Hatte Arwid anfangs geglaubt, er würde nicht lange in diesem Kerker sitzen, wurde er, mit jedem Monat der verging, eines besseren belehrt. In all der Zeit hatten sich seine Kerkermeister redlich darum bemüht, ihn wieder genesen zu lassen und ihm mit allem versorgt, was nötig gewesen war, damit er am lieben blieb. Sein verletztes Bein war wieder gut ausgeheilt, was unter den gegebenen Umständen fast einem Wunder glich. Keinen einzigen Tag hatte er hungern müssen. Die Ketten jedoch hatte man ihm gelassen, weil er wohl immer noch eine große Bedrohung darstellte.
Dennoch war die lange Zeit nicht spurlos an dem Germanen vorübergehangen. Am Anfang seiner Gefangenschaft hatte er jeden Tag damit gerechnet, man würde ihn aus seiner Zelle zerren und ihn ans nächste Kreuz schlagen. Doch nichts dergleichen war passiert. Nach dem Besuch des Tribuns vor etlichen Monaten hatte sich außer den Wärtern niemand mehr hierher verirrt. Der Schein ihrer Fackeln war das einzige Licht, das er zu sehen bekam. Man ließ ihm genug Zeit, sich immer und immer wieder mit dem Geschehenen zu beschäftigen. So durchlebte er jede Nacht immer wieder den Kampf im Auenwald. All die, die ihm gefolgt waren und an seiner Seite niedergemetzelt worden waren, erschienen ihm allmählich im Traum. Ihr Schreie und ihr Klagen bescherten ihm unruhige Nächte und trugen mit dazu bei, dass er Nacht für Nacht immer ein Stückchen mehr in den Wahnsinn abdriftete.
Sein Äußeres hatte sich zwangsläufig auch in der langen Zeit verändert. Langes verfilztes Haar zierte sein Haupt und ein ähnlich zottliger Bart war ihm gewachsen. Sein Geist stumpfte mit der Zeit immer mehr ab. Anfangs hatte er sich mit den Ratten, die sich in den Zellen tummelten, beschäftigt. Inzwischen starrte er nur noch teilnahmslos in die Dunkelheit und wartete. Er wartete auf den Tod, der einfach nicht kommen wollte. Was hatte er nur getan, weshalb ihm die Götter keinen schnellen Tod gewährt hatten?
Doch dann eines Tages wurde der alltägliche Trott unterbrochen. Da waren Stimmen – römische Stimmen, die zu seinem Geist vordrangen. Neben dem Wachsoldaten, dessen Fackel die Zelle für einen kurzen Augenblick aufhellte, waren noch zwei andere Soldaten, die sich offensichtlich eine Übersicht über die Gefangenen verschafften. Was hatte das zu bedeuten? Arwid sah kurz auf, doch der Schein der Fackel blendete ihn. Als er seine Hand schützend vor seine Augen hielt, war das Rascheln seiner Ketten zu hören. „R a u s!“, versuchten seine Lippen zu formen. Seine Stimme klang rau. Dann versuchte er es nochmals, diesmal etwas kraftvoller. „Lasst mich hier raus!“