Beiträge von Arwid

    Geduldig beobachtete der Germane, wie einer der Soldaten ihre Waffen vom Wagen nahm und ein anderer akribisch genau alles auf einer Tabula vermerkte. Bürohengste, dachte er verächtlich bei sich und nahm die kleine Tonscheibe entgegen. "Alles klar! Danke." Er verstaute sie ordentlich in seinem Geldbeutel, damit sie nicht verloren ging.


    Die beiden Männer hinten auf dem Wagen hatten sich die ganze Zeit recht ruhig verhalten. Sie hatten kooperiert, damit es keinen Ärger gab. "Aha, an der Via Borbetomaga. Gut zu wissen!", entgegnete Othmar mit seinem stark germanischen Akzent. "Dann werden wir uns gleich morgen dort melden. Heute aber müssen wir ihm noch behilflich sein, weil er uns auf seinem Wagen mitgenommen hat"
    Dabei deutete er auf Arwid.


    Nachdem dann endlich alles erledigt war, begann Arwid damit, die beiden Ochsen anzutreiben, so dass sich der Wagen in Bewegung setzte und das Stadttor passieren konnte.
    Von dort aus folgten sie einfach den anderen Fuhrwerken der Händler, die eigens für den Markttag in die Stadt gekommen waren.


    Arwid nahm es ohne Widerspruch hin, als man ihn und die anderen vom Wagen herunterkomplimentierte. „Vi bör alla gå ner från vagn,“ *übersetzte er zu seinen Gefährten. Dann sprang er vom Wagen und half Ygrid.„Kom igen, min kärlek. Var försiktig!“** Sie ergriff seine helfende Hand und stieg ebenfalls vom Wagen. Auch Othmar kletterte herunter.
    Die Legionäre begannen den Wagen zu filzen. Doch sie würden nichts außergewöhnliches finden. Der
    „Meine Frau versteht noch kein Latein. Sie stammt jenseits des Limes“, meinte er entschuldigend zur Torwache.
    Die Wache forderte ihn auf, alle Waffen abzugeben. Auch diesmal murrte Arwid nicht. Er nahm seinen Jagddolch aus der ledernen Scheide und überreichte sie dem Römer. Dann wies er seine Gefährten an, es ihm gleichzutun. „Ansonsten gibt es noch einen Speer ein altes Schwert und eine alte stumpfe Axt zum Holz hacken nicht. Die liegen alle hinten auf dem Wagen unter den Fellen! Was ist denn heute los, dass ihr so streng kontrolliert?“, erkundigte er sich.
    Schließlich fragte er noch nach den beiden Männern - Neidhart und Othmar. „Die beiden habe ich unterwegs aufgelesen. Sie haben mir gesagt, sie wollten sich bei der Ala einschreiben.“, entgegnete er ruhig. Ihm war nicht entgangen, dass der Kerl Ygrid so kritisch beäugte, was zweifellos an ihrer Kleidung liegen musste. „ Oh, meiner Frau ist ein kleines Missgeschick mit ihrer Kleidung passiert... als wir auf der Jagd waren. Du weißt ja, wie Frauen so sind. In der Beziehung sind sie alle gleich. Mit ihrem löchrigen Fetzen wollte sie nicht nach Mogontiacum reisen. Da hab ich ihr eben gestern einen Neuen besorgt. Sieh her, der ist noch ganz neu! “
    Er hatte kaum seinen Satz beendet, als diese schreiende junge blonde Frau angerannt kam und die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. Arwid sah dem Treiben ruhig zu, und wartete geduldig ab, bis man ihn und die drei anderen endlich durchließ.


    * Wir müssen alle vom Wagen runter
    ** Komm, meine Liebs! Sei vorsichtig!

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    Ihr Wagen näherte sich dem Stadttor. Vorne auf saßen Arwid und Ygrid, die ihre Hosen gegen eine hübsche römische Tunika getauscht hatte. Hinten auf der Ladefläche fanden die beiden Männer Platz, die sie unterwegs aufgelesen hatten. Um den Schein zu wahren, sie seien Händler, hatten ihr Wagen auch einige Felle von erjagten Tieren und zwei Fässer Met geladen, deren Inhalt allerdings nur noch aus Wasser des Rhenus bestand, da sie den Met längst selbst getrunken hatten.
    Vor der Stadtwache brachte Arwid schließlich den Wagen zum stehen. "Salve!", grüßte er den Mann. Ygrid, seine Begleiterin verhielt sich ruhig, da sie der Sprache der Römer nicht mächtig war.

    Die beiden Männer, Neidhart und Othmar, die sich zu ihnen gesellt hatten, gefielen Arwid. Da war einmal dieser temperamentvolle und kühne Charakter des Jüngeren und zum anderen die ruhige und besonnene Art des Älteren. Eine gute Mischung, wie er fand. Auch war ihnen des Öfteren das Jagdglück hold, so dass sie immer gut versorgt waren. Wenn die vier dann abends beisammensaßen, versuchte Arwid ein wenig die Gesinnung der beiden Männer abzutasten. Bei dem Jungen hatte er recht schnell gemerkt, dass er ein freiheitsliebender Heißsporn war. Bei dem Älteren war er sich lange nicht sicher gewesen. Er schien ein Mann zu sein, der am liebsten dem Ärger aus dem Weg ging und nur seine Ruhe haben wollte. Allerdings, so hatte er das Gefühl, verbarg Othmar etwas vor ihm und Ygrid und womöglich auch vor Neidhart. Doch eines Abends, als der letzte Rest Met, seine Zunge gelockert hatte, begann sich Othmar ihnen zu öffnen und sprach von dem, was seiner Familie und ihm vor Jahren wiederfahren war. Daran konnte Arwid anknüpfen, was er dann auch tat, um die beiden ungleichen Männer davon zu überzeugen, sich seiner Sache anzuschließen…


    Endlich, nach einigen Tagen hatten sie ihr erstes Ziel erreicht. Vor ihnen lag Mogonticacum. Ihr Wagen steuerte direkt auf das Tor zu. "Ja, lass uns dort etwas umschauen," antwortete Othmar seinem Gefährten. Ähnliche Pläne verfolgten auch Arwid und Ygrid...


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    Othmar


    Othmar war schon etwas enttäusch. Doch dies war nicht die erste Nacht, die er hungrig verbringen würde. Wenigstens hatte er ja den Aufguss, den er dann doch genoss und sich an seiner Wärme ergötzte. „Ah, das tut gut!“, meinte er lächelnd.
    Irgendwie wurde er aus den Worten des Jungen nicht so richtig schlau. Nun ja, vielleicht hatte er ja etwas ausgefressen, oder er war schlicht und ergreifend ein Tagedieb, der nirgends lange blieb und von dem lebte, was er gerade vorfand. Er behielt da lieber seine Meinung für sich. Als Neidhart schließlich wissen wollte, weswegen es ihn nicht zum Militär zog, versuchte er zunächst, um den heißen Brei herumzureden. „Ach, das ist eine lange Geschichte. Weißt du, ich bin nicht immer umhergewandert, von Dorf zu Dorf, um mich hier und da zu verdingen. Einst hatte ich eine Familie. Eine hübsche Frau und drei brave Kindern. Eines Tages, ich war auf der Jagd und meine Frau war mit den Kindern allein zu Haus, wurde mein Dorf von Soldaten heimgesucht. Als ich am nächsten Tag zurückkam, waren entweder alle tot oder verschwunden. Da weder meine Frau noch meine Kinder unter den Toten waren, nehme ich an, dass sie verschleppt wurden.“ Mehr wollte er dazu nicht mehr sagen. Es war eh ein Wunder gewesen, dass Othmar ihm seine Geschichte erzählt hatte.
    „Abgemacht!“, erwiderte er, als Neidhart auf sein Angebot eingegangen war, gemeinsam nach Mogontiacum zu reisen. Eines musste man dem Jungen lassen, sein Plan klang plausibel. Also machten sich beide auf. Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen. Irgendwann, als es bereits schon sehr spät war, fanden sie endlich die besagte Straße. Tatsächlich trafen sie sie am nächsten Tag ein Fuhrwerk das sie zumindest ein Stück weit mitnehmen, doch Mogontiacum war noch tagelang entfernt. Jedoch ein bis zwei Tagesritte vor Mogontiacum trafen sie erneut auf einen von Ochsen gezogen Wagen, auf dem ein blonder Mann und eine rothaarige junge Frau saßen, die die beiden mitnahmen…

    Nachdenklich saß er am Feuer bei seinen Gefährten und hörte ihnen weiter zu, worüber sie sprachen. Arwid selbst hielt sich weitgehendst zurück, bis… ja bis Ygrid mit dem Gefangenen auf der Bildfläche auftauchte. Seit dem ersten Abend, als sie und ihr Bruder an sein Feuer gekommen waren, hatte er für das Mädchen etwas empfunden. Und auch jetzt fand er sie mehr als beeindruckend. Denn eines musste man der Kleinen lassen, sie hatte ordentlich Schneid! Das gefiel Arwid! Ihr Einwand brachte ihn auf eine Idee, die er bisher so noch gar nicht bedacht hatte. Doch zunächst schwieg er. Er beobachtete sie weiter, wie sie sich mit Gunnar stritt und wie sich schließlich Einar einmischte und den Römer opferte. „Mögen die Götter uns beistehen, bei allem, was wir tun werden!“, murmelte er zu sich selbst, als das Blut des sterbenden Römers auf die Erde tropfte. Er verweilte noch etwas am Feuer, dann zog er sich zurück, jedoch nicht ohne Ygrid ein Zeichen zu geben, auf dass sie ihm folgen sollten. Sie hatte ihn so beeindruckt, so dass er sie direkt in seine Pläne mit aufgenommen hatte. Sie besaß die nötige Kaltblütigkeit und Mut.


    ***


    Am nächsten Tag verließ die Horde ihren Lagerplatz. Zurück blieb der tote Römer, dessen ausgebluteter Leichnam sie nackt an einen Baum gehängt hatten. Sie ritten dem Limes entgegen. An einer der Grenzübergänge wollten sie hinüber ins besetzte Gebiet. Doch als der Grenzwall bereits fast in Sichtweite war, stoppte Arwid plötzlich. Seine Gefährten wunderten sich, doch er beschwichtigte sie und mahnte sie zur Geduld. Stundenlang rasteten sie, bis bereits die Dunkelheit einbrach. Dann stürmten sie los. Ihr Ziel war der Grenzposten, den sie überrannten und alle Soldaten, die sich dort aufhielten massakrierten, bevor einer von ihnen Alarm schlagen konnte. Die Toten entledigte man ihrer Waffen und nagelte ihre Körper an die Außenwände ihres Wachturms, dann passierten sie die Grenze.
    Nahezu lautlos du unauffällig schlichen sie sich an dem Kastell vorbei, welches sich hinter dem Grenzwall befand. Dann trennte sich die Horde. Ein Teil ritt weiter nach Süden in Richtung Moenus. Ein anderer Teil Ritt in Richtung Mogontiacum. Arwid und Yirid hatten den Wagen des römischen Händlers bestiegen und machten sich ebenso nach Mogontiacum auf. Spätestens in drei Wochen wollten sie sich südlich von Mogontiacum wieder treffen, um ihr gemeinsames Werk fortzusetzen...

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    Othmar


    Offenbar hatte Othmar da ein heikles Thema angeschnitten. Besser er fragte nicht weiter nach. Schließlich ging ihn das ja auch nichts an. Er kannte Neidhart ja überhaupt nicht und womöglich würden sich die Wege der beiden auch nie wieder kreuzen, wenn sie erst einmal auseinander gingen.
    „Othmar, mein Name lautet Othmar,“ wiederholte er sich noch einmal, als er sich aufmachte, noch mehr Holz zu suchen. Später hatten die beiden es „fast“ gemütlich, dachte sich Othmar. Neidhart hatte doch tatsächlich ein Topf dabei gehabt, der nun mit Wasser gefüllt war. Außerdem hatte er auch eine interessante Konstruktion über das Feuer gebaut. „Gibt es auch etwas für in den Topf,“ erkundigte sich Othmar, denn er war schon ein bisschen hungrig. Die Leute aus dem letzten Drf, in dem er gewesen war, hatten ihm etwas Proviant mitgegeben. Doch der war längst aufgebraucht. Den ganzen Tag über hatte er sich von den Früchten des Waldes ernährt. Die Ausbeute allerdings war sehr spärlich gewesen.


    Die Wärme des Feuers tat ihm gut. Seine Kleidung war klamm. Nicht gerade angenehm auf der Haut. Othmar hatte seinen nassen Umhang ausgezogen und hoffte nun, die Wärme des Feuers könnte ihn bis zum nächsten Tag etwas trocknen. Er sah zu Neidhart hinüber und musste zugeben, dass seine Kleidung nicht mehr die beste war. „Du willst nach Mogontiacum? Um dort der Ala beizutreten? Oder verstehe ich dich gerade falsch?“ Wahrscheinlich, denn Othmar vermutete, sein neuer Freund hatte es eher auf Ärger abgesehen, statt Karriere bei der Ala zu machen.
    „Nun ja, zum Militär zieht es mir nicht wirklich. Ich verabscheue das Militär! Damit habe ich sehr schlechte Erfahrungen gemacht!“Sehr schlechte, um es genau zu sagen. Denn römische Soldaten waren Schuld an seinem Schicksal. Doch darüber wollte Othmar nicht reden. Er hatte schon eine Ewigkeit nicht mehr drüber gesprochen und das sollte sich auch heute nicht ändern.
    Während Othmar sprach, hatte Neidhart etwas aus seinem Beutel geholt und es zum siedenden Wasser im Topf geworfen. Othmar erkannte den Geruch sofort! Kamille! Offenbar fiel das Abendessen heute flach. Na wenigsten hatten sie etwas warmes im Bauch, wenn sie den heißen Aufguss tranken.
    „Mhm,“ brummte Othmar. „Na, vielleicht hast du recht. Vielleicht sollten wir gemeinsam nach Mogontiacum wandern. Wie wär’s mit uns beiden?“

    Endlich kamen die beiden zur Besinnung. Arwid bot schließlich auch Ygrid einen Platz an seinem Feuer an. Bis in die tiefe Nacht hinein saßen die vier dort noch und sprachen miteinander, so dass sie sich näherkennenlernen konnten. Dabei erklärte Arwid den dreien seinen Plan und sie überlegten, was sie nun als nächstes tun wollten.


    ***


    Am nächsten Tag zogen die vier weiter, von einem Dorf zum nächsten Dorf und von Gehöft zu Gehöft. Überall wo sie ankamen, versuchte Arwid die Dorfbewohner zu überzeugen. Nicht überall war er willkommen, doch mit der Zeit wuchs die Zahl seiner Gefährten an. Mit dem Ruf„Tot allen Römern!“ oder „Befreit die germanischen Sklaven aus der römischen Tyrannei!“, konnte er immer wieder neue Männer und auch einige Frauen für sich gewinnen. Schließlich hatte er nach einigen Wochen knapp 30 Gefährten um sich gesammelt - Arwids Horde.



    Wie jeden Abend saßen sie alle beisammen an einem großen Feuer. Die Jagd am Tag war erfolgreich gewesen und so gab es für jeden reichlich zu Essen. Wildschweinbraten stand heute auf der Speisekarte. Dazu tranken sie Met und Bier, welches sie einem beleibten römischen Händler abgenommen hatten, der Tauschgeschäfte mit den germanischen Stämmen jenseits der Grenze trieb. Den Händler selbst hatten sie am Leben gelassen. Ihn hatte man geknebelt an den Stamm eines Baumes gebunden. Seinen von zwei Ochsen gezogenen Wagen hatten sie gut gebrauchen können. Neben dem Bier und dem Met hatte er noch einige anderen Waren geladen. Zum Beispiel einige Frauentuniken für aus feinen römischen Stoffen und einige Tiegel mit wohlriechendem Balsam darin.


    „Wir sollten endlich rüber auf die andere Seite! Ich habe es langsam satt, ständig nur hin und her zu reiten. Ich hätte jetzt richtig Lust, endlich ein Paar verdammte Römer aufzuknüpfen und ihnen den Schädel einzuschlagen!“, brummte Gunnar, ein Mann mittleren Alters, der sich Arwid einige Wochen zuvor angeschlossen hatte. Einige der anderen Männer dachten ähnlich, wie Gunnar. Sie alle hatten ihre persönlichen Gründe, warum sie hier waren.
    „Dann kannst du ja gleich mit dem fetten Schwein dahinten anfangen!“, lachte Thorbrand und wies zu dem gefesselten Händler. Das wollte sich Gunnar nicht zweimal sagen lassen und wollte bereits aufstehen. Jedoch hielt er inne, als sich Arwid zu Wort meldete. „Nichts überstürzen, Freunde! Wir sollten unsere nächsten Schritte gut überlegen und nicht kopflos handeln! Sonst haben wir nämlich gleich ihre verdammte Legion am Hals! Wenn wir den Limes überqueren, dann muss das unauffällig geschehen, erst wenn wir dann im Hinterland angekommen sind, können wir zuschlagen.“ Arwids Einwand fand unter seinen Männern Zustimmung, schließlich kannte er sich auf der anderen Seite aus.

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    Othmar


    „Zurück, wohin?“, erkundigte sich Othmar, wobei er diesen Mann immer noch für reichlich seltsam hielt. Aber offenbar war er bereits auf der anderen gewesen und wusste, wie es dort war. Othmar hatte immer nur Geschichten gehört, dass es dort drüben viel besser wäre. Dass die Leute dort von silbernen Tellern aßen und aus goldenen Kelchen tranken. Nun ja, er war sich nicht ganz sicher, ob er solchen Geschichten Glauben schenken sollte. Dennoch war er sich gewiss, dass dort drüben auf der anderen Seite des Rhenus seine Zukunft lag. Doch zunächst war es erst einmal wichtig, ein trockenes Plätzchen für die Nacht zu finden.


    Othmar sah in die Richtung, in die der Fremde deutete. „Mhh, das sollten wir versuchen,“ brummte er. Der Fremde ging voran, Othmar folgte ihm und hörte ihm zu, als er von hohen Bergen und düsteren Wäldern zu sprechen begann. Der Regen begann nun unerbittlich auf sie her niederzuprasseln. Aber dort vor ihnen war der Hohlweg, von dem Neidhart gesprochen hatte. Und bald darauf kamen sie zu dem Überhang, der ihnen wenigstens Schutz vor dem Regen bot.
    Othmars Umhang war ganz nass geworden. Ein Feuer wäre jetzt nicht schlecht gewesen. Doch das musste warten, bis der Regen vorbei war.
    „Das hätten wir geschafft! Freut mich dich kennenzulernen, Neidhart Schlitzohr,“ antwortete Othmar grinsend. Er war froh über die Gesellschaft, die er nun hatte, denn die Einsamkeit auf seiner Wanderung konnte manchmal auch sehr erdrückend sein.


    Schließlich ließ der Regen nach und kurze Zeit später trat Othmar hinaus, um etwas Reisig und Holz zu sammeln. Dann kehrte er zu dem Überhang zurück und versuchte ein Feuer zu machen, was angesichts des feuchten Holzes nicht ganz einfach gewesen war. Doch irgendwann hatte er Gluck und ein kleines Flämmchen begann sich zu entzünden. Das Feuerchen war zwar eine sehr rauchige Angelegenheit, doch zumindest wärmte es die beiden Männer.
    „Wo willst du als nächstes hin, Neidhart? Hast du irgendein bestimmtes Ziel?“, fragte Othmar, um ihr Gespräch wieder zu beleben.

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    Othmar


    Mit einem Seufzer ging Othmar in die Hocke. Für einen kurzen Moment wollte er sich erholen. Den ganzen Tag war er schon auf den Beinen. Der Geruch des Fleisches drang an ihn heran. Ohne dass er es beabsichtigt hätte, lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Aber natürlich würde er dem jungen Mann nicht bitten, ihm etwas abzugeben.
    „Mhh, doch noch so weit“, antwortete Othmar mehr zu sich selbst und rieb sich seinen Stoppelbart. Doch der Junge hatte recht, ein Unterschlupf für die Nacht war unabdingbar, denn wie es schien, sollte es nicht bei dem einen Regentropfen bleiben.„Ja, das sollte ich wohl tun,“ meinte er lächelnd. „Und was ist mit dir? Hast du ein trockenes Plätzchen für die Nacht?“ Der junge Mann war aufgespritzt und schien etwas kopflos zu sein. Offenbar fürchtete er den Regen, weil er vielleicht das Leben unter freiem Himmel nicht gewohnt war. „Das letzte Dorf in dem ich war ist etwa zwei Tage von hier entfernt,“
    antwortete er immer noch lächelnd. Dann zog er seinen Umhang über, weil es nun doch etwas ungemütlich wurde. „Aber wenn du willst, können wir uns gemeinsam nach einem Unterschlupf umsehen, bevor uns der Himmel auf den Kopf fällt.“ Die Frage des jungen Mannes kam ihm etwas seltsam vor. Was wollte man schon in Confluentes, wenn man auf dieser Seites des Rhenus war? „In Confluentes möchte ich über den Rhenus und dann im besetzten Germanien mein Glück versuchen, denn hier gibt es nichts, was mich noch hält. Und wohin führt dich dein Weg, Fremder? Im Übrigen, mein Name lautet Othmar.“

    Für einen Moment hatte Arwid den Atem angehalten. Wieder war da dieses Geräusch gewesen. Sofort griff er wieder nach seinem Doch. Als dann ein weiterer Mann zu ihnen ans Feuer trat, den Thorbrand kannte und der auch ihm bekannt vorkam, ließ er seine Waffe wieder sinken. Dieser Mann war auch in der Halle gewesen. Aber auch er hatte geschwiegen. Er nickte ihm zu, noch immer konnte er seine Spannung in seinem Körper wahrnehmen. „Du bist also Einar. Setzt dich zu uns, Einar!“ Mit einer einladenden Geste bedeutete er ihm, sich zu setzen.
    „Nun, ich denke, man kann immer eine helfende Hand gebrauchen. Ich habe vor, noch weitere Dörfer zu besuchen. Vielleicht sind sie anderswo einsichtiger, als in eurem Dorf.“
    Kaum hatte Arwid zu Ende gesprochen, da knackte es schon wieder. Diesmal stand er sofort auf und schritt in die Richtung aus der das Geräusch kam. Plötzlich stand dann dieses Mädchen vor ihm, das scheinbar völlig beschwingt die kleine Männerrunde begrüßte. Zuerst Thorbrand dann dieser Einar und kurze Zeit später dann noch dieses Mädchen auf - hier musste irgendwo ein Nest sein! Arwid hatte sich die Frage nach ihrem Namen sparen können, denn ganz offensichtlich gehörte sie zu Einar. Der war gar nicht erpicht darauf, sie hier zu sehen.
    Der junge Germane hörte den Schlagabtausch der beiden eine Weile zu. Schließlich wurde es ihm zu bunt! „Hört auf zu streiten!“Er besaß sich das Mädchen, das offenbar mutig genug gewesen war, um mitten in der Nacht ihrem Bruder zu folgen.
    „Wenn sie schon mal hier ist, könnte sie doch auch mir uns kommen. Kannst du kämpfen, Mädchen?“ Er wollte Einar nicht vorgreifen, schließlich war Ygrid seine Schwester.

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    Othmar


    Ein Liedchen pfeifend, schritt Othmar voran. Nicht mehr weit bis Confluentes! Das sagte er sich immer wieder vor. Da wollte er hin. Er roch es bereits, dass er den Fluten des großen Stromes, der das freie Germanien vom besetzten teilte. In Confluentes hatten die Römer eine Brücke gebaut. Dort wollte er den Rhenus überqueren und sein Glück im besetzten Germanien versuchen. Von dort aus wollte er dann gen Süden ziehen. Denn irgendwo dort drüben lag seine Zukunft. Hier gab es nichts mehr, was ihn hätte halten können. Er hatte alles verloren. Seine Frau, seine kleine Tochter, ihre gemeinsame Hütte, einfach alles! Anfangs war er ziellos durch die Lande gewandert. Hatte sich hie und da nützlich gemacht, doch eine neue Heimat hatte er nirgends gefunden.
    Der Wanderer richtete seinen Blick besorgt gen Himmel. War das eben ein Regentropfen auf seiner Wange gewesen? Er war ja Wind und Wetter gewohnt. Allerdings war es schon spät am Tag und es wäre sicher hilfreich gewesen, noch trockenen Fußes nach einem Unterschlupf für die Nacht suchen zu können.
    Der Fluss kam schließlich in Sicht, seine Schritte wurden größer. Wenn er es wenigsten in eines der nahegelegenen Dörfer schaffen könnte. Aber halt, was war das?! Dort vorne saß jemand am Ufer und schob sich etwas Essen in den Mund. Er näherte sich dem jungen Mann, blieb stehen und hob seine Hand zum Gruß. „Heilsa, Fremder! Sag mir, ist es noch weit bis Confluentes?“

    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ritt der junge Germane aus dem Dorf hinaus in die Nacht. Im Licht des Vollmonds suchte er sich seinen Weg. Dies würde eine lange unbequeme Nacht werden. Doch noch war er wach und aufmerksam. Die kalte Luft tat ihr Übriges. Für eine gewisse Zeit würde sie ihn davor bewahren, müde zu werden und einfach einzuschlafen.


    Wenigstens aber die Götter schienen ihm wohlgesonnen zu sein, denn nach einiger Zeit erreichte er eine kleine Lichtung, die wie für ein Nachtlager gemacht war. Er zog die Zügel seines Pferdes an und stieg ab. Notdürftig sammelte er etwas Holz und Reisig, um ein kleines Feuer machen zu können.
    Zusammengekauert saß er schließlich an seinem Feuer und wärmte sich. Dabei reflektierte er noch einmal die Geschehnisse der letzten Tage. Die Entspannung nach dem nächtlichen Ritt sorgte dafür, dass sich die Müdigkeit wie ein feindlicher Krieger an ihn heranschlich und sich seiner habhaft wurde, seine Augen wurden schwer und fielen ihm schließlich zu. Jedoch war sein Schlaf nicht richtig tief. Das hatte er in all den Jahren gelernt. Ständig auf der Hut zu sein. Niemandem zu vertrauen.
    Ein Knacken ließ ihn sofort wieder hell wach werden, er verharrte aber weiter in seiner zusammengesunkenen Haltung. Von weitem drang das Schnauben eines Pferdes heran und ein leises Nähern von Schritten, welches von weiterem Knacken des Unterholzes begleitet wurde. Arwid griff suchend nach seinem Dolch, um bereit zu sein, wenn dieser ungebetene Gast sich noch näher an ihn heranwagen sollte. Inzwischen konnte er den Kerl ausmachen. Es war einer vom Dorf. Er hatte den Mann mit dem markanten Bart in der Halle gesehen. Arwid fragte sich, was er hier wollte. Hatte man ihn geschickt, um ihn unschädlich zu machen? Jedoch wollte er nicht so lange warten, bis er es selbst herausfand. Als nur noch wenige Schritte die beiden Männer voneinander trennte, sprang er mit einem Satz auf, bereit seinem Dolch in Richtung des Fremden zu werfen.


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    Der Fremde blieb abrupt stehen. „Halt, nicht! Ich will dir nichts Böses! Ich bin hier um mich dir anzuschließen“
    Arwid verharrte zunächst in seiner Haltung, um bereit zu sein. „Ach ja? Und warum hast du dich dann nicht in der Halle zu Wort gemeldet? Warst du etwa zu feige dazu?“ Der Fremde trat noch etwas näher, hielt aber seine Hände vom Körper weg, damit er Arwid nicht weiter provozierte.
    „Weil ich mit meiner Meinung leider ziemlich alleine stehe in unserem Dorf. Es gibt vielleicht noch zwei oder drei Männer die diesem aufgezwungen Frieden nichts abgewinnen können. Als du heute deine Stimme erhoben und uns deine Narben gezeigt hast, wusste ich sofort, dass ich mich dir anschließen muss!“
    Arwid ließ langsam seinen Dolch sinken und bedeutete dem Fremden mit einer Geste sich zu setzen. „Wie ist eigentlich dein Name? Und was erwartest du dir von mir?“
    „Ich heiße Thorbrand. Was ich mir von dir erwarte? Nun, wie ich schon sagte, ich halte nicht viel von dem Frieden mit Rom. Meine Schwester, sie wurde entführt und wahrscheinlich hat man sie versklavt.“ Thorbrand hatte Mühe die Fassung zu wahren. „Ich weiß, dass die Chancen mehr als gering sind, sie wieder zu finden, doch…“ Ein Knacken im Unterholz ließ Thorbrand stocken. Auch Arwid hatte das Geräusch gehört und war aufgespritzt. War ihm etwa noch jemand gefolgt?

    Arwid, dessen Sippe ausgelöscht war und der sich keinem Stamm mehr zugehörig fühlte, weil man ihn aus seinem einstigen Leben gewaltsam herausgerissen hatte, ritt rastlos getrieben und scheinbar ziellos weiter. Unterwegs lebte er von dem, was er sich erjagen konnte. Wie gut, dass sein Vater damals noch die Möglichkeit gehabt hatte, ihn darin zu unterweisen. Die Abende und Nächte verbrachte er am Lagerfeuer, stets auf der Hut vor Wölfen und Bären, aber auch vor denen, die ihm nicht wohlgesonnen waren. Die Schatten seines vergangenen Lebens als Sklave und Gladiator suchten ihn des Nachts in seinen Träumen heim. Jede Nacht kämpfte er denselben Kampf, immer und immer wieder!


    Wenn er in ein Dorf kam, das ihn willkommen hieß, blieb er meist ein zwei Tage, bevor er weiterzog. So auch drei Tage später, nachdem er Tyr geopfert und für immer dem Platz seiner Geburt den Rücken gekehrt hatte. Am Abend genoss er dort die Gesellschaft der Männer, mit denen er zusammensaß und Met trank, so konnte er der Stille der Wildnis für kurze Zeit entkommen. Genauso hatte es auch sein Vater und die beiden älteren Brüder gemacht, die damals beide schon zu Männern herangereift gewesen waren. Immer wenn er für einen kurzen Augenblick in Gedanken versank, glaubte er, sie für einen haudünnen Moment in der Runde sitzen zu sehen. Ob der Honigwein ihn bereits berauschte? Nein, Arwid ließ sich nicht täuschen. Er wusste, dass er sie in dieser Welt nicht mehr sehen würde. Sie warteten in Walhalla auf ihn. Dort würden sie eines Tages wieder vereint sein. Dies milderte ein wenig seine Melancholie, so dass er sich wieder auf das Gespräch der Männer konzentrieren konnte. Die Alten sprachen gerade davon, wie gut es ihnen doch ging, seitdem sie Frieden mit Rom geschlossen hatten. Arwid beobachtete die Runde. Sein Blick wanderte über jedes einzelne Gesicht der anwesenden Männer. In vielen spiegelte sich Zustimmung darüber, doch nicht in allen. Einige der Jüngeren schienen eine ganz andere Meinung zu haben. Doch offensichtlich hatte niemand von ihnen den Mut, dagegenzusprechen. Vielleicht war das nun seine Chance, Gleichgesinnte zu finden, die mit ihm gemeinsam für die gleiche Sache kämpfen wollten: Für die Freiheit aller Germanenstämme und für die Genugtuung aller, die mit Rom noch eine Rechnung offen hatten und auf Rache sannen.
    „Ihr wähnt euch also in Sicherheit, während ihr euch von dem Tand und den Almosen Roms, blenden lasst? Ihr habt noch nicht Roms wahres Gesicht gesehen!“ Der junge Germane hatte sich erhoben, als er zu sprechen begonnen hatte, streifte seine Tunika über den Kopf und bot den anwesenden Männern seinen nackten Rücken dar. „Seht her! Das ist das wahre Gesicht Roms! Seht, was sie aus euch und euren Frauen und Kindern machen, falls es euch einmal nach Freiheit dürsten sollte!“ Ein unterschwelliges Murmeln unter den Männern machte sich breit. Teils skeptische, teils erschütternde aber auch teils erboste Blicke trafen den jungen Germanen, der sie mit einem herausfordernden Blick taxierte.
    „Du bis Gast in dieser Halle, Fremder. Sag uns deinen Namen und was dir widerfahren ist, dass du so sprechen kannst!“ Einer der Alten war ebenfalls aufgestanden und hatte sich an Arwid gewandt.
    Arwids Blick bewegte sich zu dem Alten hin. „Mein Name ist Arwid, Hathumars Sohn. Einst gehörte ich zum Stamm der Tenkterer. Vor über zehn Jahren, ich selbst war damals noch ein Knabe, begehrten die Meinen auf gegen Rom, denn es hatte sie nach Freiheit gedürstet. Die Soldaten kamen in unser Dorf, unsere besten Männer fielen im Kampf oder wurden ans Kreuz genagelt, sie brannten alles nieder, vergewaltigten unsere Frauen und legten all die, derer sie habhaft werden konnten, in Ketten, um sie in ihr verdammtes Reich zu verschleppen, um sie dort als Sklaven zu verkaufen. Auch mich hatten sie zum Sklaven gemacht. Doch sie begangen den Fehler, mich in der Kriegskunst zu unterweisen, allein ihres Vergnügens wegen. Ich konnte fliehen. Nun stehe ich hier, um euch zu warnen und auf!“ Das Murmeln der Männer wurde lauter, sie begannen untereinander zu diskutieren bis sich der Alte mit einem lauten „RUHE!“ wieder Gehör verschaffte. „Wir haben mit den Deinen nichts zu schaffen! Uns geht es gut, wir profitieren vom Handel mit Rom. Es wäre besser, wenn du unser Dorf nun verlässt. Heute Nacht noch. SOFORT!“ Die Stimme des Alten war schärfer geworden und seine Gesten waren unmissverständlich, dass Arwid nun gehen sollte.
    „Ich beuge mich deinem Willen, alter Mann. Doch ihr anderen seid euch gewiss, ihr werdet den Tag erleben, an dem Rom euch sein wahres Gesicht offenbaren wird. Doch dann wird es zu spät sein!“ Mit diesen Worten wandte sich Arwid zum Ausgang und verließ die Halle. Hinter sich konnte er noch erahnen, wie seine Worte nun für laute Diskussionen zu sorgen begannen. Er begab sich direkt zu seinem Pferd, band es los und ritt davon. Was der junge Germane jedoch noch nicht wusste, war dass sich kurze Zeit später einige der jüngeren Männer es ihm gleichtaten, ebenfalls das Dorf verließen und ihn verfolgten.

    Hier war Arwid nun, an dem Ort, an dem sein Schicksal vor über zehn Jahren eine dramatische Wendung genommen hatte. Nicht mehr viel erinnerte daran, dass hier einst Menschen gelebt hatten. Die Natur hatte sich längst das wieder zurückgeholt, was man ihr einst abgerungen hatte. Lediglich einige wenige Grundmauern, versteckt zwischen Efeu und Gebüsch, ließ darauf schließen, dass es hier einst geschäftig zugegangen war. Männer, Frauen, Kinder, Familien – Leben. Doch dieses Leben war gewaltsam ausgelöscht worden. Die Häuser hatte man niedergebrannt und diejenigen, die nicht Gefallen oder hingerichtet worden waren, hatte man in Ketten gelegt und verschleppt.
    Arwid war noch ein Junge gewesen. Sein Vater und die beiden älteren Brüder waren im Kampf gefallen. Seine Schwester Alsuna hatte lieber den Tod gewählt, statt in die Sklaverei geführt zu werden. Hilflos hatte er mitansehen müssen, wie man seine Mutter geschändet und dann gemeuchelt hatte. Arwid hatte, bis man ihn entdeckt hatte, in seinem Versteck ausgeharrt. Unfähig sich zu rühren. Starr vor Entsetzen. Er hatte das Blut seiner Sippe in der Erde versickern sehen. Dies war ein heiliger Ort.


    Arwid stieg von seinem Pferd, welches er sich links des Limes gestohlen hatte. Anschließend hievte er eine verschnürte Gestalt vom Rücken seines Pferdes. Mit einem schmerzerfüllten Seufzer fiel der Gefesselte auf den weichen Moosboden. Zunächst ließ er den sich windenden Körper dort liegen, band sein Pferd an einem Baum fest und entledigte sich seiner Tunika. Ein muskulöser Körper, der mit etlichen vernarbten Wunden und Striemen versehen war, kam zum Vorschein.
    Der Germane packte seinen Gefangenen und stellte ihn auf die Füße. Dann zog er seinen Dolch. Der Gefesselte, ein junger Mann kaum älter als sein Entführer selbst, erzitterte, versuchte trotz des Knebels in seinem Mund ein paar bittende Worte zu formen, was ihm allerdings nicht gelang. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn in der Gewissheit gleich sterben zu müssen. Der Dolch jedoch drang nicht in das Fleisch des Gefangenen ein – noch nicht. Er befreite ihn lediglich von dem Strick, der ihn gebunden hatte. Er entfernte auch den Knebel aus dem Mund seines Gefangenen, was unweigerlich dazu führte, dass der Gefangene sofort damit begann, um sein Leben zu winseln. „Bitte Herr, lass mich gehen. Ich werde dich auch nicht verraten. Wenn du mich laufen lässt, dann wartet eine große Belohnung auf dich, ich…“ - „SCHWEIG!“, unterbrach der Germane ihn mit seiner donnernden Stimme. „Herr, nennst du mich also. Jetzt also bin ich dein Herr??“, schrie er und setzte ihm den Dolch an seine Kehle. „Bitte Herr,“ wimmerte der Gefangene, der nur noch der Schatten seiner selbst war. Die Augen des Germanen sprühten vor Hass und Verachtung. Er packte seinen Gefangenen im Nacken und schob ihn vor sich her, bis er an einem großen Baum, einer alten Eiche zum Stehen kam. „Knie nieder!“, befahl der Germane und schubste ihn nach vorne. Der Gefangene sank auf die Knie und hob noch einmal bittend sein Antlitz seinem Mörder entgegen.„Bitte Herr, mein Vater wird dich reich belohnen, wenn du mich nicht tötest!“ Arwid jedoch blieb hart. Nichts, rein gar nichts hätte ihn erweichen können. Er hatte alles ganz genau geplant, all die Jahre über und in seinem Plan hatte das Wörtchen ‚Gnade‘ keinen Platz gefunden. „Das Geld deines Vaters interessiert mich nicht, Römer!“, antwortete Arwid kalt. „Dein Blut für das meiner Sippe!“ Arwid hatte ihn beim Schopf gepackt und seinen Kopf nach hinten gezogen. Die Augen des jungen Mannes waren vor Schrecken geweitet. Noch ehe der junge Römer hätte ‚Nein‘ schreien können, schlitzte Arwids Dolch seine Kehle auf. Das warme Blut des jungen Mannes quoll aus der klaffenden Wunde. Ein letzter Atemzug entwich hörbar der Kehle, dann schwand zusehends das Leben aus dem Körper des Römers.„Sein Blut für euer Blut! Großer Tyr, nimm mein bescheidenes Opfer an und sei mir immer wohlgesonnen, bei dem, was kommen wird!“ Der junge Germane tunkte zwei Finger in das noch warme Blut und strich es in sein Gesicht und an seinen nackten Körper.
    Nachdem er den toten Körper seines Gefangenen entkleidet hatte, band er den Strick um seine Füße und hängte ihn kopfüber an einen festen Ast der Eiche. Dort ließ er ihn hängen. Dann zog er seine Tunika wieder über, band sein Pferd los und verließ diesen Ort für immer.
    Sein Hass und sein Verlangen nach Rache trieb Arwid weiter. Sie alle, die sich jenseits der Limes in Sicherheit wähnten, sollten dafür bezahlen, was man ihm, seiner Familie und seinem Volk angetan hatte! Er war auf dem Weg. Er würde bald bei ihnen sein!

    Heilsa!


    Ich möchte gerne mitspielen.


    Name: Arwid
    Stand: Peregrinus
    Wohnort: Germania Magna


    Dankeschön! :D