Beiträge von Marcus Octavius Maro

    Maro nickte immer wieder zustimmend, während Minor sprach. Offensichtlich war bei seinem Schüler ein gewisses Grundwissen über die Rüstung vorhanden, so wie es schon beim Gladius gewesen war. Sowohl visuell als auch vom Sinn und Zweck her hatte er die Ausrüstung richtig erfasst.


    "Wenn du dir nun diese Ausrüstung in ihrer Gesamtheit, das heißt auch mit Kurzschwert im Sinn, betrachtest: Wo siehst du die Stärken und die Schwächen, die diese Gerätechaften einzeln und im Zusammenspiel besitzen?"

    "Nun gut." Maro würde das Verständnis seines Schülers nach der Theorie mit ein paar Fragen auf die Probe stellen.
    "Schauen wir uns also einen vorerst letzten theoretischen Aspekt an. Das Kurzschwert im Kontext der Kampfausrüstung des römischen Soldaten."


    Es war eine Sache wunderbar mit einer Klinge umgehen zu können, allerdings waren tiefere Kenntnisse der Ausrüstung elementar, wenn man sich tatsächlich in eine bewaffnete Streitmacht begeben wollte.
    Maro wandte sich ein letztes Mal dem Sack zu, holte als letzten Gegenstand ein römisches Kettenhemd heraus und hängte dies zu Helm und Schild auf den Pfahl.
    Da dies die ganze Zeit so gut funktioniert hatte, blieb Maro bei den offenen Fragen, die Minor die Gelegenheit geben sollten, die Gegenstände aus allen möglichen Blickwinkeln genau zu betrachten.
    "Beschreibe mir, was du siehst. Was auch immer dir auf- und einfällt" verlangte Maro und deutete auf Schild, Helm und Kettenhemd.

    Ich möchte mich gar nicht groß in den Anmeldeprozess einmischen, aber ich wollte anmerken, dass sich Decimus Serapio abwesend gemeldet hat und und noch nicht zurück gemeldet ist.


    Vielleicht könnte notfalls jemand anderes aus der ehrenwerten Gens Decima die neuen Mitstreiter willkommen heißen, wenn das geht?

    Maro war überaus zufrieden mit der Antwort, die Minor ihm gegeben hatte.
    "Völlig richtig. Hieb, Stich und Knauf. Viele vergessen den Knauf. Jedoch ist der Gladius eine Waffe und jeder Teil dieser Waffe kann zur Bekämpfung des Feindes benutzt werden. Im Zweifel wird natürlich die Klinge klarere Ergebnisse erzielen, aber in vielen Situationen ist der stumpfe Schlag mit dem Knauf die einzige Alternative. Sehr gut. Es gibt nur eines, wie ein Soldat sein Schwert niemals einsetzen sollte: Als Wurfgeschoss. In der Ausbildung gibt es immer ein paar vorwitzige, die meinen, es sei besonders episch, einen Feind mit einem gezielten Schwertwurf zu bekämpfen. Wird ein solcher Schwertwurf dann während des Drills erprobt, wird der Ausbilder sofort die Festigkeit seines Stockes an demjenigen eingehend erproben, der das Schwert geworfen hat. Ein Soldat, der seine Waffe fort wirft und sei es zur Feindbekämpfung, macht sich nicht nur lächerlich, sondern auch nutzlos. Daher werden wir solche Späßchen hier auch nicht versuchen."


    Maro überging die schwächlichen Bewegungen seines Schülers, die Hieb und Stich andeuten sollten. Minor würde im Praxisteil noch schnell und häufig kritisiert werden.
    Jetzt ging es erst einmal noch um die Theorie, die Minor erfreulich schnell aufzufassen schien. Ein Idiot war er offenbar nicht. Hätte Minor sich als völlig verblödet herausgestellt, wäre Maro direkt ohne viel Aufhebens zum praktischen Teil übergangen und hätte Minors zukünftigem Vorgesetzten schon einmal im Voraus ein paar starke Nerven gewünscht. Mangelnde Intelligenz würde sich bei einem Stabsoffizier besonders schlimm auswirken. Ein solcher wäre für die Armee praktisch nutzlos und für die von ihm gelegentlich geführten Soldaten gefährlich. Wenn ein einfacher Miles nicht die hellste Fackel an der Mauer war, war das egal, wenn er gehorchen und kämpfen konnte. Bei Offizieren oder gar Feldherren war es nicht egal.
    Minor schien jedoch nicht verblödet zu sein und so setzte Maro den theoretischen Teil fort.


    "Wie du schon richtig erkannt hast, ist der Stich die Hauptanwendungsweise des Gladius. Du wirst nie eine Einheit Legionäre wie wild mit dem Schwert fuchteld durch die Botanik rennen sehen. Vielmehr wirst du, schnelle, energische, koordiniert nach vorn gerichtete Stöße beobachten können. Dem ungebildeten Auge mag es vielleicht vorkommen, als sei das römische Kurzschwert daher eine banale, unelegante Waffe. Ausgeklügelte Schlagfolgen und ästhetisch ansprechende Duellmuster mag es für das Kurzschwert zwar geben, aber der Alltag des römischen Soldaten wird sich hauptsächlich nicht in diesem Bereich abspielen. Tatsächlich wäre es albern mit einem so kurzen Schwert zu versuchen ausladende Hiebe auszuteilen. Es ist schlicht zu kurz. Viel zu wenig Reichweite. Andere Gemeinwesen mögen längere Schwerter nutzen, sogar solche, die mit zwei Händen geführt werden müssen, aber das ist nicht der römische Weg. Behalte dabei jedoch das im Kopf, was wir vorhin festgestellt haben. Im Kampf können die wildesten Situationen entstehen und in einer solchen mag es auch vorkommen, dass man mächtig Hiebe austeilen muss. Der ganze Gladius ist die Waffe, nicht nur die Spitze. Nichtsdestoweniger ist die Hauptfunktion des Gladius der Stoß. Wie perfekt jedoch sich das Kurzschwert in die ganze Ausrüstung und Kampftechnik des römischen Soldaten einpasst, wirst du gleich feststellen. Vorher jedoch:"
    Maro holte einen weiteren Gegenstand aus seinem Beutel.


    "Dies ist das andere Schwertmodell, mit dem die Truppen Roms ausgerüstet werden: Das Spatha. Es ist länger und in der Klinge etwas anders geformt, als der Gladius. Gleichfalls eine barbarische Erfindung wird es im Exercitus wegen seiner erhöhten Reichweite vor allem von Reitern eingesetzt. Da sich Soldaten im tribunizischen Dienst auch zu Pferd bewegen, mag es durchaus sein, dass du den Feinden des Kaisers mit diesem Modell zu Leibe rücken musst. Daher werden wir bei deiner Ausbildung neben dem Gladius auch auf das Spatha einigen Wert legen. Daneben nutzen Römer im Kampf auch noch Speer und Dolch. Jedoch werden wir uns zuerst die Schwerter näher betrachten."


    Maro reichte Minor das Übungs-Spatha, zum einen, damit der Flavier die beiden Modelle vergleichen konnte, zum anderen um zu sehen, ob noch etwaige Ermahnungen im Hinblick auf den sicheren Umgang mit Waffen nötig sein sollten. Es sollte möglichst wenig Leichtfertigkeit bei Minor vorhanden sein, wenn sie zum Praxisteil übergingen.
    "Fallen dir zu diesem Teil Fragen oder ähnliches ein?"

    Bisherig nicht. Nun gut. Die Rekruten nickten auch immer eifrig, wenn man ihnen nahegelegt hatte das Schwert im Feld frei von Rost zu halten. Trotzdem zeigten so oft Waffen und Ausrüstung der Milites Spuren von Nachlässigkeit.
    Achtsamkeit mit dem Material würde auch einen wichtigen Bestandteil der minorischen Ausbildung ausmachen.
    Zufrieden sah Maro auch das Erstaunen ob der neuen Erkenntnisse in Minors Gesicht, genauso wie beabsichtigt.


    "Das sind keine arkanen Geheimnisse, die ich dir gerade verraten habe. Eigentlich kann da jeder auf diese Gedanken kommen, der sich mit der Materie befasst, damit umgeht und dabei nachdenkt. Aber du solltest dir dringend einprägen. Sie sind wichtig und könnten dein Leben retten."


    Neue Soldaten lernten vor allem den Umstand, dass eine Waffe sehr gefährlich war, schnell und eindrücklich. Entweder weil sie selbst oder Kameraden sich mit den Schwertern aus Dummheit oder Nachlässigkeit selbst Wunden zufügten, oder weil sie auf einer heißen Patrouille mitbekamen, wie ein Gauner versuchte, die Innereien wieder in sich hinein zu stopfen oder von einem gut gesetzten Stich ausblutete. Der Anblick verlustig gegangener Körperglieder hatte meistens denselben Effekt. Doch mit solchen Horrorgeschichten würde Maro Minor nicht gleich von Anfang an belasten. Er wollte nicht, dass der Flavier sich von der Waffe fürchtete. Das wäre sehr kontraproduktiv für den Fortgang der Ausbildung.


    "Wir können die Theorie jedoch noch nicht ganz verlassen, sondern werden zunächst in die taktischen Vor- und Nachteile der Nutzung des Gladius einsteigen und uns dann darüber Gedanken machen, wie die Nutzung des Gladius im Gesamtzusammenhang der Ausrüstung des Soldaten gestaltet ist."


    Maro holte dazu den Helm heraus und platzierte ihn auf dem Pfahl und lehnte das mitgebrachte Scutum an denselben, wandte sich jedoch dann wieder Minor und dem Schwert zu.


    "Bleiben wir zuerst noch beim Gladius selbst. Eine einfache Frage: Welche Möglichkeiten hast du, um auf einen Gegner damit einzuwirken?"

    Maro nickte auf die Antwort zustimmend. Den meisten, die nicht täglich so ein Ding in Hand hielten, blieb die Symbolik die von dieser Art ausging Waffe verborgen.
    Selbst für viele Soldaten war das Schwert einfach ein nützliches, scharfes Werkzeug, mit dem man sich besonders gut feindliches Gesocks vom Leib halten konnte.


    Deshalb war Maro auch keineswegs enttäuscht, dass Minor nicht sofort ein tiefere Analyse des Gegenstandes vorbringen konnte.


    "Du hast natürlich völlig recht, technisch und historisch gesehen. Ein gewöhnlicher Gladius. Stahl. Zweischneidig. Einhändig. Die Standartwaffe des Legionärs. Von hispanischen Barbaren übernommen. Das ist richtig. Allerdings eröffnen sich dem wissenden Auge noch einige, nicht unbedingt rein technische Eigenschaften, die dem Gladius anhaften.Ich will dir sagen was ich meine:


    Du hast bereits gesagt, der Gladius gelte als die pointierte römische Schwertform.
    Das ist vollkommen korrekt. Oder anders ausgedrückt: Rom wäre ohne die vollendete Brillanz dieser Waffe nicht einmal im Entferntesten in der Nähe der Größe und des Glanzes, die es heute inne hat. Rom hat die Nutzungsweise des Gladius seit seiner Übernahme vervollkommnet. Ausrüstung und Ausbildung der Soldaten sind perfekt auf die Nutzung des Kurzschwertes abgestimmt. Zweitens war bisher kein Gemeinwesen und kein Volksstamm der bekannten Welt in der Lage über die Jahre eine so hohe Anzahl von Soldaten mit Waffen von so einheitlich hoher Qualität und Güte auszurüsten und auszubilden.


    Besonders ein Anführer muss sich also bewusst sein, dass er nicht bloß mit einem zu groß geratenen Messer durch die Gegend fuchtelt, sondern mit einem Juwel römischer Schmiedekunst und Technik. Ein solcher Gegenstand muss von jedem, der es benutzt also mit gebührendem Respekt behandelt werden. Wenn du also deinen Gladius überreicht bekommst, musst du ihn so behandeln, wie es einer Waffe dieses Ranges zukommt."


    Dieser Aspekt war für den gemeinen Soldaten sehr nachrangig, sodass er bei der Ausbildung meistens nur ausführlicher zur Sprache kam, wenn der Ausbilder in geschwätziger Laune war.


    Für einen patrizischen Anwärter auf das Tribunat und auf folgende Magistratsämter war es jedoch vorteilhaft, wenn er sich der tieferen Bedeutung der Waffen vor Augen führte.


    "Wie du bereits bemerkt hast und was an sich eigentlich zu banal ist um es zu erwähnen, ist der Umstand, dass der Gladius eine Waffe ist. Aus dieser Erkenntnis ergibt sich allerdings für den Anwender folgende Konsequenz: Die Waffe ist der Gegenstand durch den der Soldat auf dem Schlachtfeld seine Wirkung entfaltet und von dem buchstäblich sein Leben abhängt.


    Ein Soldat, dessen Waffe durch mindere Qualität oder schlechte Behandlung nicht in bestem Zustand ist, ist auf dem Schachtfeld nicht nur nutzlos, sondern auch so gut wie wehrlos. Deine erste und letzte Sorge jeden Tag sollte also dem Zustand deiner Waffe gelten.
    Ein Soldat mit einer Waffe in inadäquatem Zustand ist kein richtiger Soldat und für seine Kameraden, seine Einheit, seinen Feldherrn und seinen Kaiser in der Schlacht wertlos und eine Belastung. Das musst du dir stets vor Augen führen."


    Dieser Aspekt nun wurde den Rekruten von jedem Ausbilder ständig und jeden Tag in den Schädel gehämmert. Die Logik dahinter ergab sich von selbst.


    "Ein weiterer Punkt könnte mit der etwas abgedroschenen, aber trotzdem wahren Erkenntnis zusammengefasst werden, dass es sich bei der Waffe um kein Spielzeug handelt.


    Der Gladius ist ein Werkzeug des Kriegs und des Todes, entworfen und hergestellt um die Seelen der Feinde Roms in die Unterwelt zu schicken. Er ist scharf und gefährlich und kann sich bei unsachgemäßer Handhabung jeden Moment gegen seinen Anwender wenden.
    Er ist das Besteck Plutos. Gleichsam ein Kultgegenstand des Todes selbst und sollte entsprechend behandelt werden.


    Deswegen werden wir auch bei unseren Übungen hier äußerste Vorsicht walten lassen. Nicht dass Mors aus Versehen noch einen Finger eine Hand oder eine Seele in diesem Haus für sich einfordern kann."


    Das war eindrücklich, befand Maro.


    "Hast du bis hier hin Fragen oder Anmerkungen?"


    Es war viel auf einmal, das Maro gerade vorgetragen hatte, aber doch alles essentiell.

    Ach ja, Maro hatte ganz vergessen, dass bis zum Verlust jeder Praxistauglichkeit gedrechselte Sprache in der Oberschicht oft die Norm war. Das kam wohl vom vielen Griechisch Lesen. Wenn Maro zu dem Patrizier durchdringen wollte musste er den Exerzierplatzton vorerst abstellen und so erinnerte er sich zurück an die gute Kinderstube, die er einst genossen hatte:


    "Ich danke dir für deine Freundlichkeit, aber Lucilius wird die kostbare Zeit des wiewohl zweifellos vortrefflichen Medicus Capsa nicht in Anspruch nehmen müssen, da im Lazarett bereits alles Nötige zu seiner bestmöglichen Versorgung veranlasst wurde. Als ich zu Lucilius kam, hatten sie den Bruch geschient und gerichtet. Aber ich bin sicher Lucilius wird deine Besorgnis sehr zu schätzen wissen."


    Der Medicus der Cohortes, Veteran vieler Schachtfelder im Lazarett würde ihm gehörig was husten, wenn Maro noch einen Zivilisten anschleppte, der ihm ins Handwerk pfuschte. Die Ärzte waren da sehr eitel.


    Auf dem Weg zur Villa Flavia hatte sich Maro einen Plan zurecht gelegt, nach dem er den jungen Zivilisten mit den wichtigsten Waffen so vertraut als möglich machen wollte. Aufgrund der körperlichen Gegebenheiten des Minors würde er zwar einiges anders gewichten müssen, aber Maro insgesamt zuversichtlich.


    Er nickte dem Minor zustimmend, und wie Maro hoffte, aufmunternd zu.


    "Beginnen wir also. Mir wurde von Lucilius berichtet, du wolltest dich als Vorbereitung auf deinen tribunizischen Dienst mit den römischen Waffen vertraut machen.Das mag sich eigentlich nach einem recht simplen Vorhaben anhören. Man bearbeite einen Feind so lang mit einer Klinge bis er einem tot zu Füßen liegt.


    Jedoch wirst du, wie jeder andere auch, der sich ernsthaft mit dieserlei Materie beschäftigt, schnell bemerken, dass zur Handhabung jeglicher Waffen unendlich viel mehr Wissen und Können von Nöten ist, als es auf den ersten Blick scheinen mag und es Jahre ständiger, ausdauernder Übung bedarf, um zur Meisterschaft einer Waffe zu gelangen. In diesem Sinne haben wir eigentlich keine Zeit zu verschwenden, wenn du eine annehmbare Figur während deines Dienstes machen willst.


    Es sind jedoch einige theoretische Vorüberlegungen notwendig, bevor wir mit dem praktischen Teil beginnen.
    Ich werde dir jetzt eine Frage stellen, die dir vielleicht in geradezu grotesker Weise banal erscheinen mag. Allerdings besteht diese Banalität nur oberflächlich und ich möchte, dass du sie auf allen dir vorstellbaren Ebenen bedenkst, denn die Antworten bilden einen wichtigen Teil des Fundamentes, auf dem die Kunst des Umgangs mit Waffen ruht."


    Maro machte den Beutel auf und holte seinen eigenen Gladius heraus und reichte ihn dem Flavier.


    "Was ist das?"

    Wunderbar, keine Waffen am Mann. Maro mochte es sehr, wenn bei den Einreisenden keine weitergehenden Investigationen nötig wurde.
    Er überlegte, ob es nicht ökonomischer wäre einfach zukünftig einen riesen Stadtplan vorn neben die Porta zu pinseln, damit die Leute auch ohne größere Verwirrung in der ewigen Stadt ankommen konnten
    "Dann kannst du die Stadt jetzt betreten. Die Domus Iulia befindet sich auf dem Mons Esquilinus innerhalb und unweit der alten Stadtmauer. Wenn du vom Forum aus bergauf gehst, den Tiber und das Marsfeld dabei relativ genau im Rücken hast, bist du wahrscheinlich nicht so verkehrt. Halte dich dabei am besten möglichst auf den breiteren Straßen. Ein Abstecher in die engen Viertel ist für Leute, die sich nicht auskennen wenigstens ein Umweg. Bist du erstmal auf dem Esquilin, solltest du die Domus Iulia eigentlich relativ zügig finden.
    Jedenfalls: Willkommen in Rom, Iulius Libo."

    An übervollen Tagen wie diesen, bequemte sich Optio Maro auch gelegentlich selbst aus der Dienststube zu den "Kunden" an die Porta.
    Zum einen passierten bei solchen Massen unweigerlich Zwischenfälle, die nur unter Anwesenheit höherer Autorität entspannt werden konnten. Wartende Bürger wurden allzu oft quengelig. Zum anderen gab die direkte Präsenz des Vorgesezten und seines Stocks den Milites den Motivationsschub den sie brauchten um an diesen langen Tagen nicht schlapp zu machen.


    Um den Milites eine kurze Verschnaufpause zu verschaffen, nahm sich Maro persönlich des Iuliers an, derals nächstes Einlass in die Stadt begehrte.


    "Salve Iulius Libo. Den Weg dorthin könnte ich dir wohl beschreiben und das werde ich gleich auch gerne tun. Zunächst muss ich dich jedoch fragen, ob du irgendwelche Waffen bei dir trägst. Diese sind innerhalb des Pomeriums für Bürger ohne spezielle Genehmigung nicht gestattet."
    Sinn und Zweck des Besuches des Iuliers war offensichtlich ein Verwandtenbesuch. Auch die Frage nach gefäschten Lebensmittelmarken und dergleichen sparte der Optio sich. Tempus fugit.

    Wunderbar. Immerhin hatte er tatsächlich den richtigen Mann vor sich, welcher sich jedoch nicht über Maros Person im Klaren zu sein schien. Anscheinend hatte Lucilius es versäumt eine Nachricht vorauszuschicken. Oder hatte noch keine Gelegenheit dazu gehabt. Oder der ein nachlässger Bote hatte die Nachricht verbummelt. Der Optio würde dem nachgehen, wenn er wieder in der Castra war.


    Maro stellte den Packen mit den Übungswaffen sanft auf den Boden und antwortete dann dem Minor:
    " Nun, ich fürchte, dass ich nicht Lucilius bin. Mein Name ist Marcus Octavius Maro, Optio bei den Cohortes Urbanae. Lucilius ist leider kürzlich in Ausübung seiner Pflicht von einem Dach gestürzt, hat sich dadurch einen sauberen Bruch im rechten Bein zugezogen und wird deshalb deine Ausbildung nicht durchführen können. Daher hat er mich beauftragt an seiner statt dir den Umgang mit dem Handwerkszeug des Soldaten näher zu bringen, so wie es auch bei den Cohortes meine Aufgabe ist."


    Während Maro sprach taxierte er sich den Flavier etwas näher. Einige Jahre jünger als Maro, ein gutes Stück kleiner und die fülligste Person, die Maro in den letzten Wochen untergekommen war. Der Schwertgurt würde an Minor nicht scheitern. Der Harnisch, den er mitgebracht hatte jedoch in jedem Fall.
    Wenn der Flavier tatsächlich in des Imperators Legionen Dienst leisten wollte- und sei es nur der Stabsdienst für Herrensöhnchen - musste er drastisch an Gewicht verlieren.


    Bei den Urbanern hatten sie ihre eigene Strategie Rekruten von ähnlicher Gestalt in Form zu bringen. In den seltenen Fällen jedenfalls , in denen Rekruten solchen Ausmaßes überhaupt auftraten. Die meisten, die für diese Spezialbehandlung in Betracht kamen, wurden überwiegend schon an der Porta abgeschreckt oder scheiterten spätestens bei der ärztlichen Begutachtung.


    Schon den Flavier gebührend in Form zu bringen, würde eine Herausforderung darstellen.


    Immer vorausgesetzt, Minor würde Maro tatsächlich als Lehrer akzeptieren und nicht auf einer Ausbildung durch einen ergebenen Klienten der Familie bestehen.

    Dankbar hatte Maro das Angebot des zweiten Sklaven an der Tür abgelehnt, der angeboten das Tragen der Übungsmaterialien zu übernehmen. Er war der vielleicht altmodischen Auffassung, dass römische Waffen, und seien es nur verpackte Übungswaffen, nicht in die Hände von Sklaven gehörten. Dies war ein Privileg, das ausschließlich römischen Bürgern zukommen sollte, fand Maro. Deshalb hatte er Hilfstruppen in Germanien auch immer misstrauisch beäugt. Wenn man einem kolossalen Barbaren römischen Stahl in die Hände gab, endete dies oft genug katastrophal.


    Die Villa Flavia Felix nun war zweifellos das grandioseste Haus, das Maro je betreten hatte. Geschichte waberte durch die geschäftigen, doch gleichzeitig ruhigen Gänge, die ein herrschaftsgewohntes Selbstbewusstsein verströmten, das geeignet war, jedem Besucher eine gehörige Portion Ehrfurcht einzuflößen.


    Vorbei an exquisitem Inventar, belebt wie unbelebt, an unzähligen Kunstwerken vorbei wurde Maro geleitet, der nicht umhin kam, sich mit beruflichem Interesse zu fragen, welche Sicherungen gegen Raub und Diebstahl die Flavier wohl im Ernstfall in Stellung bringen könnten. Wenn an dem mürrischen Ianitor nicht mehr dran war, als Maro auf den ersten Blick ausmachen konnte, hätte eine zu allem entschlossene suburanissche Bande wohl nicht allzu viel Arbeit.
    Und der Inhalt dieser Villa war dergestalt, wie das stehlende Gewerbe Roms sich die elysischen Felder vorstellte.


    Maro nahm sich vor diesen Umstand bei Minor gelegentlich anzusprechen.


    Der Sklave führte Maro schließlich zu einem weit weniger grandiosen Hof, in dessen Mitte ein blanker Pfahl errichtet war und bei dem ein fülliger, junger Mann in besseren Kleidern wartete. Zweifellos sein neuer Rekrut.
    Nein, korrigierte Maro sich und nahm sich innerlich etwas zurück. Rekrut war hier das falsche Wort. Das hier war nicht der Exerzierplatz der Castra und der Dominus vor ihm keiner der üblichen mehr oder weniger verzweifelten Idioten von der Straße, die Maro in der Castra auszubilden hatte. Wenn das hier was werden sollte, musste er die Sache hier grundlegend anders angehen. Das ganze schöne Repertoire des Optios würde nicht besonders gut funktionieren. Der Patrizier würde verstockt reagieren und nichts lernen und wenn Maro sich Gracchus Minor so betrachtete, hatte er hier viel Arbeit vor sich.


    Deshalb stimmte Maro ein anderes Lied an. Er konnte den Ton ja immer noch wechseln, sollte das nötig werden.


    "Habe ich die Ehre mit Manius Flavius Gracchus Minor zu sprechen?"

    Als Maro schließlich vor dem Tor der Villa Flavia eintraf, grübelte er immer noch darüber nach, dass sich in letzter Zeit die ungewöhnlichen Begebenheiten zu häufen schienen. Auch die Pflicht, der er heute nachkam gehörte wahrlich nicht gerade zum Alltag eines Urbaners.


    Vor ein paar Tagen hatte ihn überraschenderweise der alte Lucilius ins Lazarett gebeten. Nein, gebeten war nicht das richtige Wort. Vor ein paar Tagen war Maro vom alten Lucilius ins Lazarett zitiert worden, um ihm einen interessanten Auftrag zu erteilen. Da Lucilius auf absehbare Zeit nicht diensttauglich war, sollte Maro es übernehmen, den jungen Manius Flavius Gracchus Minor die Grundlagen im Umgang mit den römischen Waffen zu lehren und ihn damit auf das traditionelle Militärtribunat vorzubereiten.


    Berühmterweise war Lucilius vor einer Woche vom Dach der Principia gefallen und hatte sich so das Bein gebrochen als er gerade die Neubedeckung abnehmen wollte und dabei wie üblich die Milites für ihre angeblich allgegenwärtige Schlamperei gescholten hatte. Hierbei war er dann anscheinend ausgerutscht und wie ein plötzlich flügellahmer Vogel vom Dach gefallen.
    Maro war beim Himmelssturz des Alten nicht anwesend gewesen, aber der Anblick des keifenden Lucilius hatte unter den Milites allenthalben heimliche Heiterkeit ausgelöst, so dass Maro davon ausging, dass der Alte beim Abgang nicht gerade pulchra figura gemacht hatte. ("Sollen sie den doch in den Ruhestand schicken. Wenn er uns bei einer Übung noch von der Mauer kippt, ist auch keinem geholfen.")


    Auf der Stelle ins Lazarett verfrachtet, sah Lucilius jedoch einer vollständigen Genesung entgegen, die wohl jedoch viel Zeit in Anspruch nehmen würde. ("Der Alte kann froh sein, dass es nicht das Knie erwischt hat") So kam es, dass Lucilius dem Optio Maro eine wichtige Aufgabe übertrug, die er selbst eigentlich hatte wahrnehmen sollen. Lucilius hatte Maro deshalb für angemessen erachtet, weil er eben "kein Bauernlümmel, sondern wenigstens ein Octavius" war und der Alte daher davon ausging, dass Maro sich bei den Patriziern halbwegs zu benehmen in der Lage war.
    Und warum nicht? dachte sich Maro. Kontakte mit diesen Leuten zu knüpfen war nie verkehrt.
    Also hatte Maro Zeit in seinem Dienstplan locker gemacht und den Quartiermeister beschwatzt, ihm außer der Reihe eine Runde Ausbildungsmaterial zu überlassen. ("Bring mir das ja alles heil zurück, Maro. Das Zeug ist Eigentum des römischen Staates und kein Spielzeug, klar?").


    Optimal ausgestattet und in optimistischer Stimmung klopfte Maro also an die Tür der Villa Flavia Felix.

    Es erschien Maro in dieser Sache am besten, den Brief direkt an die ganze Gens Germanica in Rom zu schicken. Die konnte ja dann unter sich ausmachen, wie sie mit der Situation umgehen wollte.



    Ad


    Gens Germanica
    Casa Germanica
    Roma


    Hiermit möchte ich die Familie des Miles Nero Germanicus Peticus, zur Zeit bei den Cohortes Urbanae, über folgenden Umstand in Kenntnis setzen: Gegen ein Mitglied eures Hauses werden schwerste Vorwürfe wegen grober Vergehen im Dienst erhoben.


    Dabei handelt es sich konkret um das Delikt der Insubordination gegenüber dem Tribun Aulus Iunius Avianus. Der Miles Peticus sitzt zur Zeit im Carcer; über ihn wird demnächst ein Militärtribunal richten.
    Peticus hat mich gebeten seine Verwandten zu informieren, damit diese ihn "aus diesem Loch holen". Dies habe ich hiermit getan. Vielleicht stehen euch ja wundersame Mittel zur Verfügung, dem Peticus aus dieser Klemme heraus zu helfen.


    Valete


    Marcus Octavius Maro
    Optio

    Die letzte Aussage des Germanicus, der sich direkt vor ihm aufgebaut hatte, ließ ein schiefes Lächeln auf Maros Gesicht erscheinen.


    "Du willst deine Kameraden bestechen - von welchem Geld frag ich mich - und hernach einen Patrizier umlegen? Hast du deinen Eid vergessen? Das wäre Mord und glatter Verrat, mein lieber Peticus. Und ein vollkommen sinnloser noch dazu."


    Wenn sie den Peticus nicht sowieso schon wegen so etwas dran bekamen.
    Maro fragte sich indes, ob die Zeit im Kerker dem armen Germanicus nicht vielleicht bereits zugesetzt hatte. Sein Geschwafel von Rache an den Flaviern und Belohnung verbuchte Maro deshalb unter Carcer-Koller und ließ es durchgehen. Peticus hatte so schon mehr als genug Probleme.


    "Wenn du vor dem Tribunal stehst rate ich dir jedenfalls von deinem hohen germanicinischen Ross herunter zu kommen und dir solches Geschwätz abzugewöhnen. Du bist nicht göttliche Augustus, sondern nur irgendein Miles der gewaltig in der Scheiße steckt.Obwohl, ein Miles der auch noch ein Germanicus ist. Das wird immerhin der Grund sein, warum du nicht schon längst deinen Vorfahren Gesellschaft leistest. Um aber auf deine Frage zurück zu kommen, nein ich weiß nicht wann das Tribunal stattfinden wird. Lange wirds wohl aber nicht mehr dauern, schätz ich.Paullus Germanicus Aculeo oder Medicus Germanicus Avarus, alles klar."


    Maro notierte sich die beiden Namen.

    Sim-Off:

    Info: Die sind beide im Moment anscheinend inaktiv (Desideratus respektive Exilium)


    "Nur die beiden?"

    Eine Wahnsinnsgeschichte in jedem Fall, dachte Maro. Ein drogensüchtiger Patrizier, ein Sklavenaufstand und mittendrin der Peticus. Vielleicht hatte der ja aus versehen was von diesen ominösen Drogen abbekommen und war nun verwirrt...


    "Tja Peticus, ich glaube du sitzt zu schlimm in der Scheiße, als dass ich jetzt einfach die Tür auflassen könnte. Und selbst wenn ich das täte, wär die komplette Garnison hinter dir her und nach mir auch. Hättest nichts gewonnen. Und ich würd meine wunderbare Beförderung auch nicht einfach so wegschmeißen. Tut mir leid.Mir scheint, dir ist der Ernst der Lage nicht so ganz klar. Dein "drogensüchtiger Minor" ist ein verdammter Patrizier und der Sohn eines Konsulars. Völlig egal, wie bekifft der auch durch die Gegend getorkelt sein mag: Wenn du auf ne Beförderung aus warst, hätteste ihm eher noch die Toga beim Pinkeln halten sollen. Statt dessen rennst du mit ihm zum Tribun und erpresst diesen, deinen Vorgesetzten noch um eine Versetzung und Beförderung."


    Laut nacherzählt käm ihm die Geschichte noch verrückter vor.


    "Egal, das wird das Tribunal klären. Welche Verwandten soll ich denn kontaktieren?"


    Maro hatte starke Zweifel daran, dass irgendjemand unterhalb irgendwelcher Senatoren oder ganz hoher Tiere beim Militär irgendetwas an Peticus Lage ändern würde können. Die Anschuldigungen gegen ihn waren ungemein schwer.


    Auch ob er für Peticus aussagen würde, würde Maro sich schwer überlegen. Er war sich sicher, dass Peticus Sache mehr oder weniger aussichtslos war. Und es war selten eine gute Idee, sich in eine verlorene Schlacht zu werfen. Man würde sehen.

    Es war kein besonders dankbarer Befehl, der Maro heute in den Carcer führte. Wiewohl es durchaus schon mal vorkam, dass einer der Kameraden Mist baute und für ein paar Tage hier landete, waren Gefangene, die wegen Insubordination auf ihr Tribunal warteten doch eher ein seltener Anblick.


    "Salve, Miles Nero Germanicus Peticus. Ich bin hier um dir mitzuteilen, dass ein ordentliches Militärtribunal über deine Strafe wegen Insubordination gegenüber Tribun Aulus Iunius Avianus befinden wird. Es sei dir geraten, dein Gedächtnis zu ordnen, damit du den Richtern wahrheitsgemäß auf ihre Fragen antworten kannst.


    So. Das wär das.


    Jetzt mal offen: Ich war mit dir in der Ausbildung. Du kamst mir vor wie ein vernünftiger Kerl. Was beim Cerberus hat dich geritten da in dem Officum?"


    Maro hatte es zuerst nicht glauben wollen, als er die Geschichte zuerst von einem Kameraden in der Principia gehört hatte. Sowas passierte wahrlich nicht alle Tage.

    Also wenn jemand fit beim Übersetzen ist. Hier im 28. Abschnitt steht was zu Latinern, Freigelassenen und dem ganzen anderen Gesocks :http://www.thelatinlibrary.com/gaius1.html


    Instiutionen des Gaius. Warum sagen wir im IR nicht: Was in den Institutionen steht, gilt? Die Zeit stimmt ja auf +/- 40 Jahre.


    Zusätzlich zu den Gesetzen, die der ehrenwerte Senat und das Volk des IR sich gegeben hat, so...

    Während Trogus einen Schlüssel unter Lupe nahm, der möglicherweise zu der ominösen Schatulle passen mochte, die anscheinend keinem gehörte, antwortete Maro dem Optio auf betont amtliche Weise. Es wurde Zeit hier mal wieder etwas militärische Form reinzubringen, fand er.


    "Wir waren gerade dabei die vorgeschriebenen Kontrollmaßnahmen hinsichtlich des Inventars und der entsprechenden Unterlagen vorzunehmen, als die Herren die rückwärtige Tür aufbrachen und wir unsere Aufmerksamkeit dem entstandenen Chaos zuwandten, Optio. Eine sonstige Kontrolle der Papiere steht aus."