Iulia Triaria spürte regelrecht, wie die Muskeln in ihrem rechten Arm sich anspannten, um die Hand zu heben und den Zeigefinger in Richtung der Tür auszustrecken. 'Ich will da rein', hallten die Worte durch ihren Kopf und legten sich schon auf ihre Lippen. Sie tat jedoch nichts von all dem, sondern starrte den Ianator - seinen sichtbaren Teil hinter der um einen Spalt geöffneten Porta - nur an. Bis Kednes sich unauffällig räusperte. Unwillkürlich schien Triaria um einen Zentimeter zu wachsen. Ihre Haltung wurde steif und mit einem formvollendet eleganten Nicken - das zweifellos einstudiert war - grüßte sie den Ianator. Ihr fiel ein, sich keinerlei Gedanken darüber gemacht zu haben, was sie bei ihrer Ankunft in Rom eigentlich sagen sollte. "Salve! Mein Name ist Iulia Triaria", antwortete sie daher schließlich und ergänzte: "Tochter von Lucius Iulius Augustinus und Neria Olympias. Mein Weg führte mich von Athen über das Meer nach Rom, um meine Familie kennen zu lernen, die zu verlassen ich vor langer Zeit gezwungen war." Etwas umständlich ausgedrückt, aber es klang gut. Triaria setzte ein freundliches Lächeln auf, während Kednes an ihrer Seite - beladen mit Gepäck - weiter ungerührt dreinblickte. In seinen Augen aber blitzte es amüsiert.
Beiträge von Iulia Triaria
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"Lass mich das machen", sagte Triaria, als sie und Kednes vor der verschlossenen Porta der Domus Iulia standen. "Bist du sicher?", fragte der Ägypter und biss sich sogleich auf die Zunge. Natürlich war sein Schützling in der Lage, gegen eine Tür zu klopfen. Bisher war ihm diese Aufgabe lediglich zugefallen. Immer, solange er zurückdenken konnte. Also weshalb ...? "Ich muss das tun", bekräftigte Triaria, die zu Verhaltensfragen schon immer ein sehr ambivalentes Verhältnis hatte. Manchmal war sie aristokratischer als die Frau des Kaisers höchstselbst, an anderen Tagen konnte sie einem Bauernmädchen die Schamesröte ins Gesicht treiben. Insofern verlor sie über Kednes' vermeintliche Frechheit kein Wort. "Sieh es als eine Art ... mhm ... Ritual. Wenn ich klopfe, endet mein Leben in Griechenland. Immerhin könnte ich hier und jetzt umdrehen. Theoretisch." 'Gewiss, meine Liebe', dachte Kednes, 'nur ob du lebend Athen erreichst, ist zumindest fraglich.'
Triaria holte Luft und ließ ihre Faust gegen das dunkle Holz der Porta krachen. Einmal, zweimal, dreimal ... das Geräusch klang eigentümlich hohl in ihren Ohren. Ihr Arm war noch immer vom Blut der Schürfwunden an ihren Ellbogen gezeichnet, denn sie hatte auf dem Weg durch die Stadt keine Möglichkeit gefunden, sich zu waschen. Zugegeben hatte sie auch nicht danach gesucht. -
Die Ereignisse überschlugen sich. Während der "Transportunternehmer" Areus im vollen Lauf durch das offene Stadttor zu gelangen versuchte, landete Triaria auf dem harten Straßenboden. Sie wusste sofort, sich keinen Knochen gebrochen zu haben, dennoch tat der Aufprall weh und warmes Blut rann von ihren Ellbogen die Unterarme hinab. Mehr vor Schreck denn vor Schmerz stöhnte sie vernehmlich. Als sich ein Schatten über sie legte, öffnete sie - auf den Händen abgestützt - die Augen und sah nach oben. Kednes' besorgtes Gesicht ragte über ihr auf. "Hast du dich verletzt?", fragte er hastig und Triaria schüttelte zur Antwort den Kopf. "Nicht ernsthaft." Sie betrachtete die Schürfwunden an ihren Armen. Es würde narbenlos verheilen und vielleicht konnte sie mit ihren "Kriegsverletzungen" ein wenig angeben, nachdem die Schiffsreise so bemerkenswert ereignislos verlaufen war. Unwillkürlich grinste die Römerin und Kednes atmete erleichtert aus. Dann wandte er sich herum ...
Gerade rechtzeitig, denn mit einem lauten, widerhallenden 'Wump' krachte das Schild eines Torwächters gegen den sprintenden Areus. Der Mann wurde abrupt von den Fußen gerissen und schlug gegen die raue Mauer unter dem Torbogen. Noch ehe er zu Boden sinken konnte, stürzten zwei weitere Soldaten heran und nahmen Areus in einen harten Griff; - wie man Gefangene im Allgemeinen zu behandeln pflegte. Triaria hatte keine Zweifel, dass Areus in diesem Moment mehr Leid empfand als sie, worauf sein benommener Blick einen deutlichen Hinweis gab.
Gestützt von Kednes' Hand richtete sie sich auf und klopfte das Tuch ihres Gewands ab. Glück im Unglück: Sie war weder in einer Pfütze noch in sonstigem Unrat gelandet, sodass keine auffälligen Spuren verblieben. "Danke", sagte sie zu Kednes und legte in ungewohnter Ernsthaftigkeit eine Hand an seinen bloßen Oberarm. An den Soldaten gewandt, der nun akribisch den Wagen mit dem steinalten Maulesel nach dem Grund für Areus' Flucht zu durchsuchen begann, ergänzte sie: "Mit diesem Zwischenfall sollten nun alle Ungewissheiten aufgeklärt sein, nicht wahr?" Der entschlossene Tonfall in Triarias Stimme erstaunte Kednes, doch er vermutete, dass auch sein Schützling nun an dem Punkt angekommen war, da sie das Ende der Reise herbeisehnte. Und tatsächlich drehte sich die Römerin ohne weitere Worte kurzerhand um, verließ den Schatten der Mauer und trat in das Licht der ewigen Stadt ... -
"Seit den Morgenstunden", antwortete Iulia Triaria dem Soldaten und warf einen fragenden Blick zu ihrem Sklaven Kednes, der ihre Worte mit einem Nicken bestätigte; - dabei aber weiter den immer nervöser werdenden Areus im Auge behielt. "Seit wir von Ostia aufgebrochen sind", ergänzte die junge Römerin und runzelte die Stirn. Sie sah zu dem Gepäck, das auf dem Karren verteilt lag und seufzte. War all dies wirklich nötig? Ungeduld und Erschöpfung vermischten sich in Triaria zu dem Drang, möglichst bald das nun schon so nahe Ziel zu erreichen. Das Kompliment des Soldaten ließ sie hingegen lächeln und besänftigte ihre widerstreitenden Gefühle dahingehend, dass sie mit einer beiläufigen Handbewegung der Kontrolle schließlich zustimmte. "Wenn es denn sein muss. Ich möchte dich nicht an der Erfüllung deiner Pflichten hindern."
Kaum hatte Triaria ihren Fuß auf den Rand des Karrens gesetzt, um - etwas umständlich - gen Boden zu klettern, da versetzte Areus dem Maultier in der Deichsel einen plötzlichen Schlag mit seinem Stock. Und auch wenn das Tier älter als Jupiter selbst sein mochte, tat der Hieb seine Wirkung. Mit einem Satz sprang das Maultier einen halben Meter vor, zog den Karren ruckartig mit sich und brachte Triaria aus dem Gleichgewicht. Begleitet von einem Schrei der Überraschung verlor die Römerin das Gleichgewicht und stürzte auf die Straße. Kednes erneuter Griff nach ihren Beinen kam zu spät. Areus indes nutzte den Augenblick der Ablenkung, sprang von seinem Sitzbrett und rannte so schnell ihn seine Füße zu tragen vermochten in Richtung des offenen Stadttores ... -
"Nichts", antwortete Areus hastig und wisch dem Blick des Torwächters weiter aus. Es schien, als ringe er um eine Erklärung, doch Triaria kam ihm in ihrer unverblümten Art zuvor. Sie breitete die Arme aus, ein wenig pikiert über die für sie nicht recht nachvollziehbare Befragung durch den Soldaten. "Das würde ich so nicht behaupten. Der gute Mann - sein Name ist übrigens Areus - bot mir an, mich mit seinem Karren nach Rom zu bringen. Ein wahrhaftiges Abenteuer, aber eines mit gutem Ausgang. Ich dachte, du würdest ihn kennen?", hob sie fragend die Augenbrauen. Schließlich war es nur logisch anzunehmen, dass ein "Transportunternehmer", der regelmäßig zwischen Rom und Ostia verkehrte, den Torwachen vertraut war.
Nur beiläufig registrierte die junge Römerin, dass Kednes, ihr ägyptischer Sklave, seine Hände von ihren Unterschenkeln löste, nun, da der Karren zum Stillstand gekommen war und wohl kein Sturz mehr drohte. Stattdessen rückte er näher an Areus heran und in seinen grauen Augen lag jener vielsagende Ausdruck, der nach sofortiger Auskunft verlangte. Areus räusperte sich vernehmlich. "Sicher kennt man mich! Nicht wahr? Wie oft bin ich schon durch diese Tore gefahren. Vielleicht wirke ich etwas nervös, solch wertvolle Fracht begleite ich selten." -
"Salve", grüßte Triaria den Soldaten am Tor. Stehend auf dem Karren sah sie auf ihn herab und erst jetzt fiel ihr auf, dass Kednes mit seinen großen Händen ihre Unterschenkel umklammert hielt. Sie warf ihm kurz einen skeptischen Blick zu, der Ägypter schien indes nicht gewillt, sie los zu lassen. So zuckte Triaria mit den Schultern und wandte sich wieder dem Soldaten zu. "Meine Zukunft", antwortete sie auf seine Frage und wies durch das offene Tor in die Stadt. "Aus Athen komme ich. Und mein Weg führt mich in die Domus Iulia." Während Triaria von der Überzeugung beseelt, dass der Weg nach Rom ihr selbstverständlich eröffnet würde, ihr Ziel vorstellte, rutschte der "Transportunternehmer" Areus unruhig auf seinem Platz hin und her. Die Zügel des Maultiers hielt er dabei fest in Händen und er wisch dem Blick des Soldaten scheu aus. Kednes entging dieses eigentümliche Verhalten des Mannes nicht, er unterließ es jedoch, ihn darauf anzusprechen. Sollte er es wagen - gleich auf welche Art - Iulia Triaria in Schwierigkeiten zu bringen, würde er ihm den Hals umdrehen; - langsam.
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Die Frage nach dem 'Wie' würde Triaria nicht mit endgültiger Gewissheit beantworten können. Letztlich aber hatte das alte Maultier sie zuverlässig bis zu den Toren Roms getragen. Sie, ihren Sklaven Kednes und den freundlichen, wenn auch etwas zwielichtig erscheinenden "Transportunternehmer" Areus. Während der Fahrt von Ostia in die ewige Stadt hatte Triaria Gelegenheit gehabt, die Landschaft Italias in all ihrem facettenhaften Reichtum kennen zu lernen. In vielerlei Hinsicht unterschied sie sich oberflächlich nicht sonderlich von Griechenland, in den Details entfaltete sich indes ihr ganz eigener Charakter. Je näher sie Rom kamen, desto unruhiger wurde Triaria und sie versuchte wiederholt, sich in dem schaukelnden Karren zu erheben, um einen Blick gen der Mauern zu erhaschen. Mit Mühe gelang es Kednes, seinen Schützling von diesem Vorhaben abzuhalten. Denn schon an Bord der Corbita hatte sich die junge Römerin unter dem Einfluss der Wellen nur bedingt als standfest erwiesen; - immerhin war sie von der Seekrankheit verschont geblieben. Mehr und mehr Menschen füllten die Straße, wobei der Karren kaum schnell genug war, sie zu überholen. So ergaben sich mitunter seltsame Momente, wenn das Maultier neben einer Fußgruppe dahin trottete und Triaria den Menschen über lange Zeit in die Augen sehen konnte. Manch neugieriger Blick wurde ihr zugeworfen, ein Gespräch ergab sich hingegen nicht. Ein jeder schien vor allem mit sich selbst beschäftigt zu sein. Was durchaus verständlich war, schließlich neigte sich der Tag zusehends seinem Ende entgegen.
Und schließlich waren sie da. Nun konnte kein bestimmendes Wort Triaria mehr auf der Sitzbank halten. Als die Straße sich zu Rom hinab wandte, sprang die Römerin auf, was das Maultier mit einem Schnauben quittierte und Kednes veranlasste, sie an ihren Beinen festzuhalten. "Sieh doch, wir sind endlich da!", rief sie ihrem ägyptischen Sklaven zu, der zur Antwort lächelte. Unbemerkt lag in seinen Augen gleichwohl ein Hauch der Unruhe, denn er empfand ihrer beider Schicksal nicht ganz so offensichtlich, wie Triaria das tat. "Bitte, du bringst Hermes' Tritt durcheinander", mahnte Areus seinen Fahrgast erfolglos und führte sein Gespann in den Schatten der Stadtmauer.
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Nachdem sie - persönlich - gezahlt und dem Wirt versprochen hatte, seine Gaststätte bei passender Gelegenheit zu empfehlen, verließ Iulia Triaria die Taverna 'Zum Sonnenuntergang'. Ihre Vorräte aus Athen waren nun vollends aufgebraucht. Zusammen mit den Oliven und dem warmen Brot aber hatten sie ein üppiges Mahl ergeben. Gleichwohl hoffte sie, der nächste Tisch würde etwas festlicher gedeckt sein; - oder anspruchsvoller. Ja, 'anspruchsvoll' war das richtige Wort.
Die Straße vor der Taverna war so belebt wie zuvor. Schnellen Schrittes folgten Triaria und ihr Sklave Kednes ihrer neuen Bekanntschaft, dem Transportunternehmer - so bezeichnete er sich selbst - mit Namen Areus. Nur kurz ging es durch eine schmale Nebengasse, bis sie einen kleinen, grob gezimmerten Stall hinter der Taverna erreichten. Und dort stand das Gefährt. Voller Stolz, die Mundwinkel zu einem strahlenden Lächeln erhoben, breitete Areus seine Arme aus und wies auf den Karren, in dessen Deichsel ein Maultier eingespannt war. Mit Sicherheit handelte es sich um das älteste Maultier, das Triaria jemals erblickt hatte. Vermutlich mochte es gar das älteste Maultier aller Zeiten sein. Fell und Schweif waren so grau wie der Horizont bei Regen. Mit größter Sorgfalt zog das Tier einige Halme aus dem Strohhaufen vor sich und nahm dabei von den Menschen keinerlei Notiz. Fraglich war, ob das Maultier sie überhaupt sehen konnte, denn der Blick seiner runden Augen war grünlich trüb.
Kednes hob die Augenbrauen. In seinem Gesicht präsentierten sich Überraschung und Zorn gleichermaßen. "Ist das ein Scherz? Dieses Ding wird kaum die Stadtgrenze erreichen und schon zusammenbrechen!" Areus schien die Worte des Ägypters als persönliche Beleidigung aufzufassen. "Hermes!", rief er aus, "ist weiter gereist als mancher Feldherr und der Pfad nach Rom keine Herausforderung für ihn!" Triaria starrte das Maultier noch immer an. Gut genährt war es, keine Frage. Aber auch sie hegte ernsthafte Zweifel ob seiner Leistungsfähigkeit, trotzdem sie von Zugtieren zugegeben keine Ahnung hatte. Andererseits war der Preis für die Fahrt nach Rom erschwinglich; - wenn auch erst durch Verhandlung. Triaria seufzte und gewiss hätte sie eine andere Möglichkeit gefunden, nach Rom zu gelangen. Nur fühlte sie keinen Antrieb, eine solche Alternative zu suchen. Zudem würde sie eine Geschichte zu erzählen haben, wie sie mit dem ältesten existierenden Maultier eine Reise unternommen hatte. "Nun gut, Kednes, verlade das Gepäck. Um deines Friedens willen hoffe ich, dein Gefährt hält, was du versprichst, Areus." Während Kednes zunächst protestieren wollte, fiel ihm der "Transportunternehmer" ins Wort und bot Triaria die Hand, um ihr beim Einstieg in den Karren behilflich zu sein. "Wir werden in Rom sein, bevor du des Anblicks von Italias Landschaft überdrüssig wirst", beschwor er feierlich. -
"Ich mag Oliven", sagte Triaria, griff nach einer der kleinen, grünen Früchte und verschlang sie beherzt. Vielleicht nicht so schicklich, wie es einer römischen Dame geziemte, doch mit unübersehbarem Genuss. Da niemand sie kannte - noch nicht jedenfalls - spielte es auch keine Rolle, welche Gedanken den anderen Gästen der Taverna 'Zum Sonnenuntergang' durch den Kopf gingen; - nicht, dass sie überhaupt jemand beachtete. Zwar verriet Triarias blassrotes Kleid einen gewissen Wohlstand, wie eine Königin sah sie nun aber nicht aus. "Es ist mir nicht entgangen, Domina", erwiderte Kednes, der Triaria gegenüber am Tisch saß und ein Stück Brot in Händen hielt. Warmes Brot. Bestreut mit Gewürzen. Rustikal, aber die junge Römerin mochte die Kombination aus warmem Brot mit Oliven. Wussten die Götter, wo sie diese Neigung entwickelt hatte. Zu behaupten, Triaria fröne dem spartanischen Lebenstil, wäre aber gelogen. Dem Luxus war sie keinesfalls abgeneigt.
Auf der Stirn der jungen Römerin zeigten sich einige Falten. Es kam selten vor, dass Kednes sie mit 'Domina' ansprach. Früher hatte er das getan, wenn er sie auf Geheiß ihrer Tante tadelte. Und so verband Triaria mit dem Wort instinktiv einen Ausdruck der Mahnung. Kednes Gesichtszüge verrieten indes keine besondere Regung. Man musste hinzufügen: Das taten sie überhaupt fast nie. "Was geschieht mit dir, wenn wir Rom und die Domus Iulia erreicht haben?", fragte sie ihren treuen Begleiter und lehnte sich zurück. Die Blätter einer die Wand hinter ihr empor kriechenden Ranke kitzelten dabei ihren Nacken. "Hat meine Tante Anweisungen erteilt?" Kednes hielt inne und ließ sich mit seiner Antwort auffällig viel Zeit. Beiläufig strich er sich mit der Hand über den haarlosen Schädel. "Nicht direkt", sagte er schließlich. "Sie ließ mir die Wahl, an deiner Seite zu bleiben." Dass eine Wahl weitere Optionen implizierte, verschwieg er geflissentlich und Triaria schien dies - wie er mit einer gewissen Erleichterung feststellte - auch nicht zu bemerken. Vielmehr glänzten ihre Augen und sie nickte eifrig. "Sehr gut! Ich wäre untröstlich, müsstest du zurück nach Griechenland." 'Das glaube ich dir, mein Mädchen', dachte Kednes und nickte huldvoll."Ich habe vernommen, ihr wollt in die ewige Stadt?" Die singende Stimme gehörte einem kleinen, untersetzten Mann. Römer, wie es schien und sein Latein verriet. Kednes war sofort auf den Beinen, wobei seine Hand verdächtig nahe dem Brotmesser lag. Der Mann schrak zurück, schon im Begriff, die Flucht zu ergreifen, doch Triarias gehobene Finger ließen beide lange genug zögern. "Du hast uns belauscht?", fragte sie den Fremden und starrte ihn vorwurfsvoll an. Eilig schüttelte er den Kopf. "Niemals! Meine Ohren sind nur geschult, das Wort Rom in einer jeden Unterhaltung aufzuschnappen. Dies schwöre ich, denn meine Aufgabe ist es, Reisende in das Herz des Imperiums zu kutschieren. Gegen eine bescheidene Aufwandsentschädigung." Die Muskeln an Kednes Armen entspannten sich nur langsam und die Hand nahe des Brotmessers blieb liegen. "Welch Zufall", erwiderte Triaria nicht frei von Sarkasmus und ihr ägyptischer Sklave jubilierte im Geiste, dass sein Schützling dem Fremden nicht sofort ihr Vertrauen entgegen brachte. "Wie dem auch sei, wir benötigen tatsächlich eine Möglichkeit, nach Rom zu gelangen. So dein Preis akzeptabel ist. Wann könnten wir aufbrechen?" "Sofort, sofort!", bekräftigte der Fremde und stellte sich vor: "Areus, mein Name. Und es wird mir eine Freude sein, euch meine Dienste anzubieten."
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Ob vergleichbar mit Athens Hafen oder nicht, der Portus Traiani war groß genug, um sich auf dem Weg gen Ostias Zentrum zu verlaufen. Nachdem sie den Pier verlassen hatten waren Iulia Triaria und ihr Sklave Kednes einer Gruppe fremdländischer Händler gefolgt, doch wider Erwarten suchten diese nicht den nächsten Marktplatz auf, sondern verschwanden in einem hölzernen Lagerhaus. Eines von vielen. Von sehr vielen. Triaria runzelte die Stirn und rümpfte zugleich die Nase, während sie die sich in alle Richtungen erstreckenden Lagerhausreihen betrachtete. "Das war kein guter Plan." "Nein", stimmte Kednes ihr zu und die Anstrengung, all das Gepäck zu tragen, wurde trotz seiner kräftigen Oberarme allmählich offensichtlich.
Natürlich hätte Triaria einfach nach dem rechten Weg fragen können und ursprünglich war das auch ihre Absicht gewesen. Ein jedes der am Hafen lungernden Kinder hätte ihr mit Freude den Weg zum nächsten Gasthaus gewiesen; - gegen einen kleinen Obolus, versteht sich. Die Idee aber, einfach den Händlern zu folgen, war ihr stattdessen als Geniestreich erschienen. Und inzwischen verstand sie auch, woher dieser Eindruck kam. Triaria fürchtete sich. Nicht vor Ostia, sondern vor dem, was geschehen würde, wenn sie Rom tatsächlich erreichte. Sie vermisste ihre Tante, die Sicherheit ihres gewohnten Umfeldes, den zur Routine gewordenen Tagesablauf. Hier wusste sie nicht zu sagen, was in der nächsten Stunde kam. Natürlich, sie hatte genug Münzen bei sich, um einstweilen weder Obdach noch Essen oder Trinken missen zu müssen. Die Ungewissheit aber ängstigte sie und der Irrweg durch die Hafenanlagen gab ihr die nötige Zeit zu einem inneren Monolog mit der Göttin Bellona. Eine Antwort blieb freilich aus. Aber darum ging es auch nicht, vielmehr suchte sie sich ein Beispiel am Mut der Göttin zu nehmen, dem Unabwägbaren zu begegnen.
Das Scheppern eines Wagenrades auf grob behauenem Stein zog Triaria aus ihren Gedanken und sie ballte eine Hand zur Faust. "Genug getrödelt! Haben wir noch von den Vorräten übrig? Lass uns diese zu uns nehmen und dann nutzen wir die erstbeste Gelegenheit, um Rom zu erreichen. Heute noch. Die Sonne steht erst wenige Stunden über dem Horizont." Kednes hob die Augenbrauen bei Triarias plötzlichem Stimmungswechsel. Er hatte sich bereits auf eine erholsame Pause eingestellt, eine Aussicht, die nun wie Laub im Wind dahin schwand. "Dann müssen wir diese Straße zurück, die dritte Kreuzung rechts abbiegen und gelangen so in die Stadt." Triaria stutzte, dann legte sich ein schmales Lächeln auf ihre Lippen. Der alte Ägypter hatte gewusst, was sie umtrieb und es schweigend ertragen. Vermutlich tat er das oft.Kednes Wegbeschreibung erwies sich als zutreffend. Wenig später standen sie auf einer Straße, die parallel zur Hafenanlage verlief. Ihnen gegenüber eine Häuserzeile mit einfachen Bauwerken. Ämter, Tavernen, Mietskasernen. Menschen eilten in beide Richtungen an Triaria vorbei und fast alle waren sie Römer. Keine Griechen, Römer! Latein drang an Triarias Ohren, nur selten von anderen Sprachen durchbrochen. Das bedrückende Gefühl, einem ihr völlig unbekannten Ort ausgesetzt zu sein, wisch der Neugierde und Triaria zupfte in einer - wie sie selbst zugab - theatralischen Geste ihr Kleid zurecht. "Das da", entschied die junge Römerin und lief zielstrebig auf ein Gasthaus zu, das ihr optisch angemessen schien.
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Ostia war nicht Rom - zumindest nicht direkt - und zog Triaria doch in den Bann. Während die Corbita langsam in den Portus Traiani eingelaufen war, hatte die junge Römerin zusammen mit ihrem Sklaven Kednes an der Reling gestanden und die zahllosen Schiffe beobachtet, die hier vor Anker lagen. Schon Athens Hafen war beeindruckend. Ostia indes überflügelte ihn noch in Triarias Augen. Ob dem tatsächlich so war in Größe und Zahl der Schiffe war objektiv betrachtet schwer zu beurteilen. Zumindest nach Meinung des alten Ägypters Kednes. Für Iulia Triaria bestand darüber hingegen kein Zweifel, denn Ostia war römisch und Rom war in ihrer Welt allen anderen bekannten Orten natürlicherweise überlegen. Vermutlich lag es auch schlicht an der - wie Kednes insgeheim zugestand - stattlichen römischen Marine, die sie bei der Einfahrt in den Hafen hatten bewundern können. Trotzdem Roms wahre Stärke in den Legionen an Land zu finden war, verstanden sie sich ebenso darauf, ihrem Machtanspruch auf dem Meer Geltung zu verschaffen. Triaria gab sich alle Mühe, die Triremen und Liburnen zu zählen, zu einem vollständigen Bild der Flotte gelangte sie aber nicht. Unablässig betonte sie dabei, die Flotte einmal besuchen zu wollen. Das zumindest mochte ihr eines nicht allzu fernen Tages tatsächlich möglich sein. Zunächst mussten sie naheliegendere Probleme lösen, was auch der jungen Römerin schnell bewusst wurde.
Als sie auf dem steinernen Pier eines der Anleger von Ostia standen - vom Kapitän der Corbita mit einem leidlichen Brummen verabschiedet - kam die vielleicht entscheidende Frage auf. "Und jetzt?", formulierte Triaria diese in gewohnter Direktheit. Ihr Blick wanderte über Schiffe, Fracht und Menschen, auf der Suche nach einem Anhaltspunkt. Sie fand keinen. "Weiter nach Rom", schlug Kednes vor und wies, beladen mit ihrem Gepäck, den Pier entlang gen der sich erhebenden Hausfronten. Offensichtlich hatte Triaria eine Art Empfangskomitee erwartet, ganz so einfach würde ihre Ankunft in Rom aber wohl nicht ablaufen. Vielmehr war fraglich, ob sich denn überhaupt jemand an sie erinnerte. Im Moment war sie nur eine Fremde, wenngleich mit einem bekannten Namen. "Doch zuvor möchte ich anraten, etwas zu essen und womöglich gar eine Nacht zu ruhen. Die Schiffsreise war anstrengend", ergänzte der Ägypter. Triaria nickte bedächtig. "Ich denke, du hast Recht. Gut, suchen wir eine Bleibe und entschließen dann den nächsten Schritt."
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Während der Hafen von Piräus allmählich kleiner wurde, mehr und mehr mit der Landmasse zu einem schmalen Strich am Horizont verschmolz, stand Triaria an der Reling und starrte in die Ferne. Ihre Hände pressten sich so fest um das raue Holz, dass die Fingerköchel unter der samtigen Haut weiß hervortraten. Indes lag das nicht an den schlingernden Bewegungen der Corbita, während die im Wind geblähten Segel das Schiff mit zunehmender Fahrt über die aufschäumende Gischt der Wellen gen Rom trugen. Vielmehr wurde Triaria in eben diesem Moment bewusst, dass die Reise eben keine kurze Episode war, sondern ein einschneidender Wendepunkt in ihrem Leben; - womöglich ohne Wiederkehr. Begonnen hatte er mit einem Brief ihrer Tante an Senator Lucius Iulius Centho. Unwirklich war der jungen Römerin damals die Aussicht erschienen, schon bald tatsächlich in der Hauptstadt des Imperiums zu sein. Zwar hatte sie begonnen, die nötigen Vorbereitungen zu treffen - ihre Habe packen, Vorräte einkaufen -, aber die Aufregung hatte jeden Gedanken an Konsequenzen verschluckt. Nun wurde Triaria mit eben jenen erstmals bewusst konfrontiert. Und die Erkenntnis trieb ihr die Tränen in die Augen.
Kednes stand mit verschränkten Armen einen Schritt hinter seinem Schützling. Er hatte keine Mühe, sich gegen das Auf und Ab der Corbita auf den Beinen zu halten. Was in Triaria vorging, ahnte er. Im Grunde hatte er gewusst, dass dieser Moment kommen würde, seit Herminia Atratina beschlossen hatte, es sei für Triaria an der Zeit, nach Rom zurück zu kehren. Die Entscheidung, den Abschied schon an der Porta zu vollziehen und nicht am Hafen, war weise gewesen. Andernfalls stünde Triaria nun vielleicht am Pier und nicht hier an Deck. "An dieser Schwelle bist du zu mir gekommen und von hier wirst du auch wieder gehen." Vermutlich hatte sie das Wort 'verlassen' bewusst nicht gewählt. Wie auch immer ... nun gab es kein zurück mehr.
"Glaubst du, eines Tages werde ich auch einmal ein Schiff führen?", fragte Triaria unvermittelt mit bebender Stimme und im Affekt hätte der alte Ägytper beinahe 'Natürlich nicht' geantwortet. Stattdessen wandte er seinen Blick zu dem Kapitän der Corbita, einem bärtigen, untersetzten Griechen, der so wortkarg war wie ein Stein. Die Unterhaltung zwischen ihm und Triaria war zur Enttäuschung der Römerin denkbar kurz ausgefallen. Waren es mehr als zehn Worte gewesen? "Vielleicht", erwiderte Kednes schließlich. "Wenn Bellona dir wohlgesonnen ist", fügte er hinzu, um mit der Erwähnung von Triarias so bewunderter Göttin ein wenig Trost zu spenden.
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Die Corbita war groß. Nicht so groß wie eine Triere, aber dennoch beeindruckend. Viele Stunden und Tage - wann immer ihre Tante es erlaubt hatte - war Triaria hier am Hafen gewesen, stets begleitet von Kednes, und hatte die ein- und ausfahrenden Schiffe beobachtet. Seit jeher übte die Fahrt zur See eine eigenwillige Faszination auf die junge Römerin aus; - gleichwohl ihre nun schon lange zurückliegende erste und bis heute letzte Reise über das Meer wenig annehmlich gewesen war. Kednes, der einst selbst auf Schiffen gedient hatte - Kriegsschiffen, wie Triaria vermutete -, wusste ihr viel über das Handwerk an Bord, die Kunst der Nautik und insbesondere die Freiheit auf dem endlosen Wasser zu erzählen. Geschichten von Abenteuern und Heldenmut. Vieles zweifellos frei erfunden, anderes wohl nur ausgeschmückt um einen wahren Kern. "Das Schiff gefällt mir", sagte Triaria, als sie schließlich am Pier standen und Kednes neben ihr das Gepäck gen Boden gleiten ließ. Selbst für den stämmigen, alten Mann waren die Taschen und Kisten nicht einfach zu tragen gewesen. "Ja", antwortete er zunächst kurz angebunden, bis er spürte, dass Triaria mehr erwartete. "Und sicher, wie mir scheint. Der Kapitän versprach, seine Besatzung sei erfahren in der Abwehr von Piraten." Triaria stemmte die Hände in die Hüfte und schien ob dieser Anmerkung weniger beunruhigt als Kednes vermutet hatte. "Achja? Steht denn ein Überfall zu erwarten?", erkundigte sich die Römerin und beinahe glaubte der Ägypter so etwas wie hoffnungsvolle Anspannung aus ihrer Stimme zu hören. "Nein, wahrlich nicht. Kaum eine Route ist so sicher wie jene, die vor uns liegt. Nur meine Sorge um dich ..." Innerlich seufzte Kednes. Er kannte Triaria seit ihren Kindertagen und seine vordringlichste Aufgabe war ihr Schutz. Keine leichte Aufgabe, doch er hatte sie im Laufe der Jahre mit mehr und mehr Freude erfüllt. Seine Sorge um ihr Wohlergehen war daher keineswegs gespielt. Bisweilen indes erschien ihm sein Schützling sehr naiv. 'Klug, aber verträumt.', hallten die Gedanken durch seinen Kopf.
"Ich möchte den Kapitän kennen lernen", bestimmte Triaria entschlossen und ging forschen Schrittes auf die Holzbrücke zu, die das Schiff mit dem Pier verband. Ein Seemann, trotz der morgendlichen Frische mit kaum mehr als einem Lendenschurz bekleidet, sah der Römerin abwartend entgegen. Das Funkeln in seinen Augen gemahnte Kednes, dass er an Bord stets ein Auge auf seinen Schützling haben musste. Nicht dass ein Seemann es wagen würde, sie war immerhin eine Iulierin und die Strafe kaum zu ermessen. Andererseits blieb vieles, was zur See geschah, auch eben dort. "Iulia Triaria", stellte sich die junge Frau dem Seemann vor und wies auf die Corbita. "Für mich wurde ein Platz auf diesem Schiff erworben. Wann stechen wir in See?" Kednes schmunzelte, als die Römerin sich der nautischen Sprache bediente. "Bald. Käpt'n is noch nich zurück", murmelte der Seemann auf Latein mit gebrochenem, griechischem Akzent und seine sehnigen Schultern hoben sich. "Könnt's Zeug aber an Bord bringen", fuhr er fort und deutete auf die Reisehabe, die Kednes erneut aufgeladen hatte. "Vielen Dank!", antwortete Triaria und die Sohle ihrer Sandale berührte die Holzbrücke, noch bevor der letzte Ton verklungen war.
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Früher Morgen. Die flammende Sonnenscheibe stand noch halb hinter dem Horizont verborgen und tauchte die Gebäude von Athens Hafenstadt Piräus in warmes, goldenes Licht. Sanft raunte der Wind durch die Takelage der an den steinernen Piers vor Anker liegenden Handelsschiffe, trug einen Schwarm kreischender Möwen über die glatte, glitzernde Wasseroberfläche. Ein Trupp Sklaven hievte unter den noch halb geschlossenen Augen eines unbeteiligt wirkenden Aufsehers verschnürte Pakete in ein nahes Warenhaus, ihre gemächlichen Bewegungen verrieten indes keine Eile. Eine friedliche, fast andächtige Szenerie, wie sie sich dem menschlichen Auge zumeist nur zu solch früher Morgenstunden bot.
Iulia Triaria war auf halber Höhe der Treppe stehen geblieben, sog die salzhaltige Luft genüsslich in ihre Lungen und ließ ihren Blick in die Ferne wandern, dorthin, wo sich der Himmel und das Meer berührten, ... wo ihr Ziel lag. Sie war aufgeregt und nervös zugleich. Ein Teil von ihr empfand gar Furcht bei dem Gedanken, die Stadt Athen, die ihr 16 Jahre eine vertraute Heimat gewesen war, für lange Zeit zu verlassen. Womöglich gar für immer. Die Vorfreude aber auf jenen Moment, da die Stadtmauern Roms sich vor ihr erheben würden, verdrängte die Furcht und Triaria vergrub sie weitab tief in ihrem Inneren. Zu oft hatte sie diesen Moment in Tagträumen durchlebt, um jetzt zu weichen. Dass die Realität der Vorstellung nicht standhalten könnte war für Triaria schlicht nicht denkbar.
Kednes indes, der ägyptische Sklave und auserwählt, die junge Römerin zu begleiten, betrachtete die vor ihnen liegende Reise mit einem weitaus nüchterneren Blick. Er war in früheren Jahren bereits zur See gefahren und wusste, welche Gefahren auf dem just so friedlich vor ihnen liegenden Meer lauerten. Mit höflichen Geste versuchte er nun, Triaria zum Weitergehen zu bewegen. "Das Schiff wird nicht auf uns warten, fürchte ich." -
'Seine erste Reise zu Wasser ...'; das traf auf Triaria nicht zu. Gleichwohl konnte sie sich an die Überfahrt, die sie einst von Rom nach Athen gebracht hatte, kaum mehr erinnern. Zu jung war sie gewesen, ein Kleinkind bestenfalls, dessen einziger Gedanke den sich entfernenden Eltern galt. Für das Meer und den Windschlag in den Segeln hatte sie damals weder Sinn noch das Verständnis. All dies lag aber weit zurück und berührte sie in diesen Tagen nicht länger. Lediglich eine blasse Erinnerung, im Nebel versunken. "Ich habe den Eindruck, Syrer, es wird nicht deine letzte Reise gewesen sein. Wenn du wahre Weisheit erlangen willst, sollten deine eiligen Schritte dich alsbald nach Rom tragen. Nicht nur das Herz, auch der Verstand des Imperiums hat dort seine Heimat." Triaria lächelte und nickte dann zum Abschied. "Vale, Syrer. Deine Götter mögen dich geleiten."
Mit einem Wink deutete sie Kednes, ihr zu folgen. Ein letzter Blick traf den Fremden, dann machte sich die Römerin auf den Weg zu ihrem ursprünglichen Ziel. Das auf der Agora allgegenwärtige Geplapper der Menschen drang zurück an ihr Ohr, nun, da die Konzentration auf nur eine Stimme endete. Zu ihrer Linken bot ein Mann lautstark Fisch an und beinahe hätte Triaria in dem Lärm das Flüstern ihres ägyptischen Begleiters überhört. "Dieser Mann betet nicht zu Göttern." Irritiert sah die Römerin ihren Wächter und Begleiter an. "Mhm? Was sollte er denn sonst tun?" Kednes zog die Stirn kraus und warf einen Blick über seine breite Schulter, ohne den Syrer indes zu entdecken. "Hast du das Zeichen auf seinem Stab nicht gesehen? Der Fisch. Er ist ein Christ." Abrupt blieb Triaria stehen. "Tatsächlich? Das mag erklären, dass er mir seinen Namen nicht verriet. Es zeugt von Mut oder von Dummheit, sich als solcher mit einem Erkennungszeichen in der Öffentlichkeit zu bewegen." In einem Anfall von Missbilligung schüttelte Triaria den Kopf. "Ich zweifle, dass ich ihm erneut begegne. Vielleicht in der Arena." -
'Das sehe ich.' Der Gedanke lag Triaria auf der Zunge, doch sie sprach ihn nicht aus. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte der Fremde - der seinen Namen vielleicht aus gutem Grund nicht verriet - die Worte als herablassend empfunden. Es gab keinen Anlass, ihn zu provozieren. Immerhin hatte er sich entschuldigt. 'Begegne dem Anderen zunächst stets auf neutralem Boden. Zum Feind kannst du ihn später noch erklären.' Wieder so eine Weisheit, die Triarias Tante ihr zugeflüstert hatte. "Lycia et Pamphylia. Dann bist du weit gereist", sagte sie stattdessen und hob die Augenbrauen in einem Anflug wahrhaftigen Erstaunens. Menschen aus diesen fernen Provinzen des Imperiums traf man nicht allzu häufig in Griechenland. Und nur der Philosophie wegen? "Ein hehres Ziel, das du verfolgst", fuhr Triaria fort, während ihr Begleiter Kednes mit einem letzten Schritt nun endgültig wieder hinter ihr stand. Seine Bedenken über eine mögliche Konfrontation schienen sich verflüchtigt zu haben.
Triaria wandte sich der Stoa Poikile zu. Zwischen den langen Säulenreihen sah man zahlreiche Menschen auf- und abwandern. Griechen in der Überzahl, manche saßen auch im Schatten am Boden und schienen zu lauschen. "Man sagt dies zumindest. Die Werte des Stoizismus sind mir nicht vertraut genug, um das zu beurteilen. Ich hörte, seine Lehrstunden können Tage dauern. Andererseits ist das vielleicht nur die Geschichte gelangweilter Schüler." Triaria lächelte schmal. "Ob er zugegen ist, weiß ich nicht." Sie deutete auf die mit Einkäufen beladenen Arme des Ägypters, als würde dies zur Erklärung ausreichen. "Aber er wohnt am Fuß des Nymphenhügels, glaube ich. Vielleicht suchst du dort, wenn du hier nicht fündig wirst, Syrer." -
Triaria schien mit dem Faltenwurf ihrer in sattem Gelb gefärbten Stola zufrieden zu sein, denn nun widmete sie ihre Aufmerksamkeit ganz dem Fremden. Ein Römer war er nicht, offensichtlich. Welcher Mann, der nicht im Schatten Bellonas zu Felde zog, würde sein Gesicht hinter einem solchen Bart verbergen? Die Kleidung sprach für einen Reisenden. Zumindest, und das hielt ihm Triaria zugute, schien er nicht jener Sorte anzugehören, die ihre Dasein in dunklen Ecken zwischen kargen Gemäuern fristeten. Gemeinsam mit Ratten und anderem Ungeziefer. Er wirkte gepflegt, der Fremde. Gestützt auf einen Holzstab, den er aber mehr der Zierde wegen bei sich zu führen schien. Gebrechlich jedenfalls wirkte er nicht. Darüber hinaus war er in ihren Augen so unauffällig wie ein Windhauch, einer von vielen. In dieser Erkenntnis lag wenig Arroganz, sondern sie gründete schlicht auf dem Umstand, dass sich Triarias Augen für gewöhnlich anderen Zielen zuwandten.
Allzu lange schien Triaria den Fremden schweigend zu mustern, denn ihr treuer Begleiter Kednes brach die Stille - so es denn Stille auf der Agora gab - mit einem vernehmlichen Räuspern. Triaria blinzelte, aus ihren Gedanken gerissen. "Nein", sagte sie, überrascht von sich selbst, ihre Unwissenheit zu offenbaren. "Das wusste ich nicht. Deine Hoffnung müsste sich aber erfüllen. Damianos lässt die Menschen dort regelmäßig an seiner ... Sicht auf die Dinge teilhaben. Es ergaben sich Momente, da ich ihm zugehört habe. Doch du siehst nicht aus wie ein Philosoph aus diesem Kreise ...", zog sie den Satz in die Länge auf der Suche nach dem Namen des Fremden. -
Der plötzliche Aufprall brachte Triaria zwar nicht aus dem Gleichgewicht, aber aus dem Konzept. Sie trat einen Schritt zurück und sah den Fremden argwöhnisch an. Während ihre Hände nach dem im Licht der Sonne bronzefarben schimmernden Schmuck an Oberarm und Hals griffen - der vermeintlich zufällige Zusammenstoß war unter Dieben ein beliebter Trick -, schätze sie ihr Gegenüber ein und fällte rasch das Urteil; - nicht unbedingt zu seinen Gunsten. Ein Beobachter der Szene wäre zweifellos zu dem Schluss gelangt, dass die Unachtsamkeit der jungen Frau Schuld an dem Missgeschick trug. Triara selbst sah dies naturgemäß anders und setzte zu einer wenig schicklichen Erwiderung an. Indes kam Kednes, der Ägypter, seinem Schützling zuvor, schob sich zwischen den Fremden und die junge Frau. Seine Absicht war klar, wenngleich er dabei das Kunststück vollbrachte, nicht aufdringlich oder gar aggressiv zu wirken. "Verzeihung, Herr", sagte er mit tiefer, ruhiger Stimme. "Im Trubel der Agora verliert man leicht den Überblick."
"In der Tat", murmelte Triaria, die ihre bescheidene Körpergröße straff aufrichtete, durchatmete und sichtlich beruhigt wirkte. Verlegen strich sie über den Stoff ihrer Stola, auf der Suche nach den passenden Worten. 'Fällt dir nichts ein, stelle eine Frage', hallte die Stimme ihrer Tante in Triarias Ohr. Eine beiläufig ausgesprochene Empfehlung, die ihren Wert in jenem Augenblick bewies. "Wohin tragen dich die schnellen Schritte so eilig?", fragte sie daher kurzerhand mit dem Ziel, das Thema zu wechseln. -
An diesem Tag schien die Agora noch mehr Menschen anzuziehen als üblich. Natürlich mochte Triaria ihre Wahrnehmung täuschen, denn für gewöhnlich suchte sie diesen Platz nur auf, um sich beim Bummeln die Zeit zu vertreiben. Und zumeist verblieb sie dabei unter ihresgleichen. Unter Römern. Heute aber war sie gezwungen, an den zahlreichen Ständen tatsächlich Halt zu machen. Nicht nur an jenen, die teure Stoffe anboten und daher wenig Kundschaft anzogen. Sondern auch die Stände mit dem Gut des täglichen Bedarfs, die von Menschen umringt waren, die forderten, zahlten, feilschten und tratschten. Zu behaupten, das Gedränge zerre an Triarias Nerven, war eine schmeichelhafte Untertreibung. Soeben zwängte sie sich aus der Menschentraube vor einem Stand mit Reisebedarf und drückte ihrem getreuen Gefolgsmann eine lederne Tasche in die Hand. Mit unerschütterlicher Ruhe nahm der alte Ägypter die Tasche entgegen und verstaute sie zwischen den zahlreichen anderen Gegenständen, die er bereits auf seinen kräftigen Armen balancierte. Seine Lippen öffneten sich zu einem Wort, doch entwisch ihnen nur ein resigniertes Schnauben.
"Als man mir sagte, es wäre an der Zeit für mich, nach Rom zurückzukehren, habe ich nicht geahnt, wie beschwerlich die Vorbereitungen sein würden", seufzte Triaria an seiner statt und blieb mitten auf dem Pfad zwischen zwei Ständen stehen. Athener und Gäste aus aller Welt waren gezwungen, einen Bogen um die Römerin zu schlagen. Manch einer warf ihr dabei einen feindseligen Blick zu - ob Triarias Herkunft oder der Störung ihres Weges -, jeden Fluch aber erstickten die steingrauen Augen des Ägypters. "Rom ist nicht Athen. Du musst lernen, das Nötige selbst zu tun", gab Triaria mit veränderter Tonlage von sich und der Ägypter, Kednes sein Name, gestand ein, dass sie die Stimme ihrer Tante ziemlich gut traf.16 Jahre. So lange war die Iulierin nun schon in Athen. Rom war für sie allenfalls eine blasse Erinnerung. Plötzlich aber sollte sie in das Herz des Imperiums zurückkehren. So der Plan, wenn man in Rom denn bereit war, sich ihrer anzunehmen. Im Grunde fasste Triaria diese für sie unbeeinflussbare Ankündigung bemerkenswert gelassen auf. Sie war in Griechenland nie wirklich heimisch geworden, sondern im Herzen römischer als mancher Senator. Zumindest behauptete sie das. Kednes empfand ihr Verhalten bisweilen nicht als sehr römisch. Andererseits kannte er die ideale Römerin vorwiegend nur aus Geschichten. "Wohin jetzt?", drängte er Triaria, nicht länger den Menschen im Weg zu stehen. Zur Antwort rollte sein Schützling die Augen - mit einer gewissen Eleganz, die jeder ihrer Bewegungen zueigen war -, deutete mit zwei Armen irgendwie in drei Richtungen und erwiderte: "Dort entlang. Wir haben es beinah ..." Das letzte Wort ging in einem dumpfen Aufprall unter, als Triaria sich im Satz herum wandte und mit einem einfach gekleideten, bärtigen Mann zusammenstieß.
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Ich habe noch keine festen Pläne für den Charakter, dafür fehlt mir doch etwas der Einblick in die Möglichkeiten des IR. Zunächst möchte ich den Schwerpunkt daher gerne auf gutes Rollenspiel legen, mich ein wenig in die Antike einfühlen und schauen, wohin der Weg den Charakter führt. Schön wäre es, dem tatsächlichen Leben im alten Rom spielerisch möglichst nahe zu kommen.
Langfristig - wenn ich mich dann etwas besser auskenne - würde ich den Charakter gerne in eine religiöse Funktion bringen. Eine kleine Aufgabe, sozusagen. Wobei ich Triaria nicht als übermäßig fromme Person plane. Meine Vorstellung ist eine junge (kein Teenager), römische Dame, intelligent, durchaus standesbewusst ... und von der Überzeugung beseelt, dass die römische Kultur allein die Welt retten kann. Ob diese Vorstellung den Kontakt mit Mitspielern überlebt, das müsste sich zeigen.