Beiträge von Marcus Octavius Maro

    In der Tat eine Wahnsinnsgeschichte, die sich da offenbar abgespielt hatte. Jedenfalls sah der Optio sich in seiner Standpauke von neulich an der Porta bestätigt. Insofern war es vielleicht gar nicht schlecht, wenn die Wache mal ein bisschen vom Centurio durchgerüttelt würde. Wer auf dem Posten pennte, würde die Konsequenzen tragen. Auch hatte Maro natürlich keine Ahnung, wie zum Geier Flora in die Castra gelangt sein sollte. Aber er hatte auch im Moment nicht die Mittel und das Interesse herauszufinden, was sich genau abgespielt hatte. Hauptsache seine Cousine kam hier irgendwie ohne großes Aufhebens raus.


    Die Drohung mit der Hinrichtung andererseits war vollkommen leer und der Centurio wusste das auch. Wenn der Senator Octavius Victor erstmal mit dem Centurio fertig gewesen wäre, wäre von diesem wahrscheinlich nicht mehr viel zum unehrenhaft entlassen übrig geblieben. Jedenfalls glaubte Maro das.


    Aber natürlich hatte er verstanden.


    "Jawohl Centurio."
    Cerretanus hatte sich das selbst eingebrockt. Hauptsache Flora kam hier raus.

    Am Ende des Ganges hieß es "Weggetreten." Na schön. Anscheinend tauchte Optio Maro grad zu spät zum Symposium auf. Er beschloss dieses "weggetreten" nicht gehört zu haben und lief den Gang entlang und um ein, zwei Ecken wo offenbar die durchaus peinliche Befragung von statten gegangen war. Er selbst hatte sich so lang wie möglich aus der Schusslinie herausgehalten und die Zeit genutzt, um adäquate unbürokratische Hilfe anzufordern, Vielleicht hatte er Glück und man würde ihn mit Flora reden lassen. Dann konnte er ihr sagen, dass von den Octaviern alles Nötige in die Wege geleitet würde, um sie da raus zu holen. Würde dem Centurio vielleicht den Spaß versauen, aber egal. Familie zuerst.
    Am Ende dieses modrigen Ganges nun fand er den grummelnden Centurio. Mit kalter Miene trat er auf den Offizier zu und grüßte übertrieben vorschriftsmäßig.


    "Centurio. Wenn du gestattest. Optio Marcus Octavius Maro. Zur Stelle. Hab gehört irgendwas war vor meinem Büro, die Wachen hätten geschlafen und eine Octavierin sitzt im Bau. Dachte, es wäre gut, sich wegen diesem grotesken Schlamassel mal beim zuständigen Offizier, also dir zu melden."

    Frustriert gab Maro eine Nachricht zur Casa Octavia auf. Vielleicht ließ sich dieser Schlamassel ja doch irgendwie bereinigen.


    Ad:
    Senator
    Gaius Octavius Victor


    Salve hoch geehrter Cousin,
    es ist eine äußerst peinliche Situation in der ich dir schreibe. Daher und um deine Zeit nicht zu verschwenden komme ich ohne viel Aufhebens zur Sache. Eine unserer Anverwandten, Octavia Flora steckt in nicht unerheblichen Schwierigkeiten.
    Es erscheint, dass sie sich irgendwie unautorisiert Zugang zur Castra Praetoria verschafft hat um dann vor meinem Officium aufzutauchen. Es ist alles sehr verwirrend, ich selbst war zum fraglichen Zeitpunkt nicht anwesend. Ihre Motive und das Drumherum sind im Grunde unerheblich und ich habe davon ohnehin bisher nur Bruchstücke und Gerüchte erfahren. Draußen auf dem Exerzierplatz wird auch ein Tiro bestraft, der irgendwie in die Sache verwickelt ist.
    Lange Rede kurzer Sinn: Sie sitzt im Carcer. Im Sinne des allgemeinen Ansehens der Gens Octavia wäre es sehr hilfreich, wenn du deine hoffentlich intakten Beziehungen zu den Cohortes spielen lassen und die unangenehme Situation vielleicht bereinigen könntest. Mir sind als kleiner Optio offensichtlich die Hände weitestgehend gebunden.


    Mit den besten Wünschen
    M. Octavius Maro

    Jetzt hantierten die Sklaven auch noch mit Feuer. Das wurde ja immer besser. Gerade hatten sie endlich mal die Initiative übernehmen und den Sklaven zeigen können, wie die Kräfteverhältnisse eigentlich so verteilt waren, da kamen dem Drecksmob ein paar sehr unglücklich platzierte Ölfässer zu Hilfe.


    Kein Vor und kein Zurück. Scaeva hatte die einzige Möglichkeit auf den Punkt gebracht.


    "Natürlich Scaeva. Auf gehts oder wollt ihr als Schnitzel enden. Rein da, rein da, rein da, alle Mann. Sorgen um den Ausgang machen wir uns, wenn wir nicht mehr mit dem Arsch in Flammen stehen los, los, los."


    Notfalls würden sie irgendwie ein Loch in eine der gegenüberliegenden Wände bekommen müssen. Die extreme Hitze des Feuers würde ihre Kräfte maximieren. Bloß die Verfolgung der Sklaven konnten sie einstweilen. Vergessen.


    Als letzter begab sich Maro auch durch die Tür des Hauses.


    "Scaeva, Hintereingang suchen."

    Hui, das wurde aber schnell konkret hier. Als die Frau anfing von einer Sklavin zu reden, hatte diese Offenbarung gemischte Gefühle bei Maro ausgelöst. Einerseits waren Sklaven aufgrund ihres Brandzeichens durchaus gut identifzierbar. Wenn der Besitzer ermittelt werden konnte machte dies vieles oft leichter. Andererseits entwickelten entlaufene Sklaven schnell ein beachtliches Geschick in der Kunst der Tarnung und des Untertauchens. Eine entlaufene Skalvin her in der Subura auszubuddeln war eine Augiasarbeit und wieder einmal wünschte Maro sich die drei Legionen , die er zum ausräuchern dieses Dreckslochs brauchen würde sehnlichst herbei.


    Die Beschreibung des Brandzeichen selbst überraschte den Optio umso mehr. "Geschwungene Hörner... soso." Es gab nicht viele Gentes, die einen Bock oder Widder im Siegel trugen. Offenbar wusste die Frau auch den Namen der Gens nicht, sonst hätte sie ihn bei der Beschreibung genannt.


    Maro hatte genug gesehen. Sie würden Anfragen an alle Sklavenbesitzer mit einem entsprechenden Siegel schicken und herausfinden wem die Mörderin abgehauen war. Oder ob es sich um einen nicht besonders professionell ausgeführten Auftragsmord gehandelt hatte.


    "Nun gut. Scaeva, willst du noch was wissen? Wenn nicht, nimm ihr noch die Adresse ab, damit wir wissen wo wir sie bei Bedarf finden können und dann gehen wir in mein Officium zurück."

    Bei Optio Maro verlief die Befragung nicht ganz so ergiebig. Viel Geschwafel, wenig Informationen.


    "wusste immer schon, dass es mit dem ein schlimmes Ende nehmen würde ja, ja..."


    "Habt ihr schon die Priester gerufen?"


    "Dem seine Preise waren ja auch immer viel zu hoch gewesen. Ne, ne, schlimm, schlimm..."


    Ein Handwerker mit seltsam toten Augen, offenbar aus der Nähe, sagte mit ausdrucksloser Stimme: "Hoffe ihr räumt das hier auf. Ist schlecht für die Kundschaft."


    Maro hatte eigentlich vor den Kerl eingehender zu befragen. Manchen Leuten sah man einfach an, wenn sie Dreck am Stecken hatten.


    Doch dann hörte er die seltsam präzisen Angaben, die ein junges Mädel gegenüber Scaeva machte. Er wandte sich um.


    "Das sind ja seltsam genaue Angaben, Mädchen. Eine Tochter des Mars. So, so. Eine Halbgöttin hat bestimmt erlesene Gewänder getragen. Wie hat sich unsere Marstochter denn so gekleidet? Überlege genau."


    Aufgrund der Kleidung konnte man möglicherweise zumindest eine grobe Richtung hinsichtlich der sozialen Schicht machen. Es war natürlich immer möglich, dass sich morbide Patrizierblagen in Lumpen hüllten und ihren kranken Gelüsten nachts anonym in der Subura nachgingen - die Strafverfolgung wurde dann mehr oder weniger unmöglich - aber oft war Kleidung wenigstens ein Indikator.
    Athletisch und unglaublich durchtrainiert passte, soweit Maro wusste nicht zu besonders vielen Römerinnen. Vielleicht konnten sie den Fall schon an Ort und Stelle lösen.

    Und dann passierte es tatsächlich. Ein Haufen Aufständischer kam aus den Schatten hervor und von den Dächern kamen Geschosse und Maro versuchte nach dem Weichen des ersten Schocks einen Überblick zu kriegen.


    "Verfluchte Scheiße."


    Sofort gab es Tote und Verwundete zu beklagen. Maro hatte sich schon auf , zermürbenden Beschuss von den Dächern eingestellt. Dort waren die Angreifer schwer zu erreichen. Beschissene Barbaren, Sklaven, Abschaum.


    Die Urbanae hatten keine nennenswerten Fernwaffen dabei. Umso überraschter war er, als er dann von irgendwo her den geschriehenen Befehl auf der Seite des Abschaums hörte, die Soldaten zu entwaffenen. Sie gingen in den Nahkampf über.
    Damit begingen die Aufständischen einen groben Fehler, dachte Maro. Einem habwegs disziplierten Trupp römischer Soldaten würden die Sklaven im Nahkampf nicht standhalten. Auch wenn sich ein paar anscheinend mit so etwas wie einer Rüstung ausgestattet hatten. Die Gladiatoren, die Maro hier und da erspähte würden das größte Problem sein.


    Wenn der Überraschungseffekt gleich abgeklungen war, würden sich die Milites in ihre übliche Formation begeben und den Haufen einem Gletscher gleich zurück drängen.


    Er sah sich um. Die wütende Attacke forderte zwar ihre Opfer und es herrschte Unordnung in den Reihen, aber seine Urbaner zeigten keine Anzeichen von Fluchtgedanken. Die Disziplin hielt einigermaßen.


    Ein Pfeil prallte von seinem Helm ab, als er den Arm mit dem Schwert hob und den Befehl zur Ordnung gab.


    "Löst euch, Milites. Löst euch. Geschlossene Linie. Erste Reihe Schide nach vorn. Die zweite Reihe deckt die erste mit ihren Schilden von oben. Der Rest hält die Schilde oben."


    Binnen Augenblicken übernahm die Disziplin das Tun der Soldaten und lang eingeübte Bewegungsmuster übernhamen. Maro drängte sich in erste Reihe. Jetzt war seine Führung gefragt. Seine anfängliche Verwirrung - das Aufkommen von Panik hatte er reflexartig so gut es ging versucht zu unterdrücken - war wütender, kalter Kalkulation gewichen. Er wusste was zu tun war. Dieser Scheißhaufen.


    "Vorwärts Milites. Wir drängen sie aus dieser scheiß Gasse. Stecht sie alle ab."


    Die erste Kundschaft ließ auch nicht lange auf sich waren. Vor Maros Schild tauchte ein ziemlich großer Kerl im mittleren Alter auf. In den Augen blinde Wut. Kurz arbeitete er sich an Maros Schild mit seinem Knüppel ab. Dann stach der Optio, wie sie es immer und immer wieder eingeübt und trainiert hatten nach allen Regeln der Kunst in einer fließenden Bewegung hinter seinem Scutum hervor und ein Schwall roter Flüssigkeit ergoss sich aus dem Hals des Kerls.


    Hinter dem Schild hiel Maro Ausschau nach dem Anführer des Mobs. So wie es vorhin geklungen hatte, handelte es sich dabei um eine Frau. Doch dann verlangte der nächste Aufständische sein volle Aufmerksamkeit und der Kampf ging weiter.

    Nachdem sie den Ädil und Flora an der Villa Flavia Felix abgeliefert hatten, wandten sich die Urbaner wieder ihrer anderen Hauptaufgabe zu.
    Dem Aufstand in der Stadt ein möglichst zügiges und glimpfliches Ende zu bereiten. Der genaue Befehl von Tribun Crispus lautete, die Vigiles bei den Löscharbeiten abzuschirmen. Und Maro hatte den Verdacht, dass das weitaus leichter gesagt als getan war.


    Zur Ausführung des Befehls hatten sich Maro und sein Trupp ohne viel Aufhebens direkt zu dem Ort der Stadt begeben, der von einem Aufstand der Unterschichten besonders bedroht sein würde. Die Gegend auf dem Esquilin, die eine der feinsten Orte der Stadt darstellte. Die Häuser, die vor Reichtümern überliefen, standen hier mehr oder wenger auf einem Haufen. Und kaum eines war eine Festung, die einer koordinierten Attacke eines zu allem entschlossenen und bewaffneten Mob standhalten konnte. Auf dem Weg eg durch die Straßen hatten sie bereits schlimme Gerüchte über das Haus der Tiberier aufgeschnappt. Andererseits geisterten alle möglichen wilden Geschichten durch die Stadt.


    Die Häuser standen hier dicht an dicht. Es war kaum nennenswerter Rückzugsraum vorhanden, wenn man einmal in einer Gasse festsaß, schlossen einen die Mauern unbarmherzig ein. Aber die Urbaner waren auf genau solche Situationen vorbereitet und so sah Optio Maro möglichen Gefechten in den Gassen mit einiger Gelassenheit entgegen.


    Sie eilten den Weg in der Nähe der Villa Claudia entlang, immer auf der Suche nach der nächsten Rauchsäule.


    Maro fragte sich, wann ihr Glück aufgebraucht werden sollte.

    Maro nickte dankbar "Hab Dank, Aedile."
    Dann drehte er sich zu den Milites um und wählte ein paar aus, die Villa Flavia beschützen sollten, falls etwas schiefging und sich ein Teil des Mobs hier her verirrte. Im Moment sah es zwar nicht danach aus, aber wer konnte schon sagen, was noch so passieren würde. Das Fatum hatte heute schon so manchen überrascht.


    "Rufinus, Albucius, Firminus, Mamurra und Gallio. Ihr verstärkt die Villa und beschützt die Bewohner."


    Die fünf würden im Zweifel ausreichen, dachte Maro. Der Ädil hatte von Veteranen zum Schutz der Flavier gesprochen und auf engem Raum würden zu viele Männer sich nur gegenseitig auf den Füßen stehen.


    "Ihr wisst was ihr zu tun habt. Viel Glück."


    Und an seine Cousine gewandt fuhr er fort: "Ich würde das freundliche Angebot des Ädils annehmen, Flora. Hier ist es einigermaßen sicher und bis zur Casa wär es ein ganzes Stück."

    Wunderlicherweise kam der Trupp mitsamt dem curulischen Ädil und Octavia Flora ohne größere Zwischenfälle an der Villa Flavia an. Anscheinend hatte sich das Geschehen in andere Regionen verzogen. Die Straße auf dem Quirinal lag ruhig da.


    Optio Maro war ganz froh darum. Zivilisten bei einem Kampf dabei zu haben, hätte die Mäglichkeiten effektiv zu kämpfen deutlich eingeschränkt. Und Flora war natürlich auch noch da. Am sichersten wäre es, wenn sie hier bliebe. Maro wusste nicht wie sicher die Straßen zur Casa Octavia waren.


    "Milites state. Ädil, wir sind da." meldete er dem Magistraten.
    "Soll ich einge Milites zum Schutz der Villa abstellen?" Bei dem Pech, das Fortuna heute über dem Mann ausgeschüttet hatte, konnte das sicher nichts schaden.


    In dessen Haut wollte Maro jetzt nicht stecken. Dieses Chaos könnte die Karriere des Ädils ernsthaft beschädigt haben. Aber das würde wahrscheinlich der Kaiser selbst entscheiden müssen.
    Der Optio entsann sich, dass er just in diesem Hause einem anderen Flavier, dem netten, dicken Minor, den Umgang mit dem Schwert beigebracht hatte. Die Flavier waren wohl eher Politiker, als Soldaten.