Beiträge von Matinia Marcella

    Ich bin nicht verschollen, ich war nur in der Sommerfrische auf meinem Landgut! Mit meinen Pudeln.<3 Diese Hitze in Rom hält ja kein Mensch aus. Und erst der Gestank *Näschen kraus*

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    Die Gesetzeshüter griffen durch, die unmittelbare Gefahr schien vorbei, und Marcella atmete auf. Gerettet! Unendlich erleichtert schloss sie ihr Hündchen in die Arme, als es hechelnd und schwanzwedelnd zu ihr zurückkehrte.
    "Du guuuuter Hund! Du braaaaver Hund! Du guuuter tapferer Hund!" gurrte Marcella, während sie den Pudel liebkoste und sich vergewisserte, dass der dicke Schurke ihren Augenstern nicht verletzt hatte. Die Sklavinnen wagten sich nun auch wieder hervor. Berenikes Entführung bekümmerte die Matinia nur mäßig, sie hatte Sklavinnen im Überfluss.

    Marcella straffte sich und trat, den Pudel noch immer auf dem Arm, auf den markanten Retter zu, der eben des dicken Schurken Wahnreden so eiskalt hatte abblitzen lassen. Eigentlich konnte Marcella die Prätorianer (und sie hielt den Mann für einen solchen) überhaupt nicht leiden, seit den Repressionen gegen ihren guten Onkel Aelius Quarto damals, doch dieser hier war eindeutig ein echter Held.
    "Ihr wackeren Soldaten," sprach Marcella ihn an. "Seid tausendmal bedankt! Oh, ihr kamt gerade im rechten Augenblick, diese bestialischen Unholde hätten uns zweifelsohne alle ermordet!"

    "Und weiter?" Ungeduldig wartete Marcella darauf, dass ihre Zofe endlich zum Punkt kam.
    "Weiter, Herrin?"
    Marcella seufzte. Personal, das mitdachte, war so schwer zu finden...
    "Trägt er einen Purpurstreifen?"
    "Ach so, Herrin. Nein. Nein, kein Purpurstreifen. Nicht mal ein schmaler."
    "Jammerschade." seufzte Marcella, und bestieg zusammen mit Musa die Prunksänfte. "Aber du, hihi, mein liebes vergeistigtes Schwesterchen, schaust doch sowieso nur auf die inneren Werte, nicht wahr? Hihihihi..."
    Von acht milchweißen Germanensklaven getragen, schaukelten die Schwestern gen Therme.

    Euphrosyne


    Eben hatte die kecke Zofe noch frohlockt, über ihre Wirkung auf den lockigen Diokles, da zeigte sich dessen Herr plötzlich gänzlich unamüsiert. Euphrosyne war verwirrt, als sie die Börse wieder in der Hand hielt. Domina Musa spielte das Tüchlein-Spiel anders als Domina Marcella. Was nun?
    Sie knickste vor dem harschen Herrn und lispelte mit niedergeschlagenen Augen:
    "Verzeihung, Herr Furius! Meine Herrschaft war nur so überglücklich, dass es nicht verloren ist. Die Domina hat es nämlich selbst bestickt."


    Wie ein scheues Reh huschte sie davon. Erst vor dem Circus, bei der Sänfte, holte sie die Schwestern ein und berichtete ihnen atemlos:
    "Der gewinkt hat war nur der Diener. Sooo süüüß, ganz schüchtern! Aber sein Herr, der das Tuch gefunden hat, der heißt Aulus Furius Saturninus und ist ein schöner stolzer Herr. Ich soll sagen: er begehrt keine Sesterzen. Und: die Freude einer Dame ist ihm Lohn genug. Und dann hat er noch gesagt: der Weg vor dir zu ihm, Domina Musa, ist genauso weit wie der von ihm zu dir, wenn du dich bedanken willst. Ja, genau so hat er es gesagt. Aber oh, wie zornig seine Augen blitzten, als ich ihm die Börse geben wollte!"



    ir-servus.png

    "Aber Musa!" Steinalt, wie schnöde. Ihr weltfremdes Schwesterchen hatte keinen Sinn für die Attraktivität der Macht. "Er ist der Kaiser." hauchte Marcella andächtig. Und um ein neues schlug sie ihren Pfauenfeder-Fächer vor den Mund, als Musa sie unverfroren neckte.
    "Nicht so laut. Hihihi, also wenn ich Augusta wäre, dann würde ich.... zuerst ein rauschendes Fest geben wie es die Welt noch nicht gesehen hat! Dann würde ich das Stadtbild verschönern. Zum Beispiel indem ich meinen Mann ein Gesetz erlassen lasse gegen all diese furchtbaren beigen und braunen Kleidungsstücke die die Leute so tragen..." Mit blasiert gekraustem Näschen wies Marcella in Richtung der oberen Ränge, wo die armen Leute saßen und urteilte:
    "Unerträglich trist ist das. Oh ja, und ich würde ihn die ganzen Bettler und Krüppel und abscheulichen Aussätzigen verbannen lassen." Sie schüttelte sich. "Dann würde ich wundervolle matinische Stadtgärten anlegen..."


    Marcella versank in schwelgerischen Träumen, bis es Zeit war, in die Therme aufzubrechen. Da! Da wedelte jemand mit dem Rosentüchlein. Nach einem guten Fang sah der Mann aber leider nicht aus... bis auf die seelenvollen dunklen Augen, die gefielen Marcella.
    "Hihihi, nichts da, willst du denn dein Tüchlein nicht zumindest zurück? Sei nicht immer so schüchtern Musa. Zudem, vielleicht ist er ein brotloser Künstler von großem Talent, oder ein kriegsgefangener Edelmann aus einem fernen Reich?"
    Ob der Mann ein Sklave war, wie Musa befürchtete, oder eben nur schrecklich trist gekleidet, das konnte Marcella so auf den ersten Blick leider nicht genau sagen. Die Matinia visierte den Tuchschwenker an, schenkte ihm ein hinreißendes erfreutes Lächeln von ihren erdbeerroten Lippen, sandte aus Schicklichkeitsgründen jedoch erst einmal nur ihre Zofe zu ihm.


    Euphrosyne, eine rosige junge Frau mit Pausbacken, bestens gekleidet für eine Sklavin, trat also auf Diocles zu und grüßte:
    "Guten Tag! Meine Herrschaft vermisst ein Tüchlein... Oh, ich sehe es ist das nämliche. Was für ein Glück, dass du es gefunden hast!"

    Der dicke Räuber raste mit erhobenem Knüppel auf Marcella zu.
    "AAAAAAHHHHHHHHHHH!!!" kreischte die Matinia, warf ihm die Weihrauchdose an den Kopf und floh hinter den Altar. Ohrenbetäubend krachte die Statue des Vespasianus zu Boden. Was für ein Frevel! Diesen Schurken war nichts heilig! Marcella fürchtete um ihr Leben und rief ihren Sklavinnen zu: "Rettet eure Herrin!"
    Doch die dummen Gänse taten nichts dergleichen, zwei klammerten sich schreckensbleich aneinander, Euphrosyne versteckte sich hinter einem Wandbehang, und die arme Berenice konnte mit dem Dolch am Hals schon gar nichts machen außer panisch mit den Augen zu rollen.
    Nur auf Flöckchen war Verlass: der Pudelhund kläffte schrill und zwickte den dicken Vandalen todesmutig in die Wade.
    Wie von den Göttern gesandt erschienen zwei tapfere Soldaten.
    "Zu Hilfe!!! Mörder! Frevler! Rasende! Zu Hiiiilfe!!!"

    Die Tüchlein waren entschwebt, und alsbald mit dem bunten Hintergrund der ungeheuren Menschenmenge im Circus Maximus verschmolzen. Marcella spähte ihnen hinterher, konnte aber nicht mehr ausmachen, wo sie niedergingen.
    "Jetzt liegt es in der Hand der Göttin." seufzte sie, und naschte ein kandiertes Stück Aprikose, während die Opferhandlungen ihren Lauf nahmen.

    Schwesterchen war schon wieder tief in Gedanken versunken.

    "Was grübelst du, Musa? Hihihi, wenn wir Pech haben landet deins bei einem Straßenkehrer und meins bei einem Roßknecht... Ach Musa, ist unser Kaiser nicht kolossal stattlich? Da, Mars ist auch zufrieden, gut für die tapferen Soldaten... Ich wünschte, die Augusta würde wieder mehr Empfänge geben, das gibt der ganzen Saison doch erst den rechten Glanz... Wollen wir nachher noch in die Therme? Du musst auch nicht mit Ballspielen, versprochen."

    Sim-Off:

    <detektiere: riss in der matrix><analysiere: alphaprogramm[domitilla] deaktiviert> <aktiviere:reparaturmodus> <suche: substitut> <aktiviere:betaprogramm[marcella]>


    In einer Neumondnacht | Nieder mit den falschen Götzen! + Ein Schrei in der Nacht ...

    Aus sicherer Quelle hatte Matinia Marcella erfahren, dass die Statue des vergöttlichten Flavius Vespasianus in gewissen Nächten, in denen sowohl die Sterne richtig standen als auch der Mond sein Antlitz in Schwärze verhüllte, um die Mitternachtsstunde prophetische Weissagungen von sich gab. Stets interessiert am Okkulten im Allgemeinen und im Besonderen an der handfesten Frage wann denn nun endlich mit dem Ableben ihres krösusreichen Erbgroßvaters zu rechnen war, hatte Marcella beschlossen, sich selbst zu überzeugen!
    Den Aedituus hatte ihre Zofe Euphrosyne bestochen, damit er die Tempeltüre nicht abschloß. Euphrosyne war es auch, die Marcellas Lieblingsschoßhündchen Flöckchen, auf dem Arm trug, während Marcella um Mitternacht vor der Statue die ersten Anrufungen tätigte. Zudem waren noch drei ihrer Dienstbotinnen dabei, unter ihnen die Sklavin Berenice, kürzlich erst erworben. Die Mädchen trugen die Opfergaben und führten am Strick das Opfertier, ein kleines kohlrabenschwarzes Zicklein.

    Mit schaurigen Erscheinungen hatte Marcella gerechnet, doch nicht damit, von verhüllten Gestalten überfallen zu werden. Starr vor Schreck entfiel ihr die Weihrauch/Bilsenkraut-Mischung, als sie sah wie Berenice zu fliehen versuchte, einer der Halunken sie packte und zu ermorden drohte!
    Das war zu viel. Marcellas Augen wurden kugelrund, ihre Hände gingen zum Mund, und zwischen gespreizten Finger drang ein Schrei aus ihrer Kehle, ein gellender, spitzer, hysterischer Schrei, der im Inneren des Tempels schier ohrenbetäubend wiederhallte.
    "AAAAAAAAAAAAAAAAAaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!!! Zu Hiiiiiilfe!!!"
    Flöckchen hingegen erinnerte sich ihrer wilderen Ahnen, das pummelige Pudelhündchen hüpfte von Euphrosynes Arm, fletschte die Zähnchen gegen die dunklen Gestalten, knurrte und kläffte sie aus Leibeskräften an.

    "Du mußt praktisch denken, Musa. Alles auf einmal kommt doch nie zusammen..."

    Marcella nickte weise, dann kicherte sie wieder amüsiert, bei Musas Schmollen.

    "Kommt drauf an wo es landet..."

    Sie spähte Musas Taschentuch hinterher, das flog und flog... hielt dabei ihr eigenes Tüchlein anmutig zwischen den spitzen Fingern und ließ es noch einen Moment lang im Wind flattern, bis der sich wieder in Richtung der senatorischen Ränge drehte. Dann erst ließ sie es fliegen... und sandte ein leises Stoßgebet gen Himmel. Wenn Mars geopfert wurde, war Venus bestimmt nicht weit.

    "Große Göttin Venus, schick meinem Schwesterlein die Liebe eines Seelenverwandten, und mir die einen heiratswilligen Senators! Dann wollen wir dir einen wunderwunderschönen Schrein stiften, dem es nie an frischen Blumen mangeln soll!"

    Wie zwei Schmetterlinge schwebten die Seidentüchlein, eines mit Rosen, eines mit Erdbeerblüten bestickt, über die Köpfe der Menge. Wo sie wohl landen würden?

    "Hihihi", kicherte Marcella, und auch ihre Ohrgehänge aus funkelnden Rubinen klimperten heiter.
    "Ständig, Schwesterchen, ständig! Es ist schon so lange her, man darf den Kopf nicht hängen lassen. Stell dir vor, in Baia kürzlich, da habe ich einen Dichter kennengelernt, der hat mir so süße Verse geschrieben, mindestens drei Tage lang war ich rasend in ihn verliebt. Aber ach, leider war er ein ganz armer Schlucker, völlig unbedeutend, was soll man da machen. Weißt du, ich war bei einer sehr guten Wahrsagerin, die hat mir prophezeit, dass ich bald den richtigen kennenlernen werde, und dass er eine bedeutende Persönlichkeit ist."
    Sie stupste Musa schelmisch in die Seite.
    "Und du, welcher hier würde dir gefallen? Wenn du dir einen aussuchen könntest?"
    Marcellas Rehaugen schweiften über die feschen Soldaten, dann zurück zu den senatorischen Reihen der Tribüne. Ein Windhauch ging durch die Ränge.
    "Oh, ich habe eine Idee. Komm, wir lassen unsere Taschentücher fliegen und gucken was passiert!"
    Kichernd zückte sie ein hauchfeines Seidentüchlein, auf dem das Familienemblem und Marcellas Initialen inmitten von Blumenranken kunstvoll eingestickt waren. Parfümiert war es mit einem Duft wie von reifen Erdbeeren.

    Das gute Riechsalz hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Kein Blut konnte Graecina sehen? Wie schrecklich, keine Arenaspiele genießen zu können!
    Marcella war bass erstaunt, als der Prätorianer sich als manierlicher Zeitgenosse zeigte, erleichtert zudem, und schaltete sofort aus der Defensive in den Modus der Dame von Welt.
    "Aber Decimus," zwitscherte Marcella, und lächelte zuckersüß mit leicht zur Seite geneigtem Köpfchen, "wer wird denn einen kleinen Scherz übelnehmen. Wir kennen doch alle die Tölpelhaftigkeit neuer Sklaven."
    Ein silberhelles Lachen flirrte von ihren roten Lippen und der Fächer flatterte anmutig. Nur ganz kurz wurde die barbarische Übeltäterin von einem vernichtenden, giftriefenden Blick getroffen, dann stand die charmante Fassade wieder 1A.
    Wenn du meine Sklavin wärst, ich würde dir die Haare scheren und mir eine Perücke daraus machen! Und das wäre erst der Anfang! Unverschämtes Ding. Ich hoffe, er peitscht dich tüchtig aus!


    Darauf verabschiedete sich Marcella von der Versammlung.
    "Nun denn, ich muss los. Valete, es war mir ein ganz besonderes Vergnügen euch alle kennenzulernen!"
    Graecina bekam ein Küsschen auf die Wange gehaucht.
    "Komm rasch wieder zu Kräften, meine Liebe! Wir müssen unbedingt bald einmal zusammen die Boutiquen unsicher machen!"


    Wie ein kleiner rotgoldener Pfau trippelte Marcella davon, gefolgt von ihrer Zofe mit Kissen und Schirm.
    Vor dem Theater wartete die Sänfte. Geschafft ließ Marcella sich auf die weichen Polster sinken und von den milchweißen Germanensklaven über die Köpfe der Menge nach Hause schaukeln. Was für ein aufregender Theaterbesuch. Marcella würde einiges zu erzählen haben, auf den kommenden Abendgesellschaften.

    Gerade hatte Marcella noch wohlig schaudernd das blutige Ende der Tragödie verfolgt. Sie schätzte es, wenn es auf der Bühne zur Sache ging, wenn die Musik wie eine riesige Meereswoge heranbrauste, wenn Tod und Verderben über die Protagonisten kam. Dann war ihr so recht behaglich zumute, wie wenn man im Warmen saß, während draußen ein Gewitter tobte. Blutleeres klassisches Theater war ihre Sache nicht.
    Das Stück war aus, und Marcella steckte gerade eine Haarnadel wieder fester, wollte sich dann empfehlen und auf dem Rückweg zur Sänfte machen, da stand plötzlich der ruchlose Prätorianer vor ihr und Graecina.
    "Huch!"
    Graecina wankte, und der Mann schnappte sie sich sofort, als ob er sie im nächsten Moment in den Carcer verschleppen wolle. Wie hatte ein Gott Graecina und Marcella in verschlingende Strudel des Unglück geworfen!
    "Euphrosyne, das Riechsalz!", gellte Marcellas Stimme durchs Theater und erschrocken doch energisch wandte sie sich an den Prätorianer:
    "Lass sie los! Es war allein mein Schirm! Meine Freundin hat damit nichts zu tun!"
    Zum Glück war Graecinas Verwandtschaft zur Stelle und beschützte sie ebenfalls.
    Die Zofe zückte das Riechsalz und Marcella hielt das kleine Silberdöschen unter Graecinas Nase. Ein durchdringender Geruch von ätherischen Ölen und einem scharfen Balsam breitete sich aus.

    Zitat

    Original von Iulia Graecina


    Mit bebenden Lippen nickte Marcella und hielt sich, dankbar für den Beistand, eine Weile an Graecinas Hand fest. Fast versagte ihr die Stimme. Natürlich kannte sie den Mann nur vom Sehen, und von Hörensagen. Aber auch wenn sie zu der Zeit nur ein unverständiges junges Ding gewesen war, so erinnerte sich noch gut daran, wie Großvater Agrippa und Großonkel Quarto schon früh und eindrücklich vor dem Aufstieg des Tyrannen Salinator und vor seinen willfährigen Handlangern gewarnt hatten. Beide waren sie schließlich aus der Stadt geflohen, um einer Verhaftung zu entgehen, und Marcellas Mutter, eine geborene Aelia, hatte in den darauffolgenden Wochen tausend Ängste ausgestanden, war bei jedem Klopfen an der Türe zusammengefahren, immer befürchtend, dass die grausamen Prätorianer als nächstes ihre Familie verschleppen würden.
    Hinter vorgehaltener Hand flüsterte Marcella aufgewühlt Graecina zu:
    "Damals unter dem Ungeheuer Salinator, in der Zeit der Proskripion, war dieser Mann einer der schlimmsten Schergen der Tyrannei!"
    Außerdem hatte sein Name eine Zeitlang auf den Listen der begehrtesten Junggesellen, die Marcellas Freundinnen führten, gestanden. Natürlich nur wenn man Fieslinge mochte!


    Nervös ergriff Marcella wiederum ihren Fächer und fächelte sich hastig frische Luft zu. Am liebsten hätte sie gleich die Flucht ergriffen, doch hier galt es Contenance zu wahren, schließlich war sie nicht irgendwer, sondern die stolze Enkelin eines unbeugsamen Censors. Nachdem das erste Erschrecken vorübergezogen war, kam ihr die Geschichte der vermeintlichen "Dame" aber doch etwas schräg vor. Hießen die jetzigen Praefecti der Schwarzröcke nicht anders?
    Sie vermeinte, einen bohrenden Blick im Nacken zu spüren, und blickte angestrengt geradeaus, auf die Bühne, wo der nichtswürdige Jason sich in seiner Nichtswürdigkeit soeben selbst übertraf. Dann gab es wieder ein schönes Chorlied. Leise summte Marcella die Melodie mit, unwillkürlich den Rhythmus mit den Fingerspitzen auf ihrem Bein tippend.

    Zitat

    Original von Iulia Graecina


    "So sind nun mal die Männer", flüsterte Marcella verschwörerisch zu Graecina zurück. "Kein Sinn für die schönen Künste. Mein Gatte selig hat im Theater auch immer sehr gelitten."
    Nach dem Hin und Her um das Schirmchen und dem Malheur mit dem Reif, hatte Marcella den Fächer auf die Knie sinken lassen, betastete besorgt ihre Frisur und steckte rasch eine Locke wieder fest. Graecina empfahl, auf den Sonnenschutz zu verzichten, und Marcella gab zu:
    "Vielleicht hast du recht."
    Die Beschwerden waren doch schon sehr lautstark. Aber bevor Marcella diesem vernünftigen Rat Folge leisten konnte, war schon die nächste Stufe der Eskalation erreicht, und zwar ...

    Zitat

    Original von Grian


    ... in Form einer Dame mit wirklich atemberaubender blonder Perücke. Wie gesponnenes Gold! Die Frage, wo dieses Schmuckstück wohl herstammte, erstarb auf Marcellas Lippen, als die vermeintliche Dame einen Wortschwall losließ, der zum einen deutlich macht, dass sie doch keine Dame war, zum anderen ausgesprochen bedrohlich klang.
    "Was erlaubst du dir, so mit mir zu sprechen...", japste die Matinia, dabei wandte sie sich, dem weisenden Finger folgend um, und erblickte den Prätorianer. Oh nein! Diesen martialischen Herrn mit der schillernden Vergangenheit hatte Marcella durchaus schon einmal gesehen, hoch zu Ross und schwarz geharnischt. Es war der berüchtigte Decimus Serapio, einstmals Salinators grausamer Henkersknecht. Unter dem Bleiweiß wurde Marcella kalkweiß, sie sog erschrocken die Luft ein, schlug die Hand vor den Mund und bedeutete der Zofe hektisch, den Schirm des Anstoßes verschwinden zu lassen. Die Zofe gehorchte.
    "Verzeihung", murmelte Marcella.
    Vor lauter Schreck hatte sie sich am Arm ihrer neuen Freundin festgeklammert.
    "Oh jemineh", hauchte sie schwach, "es ist der ruchlose Decimer. Hätte ich doch nur gleich auf dich gehört, liebe Graecina."

    Zitat

    Original von Iulia Graecina, Iulius Caesoninus und Iulia Phoebe


    Ein wahrer Schönling! Marcella kicherte hell auf bei dieser Beschreibung, wobei sie dies halb hinter dem Fächer verbarg.
    Ihre Sitznachbarin gab offen zu, den angesagten Künstler heute zum ersten Mal zu sehen. Da entstand hinter Marcellas heller, bleigeweißter Stirn ein Verdacht: die natürliche Art + das Verkennen der Federn + Polychares noch nie gesehen. Womöglich war ihre sympathische Sitznachbarin aus der Provinz, und ermangelte noch ein wenig des hauptstädtischen Schliffs?
    "Die Freude ist ganz meinerseits. Ich bin entzückt, eure Bekanntschaft zu machen.", floskelte Marcella, wobei ein reizendes Lächeln um ihre roten Lippen spielte. Nein, sie war nicht eingebildet, gar nicht, sie pflegte auch Verbindungen außerhalb der Nobilitas. Vorausgesetzt sie waren amüsant. Oder nützlich.
    Doch ihr Charme schien verschwendet, denn der stattliche Verwandte an Iulia Graecinas Seite schenkte ihr keineswegs die gebührende Aufmerksamkeit. Er war damit beschäftigt, auf das Stück zu schimpfen, wurde jedoch von der brünetten Iulia Phoebe sogleich zurechtgestutzt. Erneut ging der goldrote Fächer zum Mund, diesmal um ein undamenhaftes Grinsen zu verstecken.


    Unversehens war das Stück in vollem Gange. Marcella war gebannt von der brausenden Musik und litt mit Medea. Ihr Gatte war zwar kein Iason gewesen, nein, er hatte ihr zumeist aus der Hand gefressen, und niemals hätte er sich erdreistet, zu versuchen, Marcella "im Zimmer" zu halten. Da genoss die moderne Römerin eben doch ganz andere Freiheiten als die armen Griechinnen zu Euripides' Zeiten. Doch auch ihr Mann hatte die Unverschämtheit besessen, sie zu verlassen, sie ganz alleine zu lassen mit den Kindern. Wenn auch durch seinen Tod.
    "Nichtswürdiger Schuft. Ich hätte ihm die Augen ausgekratzt.", urteilte sie nun doch wieder mehr über Iason. Männer, bah, alle gleich!


    Zitat

    Original von Decimus Serapio


    Ein Zupfen an ihrer Hochfrisur unterbrach Marcellas gewichtige Gedankengänge. Das Zupfen wurde zum Ziepen, es schmerzte.
    "Oh! Aua!"
    Was war geschehen? Die Spitze einer Fischbeinstrebe des Sonnenschirmchen hatte sich in Marcellas Frisur verfangen, eine Haarnadel fiel, der Reif mit den Feueropalen rutschte auf Augenhöhe und mehrere dunkle Lockensträhnen fielen ungeordnet herab. Was für eine Katastrophe! Erschrocken fing Marcella den Reif auf, bevor er sich ganz verabschiedete und stauchte ihre Zofe zusammen.
    "Tölpelin! Sieh was du angerichtet hast! Was für ein Malheur! Halt den Schirm höher!"
    "Verzeih Herrin, verzeih, ich bin untröstlich! Ich bin ein dummer Trampel, verzeih, bitte lass es mich richten!", flehte die Zofe, und versuchte die Locken erneut zu bändigen. "Es ist nur Folgendes, Herrin: der Eques hinter uns kann nichts sehen."
    "Bah!"
    In den Rehaugen blitzte es zornig. Männer hatten hier und jetzt gar keine Vorschriften zu machen!
    "Hast du keine Ohren am Kopf? Halt den Schirm höher habe ich gesagt."
    Die arme Zofe, so zwischen Baum und Borke, wusste sich keinen Rat und wagte es nicht, ihre Herrin weiter zu erzürnen. Zage wandte sie sich zu dem Eques und seiner Gefährtin, und vollführte eine matte, kleine, entschuldigende Geste, daraufhin hob sie erneut den Schirm über das Haupt ihrer Herrin.

    Zitat

    Original von Iulia Graecina
    „Oh ja! Einfach schrecklich!“, entgegnete sie ihr aus reiner Höflichkeit. „Dein Fächer ist wunderschön! Sind das Pfaufedern, wenn ich fragen darf?“ In der Tat, das Utensil bestach tatsächlich durch seine außergewöhnlich prachtvolles Aussehen. Graecina liebte solche Sachen. Leider hatte sie ihren Fächer zu Hause vergessen. Ober was war schon ein Fächer gegen das Vergnügen, den großen Polychares sehen zu dürfen!


    "Zu liebenswürdig!", flötete Marcella, als ihre sympathische Sitznachbarin ganz offen den extravaganten Fächer bewunderte. Ihre ungekünstelte Art unterschied sich von der in Marcellas Freundinnenkreis, wo kaum ein Kompliment ohne verborgene Widerhaken ausgesandt wurde. "Was für ein hübscher Fächer! Er erinnert mich an den, den mir mein Gemahl vorletzte Saison verehrte. Wie gewagt, ihn zu dieser Stola zu tragen." So etwa.
    "Es sind Federn vom Chrysolophus-Hahn. Sie sind importiert. Ich habe ihn aus einer ganz reizenden kleinen Boutique am Augustusforum.", plauderte Marcella, und wendete den Fächer langsam, so dass ein Sonnenreflex darüber glitt und das satte Blutrot der kürzeren Sprösselfedern sowie das gebänderte Goldbraun der langen wippenden Schweiffedern zum Schimmern, ja fast zum Glühen brachte. Wie sie dieses Farbenspiel liebte!
    "Ich bin rasend gespannt auf das Stück. Polychares soll sich mal wieder selbst übertroffen haben! ...Wobei manche ihn ja auch für weit überschätzt halten. Wie siehst du das?", so erkundigte Marcella sich interessiert nach der Einschätzung ihrer Nachbarin. Der Pantomime war Stadtgespräch, sie und ihre Freundinnen konnten stundenlang von ihm schwärmen.
    Die Musikanten unten griffen schon zu ihren Instrumenten, jeden Moment schien es loszugehen. Doch Marcella fiel auf, dass sie sich noch gar nicht vorgestellt hatte. Das holte sie gleich selbstbewusst nach.
    "Wenn ich mich vorstellen darf: Matinia Marcella. Ich bin die Enkelin des Consulars und Censorius Matinius Agrippa. Mit wem habe ich das Vergnügen?"

    In Marcellas Lockenpracht blitzte hell ein Reif, der mit Feueropalen besetzt war, und golddurchwirkt schimmerte ihr rotes Byssusgewand, als die junge Matinia aus dem Vomitorium trippelte, sich dann gefolgt von ihrer Lieblingszofe zu ihrem Platz begab.
    Diese drapierte erst ein weiches Kissen, mit Genswappen bestickt, auf dem Stein, dann nahm Marcella etwas geziert Platz, grüßte freundlich die neben ihr sitzende dunkelblonde junge Dame:
    "Salve."
    Und fächelte sich anmutig Luft zu, hauchte dabei:
    "Oh diese Hitze."
    Ihr Fächer bestand, farblich passend, aus Federn vom Goldfasan. Die Zofe nahm hinter ihrer Herrin Platz und hielt fortwährend ein bunt bemaltes Sonnenschirmchen über deren Haupt. Marcella liebte das Sehen und Gesehen werden und freute sich ausserdem schon ganz besonders auf die Chorgesänge.

    PRIDIE KAL IUN DCCCXLIV A.U.C.
    schrieb Marcella in die Asche, legte den bleiernen Stab rasch aus der Hand und rieb diese unwillkürlich an ihrem Gewand ab.
    Die Sterndeuterin beugte sich vor, ein grünlicher Widerschein von den Feuerschalen spiegelte sich in den dunklen Brunnen ihrer Augen und ihre klauenartigen Hände umfassten Kristalle, Bronzereifen und Halbspären einer rätselhaften Gerätschaft. Die Knochenperlenschnüre schwangen mit trockenem Knacken, als sie den Mechanismus drehte, die Reifen umeinander schob, murmelnd die eingeätzten astrologischen Glyphen nachfuhr. Lichtstrahlen brachen sich in den Kristallen. Ein ätherisches Klingen lag in der Luft. Die große Semiramis nickte fachfrauisch...
    Nicht auszuhalten war die Spannung. Marcella hielt den Atem an.
    Da war mit einem Mal in den Augen der großen Semiramis nur noch das Weiße zu sehen, und sie weissagte mit einer Stimme, so hohl, mit einer Stimme, die nicht von dieser Welt war:


    "Mein Kind! Die Sonnenglut des Löwen verbindet sich mit Venus mildem Schein. Deine Glücksfarbe ist Rot. Frohlocke, denn ein Glühen harrt deiner, wie es nur wenigen der Sterblichen beschert ist. Viel näher, als du denkst und prächtig, ja prächtig flammt die Glut, doch erzittere bis ins Mark und hüte sie, hüte sie und hüte dich mein Kind, denn ein Funke genügt, um einen verheerenden Flächenbrand zu entfachen. Schwärende Wunden schlägt der Stachel der Bestie, darum lege ihr den Zaum an, zäume sie beizeiten, so wird sie dich in Windeseile in nie geahnte Höhen tragen! Wenn die Drossel am Dorn den letzten Flügelschlag getan haben wird, dann wirst du bereit sein, die Gunst der Stunde zu greifen, doch vor allem: der Schlüssel ist es im richtigen Moment nichts zu tun."



    Überwältigt, ganz schwach auf den Beinen, taumelte Marcella aus dem Zelt, gestützt auf den Arm ihrer Zofe. Das war echte Zauberei! Jede Sesterze wert. Sie hatte ihre Zukunft gesehen, ein goldenes, aber auch gefahrvolles Schicksal. Die schweren Eingangsdraperien fielen hinter ihr zu, verschlossen war der Mundus, vor ihr erstreckte sich wiederum die helle und alltägliche Welt Roms: verstopfte Straßen, viele Menschen, die über und über beschmierten Mauern des Circus maximus...
    Wie eine Traumwandlerin bestieg die junge Matinia ihre wartende Sänfte, schob das wedelnde Hündchen beiseite, fächelte sich Luft zu und ließ mit großen Augen die Weissagung Revue passieren. Ihre Zofe, die an Marcellas Seite schon unzähligen Sterndeuter- und Wahrsager-Sitzungen beigewohnt hatte, hatte natürlich auch dieses Mal in Kurzschrift alles notiert, und musste es auf dem Heimweg ihrer Herrin noch dutzendfach vorlesen...

    Wie ein Lauffeuer hatte es sich unter den astrologisch gesinnten Damen der Stadt verbreitet: die berühmte Sterndeuterin, die große Semiramis, gastierte in Rom. Nur für kurze Zeit! Eine echte Babylonierin sei sie, auf Du und Du mit den Geheimnissen des Kosmos, eingeweiht in die ewigen Mysterien der Schicksalsmächte. Und manche flüsterten auch, sie sei in Wirklichkeit ein uralter Sternengeist des Zweistromlandes, der nun im Körper einer Frau erneut durch die Welt wandele, um die Sterblichen ihr geheimes Wissen zu lehren.


    Die Gelegenheit konnte Marcella sich nicht entgehen lassen. In ihrer weißen Sänfte, die mit Blumen und allerlei goldenem Acanthuswerk verziert war, schaukelte sie über die Menschenmenge in Richtung Circus Maximus. Sie ruhte bequem in den weichen Kissen und streichelte ihren Lieblingspudel. Das schneeweiße Hündchen hechelte träge. Es war nach Löwenart geschoren und komplett überfüttert. Auch eine Zofe war dabei. Die Sänfte wurde von sechs kraftstrotzenden Nordmännern getragen, die alle in die Farben des matinischen Familienwappens gekleidet waren.
    So ging es komfortabel zu den Arkaden, wo sich vor dem großen Zelt der berühmten Wahrsagerin bereits eine lange Schlange gebildet hatte. Ein kupferhäutiger Mensch in exotischen Gewändern überwachte den Einlass.
    Natürlich hatte Marcella nicht vor, zu warten wie das einfache Volk. Sie schickte ihre Zofe mit einer monetären Aufmerksamkeit zu dem Wächter, der sie prompt an der Schlange der Wartenden vorbeiführte, und mit einer tiefen Verbeugung in das dämmrig dunkle Innere des Zeltes geleitete.


    Hui, wie war das aufregend! Schwaden süßlichen Rauches wanden sich träge, darauf zeichneten sich scharf die einzelnen von oben hereinfallenden Lichtstrahlen ab. In zwei Feuerschalen waberten grüne Flammen, tauchten den Umriss der Wahrsagerin in ein unheimliches leichenhaftes Licht. Ein hoher Kopfschmuck schimmerte, von diesem hingen Ketten von Knochen-Perlen und umrahmten das tief gefurchte Gesicht der großen Weisen. Stechende Augen, ein hypnotischer Blick. An eine Vogelkralle erinnerte die hagere Hand mit den schweren Armreifen, die sich Marcella entgegenstreckte.


    "Komm, mein Kind, komm nur." raunte die große Semiramis geheimnisvoll. "Du möchtest dein Geschick erfahren? Doch bedenke wohl, was einmal erschaut, wird nimmer vergessen. Die Sterne lügen nicht. Freud und Leid haben die Unsterblichen dir zugemessen, und für schwache Gemüter mag Unwissenheit ein Segen sein..."
    Eine kalter Schauer lief kribbelnd über Marcellas Rücken. Doch sie hob das Kinn und erklärte fest:
    "Ich will wissen was die Zukunft für mich bereit hält."
    "Ah, ein wacher Geist, unerschrocken und bereit wahrhaft zu sehen..."
    "Ausserdem" präzisierte Marcella. "...will ich wissen, wann mein Großvater seinen letzten Atemzug tun wird."
    Sie hatte den alten Familienpatriarchen ja sehr gerne, aber das Erbe, das sie beim Todes des Proconsulars erwartete, würde sie schlagartig zu einer der allerreichsten Frauen des Imperiums machen. Vorausgesetzt, dass Großvater auf seine alten Tage nicht irgendwelchen Erbschleichern auf den Leim ging.
    "So sei es."
    Mystische Worte murmelnd, bestimmt war das die Sprache der alten Babylonier, verstreute die Zauberin zwei Handvoll Asche auf dem vor ihr ausgebreiteten Tuch. Sie reichte Marcella einen Stab, der sich eiskalt anfühlte, und schwer war, wie Blei und gebot ihr:
    "Schreibe den Tag deiner Geburt in die Asche."