Der Tag hatte nicht gut angefangen... die Nacht war sehr kurz, weil einer der anderen Neulinge in der Barracke mit Inbrunst seinen neuen Mitbewohnern die Ohren vollgeschnarcht hatte. Dass irgendwann wiederum ein anderer aufgestanden war, das menschliche Sägewerk angebrüllt hatte, und es darauf zu einer kleinen Rangelei in der Barracke, mitten in der Nacht gegeben hatte, trug zur erholsamen Nachtruhe erheblich bei.
Und jetzt das. Müde stand Merula auf dem Feld, zusammen mit den anderen, und ließ sich von diesem Typen anbrüllen. Und dann ging's los. Liegestützen. Der Schweiß rann in den Bächen in den Sand des Campus. "Jetzt nicht schlapp machen, Amsel!" dachte Merula bei sich. Er war sich sicher, dass jedes Anzeichen körperlicher oder seelischer Schwäche drakonisch geahndet würde. Also weitermachen.
Dann sprang er, zusammen mit anderen Rekruten, auf, und man rannte los, eine Herde wildgewordener Rindviecher in Raserei. Rein zum Tor, immer noch Bäche, nein, Ströme!, von Schweiß. Beinahe wäre Merula gestolpert...
Na, das war ja mal eine besondere Art Kastellbesichtigung! Rechts von ihm flog das Haus der Tribunen vorbei, wobei Merula von einem schmalen Kerl Marke griechischer Athlet deutlich überholt und abgehängt wurde. Weitere Rekruten rannten, wie es schien locker, an ihm vorbei... "Verdammt...! Ich dachte, ich wäre fit...!"
An den Barracken vorbei ging es in Richtung der Porta Praetoria. Aus dem Augenwinkel sah er einen Legionär, der Wache auf einem der Türme tat. Dieser Mistkerl knuffte doch tatsächlich deutlich amüsiert seinem Kameraden links neben ihm in die Seite, und zeigte auf die sich abhetzten Rekruten. Merula hätte am liebsten etwas auf den Turmwächter mit der Schweinsnase geworfen, aber ihm fehlte nicht nur die Zeit dazu, sondern auch ein entsprechender Gegenstand. Weiter ging die Rennerei...
Irgendwann sah er den Rauch aus den Kaminen der Lagertherme aufsteigen. Fast hätte ihn so etwas wie Mut oder Vorfreude überkommen, aber er wurde von einem muskulösen Rekruten überholt, der ihm im Vorbeirennen aus welchen Gründen auch immer einen kräftigen Hieb in die Seite verpasste.
Schlußendlich erreichte Merula dann doch wieder den Ausgangspunkt des Rundlaufs. Er war glücklicherweise nicht als letzter ins Ziel gelaufen, jedoch auch deutlich hinter einigen der Rekruten, was seinem Ego in diesem Moment einen empfindlichen Dämpfer verpasste. Am liebsten hätte er sich vor Erschöpfung auf den Boden fallen lassen, ihm war allerdings klar, dass das eine entsprechende Reaktion des immer noch missmutig dreinblickenden Centurios hervorgerufen hätte. Als der Centurio die letzten Rekruten einlaufen sah, verzog sich dessen Gesicht zu einem hämischen Grinsen.
"Ganz reizend.", dachte Merula, und schnappte nach Luft...