Beiträge von Othmar

    Der Weg nach Amisia war ereignislos verstrichen. Kaum jemand war unterwegs und besonders die sonst so zahlreichen Händlergruppen waren deutlich zurückgegangen. In Amisia angekommen war die Begrüßung auch entsprechend frostig. Othmar war schon lange nicht mehr dort gewesen und es dauerte lange, bis er sich mit dem Wachposten am Tor, das heute gleich von fünf Männern bewacht wurde, darauf einigte, das Dorf betreten zu dürfen. Jener Dorfälteste, den Othmar noch kannte, war vor etwa einem Jahr verstorben und sein Nachfolger setzte alles daran, dass seine Siedlung zumindest kein leichtes Opfer abgab. Misstrauisch nahm er daher die Händlergruppe in Empfang, musterte sie und ihre Ware höchst konzentriert und achtete bei jedem Wort darauf, ob er chattische Schattierungen in ihrer Sprache und Ausdrucksweise erkennen konnte. So schwer war es Othmar schon lange nicht mehr gefallen, eine sichere Unterkunft zu finden, wie hier in Amisia. Letztlich wurde ihm und seinen Begleitern ein Zimmer bei einem örtlichen Händler angeboten, der sich bereit erklärt hatte, die drei aufzunehmen. Othmar stimmte ohne Umschweife zu und machte auch keine weiteren Anstalten, irgendwelche weitergehenden Abmachungen auszuhandeln. Einzige Bitte war die Auffüllung seines Nahrungsvorrats, dem der Dorfälteste, wenn auch nur widerwillig, nachkam.


    In der Nacht ging es Othmar durch den Kopf, dass die Zeiten hier offensichtlich rauher wurden. Fremde wurden noch intensiver überprüft, als ohnehin schon und selbst die einfachsten Geschäfte waren erfüllt vom gegenseitigen Misstrauen. Nach einer einigermaßen ruhigen Nacht machten sie die Händler wieder auf den Weg. Sie schlugen einen Weg Richtung Südwesten ein, der sie hoffentlich schnell nach Mattiacum bringen konnte. Bis dahin allerdins gab es keine größere Siedlung mehr auf ihren Weg, sodass sie in den nächsten Tagen komplett auf sich alleine gestellt sein würden. Die Etappen konnten nicht mehr so lang sein, da sie sich gleichzeitig nach Essbarem umsehen mussten und gleichzeitig wären die Nächte wenn überhaupt nur kurz.

    Dem Norden blieb der Überfall auf Novaesium nicht verborgen. Zwar waren die Informationen spärlich und in der Breite oft nicht vertrauenswürdig. Doch war klar, dass eine größe militärische Gruppe, wahrscheinlich bestehend aus Chatten, durch die Umgebung zog und dabei mit aller Härte vorging. Othmar, der sich mit seinen beiden Begleitern noch immer in Chassella befand, hielt die meisten Erzählungen zwar für übertrieben, doch wollte er sich und seine Begleiter keiner vermeidbaren Gefahr aussetzen. Daher entschied er sich bei seinem Rückweg nicht in Novaesium sondern in Amisia, etwa dreißig Meilen weiter westlich, halt zu machen. Novaesium wollte er soweit wie möglich umgehen. Zudem wollte er sich weitgehend vom Gebiet der Chatten entfernen und womöglich den Weg bei den Sugambern weiter fortsetzen. Dadurch allerdings käme eine längere Reise ohne längere Zwischenstopps auf sie zu, bis sie schließlich in Mattiacum ankämen. Er hoffte, dass die chattischen Krieger dort noch nicht eingefallen waren.


    Dieser Gedankengang machte ihm zudem umso mehr Sorgen, als dass er hoffte, dass Hildrun nichts geschehen war. Und zu allem Überfluss musste er sich übelegen, wie er die Zeit nach seinen Handelsreise ins Imperium verbringen würde. Denn ein Teil der Berichte aus dem Süden behandelten auch das Verbot zum Handel mit den Römern. Othmar und seine Begleiter aber lebte davon und sah sich vor der Entscheidung, wie er sein weiteres Leben verbringen wollte. Diese verdammte Intoleranz! Grade hatte man sich in den Grenzregionen um ein einigermaßen friedliches Miteinander gewöhnt, schon kam wieder irgendein Möchtergernfeldherr, der das "besetzte" Germanien befreien und natürlich dabei auch gleich unter seine eigene Kontrolle stellen wollte. Nur aus Macht- und Ressourcengier, denn von Verteidigung oder gar Befreiung konnte schon deswegen keine Rede sein, weil es schon lange keine Invasionsversuche der Römer mehr gegeben hatte und die Besetzung vom einen auf einen anderen - wenn auch germanischen - Despoten überging.


    Othmar ärgerte sich, schluckte es aber hinunter. Es brachte nichts und er wollte nur einigermaßen sicher sein. Auch wenn das hieß, dass er sich im schlimmsten Falle sogar in Mogontiacum oder der Umgebung niederlassen müsste. So machten sie die drei Germanen letztlich von Chassella aus auf den Weg. Ihr Eselswagen war gut mit Pelzen für den Verkauf im Westen gefüllt und er könnte womöglich ein letztes großes Geschäft machen. Zwar würde ihm das noch kein kleineres Landgut finanzieren, aber es war genug, um sie alle drei für die erste Zeit über Wasser zu halten.

    Nach dem kleinen Frühstück traten sie nun gemeinsam ihren vorerst letzten gemeinsamen Weg an. Nur die Götter wussten, ob sie sich wieder sehen würden. Der Abschied fiel derweil nicht allzu groß aus. Die junge Frau verabschiedete sich von jedem einzelne, wobei Othmar noch die meisten Worte abbekam. Er nickte bedächtig und schüttelte ihre Hand.


    Ich wünsche dir alles Gute, Alpina, und wenn die Götter wollen, dass wir uns wieder sehen, werden sie das schon einrichten.


    sagte er mit einem freundlichen Lächeln. Wolfhart erwiderte den Händdruck Alpinas nicht zu fest - denn sonst hätte er ihr wahrscheinlich die Hand gebrochen - und Hrothgar freute sich, dass sie so lange bei ihm innehielt. Nie hatte er ihr sagen können, dass er Verständnis für sie hatte, doch glaubte er in ihrem Blick zu erkennen, dass sie es trotzdem wusste. Als die junge Frau dann ihren Weg gen Osten einschlug folgten Othmar und seine Begleiter der Straße weiter nach Norden, um ihre Geschäfte wieder aufzunehmen.

    Die Begleiter wirkten nicht eben glücklich mit dieser Entscheidung. Sicherlich würde sie in der Stadt jemanden finden, der - oder die - ebenfalls zu diesem Berg reisen würde. Doch hatte die junge Frau ja nun mehrfach bewiesen, dass sie umsetzte, was sie sich vorgenommen hatte. Zudem war es ja ab dem morgigen Tag nicht mehr das Problem des Pelzhändlers, wie es mit ihr weiterginge. Zwar war die junge Frau eine vertrauenswürdige, freundlich und engagierte Reisebegleiterin, doch hatte sie insbesondere mit dieser Geistergeschichte immer Gefahr für die Gruppe bedeutet. Also gut...


    Der Abend war auch weiterhin feucht-fröhlich und Stimmung wurde immer besser. Als sie jedoch auch das üppig-deftige Fleischspeise und den Nachtisch mit reichlich Honig aufgegessen hatten, trieb es sie nur noch in die Betten. Etwas schwankend stiegen sie die Treppen in den ersten Stock hinauf, traten in den Raum, verteilten schnell die vier Betten, schoben den Riegel vor und legten sich schlafen.

    Die Männer verbrachten ihren freien Nachmittag alls woanders. Während Hrothgar über den Markt streifte, ging Wolfhart zur Stadtmauer, um sich mit den Wächtern zu unterhalten und Othmar ging schnurstracks zu dem kleinen Hafen der Stadt, der vor allem Fischerbooten als Anlegestelle diente. Aber auch einzelne kleinere Handelsschiffe fanden sich dort. Othmar wollte sich bei jenen Händlern, die aus dem Norden kamen, erkundigen, wie die Lage dort war. Davon wollte er es abhängig machen, wie weit sie nach Chasella noch nach Norden reisen würde.


    Am Abend trafen sie sich dann zum gemeinsamen Abendessen. Die Wirtsstube war noch voller, als bei ihrer Ankunft, doch fanden sie noch einen Tisch, der sofort von Hrothgar in Beschlag genommen wurde. Berengar servierte derweil das Essen und die Getränke. Zwei Kannen warmen Met und zwei weitere Kannen mit Wasser. Als Vorspeise gab es frisch gebackenes Brot mit einem Quark-Kräuterdip. Der Alkohol löste die Zungen der Germanen, sodass sie nun immer immer mehr ins Gespräch kamen, sowohl untereinander, als auch mit den anderen Gästen.


    So, Mädchen, wie soll es jetzt für dich weitergehen?


    Er prostete Alpina zu und trank einen Schluck des warmen Met.

    Vor dem Gasthaus suchte Hrothgar einen freien Platz im Stall für die Esel und den Wagen, während die übrigen bereits ins Haus traten. Dieses war gut gefüllt, auch schon um diese Uhrzeit und Hauptgesprächsthema war der Sturm vor einigen Tagen, der offensichtlich allen Siedlungen in der Umgebung zu schaffen gemacht hatte und auch hier noch als extrem wargenommen wurde. Othmar und Wolfhart suchten einen freien Tisch für vier Personen und als sie einen solchen gefunden hatten, trat Othmar zum Wirt. Dieser erkannte den Händler sofort und grüßte ihn freundlich.


    Othmar! Du bist also wieder hier. Was machen die Geschäfte?


    Der Händler nickte freundlich zurück, erzählte ein bisschen von seinen jüngsten Erfolgen und Misserfolgen bis hierher und fragte dann nach einem Zimmermit vier Betten. sie hatten Glück, eines der beiden großen Zimmer war grade frei geworden, sodass sie dieses haben konnten. Othmar lie sich für eine Nacht dort eintragen und bestellte für den Abend ein größeren Abendessen. Nach den Strapazen der letzten Tage wollte er seinen Begleitern etwas gutes tun und sie für die Diszplin belohnen. Auch Alpina sollte mal wieder etwas besseres essen, bevor sie weiter reisten. Zwar war das Essen in den bei den Dorfoberhäuptern immer gut gewesen, doch auch mit Verzicht verbunden, da sie mit dem Besuch ja nicht gerechnet hatten.


    Für den Mittag bestellte er aber erstmal zwei Kannen Wasser und vier Humpen Bier, die vom Wirt zum Tisch gebracht wurden. Nun setzten sich auch Othmar und Hrothgar dazu und tranken erstmal einen großen Schluck des frischen Bieres.


    So, Leute. Heute Abend gibt es noch ein gemeinsames Abendessen. Bis dahin habt ihr aber frei.


    gab der Händler von sich, lehnte sich in seinen Stuhl zurück und seufzte einmal laut auf.

    Othmar trat als Anführer der Reisegruppe nach vorne neben die beiden Esel und ging als erster auf die drei Wachen zu. Er musterte kurz die Gesichter und sah, dass er keinen der Wächter kannte. Als sie das Tor erreichten, brachte Hrothgar die Esel zum Stehen und einer der Wächter, ein mittelalter, großer Mann kam auf sie zu, den Speer fest in der Hand, während die anderen beiden den Weg in die Siedlung versperrten.


    Heilsa! Wer seid ihr und was wollt ihr hier?


    Die Stimme des Mannes klang rauh und misstrauisch. Von einem Torwächter wartete sich Othmar aber auch nichts anderes.


    Heilsa! Mein Name ist Othmar und ich bin Pelzhändler. Dies sind meine Begleiter Wolfhart, Hrothgar und Alpina. Wir sind auf der Durchreise nach Chassella, wollen hier eine Nacht Unterkunft nehmen und unseren Proviant aufstocken.


    Der Torwächter blickte ernst und gab dem Händler zu verstehen, ihm zu folgen. Dann umschritt er den Wagen, schaute genau unter die Pelze und hob die Geldsäcke an. Auch klopfte er auf das Holz des Wagen, um nach Hohlräumen zu suchen. Othmar folgte ihm, wirkte dabei aber betont desinteressiert, da der Wächter nichts finden würde, was die Gruppe ins Zwielicht setzen würde. Als der Wächter den Wagen einmal umrundet hatte, besah er sich noch die Begleiter: Den bärenhaften Kerl hinter dem Wagen, den drahtig-athletischen Mann auf der rechten Seite und... er trat einen Schritt beseite... die junge rotblonde Frau, die etwas schüchtern wirkte. Bis auf den Hünen schien keiner eine Bedrohung zu sein und mit Blick darauf, dass es sich um einen Händler hatte, war es für ihn nur verständlich, dass er einen starken Beschützer dabei hatte. Dennoch kam man nicht so einfach in die Siedlung rein, schließlich gab es auch Anweisungen des Dorfoberhaupts.


    Kennt ihr jemanden im Dorf, der für euch bürgen kann?


    Ruhig lag der Blick des Wächters auf dem Pelzhändler und er erwartete die Antwort, von der es abhing, wie es hier weitergehen würde. Der Pelzhändler nickte nur.


    Der Gasthauswirt Berengar kann und wird für mich und meine Begleiter bürgen.


    antwortete er mit ruhiger Stimme und blickte dem Wächter auffordernd ins Gesicht. Der hielt dem Blick stand und nickte den anderen Wächtern zu. Sie gaben den Weg frei und der Wächter gab dem Händler zu verstehen, dass sie in die Siedlung gehen konnten. Hrothgar trieb die Esel an und sie traten an den Wächtern vorbei. In der Siedlung gingen sie sofort nach rechts und die nächste Straße nach links hinein und kamen nach einigen Schritten am Gasthaus des Berengar an.

    Nach dem kurzen Frühstück ging es nun auf die nächste Etappe bis nach Novaesium. Erneut führte sie der Weg am Visurgis entlang, der sich stets zu ihrer Rechten dahinschlängelte. Die Esel wurden auch weiterhin mit kleinen Brotstücken bestochen, damit sie ein einigermaßen hohes Tempo halten konnten. Die Temperaturen waren zwar niedrig, doch bleiben sie auf ihrem Weg nach Novaesium weitgehend von unschönen Überraschungen verschont. Weder setzte ein starker Sturm ein, noch gab es den eiskalten Schneeregen des vergangenen Tages und da sie relativ nah am Wasser liefen, gab es keine Bedrohungen durch wilde Tiere. Auch Räuberbanden waren hier, so wusste es Othmar, eher selten, da sie besser in den tiefen, unübersichtlichen Wäldern angreifen konnten. So gingen sie Schritt für Schritt vorwärts, immer im Rhytmus der trappelnden Eselshufe, Bäume auf der linken, den Visurgis auf der rechten Seite, und folgten dem Strom des Flusses gen Norden.


    Irgendwann um die Mittagszeit, die Sonne hatte bereits ihren höchsten Punkt überschritten, sahen sie schließlich die ersten Ausläufer der Siedlung. Sie gehörte zu den größeren in der Umgebung, hatte einen eigenen Palisadenwall, der auf einem Erdwall stand. Ein Holztor gen Süden, das den Eingang zu der Siedlung bot, stand tagsüber immer offen und wurde von drei Männern bewacht. Zwei ältere standen neben einem jüngeren und blickten streng in die Umgebung.

    Othmar hätte nicht sagen können, wie lange sie beide schweigend nebeneinander gesessen und auf den Fluss hinausgeblickt hatten. Es war nicht nötig, dass sie weitere Worte miteinander wechselten, denn der Fluss drückte alles aus, was sie hätten sagen können. Irgendwann erhob sich Othmar schwerfällig, denn die Kälte machte vor seinen Knochen nicht halt. Mit einem freundlichen.


    Gute Nacht!


    begab er sich wieder in die Hütte und ließ Alpina allein zurück. Wieder in der Hütte nahm er seinen Schlafplatz im verbliebenen Bett ein und schließ wenige Minuten später ein. Seine Träume umkreisten wieder Hldrun und verschiedene Bilder bildeten sich in seinem Kopf, verschwanden und tauchten wieder auf. Immer wieder entwickelten sich neue Szenarien, die alle nach kürzester Zweit verschwammen. Doch war seine Nacht kurz. Als die ersten Sonnenstrahlen durch die verbliebenen Fenster und die Ritzen der aufgehängten Pelze drangen, war es Zeit aufzustehen, sich bei einem kurzen Frühstück zu stärken, um schließlich die letzte kurze Etappe bis Novaesium in Angriff zu nehmen.

    Othmar antwortete nicht auf den Dank Alpinas über ihre bislang sichere Begleitung. Das ganze Unterfangen war für Othmar in erster Linie ein Geschäft, wenn er dabei selbst dazulernen konnte, umso besser und wenn die junge Frau, der sie ihre Begleitschutz zur Verfügung stellten, ihr Ziel erreichte - was das auch immer sein mochte - auch gut. Dennoch hatte auch er die junge engagierte Frau in den wenigen gemeinsamen Tagen schätzen gelernt und dennoch wusste er nicht viel von ihr. Aber wollte er überhaupt wissen, was diese junge Frau ins freie Germanien trieb, wo man eigentlich schnell das Leben verlieren konnte?


    Der Fluss hat eine ganz eigene Kraft, nicht wahr.


    Auch er blichte auf den stumm dahinströmenden Visurgis hinaus. schon oft hatte er selber die Erfahrung gemacht, dass der Strom eine beruhigende, fast schon magische Kraft hatte. Ein Ruhepol im krisengeschüttelten und konfliktbeladenden Land der Marser und Chatten.

    Draußen vor der Hütte hatte der Schneeregen mittlerweile stark nachgelassen, doch wehte immer noch der kalte Wind mit mal stärkeren, mal schwächeren Böen über ihre Unterkunft hinweg. Daher hatte Othmar seinen Mantel tief ins Gesicht gezogen und blickte hinaus. Manchmal gaben die dichten Wolken sogar einen Blick auf den Mond frei, sodass die Umgebung nicht ständig von einer mondlosen Dunkelheit erfüllt wurde. Allerdings würden sich Alpinas Augen wahrscheinlich auch erst langsam an das Dunkel gewöhnen müssen. als sie aus der Hütte heraustrat und ihm leise dankte, als sein Blick zu ihr wanderte. Er deutete auf den freien Platz neben sich. Da sie seinem Zeitgefühl zur Folge recht früh dran war, würde er noch ein bisschen bei ihr sitzen, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hätten.


    Ich glaube, dass dir jetz endgültig klar ist, dass diese Reise kein Spaziergang am Rhenus ist. Daher kannst du jetzt auch anfangen, weitere Verantwortung zu übernehmen.


    antwortete er mit ruhiger Stimme, während er seinen Blick auf das einige Schritte entfernte Visurgisufer richtete. Die Hütte befand sich weit genug vom Fluss entfernt, dass ein Hochwasser ihm nichts antun konnte, allerdings auch auf einer kleinen Anhöhe, durch die der Blick auf den Visurgis möglich war. Im Hintergrund waren die üblichen Geräusche der Nacht zu hören, eine Eule hatte wohl in einiger Entfernung ihr Nest, Kleintiere raschelten durch das Unterholz und der Wind rauschte leise in den Baumwipfeln.

    Während Alpina das Essen vorbereitete, versuchten Othmar und Wolfhart zumindest die gröbsten Schäden an der Hütte zu flicken. Die kleinen feuchten Äste legten sie zusammen, sodass der erhaltene Teil der Hütte nun etwas größer wurde. Den großen Ast jedoch konnten sie, obwohl sie überlegten, wie sie das vielleicht anstellen könnten, nicht entfernen. Stattdessen machten sie aus Not eine Tugend und nutzen den Stamm dazu, einige überzählige Pelze als Windschutz aufzuhängen. Hrothgar holte zudem die Esel wieder in die Hütte, denn trotzdem sie viel Platz brauchten, bestand draußen die Gefahr, dass sie sich auf Dauer Erfrierungen zuziehen könnten. Zudem würden die Tiere mit ihrer Körperwärme dafür sorgen, dass sie sich im Innern der Hütte nicht noch wärme anziehen mussten und auf die Pelze verzichten konnten.


    Das größte Problem war die Suche nach einer geeigneten Feuerstelle, denn einerseits war die Hütte zum Teil vollkommen durchnässt, anderseits brauchten sie einen Platz, von dem aus der starke Rauch des feuchten Holzes abziehen konnte. Glücklicherweise fanden sie einen Platz, doch war dadurch die Liegefläche für die Nacht wiederum verkleinert. Othmar bebachtete die ganze Szenerie und schüttelte nur den Kopf. Einziger Lichtblick war das von Alpina gekochte Abendessen und er war gespannt, was die junge Frau dieses Mal aus ihrem Proviant kochen würde. So setzten sich die Germanen um die Kochstelle zu Alpina, um gemeinsam das Abendessen einzunehmen und sich danach schnell zum Schlafen zu legen. Für Nachtwache teilte sich Othmar erstmal selber ein, zur halben Zeit wollte er sich dann von Alpina ablösen lassen.

    Die Entscheidung, die Tiere ihrem Schicksal zu überlassen, hinterließ bei Othmar einen schlechten Beigeschmack. Doch hätten sie sich selbst nur gefährdet, wenn sie es auf Biegen und Brechen versucht hätten. Einen seiner Begleiter zu verlieren wäre derweil der schlimmste Fall, den sich Othmar vorstellen konnte. Jetzt, auf dem weiteren Weg, schlug das Wetter erneut uhm, von Osten wehte ein kalter Wind und der Schneeregen setzte der Gruppe übel zu. Alle mummelten sich noch tiefer in ihre Mäntel ein und irgendwann verteilte Othmar an alle jene Pelze, die er immer für sich zurückhielt. Mit Blick auf die schlechte Wetterlage entschied er sich dann dafür, die Tagesetappe vorzeitig zu beenden und die Hütte zu suchen, die er als Zwischenunterkunft eingeplant hatte. Doch dauerte es etwas, bis sie sie gefunden hatte, da das schlimme Wetter die Orientierung drastisch erschwerte. Als sie dann an der Hütte ankamen, bot sich ihnen ein unschönes Bild. Ein riesiger Ast steckte im Dach der Hütte, vermutlich, doch glücklicherweise waren die Außenwände noch intakt. Othmar schüttelte den Kopf, entschied sich aber dafür, die Hütte dennoch zu nutzen. Wenigstens bot sie ein wenig Schutz vor dem kalten Winden und dem Schnee, auch wenn das Dach nicht mehr dicht war.


    Verdammte Scheiße!


    fluchte der Händler doch gab er seinen Begleitern zu verstehen, dass sie hier Unterkunft suchen würden. Wie sie mit dem Ast umgehen sollten, müssten sie schauen, wenn sie in der Hütte waren und der Händler hoffte, dass es weniger schlimm war, als es aussah.

    Der Fluss verschaffte ihrer Wanderung nach Norden eine gewisse Abwechslung, denn mal zeigte sich eine Insel, mal fanden sich Tiere am Wasser und besonders nach dem Sturm ragten nun immer wieder Äste in den Fluss. Während ihrer Mittagsrast sahen sie eine Insel, auf der mehrere Rinder nach dem Sturm gestrandet waren und offenbar schon mindestens einen Tag dort stehen mussten. Othmar runzelte die Stirn und auch der fragende Blick Alpinas machte klar, dass sie wohl vorhatte, den Tieren zu helfen. Allerdings war dem Händler vollkommen schleierhaft, wie sie das anstellen sollten. Der Fluss war bereits über die Ufer getreten und die Strömung war stark genug, um sie mit sich zu reißen. So besah sich der Pelzhändler die Lage, ging nah an den Fluss heran, um zu schauen, wie weit sie gehen konnte, und versuchte zudem die Wassertiefe zu schätzen. Zuletzt, und da dachte er auch an seine Begleiter, blickte er nach oben, um abzuschätzen, wie viel Zeit noch bis zur Dämmerung blieb. Die Sonne war jedoch von den dichten Wolken verhüllt, sodass eine Schätzung schwierig war.


    Kopfschüttelnd ging er zu seinen Begleitern zurück.


    WENN wir die Tiere tatsächlich da runter holen wollen, müssen wir uns irgendwas einfallen lassen. Allerdings darf dabei niemand von uns gefährdet werden und wir dürfen auch nicht zu viel Zeit damit verplempern. Also. Hat jemand 'ne Idee?


    Er blickte fragend in die Runde und wartete auf Antworten. Er selbst würde ja am liebsten weiterziehen, damit sie ihr heutiges Tagesziel erreichen könnten. Wenn allerdings jemand eine Idee hätte, könnten sie überlegen, ob sie dem Besitzer der Tiere einen Gefallen tun und so vielleicht auch ein frühes Nachtlager erlangen konnten.

    Letztlich hatte niemand bemerkt, dass Alpina in der Nacht aufgestanden war. Am nächsten Tag standen die drei Männer dann einigermaßen erholt auf, machten sich draußen vor dem Haus frisch und deckten sich für die nächsten zwei Tage mit genug Proviant ein. Othmar achtete darauf, dass sie zwei zusätzliche, schon etwas ältere Brote kauften, die er Alpina in die Hand drückte.


    Eine kleine Bestechung für die beiden Esel.


    sagte er mit einem Zwinkern, bevor er zu Egbert ging. Wie immer wechselte Othmar noch ein paar Worte mit dem Dorfoberhaupt, der sich danach wieder mit den Männern des Dorfes vor dem Eingang sammelte, um den Rest des Baum abzutragen. Hrothgar und Wolfhart luden den Proviant und die Geldbeutel zurück auf den Wagen, wobei sie den Beutel mit Alpinas 50 Sesterzen wieder an einen gesonderten Platz legten. Dann spannten Hrothgar und Alpina die Esel ein, während Wolfhart wieder die Radachsen überprüfte. Als alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, gab Hrothgar den Eseln einen kleinen Klaps und schon trabten sie los.


    Ihr Weg führte sie heute nicht mehr nach Osten, sondern nach Norden, den linken Arm des Visurgis entlang, der sie direkt in die nächste Siedlung, Novaesium, führen würde. Ein bis zwei Tagesetappen hatte Othmar dafür veranschlagt, je nachdem, wie die Straßenverhältnis nach dem Sturm waren. Um endlich aus dem ewig gleich Wald herauszukommen, wählte Othmar, auch wegen der besseren Übersicht einen flussnahen Pfad. Als sie nach einigen Meilen daher den letzten Wald hinter sich ließen, erstreckte sich vor ihnen der Visurgisarm. Dieser war nach den Regenfällen etwas über die Ufer getreten, hatte aber den Pfad verschont. Sollte es nicht zu weiteren Stürmen kommen, könnten sie dem Pfad bis hin zur nächsten Siedlung folgen und hätten sogar, etwa nach zwei Drittel des Weges eine kleine Hütte, die sie bei Bedarf als Übernachtungsmöglichkeit nutzen könnten.

    Das Essen war deftig und reichhaltig und während Egbert in seinem mürrischen Ton von den jüngsten Vorkommnissen aus der Umgebung erzählte, hörten Othmar und seine Begleiter aufmerksam zu. Schließlich ging es da auch um die kommenden Etappen weiter gen Norden und allen war klar: Je weiter sie gen Norden zogen, desto gefährlicher wurde es. Daher war besonders für Othmar jede Information bares Gold wert. Währenddessen verweigerte sich Brunnhild jeglicher Konversation, saß mürrisch auf ihrem Platz und schaufelte langsam das Essen in sich hinein. Als sie das Essen beendete hatten, räumte Brunnhild den Tisch ab, doch die Gespräche der Männer dauerten noch an. Doch allzu lang wollten die Händler auch nicht mehr warten, sich in ihre Nachtlager zu legen, denn die letzten Tage waren anstrengend und kraftraubend gewesen und besonders in der letzten Nacht hatten sie kaum geschlafen.


    Somit verabschiedeten sich der Händler und seine Begleiter zu nacht und gingen gemeinsam mit Alpina in die Schlafkammer, die etwas größer war, als jene in Mattiacum, allerdings auch nur zwei richtigen Betten zum schlafen bot. Auch hier hatte Brunnhild während der Abwesenheit ihrer Gäste ein paar Strohsäcke hinterlegt und zwei zusätzliche Schlaflager gebildet. Dieses Mal legten sich Hrothgar und Wolfhart sofort auf die Strohsäcke, sodass das eine Bett für Othmar blieb und das andere für Alpina. Nach der langen Strecke in den letzten Tagen wollte Hrothgar, dass auch die junge Frau wenigstens einmal ein bisschen Luxus bekam. Schon kurze Zeit nachdem sie sich in die Betten gelegt hatten, schliefen Othmar und Wolfhart tief. Hrothgar hingegen starrte noch einige Zeit an die Decke, ohne zu wissen, warum er trotz der harten Arbeit in den letzten Tagen nicht schlafen konnte.

    Langsam gingen sie durch die kleine Schneise, die in den Baum geschlagen worden war und betraten zielstrebig das Dorf. Es war nicht viel los, die meisten Männer halfen beim Abtragen des Baums und die Frauen waren zu Hause und bereiteten das Abendessen vor. Othmar kannte sich hier aus, er nutzte Melocabus meistens als Zwischenhalt, da der direkte Weg deutlich riskanter war, als der kleine Umweg über diese Siedlung. Außerdem kannte Othmar das Dorfüberhaupt schon lange und wusste, dass er zuverlässig genug war, um eine sichere Unterkunft anbieten zu können. Dass er dabei immer murrte, da sein Wahlspruch zu lauten schien Des Menschen Fluch sind Regen und Besuch. Regen geht noch., war zwar ein Übel, aber nur ein kleines im Vergleich zu den Alternativen. Dann jedoch stellte Alpina eine Frage und Othmar verlangsamte seinen Schritt etwas.


    Hrothgar und Wolfhart werden schon ein Auge auf die Tiere und den Wagen haben. Du kannst aber gleich gerne nochmal nach den Tieren schauen und versuchen, sie ins Dorf zu bringen. Sobald wir uns bei Egberts Frau angemeldet haben, wollte ich sowieso nur kurz alles in der Kammer verstauen und dann selbst bei dem Baum anpacken.


    Im Moment tat den Tieren eine kleine Pause gut und die beiden anderen Begleiter hatten auch ein Auge auf sie. Zudem würde sich wohl kaum ein wildes Tier an die große Gruppe heranwagen, denn obwohl sich der Tag seinem Ende näherte, veranstalteten sie immer noch jede Menge Lärm, vom Schreien der Männer, um sich abzusprechen, zum durchdringenden Geräusch der Axt, die ins feuchte Holz eindrang, um es zu spalten.


    Wie schon zuvor in Mattiacum war das Haus des Dorfoberhaupts das größte Haus innerhalb des Dorfwalls. Dort angekommen klopfte Othmar zweimal fest an und nach wenigen Augenblicken erschien eine ältere ausnehmend hässliche Frau in der Tür. Mit ihrem rattenhaften Gesicht blickte sie ihre Gegenüber an und ließ nur ein kurzes


    Othmar...


    fallen. In ihrer Mürrigkeit stand sie ihrem Mann in nichts nach und Othmar dachte immer wenn er hier war, bei sich, dass sie sich gegenseitig mit ihrem Murren angesteckt haben mussten. Dann gab sie den Weg ins Haus frei, natürlich nicht ohne Alpina erstmal misstrauisch zu taxieren.


    Brunnhild...


    grüßte Othmar dann ebenso kurz zurück, bevor ihm einfiel, dass er ja auch noch eine Fremde dabei hatte. Auch wenn sie ihn hier kannten, sorgten neue Gesicht immer für Misstrauen, zumal sie hier schon mehrfach von wütenden Marsern angegriffen wurden und jedes fremde Gesicht einem marsischen Kundschafter gehören könnte.


    Das ist Alpina. Sie begleitet mich auf dieser Reise und ist KEINE Marserin.


    Damit schien sie Brunnhild zufrieden zu geben zuckte die Schultern und führte sie in eine Kammer.

    An der großen, markant gewachsenen Eiche mussten sie links vorbei und dann war es nur noch eine halbe Meile, bis sie die Siedlung Melocabus erreicht hatten. Daher nahm Othmar jetzt keine Rücksicht mehr auf die Dämmerung und trieb die Tiere nun selbst an. Bald hatten sie die Eiche hinter sich gelassen und da die beiden Esel nun regelmäßige Klapse bekamen, merkten sie langsam auch, dass Bocken nicht weiter half. Allerdings blieben die Pfade schlammig und nass und immer wieder stellten sich ihnen Bäume in den Weg. Der einzige Hoffnungsschimmer war, dass die feuchte Umgebung und das schlechte Wetter des letzten Tages Räuberbanden abschreckte und wilde Tiere lieber in ihren schutzbietenden Höhlen oder Bauen blieben. Daher hatten sie in diese Richtung kaum noch etwas zu befürchten. Und wieder sahen sie nun nach den nächsten Schritten einen Erdwall, doch wurde der Weg zur Schneise von einem massiven Baum versperrt, auf dem Männer standen und versuchten diesen mit Äxten abzutragen. Man sah, dass sie bereits den ganzen Tag daran gearbeitet hatten, denn große Teile lagen bereits an der Seite. Othmar gute Laune verfinsterte sich wieder etwas, bis er ein ihm bekanntes Gesicht entdeckte. Er löste sich von den Gruppe und trat auf den Mann zu, der am Fuß des Stammes stand und die anderen Männer antrieb.


    Heida, Egbert! Was ist denn hier passiert.


    Der Mann drehte sich mürrisch um, blickte Othmar einen Augenblick an, kam dann aber einigermaßen freundlich auf ihn zu, wobei er seine schlechte Laune nicht verschleiern konnte.


    | Egbert, Oberhaupt der Siedlung Melocabus


    Schon wieder hier, Othmar? Dieser verfluchte Sturm gestern hat diesen Eingang komplett unter sich begraben. Heute morgen sind uns fast die Augen ausgefallen, als wir den ganzen Scheiß hier gesehen haben.


    Er schüttelte immer noch ungläubig den Kopf und blickte dann wieder zu den arbeitenden Männern, dass sie auch bloß nicht ihre Arbeit vernachlässigten.


    Den ganzen Tag malochen wir hier schon. Doch das Ding ist zäh.


    Othmar schaute sich den Baum nun ebenfalls an. Ein wahres Prachexemplar, das wohl schon vor ihrer aller Geburten hier gestanden haben musste.


    Meine Männer werden euch beim Abtragen helfen. Können wir denn dafür die kommende Nacht bei euch verbringen?


    Eigentlich war es weniger eine Frage, als ein Handel den er vorschlug. Arbeitskraft für Unterkunft. Egbert schaute sich zuerst Hrothgar und Wolfhart an, blickte dann kurz zu Alpina, musste schmunzeln und nickte Othmar dann zu.


    Die beiden kannst du hier lassen und auch der Wagen muss draußen bleiben, da ihr den nicht durchkriegen werdet. Das Mädchen geht dann am besten erstmal zu meinem Haus und sprecht mit meiner Frau. sie wird euch dann den üblichen Raum zuweisen.


    brummte der Alte und ging dann wieder zu seinem Platz. Othmar gab derweil seinen beiden männlichen Begleitern, dass sie den Wage so nah wie möglich an den Baum heranziehen und sich dann Äxte schnappen sollten. Dann blickte der Händler Alpina auffordernd an.


    Dann lass uns mal zu Egberts Haus gehen.


    sagte in einem freundlichen Ton, in dem nur ein bisschen die Unzufriedenheit mit der Situation mitschwang.

    Die ganze Gruppe schien von den nächtlichen Ereignissen noch am nächsten Morgen tief beeindruckt zu sein, denn kaum jemand wagte mehr, als die nötigen Worte zu sprechen. Zudem waren alle hin- und hergerissen zwischen verwirrter Verwunderung und stiller Euphorie, dass sie die Nacht wohl mit einer wie auch immer gearteten göttlichen Unterstützung überstanden hatten. Doch schon an diesem Tag die nächsten Herausforderungen vor ihnen. Eine überraschend warme Brise weht, als sie sich auf den Weg machten. Teilweise waren die Pfade bereits trocken, doch überall lagen umgestürzte Bäume und manche Pfade wurden durch tiefe, seenähnliche Pfützen dermaßen überflutet, dass sie nur mühsam passiert werden konnten. Zu allem Überfluss fingen nun auch die Esel an zu bocken und das kurz vor ihrem Zwischenziel, der Siedlung Melocabus...


    Während der mittäglichen Rast, die Othmar bewusst kurz hielt, warnte er zudem noch ihre Begleiterin vor den nächsten Stunden.


    In kurzer Zeit werden wir das Land der Chatten erreichen, die sich in ständigem Zwist mit den weiter im Norden ansässigen Marsen befinden. Wir müssen also umso vorsichtiger sein.


    mahnte er Alpina, denn bis zur Siedlung waren sie in umso erhöhter Gefahr von Überfällen. Zudem hatte ihm ihr letzte Gastgeber Ranulf von einer größeren Gruppe chattischer Krieger berichtet, die durch die Gegend zögen... Und Othmar hatte überhaupt keine Lust, dieses Gerücht persönlich zu bestätigen. Da die Tiere nun immer häufiger bockten und sich immer mehr Hindernisse in den Weg stellten, befürchtete der Händler, dass sie ihr Ziel nicht mehr erreichen würden, denn die Sonne näherte sich bereits dem Horizont. Othmar überlegte, wo sie so kurz vor der Siedlung noch eine Unterkunft finden könnten, denn das Übernachten unter freiem Himmel war ihm nach der letzten Nacht zu riskant. Da hatte ihnen offenbar irgendeine höhere Macht beigestanden. Ob sie das nochmal machen würde, wollte er nicht austesten. Dann jedoch heiterte sich sein Gesicht auf. Vor ihnen war eine markant geformte Eiche zu sehen...

    Der Sturm zog trotz seiner Anrufungen nochmal an. Immer lauter wurde das Heulen des Windes, immer drängender das Donnern von Thors Hammer und immer heller die durch die Luft zuckenden Blitze, die immer wieder das Innere der Hütte in grelles Licht setzte. Dazu der Regen, der mit unnachgiebiger Härte auf das Dach einprasselte, sodass Othmar fürchtete, es würde nicht standhalten. So wurde auch die Anrufung des Händlers im lauter und flehender, und seine sonst so stoische Ruhe war wie durch die scharfen Sturmböen weggeblasen. Auch die Tiere und seine Begleiter wurden unruhig und besonders Alpinas Atem wurde schneller und schneller, was auf eine drohende Panik hindeutete. Doch hatte der Händler keine Ahnung, wie er hier jemanden beruhigen sollte. Einige Augenblicke befürchtete er, dass er sich mit der Entscheidung, die junge Frau mitzunehmen, einen Bärendienst erwiesen hatte. Die Geister schienen nun sie alle erwischen zu wollen, die junge Frau und alle die ihr halfen und sich zwischen sie und ihr tödliches Schicksal stellten.


    Doch dann plötzlich: Ruhe. Nur ein paar donnernde Ausläufer, die sich wie von Götterhand geführt entfernten waren noch zu hören, denn der Regen hatte von jetzt auf gleich aufgehört zu prasseln. Irritiert blickte Othmar nach oben. Bislang hatten seine Anrufungen - wenn überhaupt - nur selten etwas erreicht, einmal hatten sie sogar den Wagen umwerfen müssen, um nicht davongeweht zu werden. Doch hatte er bislang weder einen so drastischen Sturm erlebt, noch dass er von jetzt auf gleich endete. Er schüttelte ungläubig den Kopf, versuchte etwas zu sagen, scheiterte aber an seiner eigenen Überforderung mit der Situation.