• Pireäus tauchte als Fleck am Horizont auf, als wir noch mehrere Meilen entfernt auf dem offenen Meer waren, anstatt wie vernüftige Menschen an der Küste entlangzusteuern. Ich stand am Bug des Schiffes und schaute Richtung Land.

    itrit-curatorreipublicae.png matinia2.jpg

    DOMINUS FACTIONIS - FACTIO PURPUREA

    SODALIS MAIOR - GERMANITAS QUADRIVII

    Stadtpatron - Tarraco

  • Wie froh ich doch war, dass wir nicht mehr auf hoher See waren, wieder festen Boden unter den Füssen.


    Als erstes haben wir uns auf dem Meldeamt von Achaia angemeldet, danach erklimmten wir die Akropolis auf der Suche nach dem Tempel der Nike, den wir nach kurzer Suche fanden. Aber wo kriege ich die Pläne des Tempels her? Wie immer hatte mich Fortuna nicht im Stich gelassen. Ich kam ins gesprechen mit einem Einheimischen, der sich als Tyrann (oder Ethnarch?) von Athen herausstellte. Ich mag die Hellen, obwohl er eine Vorliebe hatte, der wir Römer nicht gerade zusprechen. Eben Griechen.


    Wenn ich erst meine Aufgaben in Athen erledigt habe, werde ich mir Athen ein bisschen genauer Betrachten. Der griechische Weisswein soll ja der beste im ganzen Imperium sein. Das finden wir, dass werden wir dann schon noch herausfinden.


    Was mich am meisten in Athen interessiert, ist die Grabstätte des attischen Hercules, Theseus. Nach dem Perserkriegen soll nach den Legenden Kimon die Gebeine des Theseus nach Athen zurückgebracht haben. Diese will ich unbedingt aufsuchen, den von allen griechischen Helden mag ich Theseus am liebsten.


    Aber zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen.

    itrit-curatorreipublicae.png matinia2.jpg

    DOMINUS FACTIONIS - FACTIO PURPUREA

    SODALIS MAIOR - GERMANITAS QUADRIVII

    Stadtpatron - Tarraco

  • Nach zähen Verhandlungen, ist es mir gelungen die Pläne des Nike Tempels zu erwerben. "Du wirst diese Pläne unverzüglich nach Rom überbringen", sagte ich zu dem Boten und steckte im die nötigen Gelder zu, die für den Transport nach Rom braucht. Danach wende ich mich wieder meinem Gastgeber zu, der mich in ein kleines nettes Gärtlein seines Hauses führt. Wir gehen auf eine Venus Statue und begutachten Sie. "Handelt es sich dabei um ein Werk des Praxiteles oder des Leochares?", frage ich. "Nein", erwidert er mit," dies ist ein Werk des Phidias."

    itrit-curatorreipublicae.png matinia2.jpg

    DOMINUS FACTIONIS - FACTIO PURPUREA

    SODALIS MAIOR - GERMANITAS QUADRIVII

    Stadtpatron - Tarraco

  • Wie lange ist es nun her, dass Athen von einer römischen Armee geplündert wurde. 200 Jahre. Ja, es muss 200 Jahre her sein, zur Zeiten der Auseinandersetzung von Sulla und Marius. Aber dies ist schon lange her. Man merkt, es sind kaum noch wertvolle Statuen eines Pidias oder eines Leochares auf dem Markt. Leute wie Caius Verres haben Achaia sauber abgegrasst. Die einzigen, wirklich wertvollen Statuen befinden sich in Privatbesitz und diese wollen eine solch herrliche Statue nicht verkaufen.


    Besonderes interessant an der Stadt fand ich die auf einem Kalkberg gelegen Burg, die Akropolis. Athen ist nett zum leben, aber für mich ist die elendste Insula in Rom, der prächtigsten Villa in Athen vorzuzuiehen. Als alter Stadtrömer fühlt man sich nun mal in den Mauer seiner Väter am wohlsten.

    itrit-curatorreipublicae.png matinia2.jpg

    DOMINUS FACTIONIS - FACTIO PURPUREA

    SODALIS MAIOR - GERMANITAS QUADRIVII

    Stadtpatron - Tarraco

  • Die Märkte in Athen sind nicht so prächtige wie die in Rom. Denoch ist es nicht übel in Athen zu leben, zwar nicht so prächtig wie Rom, immer noch angenehm.

    itrit-curatorreipublicae.png matinia2.jpg

    DOMINUS FACTIONIS - FACTIO PURPUREA

    SODALIS MAIOR - GERMANITAS QUADRIVII

    Stadtpatron - Tarraco

  • Nun habe ich endlich gefunden, was ich schon so lange gesucht hatte. Eine gesellschaft mit Epikureern. Wieso soll man alles negativ sehen. Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. So schliesse ich mich mit meinen Freunden dieser Gesellschaft an. Was sehe ich dort. Sie züchten Fische in einem Haus eigen Teich. Sobald ich wieder in Rom bin muss ich auch, solch ein Teich anlegen. Irgendwann sollte ich in Rom ein Fest zu ehren Epikurs geben. Heureka, eine Idee, Früchte mit Schnee von den Appenien servieren. Nun aber widmen wir uns wieder der Gesellschaft.

    itrit-curatorreipublicae.png matinia2.jpg

    DOMINUS FACTIONIS - FACTIO PURPUREA

    SODALIS MAIOR - GERMANITAS QUADRIVII

    Stadtpatron - Tarraco

  • Athen ist eine wunderbare Stadt, aber nun führt mich mein Weg zurück nach Piräus, wo ich auf die Einreise Erlaubnis des Imperators für Ägypten warten werde.

    itrit-curatorreipublicae.png matinia2.jpg

    DOMINUS FACTIONIS - FACTIO PURPUREA

    SODALIS MAIOR - GERMANITAS QUADRIVII

    Stadtpatron - Tarraco

  • Nach einer gemütlichen Reise von Athen nach Piräus, bin ich nun mit meinem Gefolge in Piräus angelangt. Dabei gehe ich zum Meldeamt und melde mich nun offiziell in dieser Provinz ab.

    itrit-curatorreipublicae.png matinia2.jpg

    DOMINUS FACTIONIS - FACTIO PURPUREA

    SODALIS MAIOR - GERMANITAS QUADRIVII

    Stadtpatron - Tarraco

  • Paulus Überfahrt von Myra nach Piräus, dem Hafen Athens, dauerte ungefähr eine Woche. Währenddessen lernte er die Freuden und Leiden der Schiffahrt kennen. Natürlich arbeitete er Zeit seiner Anwesenheit an Bord mit, um sich ein wenig Geld zu sparen. Er hatte genug Gold, um in den kommenden Monaten keine Not leiden zu müssen, doch pflegte Paulus ja ohnehin einen sehr asketischen Lebensstil.
    Das Schiff lief genau bei Sonnenuntergang in Piräus ein. Dort freuten sich die Matrosen schon auf einige ordentliche Becher echten griechischen Weines in den Hafentavernen und einiger draller Hafendirnen auf ihren Schößen. Paulus jedoch hatte anderes im Sinne, als er von Bord ging und damit das erste Mal in seinem Leben griechischen Boden betrat. Er würde seine erste Nacht hier irgendwo auf freiem Felde unter dem Sternenzelt verbringen und dann sich auf den Weg nach Athen machen. Dort würde er die Lehren der Stoa studieren wollen, die einst vor gut vierhundert Jahren vom Philosophen Zenon von Kition aufgestellt und seither von seinen Anhängern, den Stoikern, weiterverbreitet und -entwickelt worden waren.
    Piräus war mit Athen über einen Weg verbunden, der links und rechts vollkommen mit Mauern umsäumt war, sodass der Stadt auch im Falle einer Belagerung nicht der Zugang zum Meer abgeschnitten werden konnte. Hier also würde er keinen geeigneten Schlafplatz finden. Glücklicherweise standen jedoch die Stadttore noch offen. Paulus durchquerte eines und fand sich gleich darauf auf freier Flur wieder. Hinter ihm die Mauern des Athener Hafens, zu seiner Linken das sanft wellenschlagende Wasser der Ägeis, vor ihm die Pflasterstraße nach Korinth und zu seiner rechten eine sanfte Hügellandschaft voller alter knorriger Olivenhaine. Erfüllt von dem Frieden dieses Ortes, wanderte er eine Weile auf der insgesamt 53 römische Meilen langen Straße entlang, bis die Sonne ganz untergegangen war. Hier dann legte er sich unter einen Olivenbaum, um für diese Nacht zu rasten, während ober ihm bereits die ersten Sterne am Firmament erblühten.

  • Der nächste Morgen begann schlabberig.
    Das erste, was Paulus wahrnahm war etwas nasses, fleischiges, das über sein Gesicht herumwischte. Mit einem Ruck fuhr er plötzlich hellwach zurück und stieß sich prompt den Hinterkopf äußerst schmerzhaft am Stamm des Olivenbaumes, der ihm als Nachtlager gedient hatte. "Hee!" rief er. Der Esel, der ihn gerade noch abgeleckt hatte, wieherte in einem protestierenden I-AH-Laut auf und hob ein wenig auf die Hinterläufe an, ehe er sich umdrehte und weglief. Paulus sah ihn brummend nach, während er sich mit seinem Reisegewand das Gesicht abwischte. Mit einem letzten Kopfschütteln in Richtung Esel stand er auf und sah sich um.
    Am frühen Morgen sah seine Umgebung sogar noch idyllischer und schöner aus im Licht des jungen Tages. Nicht weit von ihm bemerkte er auch jetzt eine kleine Herde wilder Esel, die zwischen den Wurzeln der Bäume am Boden grasten. Er beobachtete er sie einen Moment, ehe er noch einmal über sein Gesicht wischte und anschließend sich auf den Weg zurück nach Piräus machte. Als er um die Küstenbiegung herumkam, an der er heute genächtigt hatte, kam auch der Athener Hafen wieder in Sicht. Zumindest seine Wasserflächen, denn Piräus selbst war natürlich von seinen hohen Schutzwällen verdeckt. Doch es musste schon geschäftiges Treiben herrschen, Paulus sah nämlich viele Fischerboote im Hafen ein und ausfahren und auch ein großes Handelsschiff phönizischer Bauart war gerade im Begriff in den Hafen einzufahren. Begleitet wurden sie vom Gesang der Möwen. Ein im Gras liegender Ast erregte seine Aufmerksamkeit. Er musste vom Olivenbaum über ihm stammen und würde sich perfekt als Wanderstab eignen, weshalb er sich rasch bückte und ihn aufhob. Knorrig und dick genug, um als stabile Stütze zu dienen auf langen Fußmärschen, einfach perfekt. Derart ausgerüstet machte er sich auf den Weg in die Hauptstadt der Philosophen, Athen. Was war schon gegen diese gigantische, altehrwürdige Mutter der griechischen Kultur dieser kleine, nichtsnutzige Jammer von römischer Provinzhauptstadt Korinth! Athen sollte eigentlich das Haupt Achaeas werden, wenn es nach Paulus ging. Alleine wenn es um die Frage ging welche der großen Städte Griechenlands die erste Harfe spielen sollte konnte man schon eine wunderbare, philosophische Diskussion darüber vom Zaun brechen und genau das liebte Paulus an ihr, dass sie immer und überall anwendbar war und Sichtweisen und Standpunkte offenbarte, derer man zuvor vielleicht nicht so gewahr gewesen war.
    Er freute sich auf seinem Weg schon auf die vielen kommenden Stunden der Erkenntnis und der Diskussionen. Doch nicht nur die vier großen griechischen Philosophien; der Stoizismus, der Epikureismus, der Platonismus und der Aristotelismus, lockten Paulus nach Athen, er war auch sehr daran interessiert die hier ansässige christliche Gemeinde kennenzulernen. Er hatte gehört, dass die Gemeinde seit gut schon 20 Jahren keinen Bischof mehr ernannt hatte und war demgemäß natürlich neugierig darauf zu erfahren, wie sich die Athener Christen in der Zwischenzeit als Gesellschaft entwickelt hatten, so ganz ohne lokalen Oberhirten.

  • Athen war eine äußerst beeindruckende Stadt, so etwas ähnliches hatte Paulus bisher noch nie zuvor gesehen gehabt. Ganz anders als Myra. Eigentlich hatte er schon seine Heimatstadt für ziehmlich stattlich gehalten (auch wenn er gehört hatte, dass die Heimat seiner Familie, Antiochia, noch prächtiger sein sollte, ganz zu schweigen von Megametropolen wie Alexandria oder Rom), doch verglichen mit dem pulsierenden Leben und der Architektur und der Größe überhaupt hier war Myra ein hoffnungsloses Provinznest bzw. Fischerdorf. Staunend wanderte Paulus mit seinem neuen Olivenholzstab (in dem er einen Fisch hineingeschnitzt hatte) durch die sich drängenden Menschenmassen und versuchte sämtliche Eindrücke auf einmal in sich aufzunehmen und hinter seinem geistigen Auge zu bannen. Wohin man sah nichts als Menschen, Menschen und nochmal Menschen, eingerahmt mit einem prächtigen Hintergrund aus Häusern, erbaut aus Stein, Holz und Marmor. Und über all dem thronte gut sichtbar von jedem denkbaren Standpunkt die Akropolis, gleich einem marmornen Kronjuwel mit ihrem übergroßen Tempel der Athena Parthenos. Paulus vermutete, dass von den Dimensionen her nur wohl der Tempel des Zeus in Olympia und der Kapitolische Tempel in Rom mit dem Parthenon von Athen mithalten konnten, eine wirklich bemerkenswerte Leistung von menschlicher Schaffenskraft und Intuition. Trotz aller griechischer Vorherrschaft an diesem Ort war jedoch der römische Einfluss durchaus auch da und dort zu bemerken. Soldaten und Offiziere der römischen Legionen sah man immer wieder Mal in der Menge und vereinzelt fanden sich auch einige römische Bürger in Togen gekleidet, oder Frauen, deren Kleidung, Frisuren und Schmuck römisch anmutete. Auch Domi und Insulae nach Art der Besatzer fanden sich inzwischen im Stadtbild dieser Polis.
    Als Paulus nach seiner Ankunft die Athener Agora erreichte, verdichteten sich die lateinischen Tedenzen. Hier standen nach wie vor die althergebrachten griechischen Markt- und Verwaltungsgebäude, doch nur etwas weiter östlich erhob sich eine eigene römische Agora, wo man wesentlich mehr Togenträger antraf, als Paulus bisher hier zu Gesicht bekommen hatte.


    Ein Scheppern ließ Paulus aufhorchen und sich umdrehen. Einem Mann mit blondem Haupthaar waren mehrere Amphoren zu Boden gefallen und krachend zerschellt. Wie selbstverständlich steuerte er auf den Unbekannten zu und bückte sich seinerseits, um die Scherben aufzuheben. Der Mann, der offensichtlich keine Hilfe erwartet hatte, schaute verwundert auf und lächelte ihm erfreut zu.



    Aristophanes, Amphorenhändler


    "Hab Dank, mein Freund für deine Hilfe." sprach er. Paulus nickte ihm wohlwollend zu und wollte sich wieder umdrehen, als der Fremde plötzlich sein Handgelenk packte. Erstaunt starrte er auf das Fischsymbol in Paulus' Olivenstab, dann blickte er wieder ihn selbst an, ehe er noch breiter lächelte und sagte: "Was für ein wunderschöner, kräftiger Wanderstab! Du musst von weither kommen, oder? Ich bin Aristophanes, wie nennst du dich, Wanderer?"
    Die Art wie Aristophanes Paulus' Stab betrachtet hatte, ließ darauf schließen, dass er wohl die Bedeutung des Fisches durchaus erkannt hatte und deshalb plötzlich so aufgeschlossen war. Doch mit welcher Absicht? Wollte er ihm helfen, oder schaden? "Mein Name ist Paulus, ich komme aus Myra in Anatolien." antwortete er ihm. Es bestand für ihn wohl keine Gefahr, weshalb er bei Aristophanes vorerst einmal von guten Absichten ausging. "Nun, Paulus aus Myra, ich freue mich deine Bekanntschaft zu machen! Ich habe schon einiges von Myra gehört, wollen wir nicht auf ein Schlückchen Wein irgendwo einkehren? Ich würde gerne mehr von deiner Heimatstadt hören, falls du mir davon erzählen willst. Ich lade dich ein."
    "Hab Dank für dein großzügiges Angebot, jedoch bin ich gerade erst in Athen angekommen und..."
    "Macht nichts, macht nichts", unterbrach ihn da der Amphorenhändler mit abwehrender Geste, "ich kann dich schon verstehen, dass du dann natürlich nicht gleich wieder stillsitzen willst. Doch weißt du was? Sei mein Gast heute Abend! Bestimmt hast du noch keine Bleibe für die Nacht, oder?"
    Paulus schüttelte den Kopf. "Na also! So komm heute Abend zu mir und ich werde dich reich bewirten und du kannst mir von deinen Reisen erzählen, na wie klingt das?"
    Sein herzensgutes Angebot freute Paulus sehr. "Ich nehme an und bedanke mich jetzt schon dafür, dass du mir Obdach für diese Nacht bieten willst. Zu erzählen gibt es jedoch nicht so viel wie du denkst, fürchte ich."
    Lachend streckte ihm Aristophanes die Hand entgegen, "Das macht doch nichts, ich habe auch so gerne Gesellschaft! Es freut mich, dass du einwilligst! Mein Haus liegt direkt westlich des Areopag mit einer großen Front, bewachsen mit Weintrauben, du kannst es nicht verfehlen! So auf bald, mein neuer Freund!" "Auf bald", antwortete Paulus mit einem Lächeln und ergriff Aristophanes' Hand zum Abschied, ehe er weiter seiner Wege ging, um noch mehr von Athen zu sehen. Wie im Vorbeigehen hatte er sich gerade ein Quartier für die Nacht beschafft, wenn das kein gutes Zeichen für seine kommende Zeit in Athen war.

  • An diesem Tag schien die Agora noch mehr Menschen anzuziehen als üblich. Natürlich mochte Triaria ihre Wahrnehmung täuschen, denn für gewöhnlich suchte sie diesen Platz nur auf, um sich beim Bummeln die Zeit zu vertreiben. Und zumeist verblieb sie dabei unter ihresgleichen. Unter Römern. Heute aber war sie gezwungen, an den zahlreichen Ständen tatsächlich Halt zu machen. Nicht nur an jenen, die teure Stoffe anboten und daher wenig Kundschaft anzogen. Sondern auch die Stände mit dem Gut des täglichen Bedarfs, die von Menschen umringt waren, die forderten, zahlten, feilschten und tratschten. Zu behaupten, das Gedränge zerre an Triarias Nerven, war eine schmeichelhafte Untertreibung. Soeben zwängte sie sich aus der Menschentraube vor einem Stand mit Reisebedarf und drückte ihrem getreuen Gefolgsmann eine lederne Tasche in die Hand. Mit unerschütterlicher Ruhe nahm der alte Ägypter die Tasche entgegen und verstaute sie zwischen den zahlreichen anderen Gegenständen, die er bereits auf seinen kräftigen Armen balancierte. Seine Lippen öffneten sich zu einem Wort, doch entwisch ihnen nur ein resigniertes Schnauben.
    "Als man mir sagte, es wäre an der Zeit für mich, nach Rom zurückzukehren, habe ich nicht geahnt, wie beschwerlich die Vorbereitungen sein würden", seufzte Triaria an seiner statt und blieb mitten auf dem Pfad zwischen zwei Ständen stehen. Athener und Gäste aus aller Welt waren gezwungen, einen Bogen um die Römerin zu schlagen. Manch einer warf ihr dabei einen feindseligen Blick zu - ob Triarias Herkunft oder der Störung ihres Weges -, jeden Fluch aber erstickten die steingrauen Augen des Ägypters. "Rom ist nicht Athen. Du musst lernen, das Nötige selbst zu tun", gab Triaria mit veränderter Tonlage von sich und der Ägypter, Kednes sein Name, gestand ein, dass sie die Stimme ihrer Tante ziemlich gut traf.


    16 Jahre. So lange war die Iulierin nun schon in Athen. Rom war für sie allenfalls eine blasse Erinnerung. Plötzlich aber sollte sie in das Herz des Imperiums zurückkehren. So der Plan, wenn man in Rom denn bereit war, sich ihrer anzunehmen. Im Grunde fasste Triaria diese für sie unbeeinflussbare Ankündigung bemerkenswert gelassen auf. Sie war in Griechenland nie wirklich heimisch geworden, sondern im Herzen römischer als mancher Senator. Zumindest behauptete sie das. Kednes empfand ihr Verhalten bisweilen nicht als sehr römisch. Andererseits kannte er die ideale Römerin vorwiegend nur aus Geschichten. "Wohin jetzt?", drängte er Triaria, nicht länger den Menschen im Weg zu stehen. Zur Antwort rollte sein Schützling die Augen - mit einer gewissen Eleganz, die jeder ihrer Bewegungen zueigen war -, deutete mit zwei Armen irgendwie in drei Richtungen und erwiderte: "Dort entlang. Wir haben es beinah ..." Das letzte Wort ging in einem dumpfen Aufprall unter, als Triaria sich im Satz herum wandte und mit einem einfach gekleideten, bärtigen Mann zusammenstieß.

  • Mit interessiertem Blick bewegte sich Paulus durch die Menschenmenge und beobachtete all die Menschen rund um ihn herum. Sie alle waren sehr interessant für ihn und wohl so ziehmlich alle Länder dieser Welt hatten einen Vertreter hier. Er sah natürlich in erster Linie viele Griechen und einige Römer, klar, doch das dort hinten, war das nicht ein parthischer Teppichverkäufer? Und der dicke Glatzkopf nicht weit von ihm, der Parfüme und Schminkutensilien an den Mann brachte, Paulus wollte auf der Stelle ein Heide sein, wenn das kein Ägypter war! Dieser Schalen- und Schüssel-Verkäufer links von ihm war bestimmt Phönizier der Kleidung nach zu urteilen. Paulus hätte am liebsten mit ihnen allen gesprochen. Hier machte er zum ersten Mal die Erfahrung, dass man in einer Metropole, wie Rom, Athen, oder Alexandria Leute aus allen Landstrichen des Mittelmeers kennenlernen konnte, jeweils nur ein paar hundert Schritte voneinander entfernt, während man ansonsten mehrere tausend Meilen reisen musste, wenn man z.B. einen Anatolier in Anatolien und danach einen echten Ägypter in Ägypten kennenlernen wollte. Hier würde er bestimmt einiges mehr erfahren können über die verschiedensten Länder, ohne auch nur einen Fuß aus Athen hinaussetzen zu müssen.
    Dazu hatte er später bestimmt noch Zeit sich mit einigen dieser interessanten Leute und Peregrini hier zu unterhalten, doch gleichzeitig durfte er auch seine eigentlichen Ziele nicht aus den Augen verlieren; Kontakt zur christlichen Gemeinde Athens herzustellen und sich um einen geeigneten Stoiker umsehen, bei dem er noch so einiges über diese Philosophie lernen könnte. Das sollte nicht so schwer werden, vermutete Paulus. Er wusste, dass die Philiosophie des Stoizismus seinen Namen davon hatte, dass Zenon von Kition seine Erkenntnisse über die Welt immer in einer Athener Stoa verbreitet hatte, genauer in der Stoa Poikile ("bunte Stoa"). Eine Stoa war meist eine lange schmale Halle, deren Rückseite aus einer massiven Wand bestand, während die Front offen war und durch Säulen getragen wurde. Athen besaß gleich ganze sechs Exemplare dieses Gebäudetypus, die die Funktion hatten die Agora als Platz vom Rest der Stadt abzugrenzen und als Treffpunkt für Athener Bürger und Ausstellungsort für Gesetzestafeln und Kriegsbeute vergangener Tage zu fungieren (die Stoa des Attalos jedoch war doppelgeschossig und diente auf beiden Etagen als Handelszentrum). Jetzt galt es nur noch herauszufinden, welche dieser sechs Stoen die richtige war.


    Paulus befand sich gerade zwischen der Statuengruppe der Eponymen Heroen und dem Metroon, dem ehemaligen Athener Staatsarchiv. Nicht weit von ihm pries ein Händler kleine Götterstatuetten aus Ton an. Paulus ging zu ihm hin und fragte ihn: "Chaire*, mein Freund. Kannst du mir sagen, wo ich hier die Stoa Poikile finde?" Der Händler wollte ihm gerade antworten, als da eine korpulente Frau bei seiner Ware stehen blieb, offenbar in der Absicht etwas zu kaufen. Da das natürlich mit einem Schlag wichtiger war, als eine bloße Auskunft, deutete er nur schnell grob über den Platz und wandte sich dann gleich seiner potenziellen Kundschaft zu. Paulus nickte ihm zu und ging in die besagte Richtung. Für Dank, oder weiteren Worten war der Händler wohl derzeit nicht empfänglich in seiner Gier nach Münzen. So überquerte Paulus die Agora in der Absicht, sich bei den in der Stoa befindlichen Personen nach stoischen Philosophen umzuhören. Die stoische Philosophie war mittlerweile über vierhundert Jahre alt und der Kontakt mit der lateinischen Kultur und der Integration der griechischen Welt als bloße Provinzen ins riesige römische Imperium hatten ebenfalls starke Auswirkungen auf ihre Lehren gehabt. Daher war es nur zu leicht möglich, dass Paulus vielleicht nur einem Gespenst der Vergangenheit nachjagte, wenn er hoffte, hier am Gründungsort der Stoa irgendwelche Stoiker zu finden. Was, wenn sich deren Lehrzentren bereits seit Jahrhunderten woanders befanden? Oder sogar außerhalb von Athen in ganz anderen Weltgegenden? Paulus wusste auf all dies keine Antwort, nicht bevor er sich in der Stoa Poikile näher umgehört hatte. So ging er zielstrebig auf die Stoa zu, als er kurz davor plötzlich an einem ungesehenen Widerstand aufprallte und zurücktaumelte. Paulus sah auf, er war mit einer jungen Frau zusammengestoßen in seiner Hast. "Ich bitte vielmals um Verzeihung! Hast du dir etwas getan, junges Fräulein? Ich habe dich nicht gesehen, ich entschuldige mich." versuchte er mit diesen ersten Worten die Lage zu retten.


    * = altgr. "Chaire" -> Sei gegrüßt/Hallo

  • Der plötzliche Aufprall brachte Triaria zwar nicht aus dem Gleichgewicht, aber aus dem Konzept. Sie trat einen Schritt zurück und sah den Fremden argwöhnisch an. Während ihre Hände nach dem im Licht der Sonne bronzefarben schimmernden Schmuck an Oberarm und Hals griffen - der vermeintlich zufällige Zusammenstoß war unter Dieben ein beliebter Trick -, schätze sie ihr Gegenüber ein und fällte rasch das Urteil; - nicht unbedingt zu seinen Gunsten. Ein Beobachter der Szene wäre zweifellos zu dem Schluss gelangt, dass die Unachtsamkeit der jungen Frau Schuld an dem Missgeschick trug. Triara selbst sah dies naturgemäß anders und setzte zu einer wenig schicklichen Erwiderung an. Indes kam Kednes, der Ägypter, seinem Schützling zuvor, schob sich zwischen den Fremden und die junge Frau. Seine Absicht war klar, wenngleich er dabei das Kunststück vollbrachte, nicht aufdringlich oder gar aggressiv zu wirken. "Verzeihung, Herr", sagte er mit tiefer, ruhiger Stimme. "Im Trubel der Agora verliert man leicht den Überblick."
    "In der Tat", murmelte Triaria, die ihre bescheidene Körpergröße straff aufrichtete, durchatmete und sichtlich beruhigt wirkte. Verlegen strich sie über den Stoff ihrer Stola, auf der Suche nach den passenden Worten. 'Fällt dir nichts ein, stelle eine Frage', hallte die Stimme ihrer Tante in Triarias Ohr. Eine beiläufig ausgesprochene Empfehlung, die ihren Wert in jenem Augenblick bewies. "Wohin tragen dich die schnellen Schritte so eilig?", fragte sie daher kurzerhand mit dem Ziel, das Thema zu wechseln.

  • Eine Römerin.
    Paulus war geradewegs in eine Römerin hineingerannt!
    Jesus Christus! Was man nicht alles erlebte, wenn man bloß einfach so über die Athener Agora lief. Zuerst war er mit einem griechischen Amphorenhändler ins Gespräch gekommen, als er ihm geholfen hatte einige Scherben seiner Ware wieder aufzuklauben und jetzt war er gleich darauf geradewegs mit einer jungen Römerin kollidiert. Und dazu noch mit einer wohlhabenden vermutlich, wenn man sich all den Schmuck und ihren Begleiter ansah, der in Form eines großen Ägypters in Erscheinung trat. Wenn er ihr Gesicht studierte, kam er zu dem Schluss, dass sie ganz und gar nicht glücklich darüber war, dass ein bärtiger, drahtiger Mann frühen mittleren Alters körperliche Bekanntschaft mit ihrem eben jenen gemacht hatte, was für einen kleinen Peregrini wie er es war durchaus schnell gefährlich werden konnte. Wie oft kam das vor, dass ein versnobter Römer seine Schergen und Schläger ausschickte, um wehrlose Peregrini zu foltern, bloß zum persönlichen Amusement, oder jemandem eines auszuwischen? Und dazu bedurfte es gewöhnlich weit (weit!!) weniger, als mit betreffendem Römer zusammenzuprallen. Der Miene der Fremden nach schien eben jenes Paulus zu blühen und in seinem Augenwinkel sah er den Leibwächter vortreten und für einen Bruchteil einer Sekunde war er sicher, dass er jetzt gleich entweder fliehen musste, oder große Schmerzen erleiden würde, doch dann kam es zum Glück doch noch einmal ganz anders. Die ruhige Stimme beruhigte ihn, ja es wirkte sogar fast so, als ob der Ägypter Schlimmeres für Paulus verhütet hatte, denn auf seine Worte hin schien auch die Römerin beruhigt(er). Paulus atmete erleichtert aus. Ja mehr noch, es schien sich sogar so etwas wie ein gewöhnliches Gespräch im entwickeln zu begriffen sein, denn die Römerin fragte ihn nach dem Grund, was er hier zu suchen hätte. Wieder ein Grund erleichtert zu sein, immerhin war Paulus' Grund ja wirklich mehr als unverfänglich (sogar im Gespräch mit Römern), weshalb er freien Gewissens antwortete: "Meine... "Schritte" lenkten mich heute hierher auf die Agora, da ich den Wunsch habe die Lehren der Stoa zu studieren und wo könnte man das besser als hier in Athen, der Wiege dieser und aller anderen großen Philosophien unserer Zeit?" meinte er und wies um sich.
    Doch ganz war die Frage der Römerin natürlich noch nicht beantwortet, weshalb er als Nachsatz hinzufügte: "Konkreter war ich gerade auf dem Weg zur Stoa Poikile hier hinter uns in der Hoffnung, dort einen stoischen Lehrmeister für mich zu finden. Die Stoa Poikile ist jener Ort, an dem einst vor vierhundert Jahren Zenon von Kition, der Gründer der Stoa, gelehrt hatte, wusstest du das Römerin?"

  • Triaria schien mit dem Faltenwurf ihrer in sattem Gelb gefärbten Stola zufrieden zu sein, denn nun widmete sie ihre Aufmerksamkeit ganz dem Fremden. Ein Römer war er nicht, offensichtlich. Welcher Mann, der nicht im Schatten Bellonas zu Felde zog, würde sein Gesicht hinter einem solchen Bart verbergen? Die Kleidung sprach für einen Reisenden. Zumindest, und das hielt ihm Triaria zugute, schien er nicht jener Sorte anzugehören, die ihre Dasein in dunklen Ecken zwischen kargen Gemäuern fristeten. Gemeinsam mit Ratten und anderem Ungeziefer. Er wirkte gepflegt, der Fremde. Gestützt auf einen Holzstab, den er aber mehr der Zierde wegen bei sich zu führen schien. Gebrechlich jedenfalls wirkte er nicht. Darüber hinaus war er in ihren Augen so unauffällig wie ein Windhauch, einer von vielen. In dieser Erkenntnis lag wenig Arroganz, sondern sie gründete schlicht auf dem Umstand, dass sich Triarias Augen für gewöhnlich anderen Zielen zuwandten.
    Allzu lange schien Triaria den Fremden schweigend zu mustern, denn ihr treuer Begleiter Kednes brach die Stille - so es denn Stille auf der Agora gab - mit einem vernehmlichen Räuspern. Triaria blinzelte, aus ihren Gedanken gerissen. "Nein", sagte sie, überrascht von sich selbst, ihre Unwissenheit zu offenbaren. "Das wusste ich nicht. Deine Hoffnung müsste sich aber erfüllen. Damianos lässt die Menschen dort regelmäßig an seiner ... Sicht auf die Dinge teilhaben. Es ergaben sich Momente, da ich ihm zugehört habe. Doch du siehst nicht aus wie ein Philosoph aus diesem Kreise ...", zog sie den Satz in die Länge auf der Suche nach dem Namen des Fremden.

  • "Oh, ich bin kein Grieche, falls du das meinst" beeilte sich Paulus zu antworten, "Ich komme aus Asia Minor, genauer gesagt aus der Provinz Lycia et Pamphylia. Doch Philosoph bin ich durchaus. Mich interessieren alle Sichtweisen der Menschheit und deshalb studiere ich ihre einzelnen Philosophien, um ihre Standpunkte besser nachvollziehen zu können und so meinerseits neue Erkenntnisse über unsere Welt gewinnen zu können."
    Paulus wunderte sich. Sah man ihm das denn so offensichtlich an? Nunja...wenn man genauer darüber nachdachte, musste man das ja auch zwangsläufig, denn egal welche Kleidung er auch immer tragen mochte (und sei es die Purpurtoga des römischen Imperators persönlich), seine physische Erscheinung konnte Paulus nicht verbergen, die klar in den nahöstlichen Bereich einzuordnen war. In diesem Zusammenhang fand er plötzlich die Frage interessant, ob seine Familie immer schon Syrer aus Antiochia gewesen waren, oder ob ihr eigentlicher Ursprung doch noch einmal ganz woanders lag. Womöglich ja im alten Tyros, dieser einstigen Hochburg der Phönizier? Er musste zugeben, bislang hatte er sich noch nie für derartiges interessiert und auch nie seinen Vater, oder seine Großmutter dahingehend befragt. Natürlich hätte es ihn auch jetzt interessiert, ob die Römerin ihrerseits einheimische Athenerin, oder doch aus Italien war, doch fand er sich leider nicht in der Position wieder, sie persönliche Dinge fragen zu dürfen, nachdem er schon mit ihr zusammengestoßen war und sie Leibwächter besaß (neben der rechtlichen Überflügelung mit ihrem römischen Bürgerrecht gegenüber Paulus' "bloßem" Peregrinus-Status natürlich ebenfalls auch). Doch das war natürlich auch nicht weiters von Belang, denn sie hatte ihm eine durchaus interessante Neuigkeit preisgegeben. War da etwa wirklich ein stoischer Meister, der sich als Lehrer anbieten könnte? "Das freut mich sehr zu hören! Ist dieser... Damianos denn gerade anwesend? Und besitzt er einen guten Ruf als Stoiker?" Das war natürlich auch wichtig für ihn, dass er sich keinem Scharlatan hingab, wo er doch noch so vieles kennenlernen und erfahren wollte. Da waren Unwissende, oder Betrüger leider nur Zeitverschwendung für Paulus in seinen Studien und diese junge Römerin schien diesen Damianos ja anscheinend zu kennen. Vielleicht konnte sie ihm gleich Auskunft darüber erteilen, ob sich seine Suche schon gelohnt hatte, oder, ob er sich nach einem anderen Stoiker umsehen musste.

  • 'Das sehe ich.' Der Gedanke lag Triaria auf der Zunge, doch sie sprach ihn nicht aus. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte der Fremde - der seinen Namen vielleicht aus gutem Grund nicht verriet - die Worte als herablassend empfunden. Es gab keinen Anlass, ihn zu provozieren. Immerhin hatte er sich entschuldigt. 'Begegne dem Anderen zunächst stets auf neutralem Boden. Zum Feind kannst du ihn später noch erklären.' Wieder so eine Weisheit, die Triarias Tante ihr zugeflüstert hatte. "Lycia et Pamphylia. Dann bist du weit gereist", sagte sie stattdessen und hob die Augenbrauen in einem Anflug wahrhaftigen Erstaunens. Menschen aus diesen fernen Provinzen des Imperiums traf man nicht allzu häufig in Griechenland. Und nur der Philosophie wegen? "Ein hehres Ziel, das du verfolgst", fuhr Triaria fort, während ihr Begleiter Kednes mit einem letzten Schritt nun endgültig wieder hinter ihr stand. Seine Bedenken über eine mögliche Konfrontation schienen sich verflüchtigt zu haben.
    Triaria wandte sich der Stoa Poikile zu. Zwischen den langen Säulenreihen sah man zahlreiche Menschen auf- und abwandern. Griechen in der Überzahl, manche saßen auch im Schatten am Boden und schienen zu lauschen. "Man sagt dies zumindest. Die Werte des Stoizismus sind mir nicht vertraut genug, um das zu beurteilen. Ich hörte, seine Lehrstunden können Tage dauern. Andererseits ist das vielleicht nur die Geschichte gelangweilter Schüler." Triaria lächelte schmal. "Ob er zugegen ist, weiß ich nicht." Sie deutete auf die mit Einkäufen beladenen Arme des Ägypters, als würde dies zur Erklärung ausreichen. "Aber er wohnt am Fuß des Nymphenhügels, glaube ich. Vielleicht suchst du dort, wenn du hier nicht fündig wirst, Syrer."

  • Paulus freute sich sehr, dass die Römerin ihm nun weiterhelfen wollte und sie schien sich in Athen auszukennen, was ihren Tipp um Damianos nochmal so wertvoll machte, da er darauf vertrauen konnte, dass die Informationen halbwegs akurat waren. Sie hatte zwar gelangweilte Schüler erwähnt, was mitunter ja auch durchaus ein Rückschluss auf die Lehrmethoden des Meisters sein konnten, doch aus einem anderen Winkel betrachtet, welcher Lehrer hatte im Laufe seiner Karriere noch nicht faule, verzogene Schüler gesehen, die unmotiviert und desinteressiert aus und in den Unterricht gingen, bloß motiviert in der Hinsicht, dass sie in einigen Jahren den gesamten Besitz von ihrem lieben Vati erben würden? Paulus jedenfalls würde sich persönlich ein Bild von diesem Damianos machen und dann erst urteilen. Wer weiß, vielleicht war er wirklich ein brillianter Lehrmeister?
    Paulus fand es trollig, dass die Römerin seine Heimat als "weit entfernt" ansah, doch wer weiß, ob sie überhaupt jemals Athen verlassen hatte? Dann war es natürlich etwas anderes, dann mochte selbst Sparta von Athen aus als "weit entfernt" eingeordnet zu werden. Paulus selbst musste sich zwar auch erst noch an Fernreisen und den damit verbundenen Strapazen gewöhnen, doch die Überfahrt von Myra nach Piräus und den dabei geführten Gesprächen mit der Schiffsbesatzung, hatten ihm bereits ein erstes, wages Gefühl dessen gegeben, in welchen Dimensionen Seeleute und Händler dachten. So winkte er daher bescheiden ab und antwortete: "Ach, so weit ist meine Heimat gar nicht weg, gerade mal über die Ägeis mit dem Schiff und schon ist man da. Ich habe ungefähr eine Woche hier her gebraucht, es war meine erste Reise zu Wasser." kurz stutzte er. Wieso hatte er gerade diese zusätzliche, unnötige Information über sein Privatleben geäußert? Doch egal, gewiss würde ihm daraus kein Nachteil erwachsen. Jedenfalls freute er sich, dass die Römerin ihm ein wenig in seiner Suche weiterhelfen hatte können, weshalb er sich artig mit den Worten bedankte: "Der Philosoph Damianos also, wohnhaft am Fuße des Nymphenhügels? Hab Dank für deine großzügige Auskunft, Römerin, ich werde deinen Ratschlag beherzigen und mir diesen Mann genauer ansehen. Mögen die Götter über alle deine Wege wachen, Vale."

  • 'Seine erste Reise zu Wasser ...'; das traf auf Triaria nicht zu. Gleichwohl konnte sie sich an die Überfahrt, die sie einst von Rom nach Athen gebracht hatte, kaum mehr erinnern. Zu jung war sie gewesen, ein Kleinkind bestenfalls, dessen einziger Gedanke den sich entfernenden Eltern galt. Für das Meer und den Windschlag in den Segeln hatte sie damals weder Sinn noch das Verständnis. All dies lag aber weit zurück und berührte sie in diesen Tagen nicht länger. Lediglich eine blasse Erinnerung, im Nebel versunken. "Ich habe den Eindruck, Syrer, es wird nicht deine letzte Reise gewesen sein. Wenn du wahre Weisheit erlangen willst, sollten deine eiligen Schritte dich alsbald nach Rom tragen. Nicht nur das Herz, auch der Verstand des Imperiums hat dort seine Heimat." Triaria lächelte und nickte dann zum Abschied. "Vale, Syrer. Deine Götter mögen dich geleiten."
    Mit einem Wink deutete sie Kednes, ihr zu folgen. Ein letzter Blick traf den Fremden, dann machte sich die Römerin auf den Weg zu ihrem ursprünglichen Ziel. Das auf der Agora allgegenwärtige Geplapper der Menschen drang zurück an ihr Ohr, nun, da die Konzentration auf nur eine Stimme endete. Zu ihrer Linken bot ein Mann lautstark Fisch an und beinahe hätte Triaria in dem Lärm das Flüstern ihres ägyptischen Begleiters überhört. "Dieser Mann betet nicht zu Göttern." Irritiert sah die Römerin ihren Wächter und Begleiter an. "Mhm? Was sollte er denn sonst tun?" Kednes zog die Stirn kraus und warf einen Blick über seine breite Schulter, ohne den Syrer indes zu entdecken. "Hast du das Zeichen auf seinem Stab nicht gesehen? Der Fisch. Er ist ein Christ." Abrupt blieb Triaria stehen. "Tatsächlich? Das mag erklären, dass er mir seinen Namen nicht verriet. Es zeugt von Mut oder von Dummheit, sich als solcher mit einem Erkennungszeichen in der Öffentlichkeit zu bewegen." In einem Anfall von Missbilligung schüttelte Triaria den Kopf. "Ich zweifle, dass ich ihm erneut begegne. Vielleicht in der Arena."

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!