Das. War. Ungeheuerlich.
Aglaia tauschte einen reichlich verwirrten Blick mit der Kaiserin aus, als Vinicius Masse sich von der Feier verabschiedete, noch ehe sie überhaupt so richtig begonnen hatte. Das hier war der Legat der Provinz, der eingeladen hatte, und als Ehrengast war die Kaiserin Roms höchstselbst anwesend! Abgesehen davon hatte Aglaia mehrere Tage mit den Vorbereitungen hierfür verbracht, und alles, was dieser... dieser... Kulturbarbar mit römischem Namen dazu beitragen konnte, war eine Entschuldigung, er müsse zurück in sein dusseliges Lager? War Livianus nicht der Chef dieser Legion?
Oh, Vinicius Massa hatte sich gerade eben keine Freundin geschaffen, soviel war glasklar.
“Nun, dann muss ich wohl mit einem Massa vorlieb nehmen, anstelle derer zwei“, lächelte sie friedverheißend über diese Kuriosität hinweg.
So langsam trudelten dann doch Gäste ein. Da verspätete man sich schon vornehm um eine Stunde, um dann festzustellen, dass die Mogontiacer sich noch mehr verspäteten! Sollte Livianus weitere Festlichkeiten wünschen, würde Aglaia dies zukünftig berücksichtigen und die Einladungen wohl so aussprechen, dass der Beginn der Feier 'versehentlich' zwei Stunden vor Beginn der Feier ausgesprochen wurde.
Kurze Verunsicherung verspürte Aglaia bei der Vorstellung des Prudentiers. Glücklicherweise wurde der ohnehin nur der Augusta vorgestellt, so dass sie nicht in Verlegenheit kam, etwas erwidern zu müssen und sich aufs Lächeln beschränken konnte. Sie hatte nicht gewusst, dass Livianus viel Kontakt zu den Kindern aus erster Ehe seiner verstorbenen Frau gepflegt hatte. Erst recht nicht, dass dieser so eng war, dass Livianus ihn gar als Ziehsohn bezeichnete. Söhne verkomplizierten ihre Stellung im Allgemeinen, da machten Ziehsöhne sicherlich wenig Unterschied. Verwunderlich, dass Livianus nie wirklich davon gesprochen hatte, dass er den Jungen, der ihm offenbar nahe stand, hier wiedersehen würde. Noch so eine interessante Überraschung.
Irgendwann ließ sich dann auch einmal die eigentliche Führungsschicht Mogontiacums blicken. Zuerst der Procurator für die Provinz, ein bärtiger Zausel, der aber zumindest ein Mindestmaß an Manierlichkeit offenbarte. Trotzdem – dieser Bart! Aglaia würde ja selbst bei Livianus zu gerne das Barbiermesser anlegen, um ihn von seinen Stoppeln zu befreien. Aber hier im Norden schienen die Männer versessen darauf zu sein, ihr Gesicht auch im Sommer vor eventueller Winterkälte zu schützen. Da zupfte frau sich jedes einzelne, ungewollte Härchen am ganzen Körper aus, nur um am Ende des Tages einen Igel zu küssen! Wobei... nein Aglaia wollte lieber nicht näher darüber nachdenken, ob die Damen der Provinz sich regelmäßig die Haare zupfen ließen, oder nicht. Sie sollte aber schnellstens in Erfahrung bringen, ob es in der hiesigen Therme professionelle Haarausreißer gab, oder ob sie sich selbst darum würde kümmern müssen.
Zurück zum Procurator. Der stellte sich ihr gerade vor und lächelte sie an. Aglaia kannte diese Art der Männer, zu lächeln. Üblicherweise war dieses Lächeln ein erstes Anzeichen dafür, dass eine Hetäre das Interesse geweckt hatte und nun mit dem Spielen anfangen konnte, wenn sie wollte. Nur hatte Aglaia ja schon ihren Mäzen an ihrer Seite und nur mäßig Bedarf am Spiel. Wobei, ein wenig die Marktlage zu prüfen und die Preise zu checken war nie verkehrt. Doch nur gemäßigt.
“Aglaia“ antwortete sie also und hielt seinem Blick mit leichter Herausforderung in dem ihren Stand, während er einen überraschend korrekten Handkuss zustande brachte: Ohne Berührung, nur mit der Andeutung eines Kusses.
Natürlich wandte der Procurator sich anschließend auch an den großen Mann der Provinz. Aglaia wand ihren Körper mit seiner Bewegung mit Livianus zu. Eine geschickte, kleine Bewegung, die für einen kurzen Augenblick, kaum mehr als ein Blinzeln lang, den Blick auf ihr Bein bis hinauf zur Hüfte freigab, nur um ebenso schnell das weiche Fell wieder über die Haut gleiten zu lassen und alles sittsam vor Blicken zu verbergen. Völlig unschuldig lächelte Aglaia den Procurator von der Seite an, während sie sich einen Schritt näher an Livianus Seite begab, wie um zu zeigen, dass alles soeben gesehene dem Legaten unterstand.