er sich gründlich stellen, sobald er aus dem Osten wiederkehrte. Ebenso irritierte es ihn sehr, dass Hochverrat derart offen zugegeben wurde, er kannte den Mann ja gar nicht. Hatte man denn keine Angst? Keinen Respekt?


    Egal ob er für die Republik ist? Es gab eine Zeit, da wurde Falco dafür bezahlt eben solche Sätze zu erfahren. Ihm durfte das nicht egal sein. Als Vorstand der Gens auch nicht.


    Diese Rebellion zu starten? Zu starten? Sollte er etwa ein, wenn nicht der Kopf dieser Rebellion sein? Das wäre unduldbar. Es könnte die ganze Gens in Ungnade bringen.


    "Gracchus .... "


    Falco schluckte. Der Mann war Verwandtschaft. Und er war ehrlich gewesen. Also würde er es auch sein und ruhig bleiben. Wäre es vor einigen Monaten gewesen und wäre der Mann jemand anderer ......


    " ... zunächst. Dass Du Dich um seine Tochter kümmern möchtest sehr Dich. Was das angeht, kannst Du mit jeglicher Unterstützung durch mich rechnen. Das Mädchen macht einen sehr aufgeweckten Eindruck und verdient jede Chance, die wir ihr bieten können.


    Dann was die Vereinigung der Zweige angeht. Das Haus steht beinahe leer. Ihr seid willkommen hier. Wie genau wir das handhaben werden müssen wir aber wohl verschieben. Ich werde sehr bald mit dem Kaiser gen Osten aufbrechen und vorher wohl in Mantua weilen. Aber ich stehe dem grundsätzlich positiv gegenüber.


    Aber ...."


    Falco beugt sich vor und wird leiser. Er schaut Gracchus eindringlich an.


    "Du weißt, dass ich ein Praetorianerpraefect außer Dienst bin? Vereidigt das Kaisertum mit Leid und Leben zu verteidigen und einst damit beauftragt Republikaner aufzuspüren wo immer sie sich zeigen? Aber Du warst offen zu mir und so will ich es zu Dir sein. Du bist ein Helvetier. Das macht bei mir den Ausschlag. Wärest Du dies nicht, so wärest Du längst verhaftet und in den Castra Praetoria. Zur Vernehmung. Ebenso Laevina. Aber weil ich nicht mehr im Dienst bin und ihr zur Familie gehört ändert sich die Lage. Ich weiß von den Umtrieben Deines Bruders offiziell nichts. Ich werde nichts unternehmen und nichts weitermelden. Aber ich erwarte, dass weder Du, noch Laevina dem republikanischen Untergrund nahesteht oder angehört. Weder bei Dir, noch bei Laevina habe ich Grund zu Annahme dessen und ich glaube Euch beiden, dass ihr kaisertreu seit. Aber .... lasst mich nie das Gegenteil herausbekommen."


    Er schaut sehr ernst, denn ernst ist es.


    " ... Dein Bruder würde den Fakten gemäß vor Gericht zum Hochverräter erklärt werden. Er hat aktiv die Waffen gegen seinen Kaiser erhoben. Das Todesurteil würde vollstreckt werden. Ist Dir klar, was das bedeutet? Einen verurteilten Hochverräter in der Gens zu haben ist mehr als nur .... unschön. Hast Du davon eine Vorstellung? Weißt Du wie weit der Arm des Kaiser reicht bei Menschen, die sich als seine Feinde entpuppt haben? Glaube mir, sehr weit. Kaiserliche Ungnade kann keiner von uns brauchen. Und ich werde dies zu verhindern wissen. Du sagtest er hat die Rebellion gestartet? Ist er Initiator, Kopf der Rebellion? Ich muss das wissen. Wenn ja, so wird es für uns alle gefährlich. Wer weiß alles von seiner Verstrickung, ist dies allgemein bekannt?


    Verstehe mich nicht falsch. Ich drohe Dir nicht. Im Gegenteil. Ich versuche Dich und Laevina zu beschützen. Mein Einfluss im Reich ist nicht mehr groß. Bei einer formellen Verurteilung könnte ich uns vielleicht nicht mehr retten. Daher müssen wir das verhindern. Wenn es soweit kommt müssen wir uns klar von Deinem Bruder distanzieren. So weit es nur irgend geht. Versteh das bitte.


    Falco lehnt sich zurück. Diese Sache könnte gefährlich werden.

    Wenn der Praetor hier persönlich erschien, war die Erbsache wohl noch interessanter als gedacht.


    "Salve Lucius Flavius Furianus. Sie ist hier, ja. Was möchtest Du denn von ihr?"

    Falco wusste, dass sein Teil der Gens dem Aussterben nahe war, daher war eine Annäherung keine schlechte Sache. Doch der Bruder seines Gegenübers und womöglich unbekannte weitere Mitglieder dieses Zweigs hatten bizarre politische Ansichten. Gracchus hatte von Laevinas Ankunft gewusst. Nur sein Bruder wusste, dass er sie wegschicken würde, oder zumindest dessen Umfeld. Daher musste Gracchus mit selbigen Kontakt haben. Kontakt zu republikanischen Verrätern. Was wusste? Wie sehr steckte er selber darin?


    "Ja, unsere Familienzweige hatten sich getrennt. Gründe dessen sind mir nicht bekannt. Was denkt Dein Bruder über diesen Bruch? Ganz offensichtlich hast Du ja noch Kontakt zu ihm."


    Langsam der Kernfrage nähern.

    Nachdem Falco die unerwartet kühle Begrüßung abgewartet hat, erinnert er sich an Laevinas Müdigkeit. Sicher würde ihr Onkel die Geschichte erneut hören wollen. Nebenbei wusste Falco nicht, was Gracchus über die Umtriebe seines Bruders wusste. Und es war uralte Taktik die Verdächtigen getrennt zu verhören.


    "Nun, Laevina ist nach der Reise sehr müde und wollte gerade zu Bett gehen. Wir sollten sie nicht länger wachhalten, Gracchus. Du kannst gerne heute hier übernachten und ihr könnt dann morgen zusammen sprechen, in aller Ruhe."


    Und um Widerspruch des Mädchens gar nicht erst aufkommen zu lassen.


    "Musa! Zeig der jungen Dame ihr Zimmer. Ich wünsche eine gute Nachts."


    Laevina schien nicht dumm zu sein, also setzte er ein gütiges Lächeln auf.

    Falco sah den Kaiser an, er hatte ihn früher besser gekannt als heute. Doch seine Stimmung war offensichtlich. Er missbilligte es, dass man derart vom Thema, also vom wichtigen Punkt, für ihn, des Themas abwich. Entweder würde er wütend oder eine Blitzentscheidung treffen, um fortfahren zu können. Falco lehnte sich zurück und erwartete das kommende.


    Er hatte eigene Gedanken zu wälzen. Berater neben diesem Attianus. Jetzt wusste Falco warum der Mann andauernd so selbstgefällig gegrinst hatte. Er hatte gewusst, was der Kaiser vor hatte. Und es genossen. Falco würde nie und nimmer merkbar Einfluss nehmen können.


    Doch es gab wichtigeres. Zwei Flügel. Je drei Legionen. Startpunkte Satala und Zeugma. Satala. Er würde wieder nach Armenia gehen. Doch diesmal mit einem römischen Heer. Doch nicht unter seinem Befehl ...

    Falco hatte etwas abgewartet wie Laevina reagieren würde. Seine Vorstellung musste sie gehört haben. Doch obwohl man ihr viele Emotionen vom Gesicht ablesen konnte, blieb sie stumm und sitzen. Falco hatte ein stürmisches Umarmen des Onkels erwartet. Zu müde oder zu gut erzogen? Was immer ....


    "Publius Helvetius Gracchus, ich grüße Dich! Helvetius Falco, ja, der bin ich."

    Nach dem Gespräch mit Laevina und Gracchus am gestrigen Tage war Falco noch etwas irritiert, wie er manches zu bewerten hatte. Nun meldete man ihm den Praetor. Er will Severina sehen.


    Im Atrium baut sich Falco auf, um den Magistraten zu empfangen. Ein weibliches Mitglied seines Hauhalts lässt er sicher nicht ohne Aufsicht mit jemandem sprechen. Ein Recht, dass selbst der Praetor einem aufrechten Römer schwerlich wird absprechen können.


    Doch zunächst einmal hören, was er will.

    Er ist mir ein guter Vater? Vater. Ein mehr als seltenes Wort in seinem Wortschatz. Sinnentleert.


    Er reicht ihr wieder den Brief. Faltet ihn aber vorher wieder sorgfältig zusammen.


    "Ich will Dich auch nicht länger wachhalten. Dir wird ein Zimmer bereitet. Ich weiß nicht ob Gracchus etwas einzuwenden hätte, dass ich den Brief las. Wir werden sehen. Zunächst habe ich keine Fragen mehr. Ich begleite Dich morgen gerne zu jedem Ort in Rom, den Du sehen möchtest."


    Nach Mantua war es ja nicht weit und die Hauptarbeit hier liegt so oder so bei Livianus.


    "Die Casa wird bald wohl wieder einsamer werden. Um Geminus und das Haus muss sich gekümmert werden. Aber ich bitte Dich nicht darum, aber vielleicht entwickelst Du Lust dazu, das eine oder andere in gewissem Maße zu tun. Dann sei es so. Außer mir und dem Senator lebt noch meine Cousine hier. Vielleicht ..."


    In dem Moment erscheint ein Sklave und beugt sich zu Falco. Er wisspert ihm zu.


    "Ein Publius Helvetius Gracchus ist an der Türe und bittet Dich zu sehen, Herr."


    Falcos Augen weiten sich. Gracchus? Zufall? Was geschieht hier? Falco wird wieder deutlich misstrauischer.


    "Hol ihr herein!"


    Zu Laevina gewandt.


    "Mir scheint, dass man manchmal doch leichter findet, was man sucht."

    Sie berührte zaghaft seinen Arm. Er ließ sie gewähren.


    "Ich glaube Dir, denn Du hast, wie ich finde, eine mitfühlende und freundliche Seele. Julian besitzt Gnade, daher würde ich diese jedenfalls nicht ganz außer Acht lassen, wenn es dereist gilt auf sie zu bauen."


    Sie legte Falco den Brief in die Hand.
    Kurz schaute er in ihre blauben Augen, enfaltete ihn und las leise.


    Lieber Publius, mein letzter Brief, den ich an Dich sendete, deutete meine jetzige Bitte bereits an. Nun ist es soweit: Ich kann nicht mehr für die Sicherheit meiner geliebten Tochter Laevina bürgen.


    So ist wirklich die Liebe zu seinem Kind der Grund, warum er sie wegschickte.


    Corduba ist umstellt. Die Entscheidung wird bald fallen.


    Es geht zu Ende mit den Rebellen.


    Ich bitte dich Laevina bei Dir aufzunehmen und bin mir doch gewiss, dass du es machst. Dafür danke ich Dir mein lieber Bruder! Sie wird dir nicht zur Last fallen, denn sie besitzt bereits trotz ihres zarten Alters eine außergewöhnliche geistige Reife.


    Dem Urteil pflichtet er bereits jetzt bei.


    Deine Kinder, die ich leider nur so kurz kennenlernen durfte, werden sich mit Laevina sicher auch gut verstehen. Vieles hätte ich in meinem Leben anders machen sollen. Du warst immer vernünftiger als ich und ich hätte lieber öfter deinen Rat suchen sollen. Verzeihe mir diese Torheit.


    Ob sein Bruder der einzige Richter dessen bleiben würde?


    Hier, in Corduba, geht es wohl in den nächsten Wochen zu Ende. Sorge Dich nicht um mich. Ich spüre bereits wie der Fährmann auf mich wartet. Wir werden uns in einer anderen Welt wiedersehen in der nicht die Querelen des irdischen Lebens unsere Seele beschweren. Sulla


    Er erwartet seinen Tod. An seinem geänderten Gesichtsausdruck musste sie gesehen haben, dass er den Brief gelesen hatte.


    "Er liebt Dich. Er bittet Deinen Bruder Dich aufzunehmen, da er Deine Sicherheit nicht weiter garantieren kann. Weiter zeigt er eine gewisse Reue ob seiner Taten. Er wünschst sich für Dich nur das Beste."


    Die Todesgewissheit ihres Vaters verschweigt er.