Beiträge von Othmar

    Othmar schwieg lange auf die Frage Alpinas. Er dachte an seine Heimat, das Bruktererland, sein Eltern, die mittlerweile tot waren, soviel wusste er von seinem älteren Brüdern, die immer noch das väterliche Gut beackerten. Manchmal empfand er Neid den beiden gegenüber, die einen festen Ort hatten, an dem sie wohnten und von dem sie leben konnten. Othmar hatte als jüngster Sohn dieses Glück nicht. Ganz im Gegenteil zog er durch die Lande, ohne echtes zu Hause, von Mansio zu Mansio, von Dorf zu Dorf zwischen den Provinzen hin und her und immer wieder zurück ins freie Germanien, wo er seine Ware herbekam. Vor allem jetzt, wo er langsam spürte, dass er älter wurde, sehnte er sich nach einem festen Heim, doch erstmal war daran nicht zu denken. Zwar hatte er genug auf der hohen Kante, denn ein Freund von ihm, der Besitzes einer Taberna in Mogontiacum, genauer im Vicus Novus, hortete eine große Geldkiste, in die er die übezähligen Gewinne seiner Handelsreisen einzahlte, wenn er nach Mogontiacum kam. Irgendwann würde er sich davon vielleicht ein Haus im Vicus Novus oder im benachbarten Vicus Victoriae zulegen. Aber das war im Moment noch ein Traum.


    Mein zu Hause ist die Straße.


    antwortete er irgendwann. Doch beantwortete das die Frage Alpinas nur ansatzweise.


    Ich komme urspünglich aus dem Stamm der Brukterer weiter im Norden. Dort allerdings habe ich kein Haus, und bin auch eigentlich kaum noch dort.


    Auch wenn er als Händler einigermaßen erfolgreich war, zog ihn nichts mehr in sein Geburtsdorf zurück. Selbst die Beerdigung seiner Eltern hatte ihn nicht dorthin gezogen. Ganz im Gegenteil hatte er seine Tour in der Provinz Belgica fortgesetzt.


    Zu Hrothgar kann ich nicht viel sagen. Er ist viel mit mir unterwegs, gehört aber, wie die Sklavenhändlern sagten, den Sugambrern an.


    Dann blickte er zu Alpina nach vorne. Diese junge Frau war ein Rätsel für ihn, denn er konnte sich nicht erklären, was sie in dieses gefährliche Gebiet trieb.


    Fühlst du dich irgendwo zu Hause?

    Zitat

    Original von Susina Alpina
    "Seid ihr schon einmal überfallen worden? Oder kommt es oft vor, dass ihr von Personen hört, die überfallen wurden?"


    Auch bei Othmar und seinem Begleiter setzte eine gewisse Erleichterung ein, als das Reh aus dem Dickicht sprang. Hrothgar ließ sich wieder etwas nach hinten fallen und Othmar atmete einmal tief durch. Nichtsdestotrotz blieben beide weiter konzentriert, wenigstens bis zum Kastell würde die Konzentration noch andauern müssen, doch war nach der Überschreitungg des Limes nochmal eine ganz andere Konzentration notwendig.


    Irgendwann ergriff auch Alpina wieder das Wort und fragte, ob sie schon mal überfallen worden seien.


    Schon oft. Glücklicherweise waren es bislang immer nur kleine Gruppen von Räubern, die sich mit guter Gegenwehr vertreiben lassen. Die germanischen Sippen der Umgebung sind uns glücklicherweise meistens gut gesinnt.


    Othmar dachte an das letzte Zusammentreffen mit einer kleinen Räuberbande, bei der er auch die eine oder andere Schnittwunde mitgenommen hatte. Normalerweise rechneten diese aber nur mit geringer Gegenwehr und diese fiel bei Othmar und seinen Begleitern normalerweise größer aus, als es so manche Räuberbande erwartete. Besonders mit Wolfhart, der leider ja noch hinter der Grenze bei einer Kräuterfrau war, hatten sie einen starken Kämpfer, und auch Othmar und Hrothgar waren geschickt im Zweikampf.

    Noch war der Frühling noch nicht so wirklich da, was deutlich an den Temperaturen zu spüren war. Als sie von der Mansio aus wieder weiter nach Norden aufbrachen, kam ihr Atem in Schwaden zum Vorschein und alle versuchten sich vor der Kälte zu schützen, indem sie sich tief in ihren Umhängen vergruben. Alpina hatte mittlerweile auch eine Aufgabe gefunden und kümmerte sich nun vor allem um die Tiere, half beim Anschirren und Einspannen und ging an deren Seite, während Hrothgar sich nun etwas an die linke Seite des Wagen zurückfallen ließ, und Othmar an die rechte Seite. Nun hatten sie ein gutes Tempo vorgelegt, wobei sich der Händler zwar unsicher war, ob die junge Frau das Tempo durchhalten würde, die nächste Pause war allerdings frühestens hinter dem Limes geplant.


    Irgendwann durchbrach Alpina das morgendliche Schweigen, dass der Händler immer sehr pflegte, und fragte warum sie so aufmerksam die Umgebung erkundeten.


    In der Limesumgebung sind immer besonders viele Räuber unterwegs. Sie glauben, dass sie hier nichts zu befürchten haben.


    Erstmal war das nächste Dorf weitgenug entfernt, dass hier keine ständigen Patrouillen unterwegs waren, und die Soldaten des nächsten Kastells direkt am Limes beschäftigen sich vor allem mit der Grenzsicherung. Da sie also keine Unterstützung von irgendwelchen Sicherheitskräften erwarten durften, waren sie hier besonders aufmerksam. Während Hrothgar vor allem die linke Seite und die Straße vor ihnen im Auge behielt, beobachtete Othmar die rechte Seite und die Straße hinter ihnen. Plötzlich hörte er von rechts ein Knacken im Unterholz. Hrothgar erhöhte sein Tempo und war nun in der Lage, die Esel entweder zum Stehen zu bringen oder zu höherem Tempo anzutreiben, während Othmar noch konzentrierter die rechte Seite im Auge behielt.

    Othmar wollte nur noch zurück ins Bett. Daher nickte er auf die Antwort Alpinas nur und kehrte zurück in seine Kammer. Von unten aus der Gaststube war, stark gedämpft, das Schimpfen des Wirtes zu hören. Doch störte er sich nicht weiter daran. Der Händler schlief danach schnell wieder ein. Hrothgar wartete noch etwas vor der Tür, bis endgültig alls Geräusche aus der Kammer verstummt waren. Danach ging auch er zurück in die Kammer, dachte aber noch einige Zeit darüber nach, was er da grade gesehen hatte. Offenbar wollte die total verängstigte junge Frau nicht weiter, obwoh er ihn angesehen hatte, dass sie irgendwas anderes hatte sagen wollen. Vielleicht wollte sie ja sich selbst oder ihren Begleitern etwas beweisen... Über diesen Gedanken schlief auch er ein. Morgen würden sie den Limes hinter sich lassen, der Tag würde also lang werden.

    Das Schreien und Fluchen des Mannes auf dem Boden war nun in ein leises Wimmern übergegangen. Othmar blickte zuerst zu ihm und dann zum Wirt. Der Wirt blickte verwirrt drein, denn er erkannte jetzt erst, dass es kein Gast war, wie er zuerst gedacht hatte, sondern sein Stallbursche.


    Verdammt, Liudger, was fällt dir ein, hier mitten in der Nächt herum zu trollen?! Deine Kammer ist unten verdammt!


    Die Verwirrung war nun in Wut übergegangen, doch musste Rodrik diese erstmal wieder unterdrücken, um sich entschuldigend an die Gäste zu richten.


    Er arbeitet erst seit ein paar Tagen hier und ich hätte nicht gedacht, dass er so einen Scheiß baut. Ich bitte euch, und besonders dich, junge Dame, vielmals um Entschuldigung. Sowas wird nicht wieder vorkommen. Ich erstatte euch morgen früh natürlich auch ein Viertel der Übernachtungskosten zurück.


    Othmar und seine Leute waren gute Stammgäste, die verlässlich hier einkehrten und wenn sie da waren, immer gut auf Speisen, Getränke und Dienstleistungen des Hauses zurückgriffen. Umso unangenehmer, dass sich jetzt so ein Problem ergab, nur weil mal eine junge Frau im Haus war, und ein Stallbursche seine Finger nicht bei sich behalten konnte. Danach versetzte Rodrik dem Mann einen leichten tritt, dieser entschuldigte sich weinerlich und wurde dann von Rodrik wieder nach unten gebracht.


    Der Händler blickte derweil zurück zu Alpina, die immer noch zitterte.


    Können wir irgendwas für dich tun?


    fragte er mit besorgter Stimme. Sie müssten wohl in den kommenden Tagen besonders darauf achten, dass die junge Frau eine Kammer mit Türriegel bekäme und im Zweifel darauf beharren.

    Mitten in der Nach gällte ein Schrei durch die Mansio, gefolgt von lautstarken germanischen Flüchen. Innerhalb weniger Minuten war ein großer Teil der Mansio auf den Beinen. Hrothgar war zuerst aus seinem Zimmer gestürmt, das er sich mit Othmar teilte. Etwas später folgte auch Othmar, der etwas länger brauchte, um aus seinem Schlaf wieder ins Wachen zu kommen. Hrothgar blickte sich um, auf der Treppe stand der Wirt mit einer tragbaren Öllampen, guckte reichlich wütend drein und eilte auf Hrothgar zu. Der Blick zur anderen Seite ließ ihn die Eile des Wirtes verstehen. Dort lag einer der Gäste, die vorhin auch im Wirtsraum gesessen hatten, vor Alpinas Tür und hielt sich die linke Hand. Aus einer Wunde tropfte Blut.


    Verdammte Axt! Was ist denn hier los?! In meinem Haus herrscht nachts Ruhe!


    ließ sich der Wirt vernehmen, als Othmar nun endlich auch auf dem Flur erschien. Hrothgar aber hatte schon geschaltet, trat vor Alpinas Tür, die er leicht nach innen geöffnet vorfand, und klopfte zweimal fest an. Nun verstand auch Othmar und trat dazu.


    Alles in Ordnung, Mädchen?


    Den Mann auf dem Boden würdigte er keines Blickes.

    Nach der kurzen Pause machten sie sich wieder auf den Weg in Richtung des nächsten Kastells. Othmar beobachtete vor allem die Begeisterung Alpinas für die beiden Esel, die heute ausnahmsweise mal einen guten Tag hatten. Er merkte sich das besonders für morgen, damit Hrothgar mal wieder von den Tieren befreit wurde. Allerdings merkten sie schnell, dass der jungen Frau einiges an Konstitution fehlte. Der Händler und sein Begleiter waren an die langen Tagesmärsche gewöhnt und konnten bei Bedarf auch das Tempo anziehen, wenn sie zum Beispiel merkten, dass sich bereits die Dämmerung näherte. Mit der jungen Frau war das aber nicht mehr ohne weiteres möglich. Vor allem später, wenn sie den Limes hinter sich gelassen hätten, müsste das von Othmar in die Tagesplanungen einbezogen werden.


    Kurz vor dem Einbruch der Dämmerung und damit recht pünktlich erreichten sie schließlich die nächste Mansio. Nachdem der Wagen abgestellte und die Esel ihre Plätze im Stall gefunden hatten, betraten die die Schankstube. Wie immer war hier gute Stimmung und der Wirt begrüßte Othmar persönlich.


    Heilsa, Othmar!


    rief er laut und musterte die beiden Begleiter. Hrothgar nickte er freundlich, doch dann blieb sein Blick an Alpina hängen.


    Hast du dir jetzt etwa doch ein kleines Sklavenmädchen für die kalten nächte zugelegt? Nicht, dass dich meine Mädchen als guten Kunden verlieren.


    Er lachte anzüglich und musterte Alpina von oben bis unten. Man hätte fast meinen können, er zöge sie schon mit den Augen aus. Othmar wiederum begrüßte ihn zwar freundlich reagierte dann aber ungehalten.


    Halts Maul, Rodrik! Wir nehmen zwei Kammern, eine mit einem und eine mit zwei Betten. Und du kannst uns sofort was Gutes zu Essen und Trinken bringen.


    Dann setzten sie sich einen freien Tisch. Der Wirt jedoch ließ erstmal nicht ab, und als er das Essen brachte, schob er noch mit drönender nach.


    Deine kleine Nymphe kriegt sogar ein eigenes Bett! Das wird sie doch aber bestimmt nicht brauchen.


    Wieder lachte er laut über seinen eigenen Witz und auch wenn andere Männer einstimmten, war das Lachen des Wirtes mit Abstand das lauteste. Othmar hingegen schüttelte nur den Kopf.


    Mehr Betten, mehr Geld.


    antwortete er trocken, schob dann aber das Lächeln eines zufriedenen Händlers hinterher, zwinkerte dem Wirt und machte eine wegwerfende Geste. Hrothgar lächelte Alpina derweil aufmunternd zu. So waren sie halt: Sahen kaum mal eine Frau, und wenn, benahmen sie sich sofort wie die Tiere.

    Bevor sie losgingen, bemerkte Othmar, dass die junge Frau Interesse an den Tieren zeigte. Dem Händler waren sie nur insofern wichtig, als dass sie den verdammten Karren zogen. Das taten sie manchmal mehr schlecht als recht, was aber auch an dem ruppigen Verhalten liegen konnte, dass Hrothgar den beiden gegenüber zeigte. Hrothgar wiederum mochte Tiere eigentlich gar nicht, aber er wechselte sich normalerweise mit Othmar beim Führen der Tiere ab, da beide Aufgaben, als Tierführer und Begleiter, verschiedene Anforderungen hatten: Während der Tierführer vor allem ein Auge auf die Tiere und die Straße vor ihnen haben musste, war der Begleiter dafür zuständig, die Umgebung an den Seiten und nach hinten nach möglichen Gefahren, wie Dieben, Wegelagerern oder anderem Gesindel zu überprüfen.


    Du kannst sie Primus und Secundus nennen wenn du möchtest.


    antwortete Othmar kurz angebunden.


    Oder nenn sie wie du willst, sie hören meistens eh nicht.


    schob er dann noch nach, bevor wieder ein längeres Schweigen auf dem Weg einsetzte. Glücklicherweise hatten sie mit dieser jungen Frau keine Quasseltante mitgenommen, die den ganzen Weg lang vor sich hin quakte. Denn irgendwann würden ihm ansonsten die Ohren klingeln, da er das Gequake längst nicht mehr gewohnt war.


    Irgendwann gegen Mittag brauchten die Tiere dann eine Pause und sie ließen sie an einem Bachlauf trinken. Währenddessen bereitete Alpina ein kleines Mittagsessen vor. Auch das waren sie nicht gewohnt, doch genossen es beide sichtlich. Normalerweise tranken sie nur etwas und warten, bis die Tiere weiterziehen konnten. Auch hier versuchte Alpina wieder ein Gespräch zu beginnen. Jetzt war Othmar aber deutlich besser drauf, die Müdigkeit war vom langen Laufen verscheucht und seine Stimmung durch das Essen deutlich besser.


    Wir haben beide keine Familien. Und wunder dich nicht, wenn Hrothgar nicht antwortet. Er kann nämlich nicht mehr sprechen. Er kam als Sklave zu mir und war in erbärmlichem Zustand. Ich habe ihn natürlich sofort freigelassen, doch die zahlreichen Verletzungen ließen sich nicht wieder gut machen. Zum Beispiel hat ihm sein letzter Herr, ein übles Schwein, die Zunge rausgeschnitten.


    Othmar erzählte die Geschichte mit ernstem Gesicht und Hrothgar blickte vor sich auf einen Grashalm.

    Als Othmar und Hrothgar gemeinsam die Wirtsstube betraten, war noch nicht viel dort los. Lediglich der Wirt Brangus und die junge Frau, die sie ins freie Germanien begleiten würde, saßen bereits dort. Alpina wollte offenbar sofort los, denn fast schon übermotiviert meldete sie sich anwesend und schulterte ihre Rücktrage.


    Hm...


    grunzte der Händler nur auf diese Information. Der Morgen war definitiv nicht seine Zeit. Außerdem wurde er nicht jünger und das frühe Aufstehen machte ihm von Jahr zu Jahr mehr zu schaffen. Die beiden Germanen füllten nun, erstmal ohne die junge Frau eines weiteren Wortes zu würdigen, ihre Trinkschläuche auf. Der Tag würde lang werden, denn bis zum nächsten Limeskastell wollten sie es auf jeden Fall schaffen. Mit einem freundlichen Nicken verabschiedeten sich die beiden dann, Othmar gab Alpina mit einem mehr oder weniger freundlichen und deutlich belegten


    Komm...


    zu verstehen, dass es nun losginge und verließen dann die Mansio. Ihr Eselskarren stand vor dem Gebäude. Er war fast leer, nur noch zwei Pelze lagen darauf, die die Geldbeutel verdeckten, die darunter lagen. Hrothgar machte sich daran, den Wagen vorzubereiten, und trieb die Esel an, den Weg nach Norden zu beginnen. Generell wurde morgens bei den Germanen nur wenig gesprochen.

    Morgen zur ersten Stunde.


    antwortete Othmar nur auf die Antworten Alpinas zu ihren Kräuterkenntnissen und zur Bereitschaft zum morgigen Aufbruch. Aus seiner Sicht hatte er ein gutes Geschäft gemacht und konnte der jungen Frau auch helfen, zumindest etwas sicherer durch das freie Germanien zu reisen. In der Hoffnung, dass ihm das der große Wanderer und seine Frau Frigg danken würden. Denn immerhin tat er hier auch eine gute Tag (die er sich freilich auch gut bezahlen ließ, aber dennoch: er hätte ja auch mehr verlangen können).


    Gut, gut, Mädchen.


    sagte er dann, als keine weiteren Fragen der jungen Frau mehr folgten, erhob sich von seinem Platz und blickte ihr nochmal ernst ins Gesicht. Er hatte zwar immer noch keine Ahnung, was diese junge Frau in ein Konfliktgebiet führte, doch ihr fester Wille gemeinsam mit der Schicksalsrune an der Halskette, machten klar, dass es irgendwas heftiges gewesen sein muss. Wer weiß, dachte der Händler, vielleicht würde die Sprache noch darauf kommen, schließlich konnte die Reise durchaus mehrere Monate dauern.


    Bis morgen.


    Mit diesen Worten kehrte er zurück zum Tresen, wo bereits ein gut gefüllter Teller mit Brot und Gemüse auf ihn wartete. Er musste die gute Küche hier bei den Römern noch genießen, solange er konnte. In Germanien würde er kaum so gut essen können.

    Immer noch blickte Othmar der jungen Frau fest in die Augen. Irgendwas musste ihr widerfahren sein, dass sie nun zu dieser Reise antrat, die sie unter Umständen direkt zu Hel bringen könnte... Das war aber nicht Othmars Problem, sie machte ihm ein gutes finanzielles Angebot, und wer war er, dass er das ablehnen würde. Daher schaute er zu Hrothgar, der nur nickte und reicht Alpina dann die Hand.


    Abgemacht.


    Dann lehnte er sich wieder zurück in seinen Stuhl und dachte an die Rune, die sie an einer Kette trug.


    Hebamme, also, hä... Kennst du dich auch mit Kräutern aus?


    Wenn er jemanden dabei hatte, könnte er Wolfhart auch direkt wieder von dieser Kräuterfrau mitnehmen, anstatt ihn weiter dort zurückzulassen. Das wäre ihm deutlich lieber und sicherer, wenn der Hüne wieder mit ihnen reisen würde.


    Wir auch immer: Wir brechen morgen in aller Frühe auf, damit wir bald den Limes erreichen.


    stellte er dann noch den morgigen Aufbruch da. Wenn Alpina jetzt noch Fragen hatte, sollte sie sie jetzt stellen, denn aber morgen gäbe es dann keine Möglichkeit mehr, über irgendwelche Planungen zu sprechen.

    Nach seiner Warnung hatte er sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und wartete ab, was die junge Frau antworten würde. Ihrem festen Blick wiederum hielt er hielt der seine problemlos stand. Wie oft hatte er schon solche Blickduelle geführt und wie oft hatte er sie gewonnen. Grade als Händler sorgten sie regelmäßig dafür, dass er die Verhandlungen gewann. Als das Mädchen dann jedoch einen Runenanhänger mit dem Naudhiz aus ihrer Tunika zog, richtete sich der Händler auf, sein Blick wurde ernst und er winkte seinen Begleiter heran.


    Du hast Glück. Mein Weg führt mich ohnehin zum Visurgis, genauer in die Siedlung Chassella. Das hier ist Hrothgar und mein Name ist Othmar. Du kannst uns soweit begleiten, wie es für dich notwendig ist. Unterkunft und Verpflegung wirst du jeweils selbst bezahlen in den meisten Siedlungen auf dem Weg gibt es - sagen wir annehmbare - Unterkünfte, deren Besitzer uns kennen. Für unsere Begleitung wird zudem ein weiterer kleiner Betrag fällig werden.


    Erneut blickte er auf den Anhänger, schluckte und lehrte dann seinen Becher.


    Wie viel ist für dich machbar?

    Als die junge Frau ihr Ziel nannte, pfiff Othmar durch die Zähne. Genau dahin, wo sich die Marser und Chatten teilweise blutige Konflikte lieferten Offenbar wollte sie die Unterwelt schneller kennenlernen, als es für sich vorgesehen war. Erneut trank er einen Schluck aus seinem Becher. Bevor er dann, deutlich vorsichtiger ansetzt.


    Du weißt aber schon, was da oben los ist? Da werden ganze Dörfer niedergebrannt und deren Einwohner getötet.


    Othmar dachte einen Augenblick nach und schüttelte dann zweifelnd den Kopf.


    Kein guter Ort für ein Mädchen wie dich. Du hast doch bestimmt irgendwo ein warmes Heim, wo es deutlich angenehmer und sicherer ist. Da oben jedoch warten nur Gefahren auf dich.


    Verrücktes junges Ding... Was sie auch immer da oben vor hatte, Friede, Freude und süßen Puls würde sie dort nicht vorfinden. Allerdings interessierte ihn schon, wie ernst es der jungen Frau war, schließlich verpflichtete er sich auch dafür, für ihre Sicherheit zu sorgen, und einfach so umzukehren und alleine zurückzureisen wäre mindestens ebenso gefährlich, wie der gemeinsame Weg zur Visurgisgabelung.

    Othmar blickte zu der jungen Frau hinüber, die ihm von Brangus gezeigt wurde. Er mustere sie von oben bis unten, sie sah ein bisschen verschüchtert aus und musste wohl schon ein bisschen unterwegs. Sie wollte tatsächlich ins freie Germanien? Allein?! Schneid hatte sie, soviel stand für ihn fest. Außerdem bot sie einen hübschen Anblick. Othmar zuckte die Schultern, bestellte für sich und die junge Frau jeweils einen Becher verdünnten Wein und ging dann sofort hinüber zum Tisch der jungen Frau.


    Heilsa, Mädchen. Darf ich mich setzen.


    fragte er, wartete allerdings nicht auf eine Antwort, sondern setzte sich sofort auf einen freien Stuhl der jungen Frau gegenüber. Danach brachte der Wirt die beiden Becher mit Wein und kehrte zurück zum Tresen, wo Hrothgar die Situation mit gerunzelter Stirn verfolgte.


    Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du nach Germania Libera reisen willst. Ich kenne den Wege dort sehr gut. Wo treibt es dich denn genau hin?


    fragte er ein weiteres Mal, trank nun aber einen Schluck Wein und schob den anderen der jungen Frau hin. Vielleicht würde sie sich tatsächlich als Goldgrube erweisen und ansonsten würde ihr Anblick schon Lohn genug sein. Ein tatsächliches Interesse hatte er an ihr aber nicht. Warum auch? Wenn es mal wieder Zeit war, konnte er sich immer noch eine nehmen, die es für Geld machte. Die würde sich dann auch sicher nicht wehren...

    Scheiß die Wand an!


    sagte Othmar, als er den Schankraum betrat. Ihm folgte sein Angestellter Hrothgar, der ebenso wie der Pelzhändler wenig begeistert aussah. Sie setzten sich an den Tresen und Othmar bestellte zwei Humpen Bier.


    Macht au' nix, wenns schnell geht!


    machte er seiner schlechten Laune ein weiteres Mal Luft, während Hrothgar schweigend neben ihm saß und erwartungsvoll wartete, bis der Wirt ihnen die Bierhumpen an den Tresen stellte. Dann tranken beide jeweils einen großen Schluck und stellten den Humpen auf den Tresen. Es wurde schnell deutlich, dass sie hier Stammgäste waren, da sie sich wie selbstverständlich verhielten.


    Kannste dir das vorstellen, Brangus... Da hat man einen Bärenpelz, beste Qualität aus dem Marserland, top gepflegt, hält super warm, kurz: Spitzenware. Und dann kommt so ein kniepiger Trottel, der gerne ein Schnäppchen machen will. Was macht der Trottel also, er sagt uns, dass er den Pelz haben will. Zieht seinen Scheißgeldbeutel aus seiner frischgebleichten Scheißtunika und legt dir einen Scheiß-Aureus auf den Tisch. Hrothgar hier starrt ihn verwirrt an, ich schüttle den Kopf und klopfe mit dem Finger auf den Tischrand. JEDER VERNÜNFTIGE KUNDE weiß, was das bedeutet. Nur der nicht... Er blickt auf seinen Scheißaureus, und dann mit seinen fiesen Scheißaugen zu mir hoch - er weiß also, dass ich so ein Geschäft gar nicht machen DARF! Was passiert? NICHTS, Brangus. Gar nichts... Natürlich habe ich ihm den Pelz nicht gegeben und dann tauchen rechts und links von ihm zwei Scheiß-Schläger auf. Verstehst du Brangus?! Ich mache ihm ein Gegenangebot: 2 Aurei zum Freundschaftspreis - und das war ein Riesending, Brangus, ein Rie-sen-ding. Da hätte sich deine Tochter zweimal drin einwickeln können. Zwei mal! Ungelogen! Ich hab ihm den schönsten Pelz, den ich seit einem halben Jahr verkauft habe, für einen läppischen Preis abgeben müssen. Was sagen die Römer immer? O tempora, oh mores! Wie soll sich da ein kleiner Händler wie ich durchschlagen?


    Erneut trank Othmar einen großen Schluck aus seinem Humpen und schüttelte wieder den Kopf. Ihm war heute die beste Möglichkeit seit Monaten durch die Finger gegangen, nur weil sein zweiter Angestellter Wolfhart krank bei einer Kräuterfrau im freien Germanien lag. Er hoffte inständig, dass er wieder gesund sein würde, wenn er in dem Dorf ankäme.