Am heutigen Festtag der Luna versammelte ich alle weiblichen Mitglieder des Haushaltes, die Bediensteten und Sklavinnen vor dem Lararium. Ob Tante Sorana dem Aufruf auch gefolgt war konnte ich nicht ausmachen. Es waren viele Frauen da und Sorana konnte sich problemlos irgendwo verdeckt halten.
Nachdem ich die üblichen Riten für die Laren und Penaten abgehalten hatte und auch den Vorvätern der Annaeer die täglichen Gedanken gewidmet hatte, weihte ich am Lararium die alljährlich erneuerten "Lunula"-Anhänger.
Ich hatte keine Ahnung, ob diese Tradition römischen Ursprunges war, oder ob der Freund meines Vaters, ein König aus einem fernen Land in welchem mein Vater viele Jahre gelebt hatte, diese Tradition über seine Religion in die Familie gebracht hatte. Auf jeden Fall war ich damit gross geworden und liess es mir nicht nehmen, dieses schöne Zeichen für die weiblichen Mitglieder des Hauses auch in Rom zu geben.
Für die jungen Mädchen und Sklavinnen waren es bloss kupferbleche in Form eines Viertelmondes, welche sie an einem kleinen Lederband um das Handgelenk tragen durften. Jedes Kupferblech war mit "Annaea" gestempelt und diente gleichzeitig als Zeichen der Zugehörigkeit und Glücksbringer. Luna war für mich nicht besonders wichtig, doch ich verstand schon lange, dass ihr Rhythmus für die Frauen von grosser Bedeutung war.
Für die freien Mitglieder des Haushaltes waren die Anhänger aus Silber gearbeitet und mit dem entsprechenden Namen graviert. Sie durften ihn als Schmuck um den Hals oder am Arm tragen oder gar im Lederriemen der Schuhe einknüpfen.
Für Tante Sorana hatte ich einen goldenen Anhänger herstellen lassen, den ich ihr, falls sie nicht selbst anwesend sein sollte, nach dem Ritus durch ihre Leibsklavin überbringen lassen würde.
Nach Ende der Riten stand ich auf, drehte mich um und überreichte allen Anwesenden feierlich ihr kleines Geschenk.