Maro nickte auf die Antwort zustimmend. Den meisten, die nicht täglich so ein Ding in Hand hielten, blieb die Symbolik die von dieser Art ausging Waffe verborgen.
Selbst für viele Soldaten war das Schwert einfach ein nützliches, scharfes Werkzeug, mit dem man sich besonders gut feindliches Gesocks vom Leib halten konnte.
Deshalb war Maro auch keineswegs enttäuscht, dass Minor nicht sofort ein tiefere Analyse des Gegenstandes vorbringen konnte.
"Du hast natürlich völlig recht, technisch und historisch gesehen. Ein gewöhnlicher Gladius. Stahl. Zweischneidig. Einhändig. Die Standartwaffe des Legionärs. Von hispanischen Barbaren übernommen. Das ist richtig. Allerdings eröffnen sich dem wissenden Auge noch einige, nicht unbedingt rein technische Eigenschaften, die dem Gladius anhaften.Ich will dir sagen was ich meine:
Du hast bereits gesagt, der Gladius gelte als die pointierte römische Schwertform.
Das ist vollkommen korrekt. Oder anders ausgedrückt: Rom wäre ohne die vollendete Brillanz dieser Waffe nicht einmal im Entferntesten in der Nähe der Größe und des Glanzes, die es heute inne hat. Rom hat die Nutzungsweise des Gladius seit seiner Übernahme vervollkommnet. Ausrüstung und Ausbildung der Soldaten sind perfekt auf die Nutzung des Kurzschwertes abgestimmt. Zweitens war bisher kein Gemeinwesen und kein Volksstamm der bekannten Welt in der Lage über die Jahre eine so hohe Anzahl von Soldaten mit Waffen von so einheitlich hoher Qualität und Güte auszurüsten und auszubilden.
Besonders ein Anführer muss sich also bewusst sein, dass er nicht bloß mit einem zu groß geratenen Messer durch die Gegend fuchtelt, sondern mit einem Juwel römischer Schmiedekunst und Technik. Ein solcher Gegenstand muss von jedem, der es benutzt also mit gebührendem Respekt behandelt werden. Wenn du also deinen Gladius überreicht bekommst, musst du ihn so behandeln, wie es einer Waffe dieses Ranges zukommt."
Dieser Aspekt war für den gemeinen Soldaten sehr nachrangig, sodass er bei der Ausbildung meistens nur ausführlicher zur Sprache kam, wenn der Ausbilder in geschwätziger Laune war.
Für einen patrizischen Anwärter auf das Tribunat und auf folgende Magistratsämter war es jedoch vorteilhaft, wenn er sich der tieferen Bedeutung der Waffen vor Augen führte.
"Wie du bereits bemerkt hast und was an sich eigentlich zu banal ist um es zu erwähnen, ist der Umstand, dass der Gladius eine Waffe ist. Aus dieser Erkenntnis ergibt sich allerdings für den Anwender folgende Konsequenz: Die Waffe ist der Gegenstand durch den der Soldat auf dem Schlachtfeld seine Wirkung entfaltet und von dem buchstäblich sein Leben abhängt.
Ein Soldat, dessen Waffe durch mindere Qualität oder schlechte Behandlung nicht in bestem Zustand ist, ist auf dem Schachtfeld nicht nur nutzlos, sondern auch so gut wie wehrlos. Deine erste und letzte Sorge jeden Tag sollte also dem Zustand deiner Waffe gelten.
Ein Soldat mit einer Waffe in inadäquatem Zustand ist kein richtiger Soldat und für seine Kameraden, seine Einheit, seinen Feldherrn und seinen Kaiser in der Schlacht wertlos und eine Belastung. Das musst du dir stets vor Augen führen."
Dieser Aspekt nun wurde den Rekruten von jedem Ausbilder ständig und jeden Tag in den Schädel gehämmert. Die Logik dahinter ergab sich von selbst.
"Ein weiterer Punkt könnte mit der etwas abgedroschenen, aber trotzdem wahren Erkenntnis zusammengefasst werden, dass es sich bei der Waffe um kein Spielzeug handelt.
Der Gladius ist ein Werkzeug des Kriegs und des Todes, entworfen und hergestellt um die Seelen der Feinde Roms in die Unterwelt zu schicken. Er ist scharf und gefährlich und kann sich bei unsachgemäßer Handhabung jeden Moment gegen seinen Anwender wenden.
Er ist das Besteck Plutos. Gleichsam ein Kultgegenstand des Todes selbst und sollte entsprechend behandelt werden.
Deswegen werden wir auch bei unseren Übungen hier äußerste Vorsicht walten lassen. Nicht dass Mors aus Versehen noch einen Finger eine Hand oder eine Seele in diesem Haus für sich einfordern kann."
Das war eindrücklich, befand Maro.
"Hast du bis hier hin Fragen oder Anmerkungen?"
Es war viel auf einmal, das Maro gerade vorgetragen hatte, aber doch alles essentiell.