Beiträge von Faustus Tiberius Iuvenalis

    Faustus konnte noch eine kurze, dankbare Geste in Richtung des Hausherren richten, da war dieser auch schon wieder halb zur Tür hinausgerauscht.


    Auch, wenn er, zumindest soweit sich der junge Mensch erinnern konnte, die Dame, die in das Atrium getreten war, noch nie gesehen hatte, erfasste ihn nun ein Gefühl der Erleichterung. Allein das Wissen, dass hier jemand stand, der, über welche verzweigten Pfade und Wege auch immer, mit ihm verwandt war, erzeugte ein wohliges Empfinden von Heimat in ihm.


    Er blickte die respektabel aussehende, elegant gewandte Frau an.
    "Salve!", sagte er.
    "Ja, richtig, ich bin Faustus Iuvenalis." Der junge Mann hatte den Eindruck, dass Maximilla noch versuchte, ihn im verzweigten Familienstammbaum richtig einzuordnen. Deswegen fügte er nach einer kurzen Pause noch hinzu: "Meine Eltern sind Spurius Dolabella und Vinicia Drusilla. Du kennst sie sicher!"


    Iuvenalis wollte nun unbedingt erfahren, was genau an der Villa Tiberia vorgefallen war, mochte es auch möglicherweise schrecklich zu hören sein.
    "Sag, Maximilla, wie lange bist du denn schon hier in der Villa? Kannst du mir sagen, was genau eigentlich passiert ist? Als ich auf den Landgütern meiner Eltern unterwegs war, habe ich gehört, dass es diesen Sklavenaufstand gegeben hat. Aber alle Berichte waren mit vielen ganz offensichtlichen Gerüchten ausgeschmückt, deswegen habe ich vieles von dem, was ich gehört habe, nicht ernst genommen....und dann die Ruine, als ich zurückkehrte. ... bitte, ich muss wissen, was da passiert ist!"


    ...der junge Tiberier rüstete sich innerlich für das, was er glaubte, möglicherweise berichtet zu bekommen.

    "Ehm... Salve, Senator! Verzeih, dass ich so ungefragt in dein Haus gekommen bin! Ich bin Faustus Tiberius Iuvenalis!"
    Man merkte dem jungen Mann die Unsicherheit sichtlich an. Umso mehr, als das Eintreten des Hausherrn sehr plötzlich geschehen war. Iuvenalis schaute den Aurelier verstohlen an. Insgeheim hoffte er, dass sein Blick nicht als Anstarren empfunden würde.
    Immerhin, auch, wenn der junge Tiberius hier gänzlich fremd war, keine Ahnung hatte, wie es seinen Verwandten im einzelnen gehen mochte, und dementsprechend etwas verschüchtert war, Sextus Aurelius Lupus wirkte zumindest durch die Art seines Auftretens recht sympathisch auf ihn.

    Iuvenalis sah sich in dem komfortablen Raum um. Er nahm auf der Bank platz, und gerne ließ er sich einen Becher Wein geben. Gedankenverloren fischte er mit der rechten Hand einen Apfel aus der bereitgestellten Obstschale. Er atmete tief durch. Er würde nun hier warten. Im Geist legte er sich schon einige Fragen zu den jüngsten Ereignissen zurecht, Fragen an wen immer, der da kommen würde, sie zu beantworten...

    "Vielleicht ist's möglich, Caerellia eine kurze Nachricht zu schicken, dass ich hier und wohlauf bin? Sie soll sich nicht sorgen, und sobald sie wieder in Rom ist, werde ich sie sprechen. Vorerst ist es schon eine große Erleichterung, sie lebend zu wissen!"
    Faustus trat den gewiesenen Weg durch die Porta und ging in Richtung des Atriums.
    "Hm... wenn dein Herr sehr beschäftigt ist, dann sag ihm nur, dass ich hier dank seiner Gastfreundschaft Unterschlupf genommen habe, und richte ihm meinen Dank aus. Sobald er Zeit hat, würde ich mich natürlich freuen, ihm meinen Dank auch persönlich zu sagen!"
    Faustus Tiberius Iuvenalis folgte dem Picten weiter ins Atrium.

    Der junge Tiberius war etwas perplex. Einerseits weil ihm die Tür so zügig aufgemacht wurde, andererseits erstaunte ihn auch die Person des Öffnenden nicht wenig: ein Hüne mit rotem Haar, der ihn aber in beinahe akzentfreiem Latein angesprochen hatte. Dementsprechend stockte Iuvenalis kurz, bevor er antwortete:
    "Salve! Mein Name ist Faustus Tiberius Iuvenalis. Ich kehre gerade von einem Aufenthalt auf den Landgütern meiner Eltern zurück. Mir wurde gesagt, dass meine Angehörigen hier sein sollen. Ist es möglich, sie oder deinen Herrn zu sprechen? Bzw. ... ist Marcus Tiberius Tiro oder Tiberia Caerillia hier? Sie sind meine Geschwister."

    Schließlich hatte sich der junge Tiberier von den schwarzen Ruinen seines Vaterhauses losmachen können und war den Weg zur Villa Aurelia gegangen, wie ihm seine Zufallsbegegnung geraten hatte. Er musste herausfinden, was genau passiert war, und wer von seinen Verwandten wohlauf war. Faustus Tiberius Iuvenalis hoffte, dass ihm dieser alte Mann keine Ammenmärchen oder Gerüchte erzählt hatte, und dass er hier im Haus der Aurelier tatsächlich Verwandte antreffen würde.
    Er lief auf das Haupttor der Villa Aurelia zu, klopfte, und wartete ab, was jetzt passieren würde...

    "Schrecklich, nicht wahr?"
    Der junge Tiberier hatte den älteren Mann in Toga vor lauter Nachsinnens nicht herankommen bemerkt.
    "Wenn ich diese verbrannte Ruine sehe, überfällt mich Grauen. Weißt Du, unser Haus ist da unten, man kann es sehen, wenn du nach da schaust."
    Iuvenalis hatte immer noch nicht ganz umrissen, wer dieser Kerl war, wo er so plötzlich herkam, und was er wollte. Mit einem halben Auge scgaute er in die Richtung, in die der alte Mann gedeutet hatte.
    "Ich denke mir, dass diese Horde ja auch zu uns hätte kommen können. Dann wären ich und die meinen jetzt tot, und unser Besitz zu Asche verbrannt..."
    "Tot...?" Iuvenalis erschrak und starrte den Alten jetzt hellwach an.
    "Oh ... achso .... ! Nein ... also du lieber Himmel! Wollte dich nicht erschrecken. Sie sind nicht alle tot. Aber das lass deine Leute dir selber erzählen. Da bist du besser dran. Jedenfalls... selbst wenn DIE ... diese Sklaven vielleicht die ein oder andere berechtigte Forderung gehabt haben, dieser Aufruhr, nein! Soll ich dir was sagen! Die meisten von denen sind bereits tot, der Rest der Hundebande wird von den Prätorianern gerade im Carcer bei lebendigem Leib gekocht, bis sie die Namen aller Beteiligten und Mitverschwörer rausgerückt haben. Und das werden sie. Bevor sie dann sterben."
    Dem jungen Mann schwirrte jetzt der Kopf und er sah den alten Mann verwirrt an, der seinen Blick auch umgehend richtig einzuordnen wusste.
    "Geh zu den Aureliern, Junge. Da hocken deine Leute. Die sollen dir die ganze Tragödie genauer schildern. Geh zum Haus der Aurelier! Das heißt, sobald du hier fertigüberlegt hast natürlich!"
    Der alte Mann blickte kurz aber aufmerksam in den bewölkten Himmel und ging dann langsamen Schrittes davon.

    "Bei allen Göttern..."
    Natürlich hatte der junge Iuvenalis vom Aufstand der Sklaven gehört. Nicht im Detail, aber so viel, dass er eine Ahnung davon hatte, was in Rom in der Zeit seiner Abwesenheit passiert war. Dennoch ... Solche Dinge passierten gewöhnlich irgendwo anders, in entlegenen Provinzen. Und wenn doch in der Nähe, dann betraf es andere. Und dennoch hatte er schon auf dem Weg zum Haus seiner Familie ein komisches Gefühl gehabt. Auf den Straßen Roms herrschte eine ganz andere Stimmung, als zur Zeit seines Aufbruchs. Auch roch es seltsam. Nach Brand? War es so schlimm gekommen? Wolken hingen in der Luft, es regnete leicht, hier und da eine in den Lüften verlorene Krähe ... Unheilvolle Zeichen?


    Und dann war er angekommen und stand vor der Ruine des Hauses seiner Väter. Also doch. Noch vor zwei Tagen war er ahnungslos gewesen, hatte sich seine Heimkehr vorgestellt, was er berichten würde, hatte überlegt, wen er wohl antreffen würde. Und nun stand er vor dieser verbrannten Ruine und brauchte einen Moment, das zu verarbeiten.


    "Aber wo sind die anderen?" dachte er nach einer Zeit. "Sie sind doch nicht etwa ... ". Iuvenalis schluckte.


    "Nee, kann nicht sein. Darf nicht sein! Aber wo könnten sie hin sein? Verdammt, ich brauch' mal einen kurzen Moment, um das hier zu verarbeiten. Das ist gerade deutlich zu viel."
    Der Tiberier murmelte in sich hinein, spuckte auf den Boden, und setzte sich auf einen am Rande der Ruine liegenden Stein, starrte in den Himmel, und überlegte, welche Möglichkeiten er nun hätte...