Beiträge von Paulus von Myra
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Es tat gut nach so einer langen Zeit des Stillstands endlich wieder einer Spur folgen zu können. Ewig waren Paulus die Tage vorgekommen, wo er und Aristophanes darüber gebrütet gehabt hatten wie man zu Elpenor eines Gesprächs wegen vordringen könnte, doch nachdem dies ja jetzt geschafft war, konnten sie sich ganz auf ihr nächstes Ziel konzentrieren. Dies war jene Person zu finden, die am Anfang der ganzen Partei der Elpenianer gestanden hatte. Die Person Null, wenn man so wollte. Jene, die Elpenor zuerst ihre Ansichten über die Gleichheit, bzw. Ungleichheit Gottvaters und Gottsohns eingeflößt hatte. Was sie ja schon wussten war, dass es eine reiche Person sein musste, die sich die nötige Gelehrtenausbildung leisten konnte, damit man überhaupt erst zu solchen theologischen Ansichten kam, was den Kreis schon mal ein klein wenig einengte. Weiters musste diese Person irgendwie mit Elpenor in Kontakt stehen, oder gestanden haben, das war noch nicht so klar, da Paulus und Aristophanes ja auch noch nicht wussten, ob die gesuchte Person überhaupt noch lebte, oder schon längst verstorben war.
Paulus ruhte sich noch zwei Tage von den Strapazen seines kleinen Hungerstreiks auf Elpenors Türmatte aus und blieb im Bett, während der kleine Amphorenhändler seinen Geschäften nachging und nebenbei schon einmal mit ihrer neuen Aufgabe begann sich nach geeigneten Gestalten umzuhören die in Frage kämen. Erst am dritten Tag nach Paulus' Gespräch mit Elpenor, war er wieder stark genug, um auch selbst hinaus auf die Straße treten zu können und sich mit den Leuten auf der Agora, oder auch auf der Akropolis bezüglich Elpenor und dessen Bekanntenkreis zu unterhalten. So viel sich die beiden auch durchfrugen, so kannte leider niemand einen passenden Mann, oder eine passende Frau mit Nähe zur christlichen Athener Gemeinde. Doch ganz wirkungslos waren ihre Erkundigungen doch nicht. Kunde drang nämlich an Elpenors Ohr, dass sich Nikanors Störenfried, dieser Paulus von Myra, der auch ihn in seiner eigenen Heimstatt schon belästigt und heimgesucht hatte, in der ganzen Stadt nach ihm und seinen Freunden erkundete. Damit sah Elpenor eine rote Linie überschritten. Dieses Insekt musste von der Bildfläche verschwinden, ehe es Elpenors korrupte Verbindungen zur römischen Provinzverwaltung aufdeckte, für die er schon so viele Jahre Zwist und Zwitracht in die Athener Christengemeinde brachte, um sie klein und schwach zu halten. Und vor allem gespalten, das war auch noch ganz wichtig zu erwähnen. So waren diese staatsfeindlichen Fischverehrer keine Gefahr für die geistige Integrität von Athen.
Seinen Einfluss im Areopag nutzend konnte Elpenor bewirken, dass Paulus von Myra als christlicher Unruhestifter und Umstürzler gefangengenommen und hingerichtet wurde, als weithin sichtbares Exempel für die anderen Christen, dass sie ja schön in der Deckung blieben und nicht ihrerseits derlei Wiedervereinigungsexperimente wagten, wie Paulus dies getan hatte. Elpenor selbst hielt sich während der ganzen Aktion natürlich vollkommen bedeckt, immerhin musste er auch weiterhin unerkannt den Wolf zwischen den Schafen spielen, der dafür sorgte, dass die Athener den Imperator und die griechisch-römischen Götter ehrten und keinem gekreuzigten Irren aus Iudaea nachliefen, der einst einmal behauptet hatte vom jüdischen Gott abstammen zu wollen...
- ENDE -
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Nachdem lange Zeit Umnachtung Paulus' Sinne beherrscht hatte, war das erste das er fühlte, dass er in einem Bett lag. Er fühlte sich besser, viel besser sogar. Am liebsten würde er noch ewig so liegen bleiben wollen mit geschlossenen Augen.
Aristophanes, Amphorenhändler"War das gerade ein Brauenzucken? Bist du wach?" Paulus schlug die Augen auf und fuhr gleich daraufhin erschrocken mit dem Kopf weiter zurück in Richtung Bettstirnseite. Um zu prüfen, wie es um das Befinden seines Gastes bestellt war, hatte sich Aristophanes, der kleine Amphorenhändler, direkt über Paulus' Gesicht gebeugt gehabt. Als er seine schnelle Reaktion bemerkte grinste er. "Dein kleines Nickerchen hat dir wohl gut getan." Gähnend kratzte sich Paulus am Hinterkopf. "Wie lange habe ich geschlafen?"
"Och, so drei Tage werden es schon gewesen sein."
"Drei Tage?!"
Aristophanes lachte über Paulus' entsetzten Gesichtsausdruck. "Tja was erwartest du dir auch, wenn du Verrückter vier Tage lang ohne Essen, Trinken und Schlafen mitten auf der Straße sitzt? Irgendwann fordert der Körper eben seinen Tribut, hm." Das mochte wohl stimmen...
"Wie bin ich hierher gekommen? Das letzte woran ich mich erinnern kann ist, dass ich Elpenors Haus verlassen hatte. Doch über spätere Ereignisse weiß ich nichts mehr."
"Kein Wunder, weil es kein "später" gibt!"
"Wie meinst du?"
"Na wie schon? Zusammengebrochen bist du, du Esel. Keine zweihundert Schritt' bist du gekommen, ehe du das Straßenpflaster geküsst hast." Aristophanes kicherte in sich hinein.
"Oh... und wie bin ich trotzdem dann hierher gekommen?"
"Naja, ich hab hin und wieder nach dir gesehen während deines kleinen Sitzstreiks auf Elpenors Matte und an dem Tag, wo du endlich Einlass erhalten hattest, bin ich zufällig genau zu dem Zeitpunkt hinzugekommen, wo du sein Haus verlassen hast. Ich war noch zu weit weg, sonst hätte ich ja gerufen zur Begrüßung, aber als ich dabei war dich einzuholen, bist du plötzlich umgekippt. Mich wunderts ja nicht, was denkst du dir nur bei so einer Dummheit!" schalt er ihn nicht ganz Ernst.
"Eine schöne Bescherung hast du mir da eingebrockt, mein Freund, glaube mir! Schnell wie der Windgott Aiolos bin ich nachhause geflitzt und habe Tolmetes und Onos* vor den Karren gespannt, um dich mit meinem Wagen abzuholen mit dem ich normalerweise meine Amphoren zur Agora bringe."
"Mit wem?"
"Na Tolmetes und Onos! Meine beiden Ochsen! Sag bloß du kennst sie nicht?"
"Nein... woher auch? Bislang war ich noch nicht in deinem Stall."
Der kleine Amphorenhändler winkte ab.
"Wie auch immer. Du hast den Athener Bürgern jedenfalls einen hübschen Schreck eingejagt. Dachten du wärst tot und so und bei Zeus, du hättest es bestimmt irgendwie geschafft, wenn ich dich nicht gelassen hätte! Zusammen mit dem alten Valon habe ich dich auf meinen Wagen gehievt und dich aus der Menschentraube abtransportiert die sich mittlerweile um dich gebildet hatte. Hab gesagt ich würde dich zu deiner letzten Ruhestätte bringen hihihi."
Typisch Aristophanes, doch Paulus konnte es ihm nicht verdenken. Dafür war er umso mehr dankbar für seine Rettung.
"Was ist dann passiert? Ich finde übrigens ich habe viel weniger Durst, als ich verspüren sollte." wunderte er sich.
Aristophanes warf sich in die Brust. "Das hast du allein mir zu verdanken! Gleich danach habe ich einen ganzen Wasserschlauch in dich hineingeschüttet und die letzten drei Tage hast du jeweils einen halben Schlauch bekommen."
Wirklich? Aber dann müsste er ja auch...
Paulus schlug die Decke um, um den Bereich zwischen seinen Beinen zu untersuchen, doch dort war alles trocken und frisch. Musste ihn das zugeführte Wasser der letzten Tage nicht zwischenzeitlich auch wieder mal verlassen haben?
"Ich ahne was du dir gerade denkst, doch gewitzt wie ich bin habe ich auch daran gedacht!" Zur Unterstreichung seiner Worte hob er Paulus Unterkleider an, noch bevor dieser etwas dagegen machen konnte. Doch das offenbarte ihm, dass sein kleiner Paulus in einer Art Schafsblase steckte. Vermutlich zum Zweck, dass sie austretende Flüssigkeiten auffangen sollte. Die Schafsblase war leer, vermutlich hatte Aristophanes sie jedes Mal gewechselt, wenn sie voll war. Jedenfalls ein sehr irritierender Anblick, Paulus wusste nicht so recht, ob er Aristophanes dafür danken, oder ihn für die wiederholte Verletzung seiner Intimsphäre schimpfen sollte. Aber er hatte es ja nur gut gemeint, also Schwamm drüber. In diesem Moment machte sich Paulus' Magen durch ein mächtiges Knurren bemerkbar. Erst jetzt merkte er, dass er einen riesigen Hunger hatte und schon wieder durstig war. Er griff sich an den Bauch. "Hast du vielleicht etwas zu Essen da?" Aristophanes strahlte. "Aber selbstnatürlich! Komm nur mit ins Triklinion, es gibt heißen Puls mit Fleischstückchen und Käse!" Das klang lecker! Paulus beeilte sich aus dem Bett zu kommen, um den übermächtigen Hunger zu stillen, der ihn jetzt fest im Griff hatte. Glücklicherweise war der Kleine nicht auch noch auf die Idee gekommen ihn Zwangszuernähren, denn dann wäre noch ein wesentlich größerer Beutel für sein Hinterteil nötig geworden. Allein der Gedanke, dass... brr.Die ersten Bissen fühlten sich in seinem Mund wie der Himmel an. Mochte Puls auch eine ziehmlich bescheidene Speise sein, so gab es für Paulus im Moment nichts schöneres und besseres als diese kleine Schale mit Eintopf. Aristophanes hatte sich noch nicht mal setzen können, da war Paulus mit der ersten Schüssel auch schon wieder fertig und der kleine Mann konnte gleich die nächste Portion für ihn holen gehen, zusammen mit verdünntem Wein zum Nachspülen. Als sich Paulus dann auch über die nächste Schale hermachte, fragte ihn der Amphorenhändler: "Was hast du bei Elpenor erreicht? Irgendwas sachdienliches?"
"So in etwa, ja. Er berichtete mir von den Verfolgungen in deren Zuge der Bischof umgekommen war, außerdem erläuterte er mir etwas näher den Standpunkt seiner Leute." Diese Neuigkeiten schienen Aristophanes jetzt nicht gerade vom Stuhl zu reißen. Er wackelte mit dem Kopf und fragte: "Hm, ist das alles? Diese Dinge wusstest du ja auch schon vorher."
"Nicht ganz, aber sie sind auch nicht weiter von Belang. Ich habe jetzt eine neue Spur."
"So? Welche denn?"
"Nun, Nikanor erzählte mir ja, dass Elpenor damals als Erster und Lautester die Ernennung eines neuen Bischofs verhindert hat und dass er -trotz des demokratischen Systems seiner Teilgemeinde- in dieser quasi alleine fast das Sagen hat, richtig?"
"Richtig..."
"Also, beim Vortrag seiner Ansichten über die richtige Interpretation des Wesens Christi kam mir in den Sinn, dass Elpenor unmöglich alleine zu so einer tiefgehenden theologischen neuen Sichtweise wie die der Elpenianer gelangt sein konnte, bzw. sicher nicht der Erste war, der die Nichtgleichheit von Vater, Sohn und Heiliger Geist postuliert hat. Kannst du mir soweit folgen?"
"Ja schon, aber warum sollte das wichtig sein?"
Zwischen zwei Bissen schüttelte Paulus den Kopf. "Ich weiß es nicht, aber mein Gefühl sagt mir, dass wir in dieser Sache weiterkommen, wenn wir die Person finden, die innerhalb der Athener Gemeinde als erstes damals zu der Erkenntnis der Ungleichheit gelangt ist, ich muss mit dieser Person sprechen. Weißt du wer das sein könnte?" Es war deutlich zu sehen, dass hinter Aristophanes' Stirn die Zahnräder gerade mächtig am arbeiten waren, um den Sinn hinter Paulus' Vorhaben zu verstehen, doch so ganz schaffte er es wohl nicht. Als ihm dann die Frage nach der gesuchten Person gestellt wurde, schüttelte er nur den Kopf. "Nein, tut mir leid da kann ich dir nicht weiterhelfen. Außerdem wer sagt, dass diese Person überhaupt noch existiert? Sie könnte in den letzten zwanzig Jahren ja längst verstorben sein, wenn sie ihr Ende vielleicht nicht sogar schon während derselben Verfolgungen gefunden hatte wie Bischof Dionysios? Auch gut möglich, dass sie sogar noch länger schon verschieden ist, noch zu Lebzeiten des Bischofs. Hättest du doch nur am besten gleich Elpenor gefragt."
Paulus setzte den Weinkelch an und leerte ihn in einem Zug.
"Das habe ich, jedoch weigerte er sich vehemment dagegen mir irgendwelche Informationen zu geben. Vielleicht einfach nur aus Bosheit, oder auch, weil Elpenor bei dieser Geschichte noch mehr zu verbergen hat, als bloß den Namen dieses Mannes, oder dieser Frau. Fest steht, dass wir nach einer Person suchen, die Elpenor kennt, oder gekannt hat und fortgeschrittenere theologische Kenntnisse, bzw. eine Gelehrtenbildung besitzen müsste, denn ein einfacher Hirtensohn wird sich wohl kaum solch umfassende Interpretationen aus den Fingern ziehen. Vermutlich ist die gesuchte Person deswegen aus besseren Kreisen die sich so eine Bildung auch leisten könnten. Gebe es da wirklich niemanden der dir einfiele?"
Aristophanes' Gesichtsausdruck gab schon die Antwort, noch bevor er auch nur ein Wort herausgebracht hatte. "Tut mir leid, Fehlanzeige. Dass es jemand Reiches sein muss engt den Kreis der Verdächtigen natürlich ein, aber ich bin Amphorenhändler, kein Detektiv. Besser du fragst Nikanor einmal bei Gelegenheit, vielleicht kann ja er dir weiterhelfen. Natürlich tue auch ich mein Bestes und werde mich in den nächsten Tagen mit ein paar Leuten unterhalten."
"Danke, Aristophanes."
Jetzt nach diesem Festmahl fühlte sich Paulus wieder richtig gut und bereit sein kleines Rätselspiel fortzusetzen. So würde er also morgen den Ältesten Nikanor einen weiteren Besuch abstatten. Paulus war zuversichtlich, dass sie sich auf dem richtigen Weg befanden.Sim-Off: * "Tolmetes" & "Onos" = altgriech. ca. für "Dick" und "Doof"
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Hab ihm gleich damals eine PN geschrieben, jedoch hat er nie geantwortet...
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Hallo zusammen!
Einmal eine kurze Frage, gibt es hier einen Mitspieler oder Mitspielerin, der/die sich gut mit der stoischen Philosophie auskennt?
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Mittlerweile hatte Paulus ja schon so einiges herausgefunden durch die Gespräche mit dem Amphorenhändler Aristophanes, dem Ältesten Nikanor und jetzt mit Elpenor, einem Ältesten der Gegenseite der gespaltenen Athener Christengemeinde. Alle Informationen ergaben in kompilierter Weise ungefähr folgende Erzählung:
Nachdem der Apostel Paulus nach Athen gekommen war, um von der Botschaft Christi zu künden, hatten ihn viele Athener nicht Ernst genommen. Diejenigen, die ihm doch folgten waren die ersten Christen der Stadt, unter ihnen Dionysios Areopagita, der später auch Bischof geworden war und dieses Amt 44 Jahre inne gehabt hatte. Noch während seiner Lebenszeit mussten sich innerhalb der Gemeinde unterschiedliche Ansichten über das Wesen Christi herausgebildet haben, die in weiterer Folge vehemment diskutiert wurden. Als dann während einer Judenverfolgung unter Kaiser Domitian auch der Bischof zusammen mit seinem Priester Rusticus und seinem Diakon Eleutherius von den Römern umgebracht worden war, musste sich die Gemeinde in den Untergrund begeben. Als es dann wieder möglich war, sich um die eigenen Gemeinschaftsangelegenheiten zu kümmern, hatte Elpenor als erster sein Veto eingelegt gegen einen neuen Bischof, der die -seiner Meinung nach falsche- Ansicht vertrat, dass Gott-Vater und Gott-Sohn gleich wären. Es war Streit zwischen den beiden Lagern ausgebrochen, da die eine Seite nie den Kandidaten der jeweils anderen akzeptieren konnte. Es wurde debattiert, gestritten und diskutiert. Auch gab es Versuche zwei Bischöfe zu ernennen, einen für jedes Lager, doch laut Aristophanes' Worten hatte auch das zu nichts geführt. So also hatte die Gemeinde eine andere Art von Leitung finden müssen. Zur Verwaltung ihrer Angelegenheiten hatten beide Lager einige Älteste ernannt, die sich gemeinschaftlich als jeweilige Sprecher und als Ratsversammlung um die Angelegenheiten ihrer Teilgemeinde zu kümmern hatten und Gottesdienste feierten. Ein- oder zwei Mal im Monat gab es auch Zusammenkünfte der Ältesten beider Lager zu einem gemeinsamen großen Rat und dabei gelegentlich auch einen gemeinsamen Gottesdienst, bei dem jedoch vieles abgeändert werden musste und für beide Seiten ungewohnt war. Doch laut Nikanor gab es diese trotzdem, damit die Gemeinde wenigstens symbolisch geeint sein konnte. Wie Elpenor das sah wusste Paulus nicht, jedoch Nikanor hatte ihm gegenüber bereits unmissverständlich klar gemacht, dass eine endgültige Spaltung keinesfalls in Frage käme. Dieses demokratische System mit diversen Ältestenräten hatte sich in den letzten 20 Jahren bewährt und so hatten sich die beiden Teilgemeinden auf ihren jeweiligen Standpunkten eingemauert. Trotzdem sehnten sich die Athener Christen nach wie vor nach einer gemeinsamen Führung unter einem Bischof. Immerhin war dies ein Kerninhalt der Lehre des Heilands, dass die Menschen zusammenrücken und einander lieben sollten, was in Athen bereits seit zwei Jahrzehnten nicht mehr der Stand der Dinge war. Mit uneinsichtigen Leuten wie Elpenor jedoch, die durch ihren enormen Einfluss in ihrer Teilgemeinde diese quasi im Alleingang "regierten", gestaltete sich eine Einigung jedoch als schwierig bis unmöglich. Paulus hatte bemerkt, dass Nikanor vermutlich ähnlich einflussreich in seiner Teilgemeinde war wie Elpenor, doch hielt er Ersteren zumindest für etwas vernünftiger und kompromissbereiter.
Mal sehen was Elpenor noch zu erzählen hatte, doch auf Paulus' letzter Frage hin antwortete er nicht gleich. Stattdessen goss er sich Wein nach und leerte den Kelch in großen Schlucken, um sich ein weiteres Mal nachzufüllen. Paulus wartete geduldig ab. Dabei machte ihm seine körperliche Schwäche von seinem Sitzstreik immer mehr zu schaffen. Jede seiner Fasern schrie förmlich nach Essen und Trinken und einem weichen Nachtlager, aber noch war er hier nicht fertig. "Was geschah danach?" wiederholte Paulus seine Frage von vorhin, um den Griechen zu einer rascheren Antwort zu bewegen. Je schneller er mit diesem Gespräch fertig war, desto besser. Paulus sah teilweise schon schwarze Flecken in seinem Sichtfeld und ihm war schwindelig. Elpenor zuckte bloß mit den Achseln und antwortete:
Elpenor, Ältester"Was soll danach schon groß passiert sein... es begann die bis heute anhaltende Zeit der Sedisvakanz, aber ich schätze das sollte keine Neuigkeit für dich sein, andernfalls würdest du mich ja hier jetzt nicht belästigen, stimmts?"
Paulus nickte. "Jedenfalls gab es Zwist wer Dionysios' Nachfolger werden sollte, weil Nikanor und die anderen einfach nicht einsehen wollten, dass sie einer Irrlehre folgen. Christus lebte und starb als Mensch. Er kann nicht gleich dem Vater sein, da dies gegen Gottes erstes Gebot verstoßen würde, das da sagt: "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben." Bestimmt hast du schon einmal davon gehört." Wieder nickte Paulus. "Natürlich, welcher Christ kennt denn nicht die zehn Gebote die Moses vom Berg Sinai mitgebracht hatte? Aber sage mir Elpenor, wer sagt denn, dass Jesus ein zweiter Gott neben dem Vater wäre? Es heißt ja in der traditionellen Lehre, dass Vater und Sohn eins wären zusammen mit dem Heiligen Geist. Das ist die göttliche Dreifaltigkeit, oder auch Trinität, wenn du so willst. Gott-Vater, Gott-Sohn und der Heilige Geist bilden also eine Wesenseinheit in drei Personen, die zusammen Gott ist." Elpenor schnaubte. "Ich habe es mir schon gedacht, dass du ebenfalls diesen Unsinn glaubst." Paulus schürzte die Lippen. "Ich gebe bloß wieder, was die traditionelle Lehre ist." Auch wenn er sich zuhause in Myra vor dem heutigen Tag nie aktiv damit auseinandergesetzt hatte, so merkte Paulus doch, dass auch er an die Trinität glaubte. Dies war die vorherrschende Lehrmeinung, wieso sollte diese falsch sein und sich so viele weit klügere Menschen als er irren?
Nun schickte sich Elpenor an zum Gegenargument auszuholen: "Glaube ja nicht, dass das etwas neues wäre was du da von dir gibst, immerhin müssen wir uns das bereits seit Jahrzehnten von den anderen anhören und auch wir hatten einmal daran geglaubt, ehe wir unseren Fehler erkannten und der echten Wahrheit zu folgen begannen. Denn wenn der Vater und der Sohn zwei Personen sind, dann verstieße das gegen das erste Gebot wenn man annähme, dass Vater und Sohn vom gleichen Wesen seien, denn dann hätte man zwei Götter. Andererseits kann es sich aber auch nicht um eine Person handeln, denn das würde bedeuten, dass Gott Vater selbst in der Gestalt des Sohnes am Kreuz gelitten habe und das ist unmöglich und unvereinbar! Gott kann nicht gekreuzigt werden wie ein dahergelaufener Sklave!" Zugegeben, eine nicht ganz uneinleuchtende Sichtweise, doch Paulus hatte jetzt nicht die Zeit und Muse seine eigenen Ansichten über das Wesen Christi auf Elpenors Aussagen hin nochmals zu überprüfen. Damit würde er sich vielleicht später zuhause bei Aristophanes näher auseinandersetzen, jetzt jedoch interessierte ihn etwas anderes. Von wem hatte Elpenor eigentlich diese Lehrmeinung? Er hatte ja selbst gesagt, dass auch er früher an die Trinität geglaubt hatte und selbst hatte er sie bestimmt nicht erdacht, denn er wirkte in keiner Weise wie ein Gelehrter, oder ein Theologe. Eher wie ein typischer dekadenter Athener Politiker was er auch zweifellos sein musste, wenn er seinem Vater im Areopag nachgefolgt war."Eine diskutierenswerte Ansicht, Elpenor, interessant, aber verrate mir doch bitte, von wem hast du diese Offenbarung erhalten? Ich würde zu gerne mit dieser Person sprechen, die als erste von der Athener Gemeinde zu dieser Erkenntnis gelangt ist."
"Schön für dich, jedoch wird das nicht möglich sein." antwortete der Dicke etwas zu schnell. "So? Warum das denn?" Elpenor mahlte mit seinem Kiefer. Paulus hätte nur zu gern gewusst was jetzt in diesem Moment in seinem Kopf vorging. Vermutlich überlegte Elpenor gerade ob er ihn belügen sollte, konnte dies jedoch nicht ganz mit seinem Glauben, bzw. dem neunten Gebot vereinbaren, das Christen vorschrieb nicht zu lügen. Sollte Elpenor am Ende etwa doch mehr Christ sein, als Paulus das von ihm gedacht hatte? Elpenor wischte jetzt unwirsch mit der Hand vor Paulus Gesicht umher. "Weil es einfach so ist! Schluss jetzt mit diesen Fragen ich bin deiner müde. Gehe jetzt! Verlasse mein Haus!" Elpenor klatschte zwei Mal in die Hände und sofort erschienen zwei Bedienstete. "Führt diesen Taugenichts hinaus!" befahl Elpenor und wuchtete dann seinerseits seine Fettschürzen in die Höhe, um den Raum zu verlassen. Die Diener traten auf Paulus zu und hoben ihn an beiden Seiten hoch aus seinem Sitz heraus. Er war ganz froh über diese kleine Hilfe, denn in diesem Moment überkam ihn ein weiterer kleiner Schwächeanfall. Paulus wurde zur Tür hinausgeschoben und diese hinter ihm zugeschlagen. Er war ganz zufrieden mit dem Ergebnis seiner kleinen Unterredung mit der Gegenseite. Mochte sie auch inhaltlich nicht viel neues über die vergangenen Ereignisse ans Licht gebracht haben, so hatte sie ihm trotzdem einen neuen Ansatzpunkt beschert den er weiterverfolgen konnte. Doch weiter kam er nicht in seinen Grübeleien, denn einige Schritte nach einer Kreuzung nach Elpenors Haus wallte eine neue Schwächewelle über ihn weg und dieses Mal übermannte sie ihn.
Paulus wurde schwarz vor Augen. -
Da der Gastgeber schon stand, befand er es auch gleich für das beste für Wein zu sorgen, aber natürlich nur für ihn selbst. An dem Verrückten von Nikanor wollte er doch keinen seiner edlen Tropfen verschwenden. So goss er sich etwas vom roten Nektar in einen goldenen Kelch und ließ sich damit wieder auf seinem Platz nieder.
Elpenor, Ältester"Nun, du willst also von den Umständen nach Bischof Dionysios Areopagitas Tod hören..." Elpenor schmatzte kurz mit den Lippen, während er nachdachte. "Dionysios war ein guter Mann gewesen und außerdem auch ein Freund von mir. Vor seiner Amtszeit als Athener Bischof war er Beisitzer des Areopag gewesen, ehe da der Apostel Paulus nach Athen kam und begann in der Synagoge und auf der Agora zu prädigen. Stoische und epikureische Philosophen begannen mit Paulus über seinen Gott zu diskutieren und das ganze ging so weit, bis man ihn vor den Areopag brachte, wo Paulus seine Lehren noch einmal vor allen dort versammelten Athenern erläutern sollte, denn wir lieben nichts mehr, als neue Dinge zu sehen, oder zu hören und so wollten wir natürlich auch mehr von dieser neuen Lehre aus dem Osten wissen. Mein Vater war damals übrigens auch im Rat anwesend gewesen", konnte es sich Elpenor nicht verkneifen stolz hinzuzufügen. Paulus quittierte das nur mit einem stummen Nicken. Natürlich hatte er es sich schon gedacht, dass Elpenors Familie einen so hohen Rang innerhalb der Polis bekleidete, dass sie auch Mitglieder des Areopag stellte, denn sonst hätte man sich ja kaum so ein luxuriöses Anwesen leisten können. Paulus kam in den Sinn, ob er nach etwas Wasser fragen sollte, seine Kehle war fürchterlich trocken, doch er verkniff sich's. Endlich hatte er Elpenor zum reden gebracht, da wollte er seinen Fortschritt nicht schon wieder mit einer Forderung ruinieren, selbst wenn sie noch so klein und unbedeutend war wie einen reichen Mann um etwas Wasser zu bitten. Besser er blieb durstig und kam in seiner Sache weiter, als dass er wohl gewässert und gefüttert auf der Stelle trat. Eine weitere Prüfung des christlichen Gottes eben.
"Ich habe die acta apostolorum gelesen", antwortete jetzt Paulus, "darin wird genau das beschrieben, was du mir gerade erzählt hast. Paulus kam nach Athen und erklärte die neue Lehre vor dem Areopag, doch die Athener verspotteten ihn nur, worauf er sich wieder zurückzog. Doch nicht alle waren so desinteressiert gewesen. Einige ließen sich von dem Apostel bekehren und waren fortan die ersten Athener Christen, unter ihnen ein gewisser Dionysios." Elpenor nickte.
"Ja so steht es geschrieben und so hat es sich auch nach den Erzählungen meines Vaters tatsächlich zugetragen."
"Aber hier endet der Bericht über Athen, was geschah danach? Wann war der Apostel nochmal in Athen gewesen? Wenn mich nicht alles täuscht muss das jetzt 65 Jahre her sein. Dionysios Areopagita war von seiner Bekehrung an bis zu seinem Tod vor rund 20 Jahren der Bischof von Athen gewesen, immerhin eine stattliche Amtszeit von 44 Jahren. Was machte er in all dieser Zeit? Und wie ging es nach seinem Tod dann weiter mit der Athener Gemeinde, dass sie sich heute an diesem Punkt wiederfindet an dem sie nun einmal jetzt steht?" Jetzt wo Elpenor einmal dazu gebracht worden war den Mund aufzumachen, hatte Paulus das Gefühl, dass es ihm großes Vergnügen bereitete seine eigene Stimme zu hören. Der Mann machte nicht wirklich den typischen Eindruck eines Christen, aber das war ihm ja schon mehrmals aufgefallen.
"Dionysios' Amtszeit tut hier nichts weiter zur Sache. Er war ein guter alter Mann, der mir oft mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat, als ich noch sehr viel jünger und auch dünner gewesen war als heute. Aber da wo die Apostelgeschichte endet kann ich auch selbst weitererzählen. Der Bischof starb einen gewaltsamen Tod durch Verbrennung, zusammen mit seinem Priester Rusticus und seinem Diakon Eleutherius. Das war damals gegen Ende der Regentschaft von Kaiser Domitian gewesen, als dieser verstärkt gegen die Juden vorgegangen war, dabei hatte es auch so einige Christen erwischt, unter ihnen unser Bischof. Unnötig natürlich zu erwähnen, dass das Decretum Christianorum damals noch nicht existiert hatte." Paulus nickte. Immer wieder hatte es in der Vergangenheit schon Verfolgungen gegen Juden und Christen im Reich gegeben und seit dem Jüdischen Aufstand in Jerusalem unter Kaiser Nero war die Sache noch schlechter geworden, besonders das Verhältnis zwischen Christen und Juden selbst. Die Christen hatten begonnen sich vor der römischen Obrigkeit verstärkt von ihren abrahamitischen Glaubensbrüdern zu distanzieren, um nicht ebenfalls die seit dem Aufstand erhobene Sondersteuer des fiscus iudaicus bezahlen zu müssen, was diese ihnen wiederum natürlich übel genommen hatten. Doch auch die Christen waren deswegen noch lange nicht aus dem Schneider und nicht gegen Tod und Verfolgung gefeit, wie Nero nach dem Großen Brand Roms bewiesen hatte mit der Abschlachtung der römischen Christen für seine Zirkusspiele, während dieser auch die Apostel Paulus und Petrus den Tod erlitten hatten."Nun denn, die Stimmung in Athen war also aufgeheizt. Christ zu sein bedeutete sich als Vogelfreier zur Jagd freizugeben, weshalb wir uns zurückzogen, um zu warten, bis die Verfolgungen wieder abgeflaut waren."
Betroffen schüttelte Paulus den Kopf. "Davon hatte mir Nikanor nichts zuvor erzählt. Alles wovon ich aus dieser Zeit wusste war die gespaltene Glaubensansicht über die Natur Christi."
"Tja, er wird schon seine Gründe gehabt haben dir das zu verschweigen! Es waren also nicht nur irgendwelche holden Lehrmeinungen, sondern handfeste Fakten, bestehend aus Tod und Elend der Gemeinschaft, die die sofortige Wahl eines neuen Bischofs verhindert hatten. Zu der Zeit hatten wir mit der Furcht um unser Leben besseres zu tun, als uns über Führungsfragen zu streiten." Paulus konnte es nicht fassen. Natürlich hatte er früher schon gehört, dass die Christen ihres Glaubens wegen von Zeit zu Zeit verfolgt gewesen waren, doch bei ihm zuhause in Myra hatte er nie wirklich etwas davon mitbekommen als Sohn eines heidnischen Händlers und ohne jede Kontakte zu anderen Christen. Erst jetzt konnte er dieses Unglück zumindest teilweise erfassen, wo er hier vor einer Person saß, die diese blutigen Zeiten auch wirklich selbst mitgemacht hatte. Auch wenn Paulus sich sicher wähnte, dass Elpenors Familie nie wirklich richtiges Leid erfahren hatte müssen, wo man es ihnen nicht im mindesten ansah, dass sie Christen waren. Dafür spielten sie die Rolle der versnobten reichen Areopagsmitglieder viel zu gut, wenn dies bestimmt auch ihre eigentliche Natur und keine vorangestellte Fassade sein mochte. Aber dafür konnte er sich in die damalige Lage schon sehr viel besser hineinversetzen, wie es nach dem Tod des Bischofs um die Gemeinschaft bestellt gewesen sein mochte. Ihr Oberhaupt und seine Gehilfen waren ermordet worden und jeder hatte davor zittern müssen als nächstes an die Reihe zu kommen, wirklich kein passendes Klima, um den Römern den nächsten Bischof auf einem Silbertablett zu präsentieren, damit diese ihn nur noch pflücken mussten.
"Wie ging es dann weiter, Elpenor?" -
Unabhängig davon was der Ausgang dieser Begegnung sein mochte, so hatte Paulus doch wenigstens jetzt schon eimal die Genugtuung dieses Geduldsspiel gewonnen zu haben. Schlussendlich hatte er Elpenor doch noch dazu gebracht ihm gegenüberzutreten. Elpenor war eine imposante Gestalt. Feinstes ägyptisches Tuch bildete seine Kleidung und er war über und über behangen mit Gold und anderen edlen Materialien. Von höchst korpulenter Statur war der Mann mit einem dreifachen Doppelkinn. Vermutlich versuchte er mit einem würdevollen Gang aus seinem Hauseingang herauszutreten, doch es sah nicht besser als das Watscheln einer Ente aus. Einer etwas zu fetten Ente. Paulus blieb ungerührt auf seinem Platz am Boden sitzen. Elpenor kam direkt vor ihm zum stehen und kratzte sich den Bauch.
Elpenor, Ältester"Chaire, Fremder. Du hast große Ausdauer bewiesen meinem Personal auf die Nerven zu gehen. Sag an, was kostet es mich dich wieder loszuwerden und nie wieder zu sehen? Ich zahle jeden Preis, auch wenn es vielleicht unklug sein mag solche Worte laut auszusprechen." Für so einen großen und kräftigen Mann hatte der Grieche eine überraschend hohe Stimme. Vermutlich drückten seine Fettwülste ja die wichtigen Adern zu seinen südlichen Regionen so derart ab, dass die Produktion von Männlichkeitshormonen zu kurz kam...
Paulus sah zu Elpenor auf. "Alles was ich will ist ein Gespräch mit dir." Der Fette wirkte überrascht. "Wie, kein Geld? Keine Gefälligkeiten? Schön...wie wäre es mit einem Termin nächste Woche? Ich werde gleich meinem Sekretär..."
"Wir sprechen jetzt."
Elpenor unterbrach sich und starrte auf Paulus herab. Eine Ader begann auf seiner Stirn sichtbar zu zucken. Er mahlte mit seinem Kiefer. "Ich weiß schon was du besprechen willst und ich sage dir jetzt schon, es ist sinnlos! Du kommst von Nikanor, ist es nicht so? Besser du gehst nachhause zu Weib und Kind anstatt dieser Zeitverschwendung hier!"
Elpenor drehte sich um und machte die ersten Schritte zurück zu seiner Tür.
"Ich apelliere an das Gute und an die Vernunft in dir Elpenor, lass uns miteinander reden! Du hast doch nichts zu verlieren, dafür Athen so viel mehr zu gewinnen!"
Der Fette unterbrach sich in seiner Bewegung und sah wieder zurück zu Paulus. Er war wohl hin und hergerissen und die Ader auf der Stirn zuckte weiter fröhlich vor sich hin. Er traute dem bärtigen Irren zu, dass der weitere vier oder fünf Tage hier vor seinem Haus hocken bleiben würde, was würden die Nachbarn nur sagen? Elpenor hatte einfach keinen Seelenfrieden, solange er wusste, dass Paulus vor seinem Haus saß und auf ihn wartete. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beissen und es endlich hinter sich zu bringen. "Schön! Dann komm eben! Aber erwarte dir keine Gastfreundschaft von mir! Du zwingst mich ja mehr oder weniger mit dir Subjekt verkehren zu müssen."
Paulus nickte und versuchte aufzustehen. "Nicht gerade die Worte eines frommen Christen die da aus deinem Mund kommen!"
Diese Bemerkung ließ Elpenor hektisch nach links und rechts blicken, ob ja auch niemand Paulus gehört hatte. "Psst, nicht so laut! Bist du wahnsinnig? Still Kerl!"
Offenbar wollte der Fette nicht, dass seine Umgebung Wind von seiner religiösen Gesinnung bekam und wenn man sich Elpenors prunkvolle Aufmachung so ansah, so wäre auch er nie auf die Idee gekommen, dass der Grieche den Lehren Jesu folgte, oder dies zumindest innerhalb der Athener Christengemeinde vorgab zu tun.Paulus stand auf und stürzte gleich wieder zu Boden. Seine Füße waren vom tagelangen sitzen eingeschlafen und völlig taub. Er hatte so gut wie kein Gefühl mehr in ihnen. Um die Blutzirkulation anzuregen massierte er sie sich, was er fast stante pede bereute. Er schrie auf vor Schmerz, als das Blut rauschend und kribbelnd in die Beine zurückkehrte und seine Füße sich deshalb anfühlten, als würden sie in Flammen stehen. Elpenor war diese Szene hier vor seinem Haus mehr als peinlich. Der Verrückte von Nikanor musste umgehend entfernt werden! So also schnippte er mit den Fingern und zwei seiner Diener kamen auf Paulus zu und hoben ihn hoch, um ihn gemeinsam zu stützen auf dem Weg hinein. Die gewöhnliche Hausfassade von Elpenors Stadthaus ließ nicht einmal ansatzweise erahnen mit welchem Prunk er seine vier Wände eingerichtet hatte. Egal mit was Elpenor seinen Lebensunterhalt verdiente, er machte wirtschaftlich gesehen zweifellos alles richtig.
Die Diener schleppten Paulus zu einem Stuhl in Elpenors Arbeitszimmer, worauf sie ihn hinhockten und sich dann wieder entfernten. Der Fette ließ sich gegenüber von Paulus auf der anderen Seite seines Schreibtisches nieder. "Also was willst du von mir?" fragte er leicht unwirsch.
"Ich möchte die Sichtweise jener Teilgemeinde kennenlernen und besser verstehen, der du als Ältester dienst. Ihr glaubt, dass Gott-Vater und Gott-Sohn ungleich sind, stimmt das?"
Elpenor nickte. "Genauso ist es."
"Bitte erzähle mir davon wie ihr das Lamm Christi seht und wie sich diese Sicht auf die Spaltung der Athener Gemeinde auswirkt. Ich möchte nämlich versuchen zu helfen diesen Graben zu überwinden. Es stimmt, dass ich schon mit Nikanor und seiner Teilgemeinde gesprochen habe, jedoch bin ich ein neutraler Außenstehender. Ich will..."
"Moment, du willst was?" fragte Elpenor misstrauisch nach.
Paulus war nicht gerade in bester Debattierlaune, er merkte deutlich seine körperliche Schwäche, die er dank seines überlangen Sitzstreiks erlitten hatte. "Ich möchte nach besten Kräften dazu beitragen die Spaltung innerhalb eurer Gemeinde beizulegen" wiederholte er "Dazu muss ich aber die Sichtweisen beider Seiten kennen, um einen Kompromiss..."
"Hat dich vielleicht Bischof Sixtus aus Rom geschickt?" unterbrach ihn der Grieche abermals.
Paulus war verwirrt. "Der römische Bischof? Nein, warum?"
Elpenor schnaubte und wuchtete sein Zentnergewicht in die Höhe. "Weil uns der Gute jeden Monat mindestens einmal deswegen in den Ohren liegt mir und Nikanor und das schon seit einigen Jahren!" Er war zu einem anderen Tisch hinübergewatschelt und hatte von dort einige Papyri geholt, die er jetzt vor Paulus auf den Tisch pfefferte. Interessiert nahm er die verschiedenen Schreiben näher unter die Lupe. Sie alle waren in der gleichen Handschrift geschrieben, jedoch verschieden datiert. Der Inhalt war jedoch meistens ähnlich. Apelle und Aufrufe der gegenseitigen Versöhnung und Abschriften passender Bibelstellen und andere schriftliche "Unterstützungen" von Bischof Sixtus I. für die Brüder und Schwestern in Athen. "Ich ertrinke noch in diesen Briefen, wenn ihre Flut so anhält! Also kommst du aus Rom, oder nicht?"
"Nein"
Gut! Das steigert schon einmal deine Chancen, dass ich dich anhöre. Also, du willst näheres über unsere Seite der Gemeinde wissen...hmm wo fange ich da am besten an.."
"Am besten wir beginnen mit der Wurzel des Problems, dem Zeitpunkt nachdem Bischof Dionysios Areopagita gestorben war."
Paulus massierte sich seine Beine. Sie fühlten sich schon wieder wesentlich besser an, wenn er auch kaum denken konnte vor lauter Hunger und Rückenschmerzen. -
Nachdem Paulus im Hause des Aristophanes bereits 14 Tage lang nach einer Idee gesucht und alle erdenklichen Bitten, Tricks und Ideen ausprobiert hatte, wie er Elpenor doch noch dazu bringen konnte ihn zu empfangen, war es ihm am Ende zu bunt geworden. Wenn der Prophet nicht zum Berg wollte, so musste sich der Berg eben seinerseits auf des Propheten Hausmatte setzen und solange warten, bis er doch kam.
Gesagt getan.
Wieder einmal wanderte der Syrer aus Myra durch das inzwischen ihm gut vertraute Athen. Stets im Schatten der übermächtigen heidnischen Akropolis kam Paulus an vielen geschäftigen Menschen vorbei, deren Treiben man nur in einer Großstadt beobachten konnte. Hinter der Akropolis wandte er sich nach Nordwesten und kam in das Stadtviertel Diomea. Hier lag die Villa des Elpenor. Vor der Tür stand wie immer der Torwächter mit verschränkten Armen und beobachtete Paulus schon von weitem mit argwöhnischem Blick. Schon wieder der...Als Paulus nah genug herangekommen und es offensichtlich war, dass er wieder einmal zum Haus seines Herrn wollte, hob der Wächter eine Hand und sagte: "Stopp, bis hierher und nicht weiter. Dir wurde ja schon gesagt, dass du nicht Willkommen bist unter diesem Dach, also verschwinde wieder." Paulus sah ihn mit festem Blick an und schüttelte danach den Kopf. "Tut mir leid, aber das ist nicht möglich. Die Angelegenheit in der ich Elpenor sprechen möchte ist von größter Wichtigkeit und verlangt unbedingt, dass er mich empfängt. Gebe es einen anderen Weg würde ich ihn wählen, aber den gibt es nun einmal nicht. Irgendwann wird er einmal herauskommen müssen, ich werde warten."
Und mit diesen Worten ließ sich Paulus einige Schritte von der Haustür weg auf den Boden nieder und begann im Schneidersitz ruhend die Geduld des Hausherrn zu erproben. Der Torwächter wusste nicht so recht wie er dieses Verhalten einordnen sollte. Doch da Paulus auf der Straße (also öffentlichem Grund) saß, konnte er nicht viel tun, außer sich zähneknirschend damit zu arrangieren. Und falls er doch Flausen im Sinn hatte, würde er ihn schon zu stoppen wissen. Bis dahin würde er ihn einfach wie Luft behandeln. Paulus war das nur recht, als die Wache stur geradeaus blickte über seinen Kopf hinweg. Ihm war momentan sowieso nicht nach einem Gespräch mit ihm und er konnte solange seine Gedanken ordnen. Er richtete sich darauf ein, dass er wohl einige Stunden hier sitzen würde müssen. Dass es noch länger dauern würde, das wusste Paulus in diesem Moment noch nicht. Die ersten beiden Stunden verstrichen, ohne dass irgendetwas nennenswertes passiert war, genauso wie in den beiden darauf folgenden. Dazwischen kamen einmal drei Diener zum Haus, vollbeladen mit Einkäufen. Überrascht blickten sie auf den sitzenden Mann dort vor der Türschwelle ihres Herrn. Einer fragte den Torwächter was das zu bedeuten hätte.
"Das ist bloß so ein Verrückter, der Kyrios Elpenor schon seit Tagen belästigt." Daraufhin zuckte der Diener bloß mit den Schultern und verschwand zusammen mit den beiden anderen im Haus.Nach weiteren zwei Stunden kam ein anderer Mann heraus und löste den Torwächter in seinem Dienst ab. Erleichtert ging dieser kurz hinein und nach einiger Zeit wieder heraus und danach nach rechts die Straße davon, vermutlich zu seiner Familie nachhause. Die Sonne war schon ein gutes Stück über den Horizont gewandert. Nicht mehr lange und die ersten Sterne würden am Firmament erblühen. Der neue Torwächter sah öfters als der andere zu Paulus hinunter, jedoch sprach er ihn kein einziges Mal an. Der Schatten der Athener Sonnenuhren wanderte immer mehr und bald wurde es wirklich dunkel. Das Licht brennender Öllampen begann nun in allen Fenstern der Umgebung aufzuflackern. Als es schließlich ganz dunkel war, erlebte Paulus eine neuerliche Wachablöse. Wieder hatte der erste Torwächter von heute Mittag seinen Platz eingenommen, während der zweite jetzt nachhause ging. Paulus blieb die ganze erste Nacht über wach. Bei der einsetzenden Kühle zog er sich seine cucullus über das Haupt und schlang seine Kleider enger um sich, jedoch stand er nicht auf. So blieb er bis zum Morgengrauen hocken und begrüßte mit einem stillen Dankgebet die ersten wärmenden Strahlen der neuerlich emporsteigenden Sonne. Der zweite Tag begann.
Heute verspürte Paulus schon etwas Durst und sein Magen knurrte, doch ignorierte er beide Bedürfnisse seines Körpers. Er hatte dafür gesorgt zur passenden Zeit davor ein letztes mal gegessen und getrunken und die Latrinen aufgesucht zu haben, sodass ihn nichts und niemand von hier fort zwingen konnte, weder einer von Elpenors Angestellten, noch die Zwänge seines eigenen Körpers. Stur ignorierte er Hunger und Durst und blickte weiterhin im sitzen den Torwächter und die thyra* vor ihm an. Durch das permanente Nichtstun war sein Geist vollkommen gelöst und frei. Paulus war wie ein Gefäss, das alle Eindrücke um sich einsog und und in sich aufnahm, jedoch keinerlei Reaktion zeigte. So in sich ruhend war es ihm, als ob sich seine Wahrnehmung erweitert hätte. Er hörte viel mehr Details aus den Geräuschen seiner Umgebung heraus, roch intensiver die Gerüche von Stallmist und den Weihrauchgefäßen eines nahen Marktes und es war ihm, als könne er aus all diesen Sinneseindrücken zusammengenommen direkt ein Bild davon erzeugen, was hinter und neben ihm in der Straße so geschah, obwohl er nicht in diese Richtungen blickte. Ein so tiefes Gefühl von innerem Frieden hatte er noch nie empfunden. Es war aber auch in anderer Weise nützlich, da es Paulus den Fluss der Zeit teilweise vergessen ließ und Stunden vergingen, ohne dass er es groß bemerkte. Oder nickte er zeitweise nur ein? Wieder kamen und gingen einige Leute im Haus vor ihm ein und aus und abermals wurde der Torwächter von seinem Kollegen abgelöst. Die Sonne versank hinterm Horizont und die zweite Nacht begann. Dieses Mal konnte er nicht mehr dagegen ankämpfen und Paulus schlief ein, dabei seine sitzende Position jedoch beibehaltend mit angewinkelten Knien.
Der erste Hahnenschrei des nächsten Morgens kündigte den dritten Tag an. Als wieder Wachwechsel war und der erste Torwächter herankam, um den zweiten abzulösen pfiff er, als er Paulus dort sitzen sah. "Immer noch hier? Hast wohl sonst kein Leben, was du malaka." Paulus ignorierte ihn.
Gegen Mittag spürte er zusätzlich zu Hunger und Durst schön langsam auch Schmerzen im Rücken und am Gesäß trotz regelmäßigen Sitzpositionswechsels. Besonders der Durst machte ihm zu schaffen, wie lange er wohl noch aushalten müsste? Fest stand, dass er keinesfalls sich jetzt entfernen durfte, ansonsten wäre alles davor umsonst gewesen. Einmal war ihm, als hätte er ein Augenpaar in einem der oberen Fenster gesehen, die jedoch sofort wieder verschwunden waren bei seinem Blick nach oben. Recht viel länger würde er es wohl nicht mehr aushalten. Vielleicht einen Tag noch, dann aber musste er wirklich etwas trinken. Der Tag verging wieder und die dritte Nacht brach herein. In dieser war es kälter, als in den beiden Nächten davor und Paulus fror jämmerlich. Beim Tor hing zwar links und rechts je eine Fackel, jedoch war deren Wärme zu gering, als dass sie Paulus auf der Straße noch erreichen mochte.Als die Sonne am vierten Tag aufging bibberte Paulus und hatte Lippen von ganz leicht bläulicher Färbung. Der Durst in seinen Eingeweiden war mörderisch, aber stur wie ein Esel versuchte er es so gut es ging zu ignorieren neben der sonstigen allgemeinen Schwäche seines Körpers und des rumorenden Magens. All dieses Leid war es wert ertragen zu werden, wenn es helfen konnte ein wenig zur Wiederversöhnung der beiden christlichen Teilgemeinden Athens beizutragen. Der frühe Morgen war bereits in den Vormittag übergegangen, als sich wieder einmal die Tür des Hauses hinter der Wache öffnete. Doch dieses Mal war es kein magerer Angestellter, oder einer der beiden Torwächter, der da herauskam, die luxuriöse Kleidung und der korpulente Umfang seines Leibes ließen nur einen Schluss zu um wen es sich bei diesem Mann handeln mochte. Es war der Hausherr persönlich, Elpenor.
* Thyra (altgr.) = Tür bzw. Tor
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Nachdem Paulus durch seinen neuen Freund Aristophanes den einen Teil der Athener Christengemeinde kennengelernt hatte, wollte er nun daran gehen sich auch einmal die Standpunkte der anderen Gruppe näher anzuhören. Davon erhoffte er sich ein klareres Gesamtbild machen zu können und im besten Falle vielleicht sogar einen ersten zarten Trieb einer Lösung zu finden, der die gespaltene Athener Gemeinde am Ende dieses Weges wieder zu einer vereinigen könnte. Doch um das bewerkstelligen zu können, musste er erst einmal in Kontakt mit den Elpenianern (so nannte Nikanors Teilgruppe die anderen Glaubensbrüder, die sich vor über 20 Jahren nach dem Tod von Bischof Dionysios Areopagita mitsamt ihrem prominentesten Mitglied, dem dicken Elpenor, aus Uneinigkeitsgründen über die Natur Christi von ersteren abgespalten hatten) kommen und das war gar nicht so einfach. Aristophanes kannte zwar einige aus der anderen Gruppe, aber Paulus wollte speziell mit Elpenor selbst sprechen, da er sich davon am meisten Nutzen versprach. Auch wenn in beiden Teilgemeinden stets das demokratische Prinzip der Wahl und des Ältestenrats hochgehalten wurden, so stachen einige Persönlichkeiten aus den beiden Gruppen trotzdem mehr heraus als andere, was ihren Einfluss anging, so wie in der einen Gruppe der Älteste Nikanor, oder eben Elpenor bei den anderen.
Der kleine Amphorenhändler hatte Paulus den Weg zu Elpenors Stadthaus genau beschrieben, doch dort angekommen musste er hören, dass der Hausherr ihn nicht empfangen würde. In der nächsten Woche versuchte Paulus es noch ein paar mal, doch der Torwächter hatte jedes Mal dieselbe Antwort für Paulus. Brummig zog er sich wieder in Aristophanes' Haus zurück, um seine weiteren Schritte zu überdenken.
Dieser stellte ihm zurück in der guten Stube einen Becher Milch auf den Tisch und setzte sich neben ihn. "Wieder kein Glück...ich verstehe nicht wieso er sich so resolut dagegen wehrt mich zu empfangen!" mit finsterem Blick ob Elpenors Sturheit nahm Paulus einen Schluck, während Aristophanes mit dem Gesicht auf den Händen gestützt ihn ansah.
Aristophanes, Amphorenhändler"Hm, und wenn du ihm einen Brief schreibst und den dann an ihn abgibst? Oder dir einen Termin geben lässt?"
Paulus winkte ab.
"Habe ich schon versucht, doch keine Chance. Der Torwächter hat ihn mir gar nicht erst angenommen."
"Und wenn du Nikanor um Vermittlung bittest? Immerhin haben ja die Ältesten beider Gemeinden regelmäßig Kontakt miteinander."
"Auch daran habe ich schon gedacht, aber nein, auch das ist kein gangbarer Weg."
Verwundert machte der kleine Mann ganz große Augen.
"Warum das denn?"
"Weil ich dann befangen wäre und keine unparteiische Person mehr. Bitte ich Nikanor um Hilfe, dann werden mich die Elpenianer als einen aus eurem Lager ansehen und gerade von einer neutralen Warte verspreche ich mir den meisten Erfolg, wenn ich zwischen beiden Lagern vermitteln kann, ohne zu einem von beiden zu gehören."
Aristophanes schnalzte mit der Zunge.
"Tut mir leid, aber ich fürchte dieser Wagen ist abgefahren."
"Wie bitte?"
"Na dass du unparteiisch bist. Die abweisende Haltung Elpenors dir gegenüber spricht Bände und das obwohl er dich nicht einmal persönlich kennt! Ich vermute du bist letztends mit mir von einem oder mehreren Elpenianern gesehen worden, wie wir auf dem Weg zu Aeons Haus gewesen waren. Danach hast du unseren Gottesdienst besucht und du lebst unter meinem Dach, was dich wiederum mit unserer Teilgemeinde verbindet. Aus den Augen der anderen gehörst du voll und ganz zu uns vermute ich."
Auch solche Gedanken waren Paulus jetzt am Ende schon durch den Kopf gegangen, als jeder Kontaktversuch mit Elpenor gescheitert war und das wieder und wieder, sodass man die Sache nicht einmal mehr auf dessen eventuelle Geschäfte oder andere Termine schieben konnte. Seufzend stützte jetzt auch Paulus sein Gesicht auf seine Hände.
"Eine schöne Bescherung...dass ich euren Gottesdienst besucht habe spricht noch lange für keine Gruppenzugehörigkeit meinerseits zu euch. Ich würde ja selbes auch bei ihnen machen, um beide Seiten möglichst gleichwertig kennenzulernen. Wie aber nur, wenn man mich nicht lässt? Es muss doch einen Weg geben!"Eine Weile schwiegen beide und jeder hing seinen Gedanken nach. Ob er es vielleicht doch bei einem anderen elpenianischen Ältesten versuchen sollte? Aber selbst wenn dies eher gelingen würde, dann hätte er den störrischen Einfluss Elpenors trotzdem immer noch gegen sich. Nein, wenn er Erfolg haben wollte, dann musste er den größten Trotzbrocken gleich als erstes auf seine Seite ziehen. Es brachte keinen Gewinn mehrere kleine Anführerchen zu überzeugen, nur damit Elpenor sie alle am Ende mit seiner übermächtigen Meinung plättete und Paulus' ganze Arbeit für die Katz gewesen war. Also zurück zum Anfang. Inzwischen konnte er das langjährige Spaltungsproblem der Athener Gemeinde noch besser verstehen. Nicht nur, dass es an der Diskussionsfreudigkeit, dem Demokratieempfinden und der Standpunkttreue der Athener lag -so wie Aristophanes behauptet hatte- es wunderte Paulus wirklich nicht, dass nichts weiterging, wenn so gewaltige Sturköpfe wie Elpenor beteiligt waren! Trotz aller Versuche war Paulus diesem illustren Manne immer noch nicht begegnet, aber inzwischen konnte er sich ein sehr gutes Bild von dessen Charackter machen anhand seiner persönlichen Erfahrungen mit ihm und aus diversen Erzählungen des Amphorenhändlers.
"Wie wäre es, wenn du es mit einer Täuschung versuchst? Rasier dir den Bart ab und gib dich als Händler aus, oder lasse dich als Diener anstellen und dann im rechten Moment sprichst du ihn..."
"Das soll wohl ein Scherz sein, oder?" unterbrach ihn Paulus tonlos. Er fühlte sich sehr müde.
Aristophanes verstummte und zog eine Grimasse. "Ja...natürlich....ein Scherz..."
Wieder verfielen beide in tiefes Schweigen.
Wie traf und sprach man eine fremde Person, die partout mit einem nicht in Kontakt treten wollte? Wieso machte Elpenor das überhaupt? Was war der Grund dafür? Wieso lehnte er jede Anbahnung eines Kontakts ab? Mit Nikanor und den anderen Ältesten sprach er doch auch, wenn es sein musste? Eine Täuschung war vermutlich nicht der beste Weg, es war immer am besten alles auf die offenste und ehrlichste Art zu regeln, dieser Ansicht war Paulus so oder so, egal ob er jetzt dem christlichen Glauben anhing, oder nicht.
Der kleine Amphorenhändler brummte und stand vom Tisch auf.
"Mir ist dieses ewige Grübeln zu dumm geworden für heute. Ich werde Abendessen machen, willst du auch etwas?" -
Mein Paulus weilt zwar immer noch in Athen, aber wenn er in fernerer Zukunft einmal nach Rom kommt, biete ich euch gern ein Spiel mit ihm an.
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Aristophanes öffnete für Paulus die Tür und dieser trat in ein anscheinend ganz gewöhnliches griechisches Haus eines wohlsituierten Athener Bürgers ein. Nichts deutete auf den Glauben des Besitzers hin, keine Kreuze und auch keine Fische, nirgendwo.
"Sieht anders aus, als ich es erwartet hatte", meinte Paulus zu Aristophanes, als er sich im Eingangsbereich umsah.
"Was hast du erwartet? Wände, gepflastert mit religiösen Symbolen?! Es gibt auch noch anderes im Leben!"
Der Kleine wirkte irgendwie noch verunsicherter und nervöser als sonst, als er ihn tiefer ins Haus führte. Jetzt konnte auch Paulus schon leises Gemurmel hören. Als sie das triklinion betraten, fand sich dort schon eine Gruppe von etwa fünfzehn Personen versammelt. Es waren Männer wie Frauen anwesend. Jung und alt. Bärtige Griechen, wie auch Römer in Togen. Anscheinend setzte sich die Alters- und Klassenstruktur der Athener Gemeinde aus allen Gesellschaftsschichten zusammen, ohne Unterschied. Das imponierte Paulus sehr. Auch überhaupt fand er diese Leute sehr interessant, wo es heute ja das erste Mal in seinem Leben war, dass er auf eine größere Gruppe von Christen traf. Bislang war das immer etwas privates von ihm gewesen, eine besonders bevorzugte philosophische Spielerei seinerseits neben den anderen großen Philosophien, aber hier vor ihm saßen Menschen, die sich wirklich mit Haut und Haaren ihrem Heiland verschrieben hatten. Eine faszinierende Situation, von der er sich lehrreiche Erkenntnisse versprach.Ein besonders stolz aussehender Grieche blickte bei ihrem Eintreten auf und sprach den Amphorenhändler an.
Nikanor, Ältester"Ah, Chaire, Aristophanes! Es freut mich sehr, dich nach so langer Zeit einmal wieder in unserer Mitte zu sehen! Wen bringst du uns denn mit?", fragte der Mann mit interessierten Blick auf Paulus.
Aristophanes sah kurz zu Paulus und dann gleich wieder zu dem Mann zurück und antwortete nach einem kieksen: "Chaire, Chaire, Nikanor! Ja ich.. ich dachte es wär mal wieder Zeit, dass ich vorbeischaue. Und das hier ist, hm, Paulus. Er kommt aus Myra und ist auch im Gefolge des Herrn."
Nikanor stand erfreut auf und breitete weit die Arme aus, als er sprach: "So sei auch du mir Willkommen, Paulus von Myra! Bitte, setz dich doch zu uns!" Anschließend nahm er wieder Platz, während Paulus von seiner Ansprache beeindruckt war. Paulus von Myra, das hatte was! Er nahm sich vor sich so in Zukunft immer vorzustellen.
So nahmen Paulus und Aristophanes also Platz und Nikanor (offensichtlich der Sprecher der Gruppe) begann zur Gemeinschaft zu sprechen: "Ich freue mich euch alle heute Abend hier vereint und versammelt zu sehen. Weiters danke ich unserem Bruder, Aeon, sehr herzlich dafür, dass wir Gast in seinem Haus sein dürfen."
Eine schöne Einleitung, wie Paulus fand, jedoch nicht ganz zutreffend, was das "vereint" sein anging, aber er wollte sich ja nicht in Haaresspalterei ergehen, sondern lauschte lieber den Worten Nikanors.
"Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Beginnen möchte ich gerne mit meinem üblichen Spruch vom weisen König Salomo, ehe wir den Herrn preisen mögen. So höret, eine versöhnliche Antwort vertreibt den Zorn, aber ein verletzendes Wort macht alles nur noch schlimmer. Wenn du freundlich mit den Menschen redest, schenkst du ihnen Freude am Leben. Aber Lügen und verletzende Bemerkungen zerstören die Gemeinschaft."Paulus erkannte die Worte, wenn sie auch sehr verkürzt und mehr pointiert, als in der üblichen Fassung, waren. Doch dennoch verstand er sehr gut, wieso Nikanor ihr gemeinsames Zusammenkommen offenbar jedes Mal mit genau diesen Worten aus dem Buch der Sprichwörter eröffnete, wo diese Sätze doch so sehr zu der Situation der tief gespaltenen Athener Gemeinde passten. Nun begann Nikanor mit dem Lobpreis auf Gott, auf dass sie nachher zusammen das Brot brechen konnten:
"Lasset uns Gott preisen! Halleluja! Lobt Gott in seinem Heiligtum, lobt ihn in seiner mächtigen Feste! Lobt ihn für seine großen Taten, lobt ihn in seiner gewaltigen Größe! Lobt ihn mit dem Schall der Hörner, lobt ihn mit Harfe und Zither! Lobt ihn mit Pauken und Tanz, lobt ihn mit Flöten und Saitenspiel! Lobt ihn mit hellen Zimbeln, lobt ihn mit klingenden Zimbeln! Alles, was atmet, lobe den Herrn! Halleluja!"
Die versammelte Gruppe (mitsamt Paulus) murmelte geschlossen Halleluja, nach Nikanors Ende. Dieser griff nach den bereitstehenden Utensilien Brot und Wein und sprach weiter:
"Nun lasset uns zusammen das Brot brechen, so wie es auch der Heiland einst mit seinen Jüngern gebrochen hat."
Nikanor ergriff den Laib Brot, genauer ein panis decussatus, und hielt ihn für alle gut sichtbar hoch, während er ihnen sagte: " Wir danken dir, Gott, für diesen Laib Brot. Sein Sohn, der Herr sprach: Nehmt und esst; das ist mein Leib." Nikanor brach das Brot und verteilte es auf alle Anwesenden. Jeder machte das Kreuzzeichen beim Erhalt seines Stückes, ehe er oder sie es verzehrte. Aristophanes vollführte zusätzlich noch ein undefinierbares Mienenspiel, als ihm sein Stück gereicht wurde. Dann ergriff Nikanor den Kelch mit Wein und hielt auch ihn empor. "Wir danken dir, Gott, für diesen Kelch Wein. Und der Herr hob den Kelch und sprach weiter: Trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden." Nikanor trank daraus und reichte ihn Aeon rechts von ihm, der ihn nach einem Schluck an eine junge Frau weiterreichte und dann einmal wieder rundum, bis er bei Nikanor wieder ankam. Dieser lächelte, als er wieder den Kelch in Empfang nahm und neben den Rest Brot abstellte.
"Liebe Brüder und Schwestern, vergesst niemals, Gott ist mit euch und schirmt euch auf allen euren Wegen. Jesus Christus ist für uns am Kreuz gestorben...", die anwesenden Römer machten betretene Mienen, oder sahen stur zu Boden bei dieser Erwähnung, "...zur Erlösung der Welt und dafür wollen wir danken mit jenem Gebet, das er uns einst gelehrt hat; Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen."Der Gottesdienst war vorbei. Anschließend folgten noch einige Gespräche, in denen sich Nikanor nach den Bedürfnissen und Befindlichkeiten der Anwesenden erkundigte und auch weitere Themen der Gemeinde erörtert wurden. Paulus saß währenddessen still da und lauschte den Gesprächen. Er war immer noch tief bewegt von jenem Gottesdienst, den er soeben mitgemacht hatte. Seiner ersten Feier unter Glaubensgeschwistern. Es war so ein schönes Gefühl gewesen, er wollte es nie wieder anders haben!
In der Gruppe zusammen das Abendmahl feiern war viel viel schöner, als alleine im stillen Kämmerlein ein kurzes Abendgebet zu murmeln und dann in die Federn zu verschwinden. Er war von dieser gemeinsamen Erfahrung sehr viel mehr ergriffen worden, als er zunächst angenommen hatte. Das gemeinsame Erleben der Wandlung von Brot und Wein, die Anhörung der Lobpreisungen Gottes und das Sprechen der Gebete, genauso musste es sein! Er fühlte richtig, wie Jesus Christus unter sie gekommen war während ihres Mahls. Einfach wunderschön. Egal, ob Aristophanes mitkommen wollte, oder nicht, er, Paulus, zumindest wollte jetzt jeden Abend bei der gemeinsamen Andacht dabei sein!Als dann auch die letzten organisatorischen Belange geklärt waren und sich die Gäste in kleinere Gespräche untereinander vertieft hatten, kam Nikanor zu Paulus und setzte sich neben ihn. "Wie hat dir unsere kleine Feier gefallen? Macht ihr es auf dieselbe Weise in Myra?" Paulus spürte wieder eine Welle positiver Emotionen beim Gedanken an der kürzlich stattgefundenen feierlichen Zusammenkunft der Gemeinde, wenn ihm auch die zweite Frage Nikanors einen kleinen Dämpfer verpasste. "Hab vielen Dank dafür, dass ich heute Abend dabei sein durfte, es hat mir sehr viel bedeutet! Doch wie das in Myra gehandhabt wird weiß ich leider nicht, denn ich war der einzige Christ im Dorf. Zumindest der einzige mir bekannte."
Nikanors Miene fiel ein klein wenig ein. "Oh, tut mir leid, das wusste ich nicht. Das muss hart für dich gewesen sein."
"Ach, halb der Rede wert. Aber du hast die Feier heute wirklich gut geleitet! Und auch die Gespräche danach, man konnte dabei schon fast den Eindruck haben, dass du der Bischof von Athen bist."
Nikanor lächelte gequält. "Danke, zuviel des Lobes. Aber ich bin nicht würdig genug die Last eines Bischofs zu tragen. Ein Episkop muss alle seine Lämmchen behüten, nicht nur einen Teil von ihnen."
Paulus nickte. "Ich habe schon von den Gemeindemitgliedern gehört, die eine andere Ansicht über Christus haben, als die hier versammelten."
"Genau. Die Elpenianer vertreten eine andere Auffassung vom Heiland, als wir."
Paulus war auf diese Aussage hin etwas verwirrt. "Elpenianer?"
Doch Nikanor lächelte. "Oh, bitte entschuldige, das weißt du natürlich nicht. Wir nennen den anderen Teil unserer Gemeinde Elpenianer, nach Elpenor, der damals nach dem Tod von Bischof Dionysios Areopagita als erster und am lautesten gerufen hat, als jener Streit ausbrach, der unsere Gemeinde seit mittlerweile 20 Jahren spaltet. Genauso wie wir treffen sie sich zu separaten Zusammenkünften und haben ihre eigenen Ältesten, so wie unser Gemeindeteil mich und auch noch andere."
Paulus hatte es sich doch gleich gedacht!
"Also bist du einer von den besagten Athener Ältesten, von denen ich schon gehört habe?"
Nikanor nickte. "Genau und ein- oder zwei Mal im Monat kommen wir zu einem gemeinsamen Ältestenrat zusammen, um uns über die gesamte Gemeinde auszutauschen. Dabei findet gelegentlich auch ein gemeinsamer Gottesdienst statt mit der ganzen Gemeinde, so wie früher."
"Das klingt doch viel sinnlicher und unproblematischer, als ich gedacht hatte."
Traurig schüttelte der Älteste aber den Kopf, als er antwortete: "Lass dich von meiner Aussage bitte nicht täuschen, so harmonisch ist es auch wieder nicht und die gemeinsamen Gottesdienste sind nicht zu vergleichen mit der Feier heute zum Beispiel. Vieles muss abgeändert ablaufen und anders als sonst sein, es ist für beide Seiten ungewohnt diese Feiern zu zelebrieren, aber wir sind immer noch eine Gemeinde deselben Glaubens, also muss es auch gelegentlich gemeinsame Messen geben. Ansonsten könnten wir uns gleich spalten und das würde noch größeres Unheil über uns alle bringen."
Paulus überlegte. "Verstehe. Nun gut, Nikanor, ich werde dir helfen, dass das endlich ein für alle Mal ein Ende hat."
Verwirrt starrte der Älteste ihn an. "Von was sprichst du, Bruder?"
Paulus hob das Kinn. "Davon, die Teilung der Athener Gemeinde ein für alle Mal zu überwinden!"Später, als es schon tiefe Nacht war und alles schlief, befanden sich Paulus und Aristophanes auf dem Rückweg, dabei warf der Amphorenhändler seinem Gast immer wieder beeindruckende Blicke zu.
"Meinst du wirklich, dass du das kannst? Also unsere Gemeinde wieder vereinen?"
Paulus hatte einen flotten Schritt angeschlagen, weshalb der Kleine schon fast laufen musste, um mithalten zu können.
"Ich weiß nur, dass ich nicht tatenlos danebensitzen kann, wenn ich weiß, dass es in meiner neuen Gemeinde tiefgehenden Zwist gibt!"
"Oooh, deiner neuen Gemeinde? Also willst du noch länger bleiben, als bis du alles über die Stoiker gelernt hast?"
Irgendwie war Paulus angespannt gestimmt.
"Wir werden sehen, aber ich weiß, dass ich es zumindest versuchen muss!"
Aristophanes war offensichtlich hellauf begeistert von Paulus' Vorhaben.
"Einigkeit und Eintracht unter der ganzen Gemeinde! Ach, das würde ich gerne sehen! Weißt du was? Bleibe Gast in meinem Haus solange du in Athen weilst! Und wenn es Jahre sind! Eine einige Gemeinde, ach wär das schön."
Ganz verzückt hüpfte Aristophanes in seinem Halblauf einmal.
Trotz seiner etwas brummigen Stimmung konnte es sich Paulus nicht verkneifen, ein wenig Frohsinn über Aristophanes' Benehmen zu empfinden.
Offensichtlich lag dem Kerlchen die Gemeinschaft doch näher am Herzen, als er zugab.Sim-Off:
Um den allgemeinen Stadt-Thread für Athen jetzt nicht noch weiter mit christlichen Inhalten zuzuspamen geht es mit den Abenteuern von Paulus von Myra und seinem Wirken bei den Athener Christen in folgenden beiden Threads weiter:-> .) Haus des Aristophanes
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Die christliche Gemeinde Athens trifft sich in verschiedenen Häusern ihrer Mitglieder, um zusammen Jesus Christus zu gedenken und Gott ihren Herrn zu preisen.
[Blockierte Grafik: https://s17.directupload.net/images/191020/ry3rices.png]
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Westlich des Areopag steht in Athen das Haus des Amphorenhändlers Aristophanes. Seine Front ist dicht mit Weinreben bewachsen.
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Es war später Abend des nächsten Tages, als Aristophanes Paulus durch die Schatten der Straßen Athens führte. Sie marschierten schon eine ganze Weile südlich der Akropolis in östliche Richtung. "Ist es noch weit?" fragte Paulus, mehr aus Interesse, denn Ermüdung.
Aristophanes, Amphorenhändler"Oh, nein nein, keineswegs! Heute trifft sich ein Teil der Gemeinde aber in Bruder Aeons Haus und das liegt östlich des Dionysostheaters. Der Versammlungsort wird nämlich wöchentlich gewechselt, weißt du?" Paulus nickte. "Ja, ich verstehe schon." Die Buchstaben des Gesetzes garantierten den Christen zwar die "heimliche" Ausübung ihres Glaubens in Privathäusern, genauso wie das Christentum an sich legal war, jedoch sah die Realität dahingehend aus, dass Mitglieder der christlichen Gemeinde oft diffamiert, verfolgt und aus der Gesellschaft ausgestoßen wurden, wegen ihres Glaubens. Auch von Verfolgungen konnte man teils sprechen. Daher war es klug, dass die Athener Gemeinde ihren Ort des Zusammenkommens regelmäßig wechselten. Doch eine Kleinigkeit war Paulus schon aufgefallen, die er näher wissen wollte. "Du sagtest, dass sich bloß ein Teil der Gemeinde trifft, was ist denn mit den übrigen?"
Aristophanes kiekste wieder einmal auf seine ganz eigene Art und wackelte mit dem Kopf. "Naja, bei Aeon treffen sich zumindest alle, die an die richtige Lehre glauben."
"Und das wäre?"
"Hm? Na dieses Ding mit, dass Gott-Vater und Gott-Sohn schon gleich sind und so weiter?" antwortete, bzw. fragte der Amphorenhändler verunsichert zurück. Paulus musste wieder einmal wegen ihm lächeln.
"In diesem Lager also spielst du mit!"
Ein obligates Wackeln mit dem Kopf, dann: "Tja, jeder muss halt irgendwo dabei sein oder?"
"Und weshalb denkst du, dass es die richtige Auslegung des Wesens Christi sein soll? Wieso kann nicht auch die Meinung des anderen Teils der Gemeinde richtig sein?"
Aristophanes lachte kurz nervös auf. "Und da sind sie schon wieder diese Anklänge einer religiösen Diskussion. Tut mir leid, aber dafür bin ich der falsche Ansprechpartner. Ich bin bloß Amphorenhändler, weiter nichts."
Paulus hatte auch schon früher gemerkt, dass man mit Aristophanes nicht über den Glauben diskutieren konnte und dieser beim Aufkommen des Themas immer sofort gleich abblockte. Schade eigentlich. Auch schien er nur oberflächliche Kenntnisse über das Christentum zu haben.
"Aristophanes, was mich noch interessieren würde, wenn du nicht gern tiefer über das Wesen Christi nachdenken magst, wieso bist du dann überhaupt Christ geworden?"
"Hm? Ich und Christ? Ja das ist so, ich mag es daran zu glauben, dass es nur einen Gott gibt und der alle liebt, anstatt viele Götter, denen man egal ist und die man sich auch trotzdem dann noch alle merken muss. Außerdem sind die ständig unzufrieden und verlangen Opfer, was es beim Gott der Christen nicht gibt. Ich mag die positive Botschaft und dass jeder mal gerettet wird nach seinem Tod. Außerdem hatte ich großes Pech, als ich noch an die alten Götter geglaubt hatte. Doch dann erzählte mir ein guter Mann, der jetzt schon verstorben ist, vom Glauben der Christen und er sagte mir sofort zu! Ich begann mich dafür zu interessieren und zack! Kaum hatte ich begonnen mich mit ihren Lehren auseinanderzusetzen, hatte ich die Chance auf einen Standplatz direkt auf der Agora, anstatt wie bisher in den Außenbezirken, bekommen und seither läuft mein Geschäft famos! Das sah ich als Zeichen dafür, dass Jesus den richtigen Weg weist und deshalb wurde ich Christ."
Aristophanes' Erzählung war beinahe schon rührend, doch der kleine Mann setzte gleich noch einen Nachsatz hinzu:
"Aber das bedeutet nicht, dass ich gleich ihr ganzes Buch auswendig lerne und mir tiefschürfende philosophische Gedanken mache! Musste man im alten Glauben ja auch nicht! Deshalb verschon mich bitte mit derlei in Zukunft, ich verspreche dir bei der Versammlung wirst du genug Leute dafür finden, um mit ihnen über Gott und die Welt zu fachsimpeln bis du schwarz wirst und in den Had.. äh ich meine ins Jenseits kommst!"
Sie hatten ohne anzuhalten miteinander gesprochen, doch jetzt stoppte Aristophanes plötzlich und wies auf die Tür des Hauses vor ihnen.
"Wir sind da." -
Zitat
Original von Paulus von Myra
[...]
Als Paulus nach seiner Ankunft die Athener Agora erreichte, verdichteten sich die lateinischen Tedenzen. Hier standen nach wie vor die althergebrachten griechischen Markt- und Verwaltungsgebäude, doch nur etwas weiter östlich erhob sich eine eigene römische Agora, wo man wesentlich mehr Togenträger antraf, als Paulus bisher hier zu Gesicht bekommen hatte.Ein Scheppern ließ Paulus aufhorchen und sich umdrehen. Einem Mann mit blondem Haupthaar waren mehrere Amphoren zu Boden gefallen und krachend zerschellt. Wie selbstverständlich steuerte er auf den Unbekannten zu und bückte sich seinerseits, um die Scherben aufzuheben. Der Mann, der offensichtlich keine Hilfe erwartet hatte, schaute verwundert auf und lächelte ihm erfreut zu.
Aristophanes, Amphorenhändler"Hab Dank, mein Freund für deine Hilfe." sprach er. Paulus nickte ihm wohlwollend zu und wollte sich wieder umdrehen, als der Fremde plötzlich sein Handgelenk packte. Erstaunt starrte er auf das Fischsymbol in Paulus' Olivenstab, dann blickte er wieder ihn selbst an, ehe er noch breiter lächelte und sagte: "Was für ein wunderschöner, kräftiger Wanderstab! Du musst von weither kommen, oder? Ich bin Aristophanes, wie nennst du dich, Wanderer?"
Die Art wie Aristophanes Paulus' Stab betrachtet hatte, ließ darauf schließen, dass er wohl die Bedeutung des Fisches durchaus erkannt hatte und deshalb plötzlich so aufgeschlossen war. Doch mit welcher Absicht? Wollte er ihm helfen, oder schaden? "Mein Name ist Paulus, ich komme aus Myra in Anatolien." antwortete er ihm. Es bestand für ihn wohl keine Gefahr, weshalb er bei Aristophanes vorerst einmal von guten Absichten ausging. "Nun, Paulus aus Myra, ich freue mich deine Bekanntschaft zu machen! Ich habe schon einiges von Myra gehört, wollen wir nicht auf ein Schlückchen Wein irgendwo einkehren? Ich würde gerne mehr von deiner Heimatstadt hören, falls du mir davon erzählen willst. Ich lade dich ein."
"Hab Dank für dein großzügiges Angebot, jedoch bin ich gerade erst in Athen angekommen und..."
"Macht nichts, macht nichts", unterbrach ihn da der Amphorenhändler mit abwehrender Geste, "ich kann dich schon verstehen, dass du dann natürlich nicht gleich wieder stillsitzen willst. Doch weißt du was? Sei mein Gast heute Abend! Bestimmt hast du noch keine Bleibe für die Nacht, oder?"
Paulus schüttelte den Kopf. "Na also! So komm heute Abend zu mir und ich werde dich reich bewirten und du kannst mir von deinen Reisen erzählen, na wie klingt das?"
Sein herzensgutes Angebot freute Paulus sehr. "Ich nehme an und bedanke mich jetzt schon dafür, dass du mir Obdach für diese Nacht bieten willst. Zu erzählen gibt es jedoch nicht so viel wie du denkst, fürchte ich."
Lachend streckte ihm Aristophanes die Hand entgegen, "Das macht doch nichts, ich habe auch so gerne Gesellschaft! Es freut mich, dass du einwilligst! Mein Haus liegt direkt westlich des Areopag mit einer großen Front, bewachsen mit Weintrauben, du kannst es nicht verfehlen! So auf bald, mein neuer Freund!" "Auf bald", antwortete Paulus mit einem Lächeln und ergriff Aristophanes' Hand zum Abschied, ehe er weiter seiner Wege ging, um noch mehr von Athen zu sehen. Wie im Vorbeigehen hatte er sich gerade ein Quartier für die Nacht beschafft, wenn das kein gutes Zeichen für seine kommende Zeit in Athen war.ZitatOriginal von Paulus von Myra
Paulus freute sich sehr, dass die Römerin ihm nun weiterhelfen wollte und sie schien sich in Athen auszukennen, was ihren Tipp um Damianos nochmal so wertvoll machte, da er darauf vertrauen konnte, dass die Informationen halbwegs akurat waren. Sie hatte zwar gelangweilte Schüler erwähnt, was mitunter ja auch durchaus ein Rückschluss auf die Lehrmethoden des Meisters sein konnten, doch aus einem anderen Winkel betrachtet, welcher Lehrer hatte im Laufe seiner Karriere noch nicht faule, verzogene Schüler gesehen, die unmotiviert und desinteressiert aus und in den Unterricht gingen, bloß motiviert in der Hinsicht, dass sie in einigen Jahren den gesamten Besitz von ihrem lieben Vati erben würden? Paulus jedenfalls würde sich persönlich ein Bild von diesem Damianos machen und dann erst urteilen. Wer weiß, vielleicht war er wirklich ein brillianter Lehrmeister?
[...]
Doch egal, gewiss würde ihm daraus kein Nachteil erwachsen. Jedenfalls freute er sich, dass die Römerin ihm ein wenig in seiner Suche weiterhelfen hatte können, weshalb er sich artig mit den Worten bedankte: "Der Philosoph Damianos also, wohnhaft am Fuße des Nymphenhügels? Hab Dank für deine großzügige Auskunft, Römerin, ich werde deinen Ratschlag beherzigen und mir diesen Mann genauer ansehen. Mögen die Götter über alle deine Wege wachen, Vale."Nach seinem freundlichen kleinen Gespräch mit der Römerin, hatte sich Paulus, ganz wie von ihr empfohlen, gleich sofort weiter auf den Weg zur Stoa Poikile gemacht, um sich nach dem Stoiker Damianos zu erkunden. Doch die anwesenden Männer konnten ihm nicht mehr sagen, als dass Damianos schon seit ein paar Tagen nicht mehr hier gewesen wäre. Hm, konnte man nichts machen, doch vielleicht hatte Paulus ja bei dem, von der Römerin erwähnten, Wohnhaus des Philosophen am Fuße des Nymphenhügels mehr Glück? So ließ er sich den Weg dahin genau beschreiben und wanderte von der Agora bergan zu besagtem Hügel. Dort fand er auch wirklich das Haus des Damianos, doch es schien verwaist und auch auf sein Klopfen und Rufen öffnete niemand. Die Nachbarn hatten den Philosophen ebenfalls schon seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen. Merkwürdig. Was wohl mit ihm passiert sein mochte? Alles hatte den Anschein, dass Damianos Athen von einem Moment auf den anderen verlassen hatte. So also musste er sich doch wieder jemand anderen suchen. In Gedanken versunken kehrte er zur Stoa Poikile zurück, um den Rest des Tages dort zu verbringen. Für heute hatte er nichts mehr geplant, bis es endlich Zeit wäre, zu dem Amphorenhändler Aristophanes aufzubrechen. So saß Paulus bei den Männern und lauschte aus den hinteren Reihen den hier ausgetragenen stoischen Debatten zwischen den Rednern und Lehrmeistern. So konnte er sich schon einmal ein erstes grobes Bild von den hier vertretenen Ansichten und Sprechern machen für eine spätere Auswahl seiner stoischen Studienausrichtung. Zu Mittag wanderte er noch etwas in der Stadt herum und kehrte in einer kleinen Nebengasse in eine besonders delikate Taverne ein und ließ sich ein herzhaftes Mittagessen schmecken, ehe es für ihn zur Stoa Poikile zurück ging.
Zwei Redner fielen ihm besonders auf. Ein Mann namens Hippoxantes und ein Hebräer namens Salomo. Beide befehdeten sich leidenschaftlich miteinander und es war wirklich inspirierend ihren Exkursen über die stoischen Weltansichten zu lauschen. Hippoxantes bestach durch ausgezeichnete Kenntnisse der Materie und durch eine Redekunst die oft Argumente hervorbrachte, denen sein rhetorischer Gegner oft schwer etwas entgegenzusetzen hatte. Salomo hingegen war ein Exot für sich. Er war der erste Mann aus Judäa, den Paulus je angetroffen hatte, der sich mehr für Philosophie, denn für den hebräischen Glauben interessierte. Doch auch er war trotzdem nicht unbedingt schlechter, in seinem Stil, als Hippoxantes. Anders eben. Salomo verband viel stoisches Gedankengut mit der jüdischen Glaubenswelt, in seinen Beispielen und Gleichnissen über diese und jene Bewandnis griff er immer wieder auf erzählerische Vorbilder aus dem Tanach zurück. Dadurch ergaben sich häufig sehr faszinierende neue Blickwinkel und (gedachte) Zusammenhänge zwischen den Stoikern und den Juden. Paulus hing Salomo bei jedem seiner Worte gebannt an den Lippen, doch von der Argumentation und Gedankenwelt des Hippoxantes wollte er auch keinen einzigen Satz verpassen. Wer nur der beiden sollte sein Lehrmeister werden? Denn dass es entweder Hippoxantes oder Salomo werden sollte, hatte er schon für sich festgelegt.
Beim angeregten Lauschen der beiden Kontrahenten bemerkte Paulus gar nicht wie die Zeit verging und eh er's sich's versah war der Nachmittag auch schon in den Abend übergegangen. Zeit aufzubrechen. Paulus erhob sich von seinem Sitzplatz und verließ die Stoa Poikile. Gemächlich schlenderte er über die Agora und sah dabei zu, wie die Händler schön langsam ihre Waren und Stände zusammenpackten, um sie für die kommende Nacht sicher zu verstauen, ehe es morgen wieder von vorne losgehen würde mit dem Verkauf. Die Sonne hing schon glutrot und tief am Horizont und da und dort glommen bereits die ersten Kerzen und Öllampen auf. Dies tat dem Gewusel auf den Straßen jedoch keinen Abbruch. Die Griechen waren ein nachtaktives kleines Völkchen. Paulus genoss die Atmosphäre rund um ihm herum, ja Athen war wirklich seine Stadt. Wie es um die Tischsitten ihrer Einwohner stand, davon würde er sich ja selbst gleich ein Bild machen können.
Von der Agora aus wanderte Paulus nach Süden und danach immer am Nordhang der Akropolis entlang, bis er zum Aeropag anlangte, dem alten hohen Gerichtshügel Athens.
Paulus langte am Haus des Amphorenhändlers an. Ganz gewiss musste es das sein, denn es war (soweit er es erkennen konnte) weit und breit das einzige Haus westlich des Aeropags, dessen Front dicht mit Weinreben bewachsen war. Passend eigentlich für einen Amphorenhändler, wie er fand. So klopfte Paulus und wartete ab, was als nächstes Geschehen würde.
Aristophanes, Amphorenhändler"Ich komme! Moment!" drang es aus dem Hausinneren. Dann folgten tapsige Schritte, ein Ächzen und schon öffnete sich die Tür. Aristophanes strahlte, als er seinen Gast erblickte. "Ah! Paulus aus Myra, sei mir Willkommen!"
Auch Paulus neigte leicht das Haupt. "Chaire, Aristophanes."
Der Amphorenhändler führte ihn ins triklinion, wo schon ein einfaches Abendmahl bereitet war. Hungrig stellte Paulus seinen Wanderstab ins Eck und ließ sich nieder.
"Ein Schälchen Wein?" fragte Aristophanes, dabei geschäftig am Verschluss einer Weinamphore herumnestelnd.
"Danke, aber für mich bitte bloß etwas Wasser."
Der Schalk saß Aristophanes halb verborgen in den Augen, als er plötzlich von der Amphore abließ und Paulus fester ins Visier nahm. "Wasser? Passend zu deinem Fisch?"
"Hm?" So ganz war er nicht sicher, worauf sein Gastgeber damit hinauswollte. Fisch gab es jedenfalls nicht bei ihrem Essen.
"Na der Fisch, der Fisch den du auf deinem Stab eingeritzt hast!"
Jetzt ging ihm ein Licht auf, woher der Wind wehte. "Ach der..."
Aristophanes nickte heftig. "Ja genau! Eine schöne Gravur, ich muss schon zugeben. Doch wie ein Fischer siehst du mir nicht aus mit deinen langen Gewändern. Wie kommt es also, dass du ausgerechnet dieses Wesen auf deinem Stab spazieren führst?"
Es war klar, dass der Amphorenhändler mit offensichtlichen Hintergedanken im Kopf diese Frage stellte. Doch zu Paulus' Gunst, oder Verderben? Er wusste nicht genau wie es um die Akzeptanz von Christen hierzulande stand, aber aus Rom hatte er schon von diversen Restriktionen und Verfolgungen gehört. Er beschloss vorsichtig zu bleiben, aber Aristophanes glatt anzulügen ging für ihn auch nicht in Ordnung. So entschloss er sich also für eine ausweichende und vage Antwort.
"Der Fisch... ist meine Leitfigur auf meinem Pfad durch dieses Leben."
"Ha! Genau was ich dachte!" Sprunghaft wie der kleine dickliche Mann nun einmal war, fuhr er herum und begann etwas aus einem kleinen Schränkchen zu ziehen. Paulus schluckte. Was mochte es wohl sein? Ein Dolch?Doch nichts dergleichen. Als Aristophanes sich wieder umwandte, hatte er bloß ein Stück Leder in der Hand. Er näherte sich wieder Paulus und hielt es ihm hin, dabei immer wieder darauf deutend.
Auf dem Leder war ein Fisch eingeritzt.
"Meine auch!"
Paulus' Augen weiteten sich. Abwechselnd sah er hoch in sein Gesicht und wieder hinunter auf den Fisch.
"Dann bist du also..."
"Mhm, genau!" Aristophanes nickte und behielt seinen ganz eigenen vielsagenden Blick. "Noch einmal, willkommen in meinem Heim, mein Bruder!" Er streckte ihm seinen rechten Arm aus und Paulus ergriff ihn zu einem Druck.
Also war Aristophanes ebenfalls Christ! Kein Wunder, dass er ihm auf der Agora gleich so offenherzig begegnet war! Da schmeckte das Essen gleich doppelt so gut, wenn man sich in so warmherziger Gesellschaft wusste.
"Hier dein Wasser"
"Vielen Dank."
Aristophanes ließ sich gegenüber von Paulus nieder und begann seinerseits zu essen. Dabei sah er immer wieder seinen Gast an.
Dann nach einer Weile: "Was führt dich nach Athen, mein Freund? Das Geschäft?"
Ein Lächeln stahl sich kurz über Paulus' Antlitz. Diese Frage musste ja früher oder später kommen. "Nein, das Studium. Ich bin nach Athen gekommen, um die Lehren der Stoiker zu studieren. Ich war dafür heute schon den ganzen Nachmittag auf der Agora und habe mir ihre Debatten angehört. Sehr interessante Leute."
Wieder machte der Amphorenhändler große Augen. "Oooh, ach deshalb! Tja, wenn nicht in Athen, wo sonst, hm?" Aristophanes kickste.
"Doch sag einmal, ist das überhaupt mit deinem Glauben vereinbar? Griechische Philosophien zu studieren und so weiter?"
Paulus stellte nach einem tiefen Zug seinen Wasserbecher ab.
"Natürlich, warum denn nicht? Was sagt uns unser Herr im ersten Gebot?"
Der kleine Mann wackelte mit dem Kopf.
"Ähm, du sollst keine anderen Götter anbeten? Oder so?"
Paulus nickte.
"Exakt. Und bete ich andere Götter an, wenn ich mich z.B. mit dem Weltbild der Stoiker auseinandersetze? Oder steht irgendwo geschrieben, dass man als Philosoph den Musen, oder Apollon, oder sonst einem Gott Opfer darbringen muss?"
Das ganze ging nun offensichtlich ein klein wenig zu sehr über Aristophanes' Begriffsvermögen, seinem Gesichtsausdruck nach.
"Nun, ähm... äh ich denke nicht? "
Lächelnd nickte Paulus. "Genau, also gibt es kein Problem."
"Hm, wenn du das sagst." Der Amphorenhändler wusste wohl immer noch nicht so recht, was jetzt genau davon stimmte, oder nicht.
"Doch wenn du schon den Glauben ansprichst, ich hörte, dass die Athener Gemeinde jetzt schon seit über 20 Jahren keinen Bischof mehr hat, stimmt das?"
Wieder kiekste der kleine Mann. "Och das, ja so ist das. Zwei Jahrzehnte schon, unglaublich, einfach unglaublich wie schnell die Zeit vergeht, hm."
"Aber wieso wurde nicht schon längst ein neuer Bischof ernannt? Und wie löst ihr dann Fragen der Gemeinde, oder wer schlichtet eure Streitfälle, wenn es keinen Oberhirten mehr gibt?"
Besonders diese beiden Fragen interessierten Paulus schon, seit er den Athener Boden das erste Mal berührt gehabt hatte. Es war sehr unüblich, dass es in so langer Zeit bislang keinen Nachfolger gegeben hatte.
"Hm, tja typisch Athen eben. Nach dem Tod von Dionysios Areopagita gab es Streit über die Ernennung seines Nachfolgers. Es hatten sich nämlich zwei mächtige Lager in der Gemeinde herausgebildet. Die einen, die sagen, dass Gott-Vater und Gott-Sohn gleich sind, während die anderen die Meinung vertreten, dass Gott-Vater und Gott-Sohn ungleich sind. Frag mich bitte nicht nach den Details, ich bin weiß Gott nicht tief genug dafür in der Materie drinnen, aber ja, das ist unser kleines spezielles Problemchen in der Gemeinde, das alles aufhält."
Also ein philosophischer Disput. Interesant.
"Gut, ich verstehe ja, dass über das Wesen Christi gestritten wird. Das gibt es ja anderswo auch. Aber dass diese Frage gleich zwanzig Jahre die Ernennung eines neuen Bischofs aufhält? Und wie fällt ihr dann Entscheidungen ohne ihn?" wiederholte Paulus seine Frage von vorhin.
Aristophanes liebte es offenbar (oder es fiel ihm gar nicht mehr auf), denn er wackelte schon wieder mit dem Kopf bei seiner Antwort: "Wie gesagt, wir lösen alles sehr speziell auf Athener Art. Also Demokratie. Du glaubst ja gar nicht wie oft schon versucht worden war einen neuen Bischof zu ernennen! Doch egal aus welchem Lager er kam, es gab hinterher immer Streit und jede Ernennung wurde deswegen kurz darauf auch schon wieder gekippt. Es gab auch schon Versuche zwei Bischöfe zur gleichen Zeit zu ernennen, das Chaos hinterher kannst du dir gar nicht denken, also auch keine brauchbare Lösung auf Dauer." Aristophanes seufzte. "So also tagt seit der Vakanz des Bischofsstuhls eine Art Ältestenrat als provisorischer Ersatz. Beide Lager stellen für dieses Gremium Abgesandte aus und dieses entscheidet durch Abstimmungen alle Belange der Gemeinde. Aber die Findung eines neuen Bischofs steht trotzdem permanent im Raum, das kannst du mir glauben." Vielsagend nickte er.
Paulus hingegen schüttelte leicht zweifelnd den Kopf. "Das klingt vernünftig, aber eine zwanzigjährige(!) gegenseitige Blockade, bloß wegen der einen, oder der anderen Interpretation des Wesens Christi? Das erscheint mir immer noch ein wenig unglaubwürdig."
Aristophanes zuckte mit den Schultern und lächelte verlegen. "Du vergisst wohl wo du dich hier befindest. Das hier ist Athen! Die Heimstatt der verbissendsten und verbiestertsten Debattierer und Rhetoriker der Welt! Aber gib diesen Wortlaut bitte bloß nicht weiter!" beeilte er sich noch hinzuzufügen, ganz erschrocken über seine eigene Kühnheit. "Aber gut. Athener debattieren nun einmal gerne und sie stimmen natürlich genauso gern über alles mögliche ab. Aber du wirst keinen Menschenschlag finden, der vehemmenter auf seinem Standpunkt beruht, wenn er ihn einmal erst genommen hat. Bei diesen Leuten hast du keine Chance, wenn du nicht grade mit Argumenten um die Ecke kommst, die einen Berg erschlagen könnten!"
Nicht ganz schlüssig sein letzter Vergleich, aber Paulus verstand, worauf Aristophanes hinaus wollte.
Die Athener Gemeinde versprach ein ganz besonders ausgemachter Haufen von Streithähnen zu sein, aber Paulus' Neugier war auf jeden Fall geweckt.
"Wann kannst du mich mit ihren Anführern bekannt machen?" -
Paulus freute sich sehr, dass die Römerin ihm nun weiterhelfen wollte und sie schien sich in Athen auszukennen, was ihren Tipp um Damianos nochmal so wertvoll machte, da er darauf vertrauen konnte, dass die Informationen halbwegs akurat waren. Sie hatte zwar gelangweilte Schüler erwähnt, was mitunter ja auch durchaus ein Rückschluss auf die Lehrmethoden des Meisters sein konnten, doch aus einem anderen Winkel betrachtet, welcher Lehrer hatte im Laufe seiner Karriere noch nicht faule, verzogene Schüler gesehen, die unmotiviert und desinteressiert aus und in den Unterricht gingen, bloß motiviert in der Hinsicht, dass sie in einigen Jahren den gesamten Besitz von ihrem lieben Vati erben würden? Paulus jedenfalls würde sich persönlich ein Bild von diesem Damianos machen und dann erst urteilen. Wer weiß, vielleicht war er wirklich ein brillianter Lehrmeister?
Paulus fand es trollig, dass die Römerin seine Heimat als "weit entfernt" ansah, doch wer weiß, ob sie überhaupt jemals Athen verlassen hatte? Dann war es natürlich etwas anderes, dann mochte selbst Sparta von Athen aus als "weit entfernt" eingeordnet zu werden. Paulus selbst musste sich zwar auch erst noch an Fernreisen und den damit verbundenen Strapazen gewöhnen, doch die Überfahrt von Myra nach Piräus und den dabei geführten Gesprächen mit der Schiffsbesatzung, hatten ihm bereits ein erstes, wages Gefühl dessen gegeben, in welchen Dimensionen Seeleute und Händler dachten. So winkte er daher bescheiden ab und antwortete: "Ach, so weit ist meine Heimat gar nicht weg, gerade mal über die Ägeis mit dem Schiff und schon ist man da. Ich habe ungefähr eine Woche hier her gebraucht, es war meine erste Reise zu Wasser." kurz stutzte er. Wieso hatte er gerade diese zusätzliche, unnötige Information über sein Privatleben geäußert? Doch egal, gewiss würde ihm daraus kein Nachteil erwachsen. Jedenfalls freute er sich, dass die Römerin ihm ein wenig in seiner Suche weiterhelfen hatte können, weshalb er sich artig mit den Worten bedankte: "Der Philosoph Damianos also, wohnhaft am Fuße des Nymphenhügels? Hab Dank für deine großzügige Auskunft, Römerin, ich werde deinen Ratschlag beherzigen und mir diesen Mann genauer ansehen. Mögen die Götter über alle deine Wege wachen, Vale." -
"Oh, ich bin kein Grieche, falls du das meinst" beeilte sich Paulus zu antworten, "Ich komme aus Asia Minor, genauer gesagt aus der Provinz Lycia et Pamphylia. Doch Philosoph bin ich durchaus. Mich interessieren alle Sichtweisen der Menschheit und deshalb studiere ich ihre einzelnen Philosophien, um ihre Standpunkte besser nachvollziehen zu können und so meinerseits neue Erkenntnisse über unsere Welt gewinnen zu können."
Paulus wunderte sich. Sah man ihm das denn so offensichtlich an? Nunja...wenn man genauer darüber nachdachte, musste man das ja auch zwangsläufig, denn egal welche Kleidung er auch immer tragen mochte (und sei es die Purpurtoga des römischen Imperators persönlich), seine physische Erscheinung konnte Paulus nicht verbergen, die klar in den nahöstlichen Bereich einzuordnen war. In diesem Zusammenhang fand er plötzlich die Frage interessant, ob seine Familie immer schon Syrer aus Antiochia gewesen waren, oder ob ihr eigentlicher Ursprung doch noch einmal ganz woanders lag. Womöglich ja im alten Tyros, dieser einstigen Hochburg der Phönizier? Er musste zugeben, bislang hatte er sich noch nie für derartiges interessiert und auch nie seinen Vater, oder seine Großmutter dahingehend befragt. Natürlich hätte es ihn auch jetzt interessiert, ob die Römerin ihrerseits einheimische Athenerin, oder doch aus Italien war, doch fand er sich leider nicht in der Position wieder, sie persönliche Dinge fragen zu dürfen, nachdem er schon mit ihr zusammengestoßen war und sie Leibwächter besaß (neben der rechtlichen Überflügelung mit ihrem römischen Bürgerrecht gegenüber Paulus' "bloßem" Peregrinus-Status natürlich ebenfalls auch). Doch das war natürlich auch nicht weiters von Belang, denn sie hatte ihm eine durchaus interessante Neuigkeit preisgegeben. War da etwa wirklich ein stoischer Meister, der sich als Lehrer anbieten könnte? "Das freut mich sehr zu hören! Ist dieser... Damianos denn gerade anwesend? Und besitzt er einen guten Ruf als Stoiker?" Das war natürlich auch wichtig für ihn, dass er sich keinem Scharlatan hingab, wo er doch noch so vieles kennenlernen und erfahren wollte. Da waren Unwissende, oder Betrüger leider nur Zeitverschwendung für Paulus in seinen Studien und diese junge Römerin schien diesen Damianos ja anscheinend zu kennen. Vielleicht konnte sie ihm gleich Auskunft darüber erteilen, ob sich seine Suche schon gelohnt hatte, oder, ob er sich nach einem anderen Stoiker umsehen musste. -
Eine Römerin.
Paulus war geradewegs in eine Römerin hineingerannt!
Jesus Christus! Was man nicht alles erlebte, wenn man bloß einfach so über die Athener Agora lief. Zuerst war er mit einem griechischen Amphorenhändler ins Gespräch gekommen, als er ihm geholfen hatte einige Scherben seiner Ware wieder aufzuklauben und jetzt war er gleich darauf geradewegs mit einer jungen Römerin kollidiert. Und dazu noch mit einer wohlhabenden vermutlich, wenn man sich all den Schmuck und ihren Begleiter ansah, der in Form eines großen Ägypters in Erscheinung trat. Wenn er ihr Gesicht studierte, kam er zu dem Schluss, dass sie ganz und gar nicht glücklich darüber war, dass ein bärtiger, drahtiger Mann frühen mittleren Alters körperliche Bekanntschaft mit ihrem eben jenen gemacht hatte, was für einen kleinen Peregrini wie er es war durchaus schnell gefährlich werden konnte. Wie oft kam das vor, dass ein versnobter Römer seine Schergen und Schläger ausschickte, um wehrlose Peregrini zu foltern, bloß zum persönlichen Amusement, oder jemandem eines auszuwischen? Und dazu bedurfte es gewöhnlich weit (weit!!) weniger, als mit betreffendem Römer zusammenzuprallen. Der Miene der Fremden nach schien eben jenes Paulus zu blühen und in seinem Augenwinkel sah er den Leibwächter vortreten und für einen Bruchteil einer Sekunde war er sicher, dass er jetzt gleich entweder fliehen musste, oder große Schmerzen erleiden würde, doch dann kam es zum Glück doch noch einmal ganz anders. Die ruhige Stimme beruhigte ihn, ja es wirkte sogar fast so, als ob der Ägypter Schlimmeres für Paulus verhütet hatte, denn auf seine Worte hin schien auch die Römerin beruhigt(er). Paulus atmete erleichtert aus. Ja mehr noch, es schien sich sogar so etwas wie ein gewöhnliches Gespräch im entwickeln zu begriffen sein, denn die Römerin fragte ihn nach dem Grund, was er hier zu suchen hätte. Wieder ein Grund erleichtert zu sein, immerhin war Paulus' Grund ja wirklich mehr als unverfänglich (sogar im Gespräch mit Römern), weshalb er freien Gewissens antwortete: "Meine... "Schritte" lenkten mich heute hierher auf die Agora, da ich den Wunsch habe die Lehren der Stoa zu studieren und wo könnte man das besser als hier in Athen, der Wiege dieser und aller anderen großen Philosophien unserer Zeit?" meinte er und wies um sich.
Doch ganz war die Frage der Römerin natürlich noch nicht beantwortet, weshalb er als Nachsatz hinzufügte: "Konkreter war ich gerade auf dem Weg zur Stoa Poikile hier hinter uns in der Hoffnung, dort einen stoischen Lehrmeister für mich zu finden. Die Stoa Poikile ist jener Ort, an dem einst vor vierhundert Jahren Zenon von Kition, der Gründer der Stoa, gelehrt hatte, wusstest du das Römerin?" -
Mit interessiertem Blick bewegte sich Paulus durch die Menschenmenge und beobachtete all die Menschen rund um ihn herum. Sie alle waren sehr interessant für ihn und wohl so ziehmlich alle Länder dieser Welt hatten einen Vertreter hier. Er sah natürlich in erster Linie viele Griechen und einige Römer, klar, doch das dort hinten, war das nicht ein parthischer Teppichverkäufer? Und der dicke Glatzkopf nicht weit von ihm, der Parfüme und Schminkutensilien an den Mann brachte, Paulus wollte auf der Stelle ein Heide sein, wenn das kein Ägypter war! Dieser Schalen- und Schüssel-Verkäufer links von ihm war bestimmt Phönizier der Kleidung nach zu urteilen. Paulus hätte am liebsten mit ihnen allen gesprochen. Hier machte er zum ersten Mal die Erfahrung, dass man in einer Metropole, wie Rom, Athen, oder Alexandria Leute aus allen Landstrichen des Mittelmeers kennenlernen konnte, jeweils nur ein paar hundert Schritte voneinander entfernt, während man ansonsten mehrere tausend Meilen reisen musste, wenn man z.B. einen Anatolier in Anatolien und danach einen echten Ägypter in Ägypten kennenlernen wollte. Hier würde er bestimmt einiges mehr erfahren können über die verschiedensten Länder, ohne auch nur einen Fuß aus Athen hinaussetzen zu müssen.
Dazu hatte er später bestimmt noch Zeit sich mit einigen dieser interessanten Leute und Peregrini hier zu unterhalten, doch gleichzeitig durfte er auch seine eigentlichen Ziele nicht aus den Augen verlieren; Kontakt zur christlichen Gemeinde Athens herzustellen und sich um einen geeigneten Stoiker umsehen, bei dem er noch so einiges über diese Philosophie lernen könnte. Das sollte nicht so schwer werden, vermutete Paulus. Er wusste, dass die Philiosophie des Stoizismus seinen Namen davon hatte, dass Zenon von Kition seine Erkenntnisse über die Welt immer in einer Athener Stoa verbreitet hatte, genauer in der Stoa Poikile ("bunte Stoa"). Eine Stoa war meist eine lange schmale Halle, deren Rückseite aus einer massiven Wand bestand, während die Front offen war und durch Säulen getragen wurde. Athen besaß gleich ganze sechs Exemplare dieses Gebäudetypus, die die Funktion hatten die Agora als Platz vom Rest der Stadt abzugrenzen und als Treffpunkt für Athener Bürger und Ausstellungsort für Gesetzestafeln und Kriegsbeute vergangener Tage zu fungieren (die Stoa des Attalos jedoch war doppelgeschossig und diente auf beiden Etagen als Handelszentrum). Jetzt galt es nur noch herauszufinden, welche dieser sechs Stoen die richtige war.Paulus befand sich gerade zwischen der Statuengruppe der Eponymen Heroen und dem Metroon, dem ehemaligen Athener Staatsarchiv. Nicht weit von ihm pries ein Händler kleine Götterstatuetten aus Ton an. Paulus ging zu ihm hin und fragte ihn: "Chaire*, mein Freund. Kannst du mir sagen, wo ich hier die Stoa Poikile finde?" Der Händler wollte ihm gerade antworten, als da eine korpulente Frau bei seiner Ware stehen blieb, offenbar in der Absicht etwas zu kaufen. Da das natürlich mit einem Schlag wichtiger war, als eine bloße Auskunft, deutete er nur schnell grob über den Platz und wandte sich dann gleich seiner potenziellen Kundschaft zu. Paulus nickte ihm zu und ging in die besagte Richtung. Für Dank, oder weiteren Worten war der Händler wohl derzeit nicht empfänglich in seiner Gier nach Münzen. So überquerte Paulus die Agora in der Absicht, sich bei den in der Stoa befindlichen Personen nach stoischen Philosophen umzuhören. Die stoische Philosophie war mittlerweile über vierhundert Jahre alt und der Kontakt mit der lateinischen Kultur und der Integration der griechischen Welt als bloße Provinzen ins riesige römische Imperium hatten ebenfalls starke Auswirkungen auf ihre Lehren gehabt. Daher war es nur zu leicht möglich, dass Paulus vielleicht nur einem Gespenst der Vergangenheit nachjagte, wenn er hoffte, hier am Gründungsort der Stoa irgendwelche Stoiker zu finden. Was, wenn sich deren Lehrzentren bereits seit Jahrhunderten woanders befanden? Oder sogar außerhalb von Athen in ganz anderen Weltgegenden? Paulus wusste auf all dies keine Antwort, nicht bevor er sich in der Stoa Poikile näher umgehört hatte. So ging er zielstrebig auf die Stoa zu, als er kurz davor plötzlich an einem ungesehenen Widerstand aufprallte und zurücktaumelte. Paulus sah auf, er war mit einer jungen Frau zusammengestoßen in seiner Hast. "Ich bitte vielmals um Verzeihung! Hast du dir etwas getan, junges Fräulein? Ich habe dich nicht gesehen, ich entschuldige mich." versuchte er mit diesen ersten Worten die Lage zu retten.
* = altgr. "Chaire" -> Sei gegrüßt/Hallo