Beiträge von Marcus Iulius Casca

    Spinther hatte Wort gehalten. Die Handwerker hatten alle Arbeiten in und an seiner Wohnung umgesetzt. Sein Tresor war verankert, seine Wohnungstüre erneuert und sein Fenster gesichert worden. Alle Möbel waren da, auch die seiner seiner Sklavin waren gekommen und in deren Zimmer gebunkert worden. Nun saß er auf seinem neuen Schreibtischstuhl, ließ die Finger über die Lehnen gleiten und starrte ins Nichts.


    Ihn überkam Melancholie. Was waren die Fakten? Er hatte mit seinem Leben vor Hispania nichts anzufangen gewusst. In Hispania hatte er versagt. Er war nicht reicher als vorher, er war nicht wichtiger als vorher und er wusste nicht besser als vorher was er vom Leben eigentlich wollte. Er hatte keine Frau, keine Aufgabe und keiner seiner Gens hatte auch nur versucht Kontakt mir ihm aufzunehmen. Nicht, dass er es begrüßt hätte, oh nein, ganz im Gegenteil, es wäre ihm ein Graus gewesen. Aber das gänzliche Ausbleiben dessen .... war noch schlimmer.


    Wo war eigentlich Eireann? Hatte er sie zum Markt geschickt? Oder war sie irgendwo im Haus? Ganz egal wo, auch das löste sein Problem nicht. Er wusste nicht wohin. Er hatte weder ein Ziel noch eine Aufgabe, einen Sinn seiner Existenz. Da er dieses Dilemma keinesfalls jetzt und hier würde auflösen können, blieb ihm nur ein Weg offen. Es war der beliebte Königsweg aller Dilemmata. Wein .......


    Mühsam kam er auf die Beine und schlurfte die Treppe hinab. Es dämmerte bereits. Er sog kurz die Abendluft ein, musste ob des widerlichen Brodem seiner Nachbarschaft würgen und bog direkt Richtung seiner Caupona ab. Von dort kamen bereits laute Zechergeräusche. Der Fang des Tages wurde also bereits eingeholt. Zu seiner Freude, war sein Tisch jedoch noch frei. Er ließ sich schwer seufzend auf dem Stuhl nieder. Deprimiert legte er die Unterarme auf den Tisch und richtete den Blick in den Raum hinein.


    Am Tresen saßen scheinbar hauptsächlich Einzeltrinker. An einem Tisch sah es nach einer Gruppe Handwerker oder etwas ähnlichem aus. Zwei Händler schienen sich angeregt zu unterhalten. Doch das Hauptaugenmerk zog sicher ein Doppeltisch mit Soldaten auf sich. Denn das waren sie zweifelsohne. Der ganze Habitus des Rechthabens und Mehrwertseins trof ihnen aus allen Poren. Ob es jetzt Urbaner oder Praetorianer oder Legionäre oder diese Wichtigtuer von den Vigiles waren, war Casca gleich. Meist brachten sie sowieso nur Ärger. Noch spielten sie mehr oder minder friedlich Würfel.


    In der Ecke erblickte er Dracon. Er würde seine liebe Mühe mit den Soldaten haben, wenn diese zu randalieren begännen oder Flora betatschten. Das war das große Problem in Rom, wenn man Ärger mit Cingulumträgern hatte. Entweder wurde die Ordnungsmacht alarmiert und es erschienen als vermeintliche Hilfe dann eher Verstärkung für die Unruhestifter in Person von deren Kameraden oder es kamen rivalisierende Einheiten, die sich hassten wie die Pest und der Ärger wurde größer als vorher.


    Endlich fand sein Blick den von Luria Flora. In akzeptabler Zeit erschien sie an seinem Tisch.


    "Salve Marcus Iulius Casca. Was darf es sein? Ein traditionelles Abendessen?"


    Der unterschwellig herablassende Ton machte Casca bereits rasend.


    "Nein ........ ich habe heute nur Bacchus zu Gast. Und der verlangt Wein. Einen nicht enden wollenden Strom."


    Er hatte wohl zu bissig geklungen. Denn Flora machte kommentarlos kehrt und ging zum Tresen zurück.


    Ihm war es gleich.

    Zur gustatio gab es dann tatsächlich leichte, appetitanregende Speisen, zu denen mulsum getrunken wurde. Es gab Hülsenfrüchte wie Dicke Bohnen, Kichererbsen, Erbsen und Lupinen, die hauptsächlich bei Bauern, Schmieden, Legionären und Gladiatoren beliebt waren. Es gab sogar aus Ägypten importierte Linsen. Von wegen Spinther war arm ...


    Kohl mit Essig wurde aufgetragen und Grünkohl in Salpeter gekocht. Sauer eingelegte Früchte und Gemüse wie Oliven, Lauch, Zwiebeln, Gurken, Melonen, Kapernsprossen und Kresse vollendeten den Appetitanreger.


    Während der Vorspeise ließ Casca sein Gegenüber weitgehend in Ruhe. Man sprach über Belangloses und Casca neckte seine Sklavin von Zeit zu Zeit. Doch Eireann blieb professionell und leistete tadellose Arbeit.


    Der Übergang zur mensa prima kam daher schnell.


    Obwohl ausgefallene Stücke wie Euter oder Gebärmütter junger Säue, die gerade geworfen hatten, als Delikatesse galten, konnte Casca damit absolut nichts anfangen und ignorierte dieses Angebot. Dafür stürzte er sich auf die beliebteste aller Wurstsorten, die lucanica, eine reich gewürzte und geräucherte Schweinswurst.


    Über die Sauce kamen Casca und Spinther ins Philosophieren. Der Saucenbestandteil war natürlich das Garum, auch liquamen genannt. Dies war eine aus gesalzenem Fisch, insbesondere Makreleninnereien, in einem langwierigen thermischen Prozess hergestellte Sauce. Durch Sonnenwärme lösten sich enzymatisch die proteinhaltigen Fischbestandteile im Laufe von zwei bis drei Monaten fast völlig auf. Die Lake wurde gesiebt, die Flüssigkeit als garum und der Rückstand unter der Bezeichnung alec gehandelt. Die Herstellung von garum war aufgrund der Geruchsentwicklung in der Stadt verboten. In kleinen Amphoren versiegelt wurde garum im gesamten Imperium versandt und ersetzte im Binnenland vollständig das Salz. In gewissen Mengen war Casca dem Garum sehr zugewandt. Die Hauptspeise war dadurch sich selbst genug Gesprächsstoff.


    An Obst wurden zur Nachspeise dann Trauben gegessen, wobei die ebenso vorhandenen Rosinen für ihn eine Ausgeburt des Hades waren. Daneben standen Feigen und Datteln sowie Granatäpfel in vielen Varianten, ebenso Quitten, diverse Apfelsorten und Aprikosen.


    Kuchen spielten für Casca schon immer eine größere Rolle, die honiggetränkten Weizenkuchen waren fantastisch. Daneben gab es einige Sorten von Nüssen, vor allem Walnüsse und Haselnüsse.


    Nach dem Abschluss der Nachspeise wurden Krüge deutlich weniger verdünnten Weins gebracht und die Sklaven zogen sich in die Schatten des Raumes zurück. Auch seine Eireann beherrschte diese Kunst. Nach einem tiefen Zug aus seinem Glas, versuchte Casca einen neuen Anlauf.


    "Quintus. Von welchen skrupellosen Freunden hast Du gesprochen? Hast Du Probleme?"


    Als Antwort bekam Casca viele Ausflüchte und sehr viele Flüche. Das Gespräch kam kurz danach quasi zum Erliegen. Es war klar zu spüren, wie eine schweigsame Eiseskälte in den Raum gekrochen kam. Casca konnte mit den Antworten zwar wenig anfangen, aber Spinthers Gesichtsausdruck sprach Bände. Darin lagen Abwesenheit, Scham, Geheimhaltung, aber vor allem .... Angst.


    Es dauerte nicht lange und der Abend war vorbei. Casca ging zu Bett und grübelte noch lange nach. Er hatte solches seit .... ja, eigentlich seit den Zeiten der .... der Krähe ..... nicht mehr erlebt. Schließlich kam ein unruhiger Schlaf über ihn.


    Am nächsten Morgen, machte er sich schnell und in aller Stille auf den Weg und war mürrischer und grüblerischer Stimmung. Er machte nicht viele Worte, als er und Eireann ihres Weges gingen.

    Spinther und Casca hatten das Atrium verlassen und waren in das Triclinium gewechselt. Auch wenn heute nur Casca und er hier speisen würden, war dies der entsprechende Platz. Eine vestis cenatoria dagegen und das Waschen von Füßen und Händen schenkten sich die beiden jedoch, man war schließlich unter sich. Jeder nahm am entsprechenden Platz für Gastgeber und wichtigstem Gast Platz. Alle anderen Plätze würden heute verwaist bleiben. Die Sklaven würden hinter den clinen stehen und Speisen und Getränke anreichen, fürs Fingerwaschen zuständig sein und die Servietten bereithalten. Aber Eireann war noch nicht zurückgekehrt. In der Küche waren wohl noch ein paar Dinge vorzubereiten.


    Zur Vorspeise würde es leichte, appetitanregende Speisen geben. Casca hoffte auf eine wohlschmeckende Variation von Eiern, die traditionell zu Beginn gereicht wurden. Am meisten freute er sich aber auf den Mulsum. Er war geradezu versessen auf diesen Honig-Wein.


    Sowohl der Wein, als auch das anregende Geplänkel mit seiner neuen Sklavin hatten ihn wirklich in versöhnliche Stimmung versetzt. Irgendwie vermutete er, dass genau das Spinthers Absicht gewesen sein könnte.


    Um aus den Grübeleien herauszukommen und um die Zeit zum Essen zu überbrücken versuchte Casca sowohl das Verhältnis zu Spinther wieder etwas zu kitten, als auch diesen auszuhorchen.


    "Weißt Du Quintus, ich wäre wirklich nicht so auf Dich losgegangen, wenn ich hier alles normal vorgefunden hätte. Aber wie bist Du bloß auf die Idee gekommen, mich so zu hintergehen? Dir musste doch bewusst sein, dass ich das nicht durchgehen lassen konnte."


    Spinther nahm einen langen Schluck aus seinem Weinkelch, den er mit ins Triclinium genommen hatte. Über den Rand schaute er Casca lange an.


    "Mein lieber Marcus. Ich habe stets bewundert, wie die Götter Dich immer geschützt haben, während Du durchs Leben gehst. Obwohl Du sie nicht einmal besonders ehrst. Ich will zugeben, dass dieses Leben Dir auch bereits des Öfteren in vollem Schwung in die Fresse gehauen hat .... aber am Ende jeder Schlammpfütze, durch die Du musstest, wartete irgendwie immer eine Truhe Gold auf Dich. Du musst wissen, dass es nicht jedem von uns vergönnt ist, derart gesegnet zu sein."


    Ein verschmitztes Lächeln konnte sich Casca nicht verkneifen.


    "Nun hör aber auf. Nachdem ich meine Praetur nun beendet habe, arbeite ich mich auf das Consulat zu. Und danach hoffe ich auf eine schöne Provinz, damit ich meinen Palast hier in Rom nicht allzu sehr vermissen werde ...... "


    Hierauf ließ Casca einen mehr als hämischen Grunzer erklingen.


    "Marcus, bitte, ich ..."


    Er schnitt ihm das Wort ab.


    "Nein Quintus, ehrlich. Ich kenne dieses Liedchen mehr als auswendig. Du, der arme Malocher, der sich stets recken und strecken muss und trotzdem scheitert und ich der auf der Rosen gebettete Iulier, der nichts tun muss und jeden Abend die Venus zu Besuch hat....."


    Es wurde Zeit für den Mulsum, damit dessen Wirkung Cascas Laune im Zaum hielt.


    ".... das ist doch völliger Blödsinn. Lass uns mal eine Reise durch die Fakten machen. Du wohnst in der eigenen Villa. Du hast Sklaven zu viel, dass Du sie sogar verschenken kannst und Du besitzt mehrere Häuser. ICH dagegen wohne in einer nach Erbrochenem riechenden leeren Wohnung, habe seit Kindheitstagen keine Sklaven mehr und Du hast mehr Kontakt mit einflussreichen Iuliern, als ich!"


    Casca lehnte sich, leicht verstimmt, in sein Kissen zurück. Doch auch Spinther schien milde gestimmt und überging den vorwurfsvollen Ton komplett.


    "Mein lieber Marcus. Alles was Du sagst, mag ja irgendwo auch stimmen. Aber Du hast nie versucht genauer hinzusehen, wenn es Dich nicht interessiert hat. Du kannst sehr gut kombinieren und Schlüsse ziehen, doch manchmal bist sogar Du blind, Deinen geliebten Fakten gegenüber. Rom ist ein Schlangennest. Wer hier überleben will, der muss skrupellos sein ...... oder skrupellose Freunde haben."


    Casca wollte gerade etwas erwidern, als Eireann mit einem Tablett zurückkehrte.

    "Nun, es ist dort nicht so schlimm wie in der Subura, aber der Palatin ist es auch nicht."


    Casca lachte.


    "Meine Wohnung liegt im ersten Stock. Große Fenster. Genügend Räume. Die anderen Mieter muss ich noch kennenlernen. Mal sehen wie die sind, da Spinther sie ausgesucht hat, denn ihm gehören die anderen Wohnungen im Haus."


    Er beantwortete die Frage, obwohl er Eireann ansah, dass ihre Neugier mit ihr durchgegangen war.


    Bei der Frage zu seiner Sippschaft musste er erneut lachen. Sie gefiel ihm.


    "Mein lieber Quintus. Da hast Du Dir ja ein Früchtchen herangezogen. Aber um Deine Frage zu beantworten. Es ist so, dass mein Zweig der Iulier nicht vom großartigen Diktator Gaius Iulius Caesar abstammt, sondern dem plebejischen Geschlecht der Iulii Caepiones entstammt, die jedoch das Bürgerrecht durchaus von Caesar erhalten hatte, ursprünglich aber .... griechische Zwiebelbauern gewesen waren."


    Ob es der Wein war oder die anregenden Antworten der Sklavin, jedenfalls war Casca zunehmend milder gestimmt.


    "Was die Taverne angeht, muss ich gestehen, dass ich selber noch nicht wirklich dort zu Gast war. Ich bin quasi gerade erst aus Hispania zurückgekehrt. Aber wenn ich die Lage bedenke und den riesigen Türsteher .... würde ich dort keine Consuln erwarten, mein Kind."


    Casca hatte sich entscheiden, er würde sie behalten.


    "Spinther, mein Bester. Ich mache Dir folgenden Vorschlag. In Anbetracht des feinen Duftes, der sich in Deinem Domizil verteilt, lade ich mich bei Dir zum Essen ein. Weiter denke ich, da meine Wohnung bis dato leer ist, würde ich auch bei Dir nächtigen. Im Gegenzug nehme ich Dein Angebot Eireann betreffend an. Beim Essen kann sie gleich das erste Mal ihrem neuen Dominus dienen. Was denkst Du?"


    Spinther schaute selbstgefällig. Offensichtlich war er der Ansicht diesen Schlagabtausch gewonnen zu haben und mit der Abgabe von Eireann besser weggekommen zu sein. Casca dagegen war es mittlerweile gleich.


    "So soll es sein." verkündete Spinther. "Lasst uns essen."

    Eireann wich Cascas eindringlichem Blick nicht aus. Im Gegenteil. Sie erwiderte ihn sogar beinahe angriffslustig. Er fragte sich, ob sie aufmüpfig tat, um ihn dazu zu bewegen sie nicht haben zu wollen. Sicher konnte man so verschlagen sein, aber bei ihr hatte er das Gefühl, dass es keine Verstellung war.


    Wegen der erfolgten Belehrung zur >Leibsklavin< kam sich Casca leicht gemaßregelt vor. Kurz verzog er spöttisch den Mund, ließ aber keinen Kommentar folgen. Die Frau hatte Feuer, das war klar. Das war ihm allerdings deutlich lieber als eine einfältige Transuse. Es könnte anstrengend mit ihr werden, aber es war eine Herausforderung. Und scheiterte er oder verlor die Lust, so konnte er sie ja immer noch weiterverkaufen. Kurz hatte er überlegt, ob ihm Spinther hier ein faules Ei unterjubeln wolle, das er loswerden möchte. Aber den Eindruck machte das aufgeweckte Mädel einfach nicht.


    Als Eireann auf das Thema Vergangenheit und ihren ehemaligen Status als Freie zu sprechen kam, erkannte Casca großen Schmerz in ihr. Das weckte sein Interesse, denn er wollte immer möglichst genau wissen, mit wem er es zu tun hatte. Aber im Moment ließ er es dabei bewenden, denn er wollte sie nicht vorführen.


    Immer noch nahe vor ihr stehend, entblößte er seine Zähne zu einem Lächeln. Darauf drehe er sich um und setzte sich wieder auf seinen Platz. Dort angekommen nahm er einen tiefen Schluck aus seinem Weinbecher.


    Gut. Casca fasste zusammen. Sie war eine junge Frau. Ungebunden und gesund. Bei entsprechender Behandlung konnte sie ihm noch lange dienen oder einen guten Preis erzielen. Der Unterhalt würde nicht viel kosten, insbesondere weil er hier einiges dieser Flora unterjubeln würde. Würde der Widerstand dagegen zu hoch ausfallen, würde er einfach anbieten, dass sie in der Taberna helfen könne. Sie konnte seinen Haushalt in Schuss halten, eine extra Kammer für sie hatte er. Sie konnte Botengänge übernehmen und seine Korrespondenz führen. Es schien ihm einen Versuch wert zu sein. Er konnte dabei nicht wirklich verlieren.


    Er ließ den Weinkelch sinken und schaute ihr direkt in die blauen Augen.


    "Gut, Eireann. Danke für Deine Offenheit. Also will ich auch offen sein. Ich wohne in einem etwas .... aufregenderen Teil des Aventin, wenn auch nicht weit weg von hier. Die Wohnung ist überdurchschnittlich groß und wird frisch möbliert und hergerichtet."


    Hier lächelte er kurz Spinther zu.


    "Ich lebe allein. Keine Frau, keine Kinder. Und keine weiteren Sklaven. Im selben Haus gehört mir ein Lokal. Die Caupona Flora, die verpachtet ist. Ich war lange in der Provinz und gewöhne mich erst wieder hier ein. Ich bin ein Iulier, habe mit meiner Sippschaft aber wenig zu schaffen. Ich bin durchaus wohlhabend, was sich kürzlich erst wieder etwas verbessert hat."


    Hier folgte ein weiteres Lächeln gen Spinther.


    "Du würdest also bei mir wohnen. Allein. Du würdest Kochen, Waschen und Putzen. Ich würde Dich auf Botengänge schicken und meine Briefe schreiben lassen, wenn ich das mal nicht selber tun möchte. Ob Du meine Bücher führen wirst, weiß ich selber noch nicht. Möglicherweise musst Du in diesem Lokal aushelfen. Gäste bedienen. Was sagst Du dazu? Kannst Du das alles leisten? Und Dein Leben hier aufgeben?"


    Er wusste, dass sie kein Mitspracherecht dabei hatte. Sie wusste das auch. Gefragt hatte er sie trotzdem. Ihn interessierte einfach ihre Antwort.


    An Spinther gewandt, raunte er noch kurz, "Und ihre kompletten Habseligkeiten und entsprechende Einrichtung für diese Kammer, würden mit umziehen."


    Nun blickte er wieder seine neue Sklavin an.

    Casca schien die Sklavin sofort schlauer und temperamentvoller zu sein, als sie sich offen gab. Eine weise Eigenschaft für eine Sklavin.


    Er stellte sich direkt vor Eireann und versuchte sein Gegenüber zu ergründen.


    "Lesen und Schreiben ist schon einmal nützlich. Gehört Rechnen auch dazu? Leibsklavin? Was genau beinhaltet das denn?"


    Casca schaute kurz und despektierlich zu Spinther hinüber.


    Zeit der Dame etwas auf den Zahn zu fühlen.


    "Wie sieht es mit Kochen, Putzen und Waschen aus? Darfst Du hier das Haus verlassen? Würdest Du eine Adresse in Rom finden und wieder zurück? Wie alt bist Du? Wie viele Herren hattest Du bereits? Was waren Deine Aufgaben für diese? Woher stammst Du? Hast Du Gebrechen oder Einschränkungen? Kinder? Verwandte hier in Rom?"


    Hauptsächlich wollte er wissen, ob sie sich alle Fragen merken konnte. Allerdings wollte er auch wissen, was sie konnte und wofür er sie brauchen konnte. Weiter musste er wissen, ob er einen kleinen Sohn mit erhielt oder sie sich stets über irgendeinen Bruder Sorgen machte.

    Kurz danach betrat eine junge Frau das Atrium, kam näher, stellte sich neben Spinther und verharrte dort untertänig. Casca sah Quintus an, dann sah er das Mädchen an und wieder Quintus.


    Niemand sprach und erklärte die Situation. Bis Casca dem überdrüssig wurde.


    "Und was bedeutet das jetzt? Brauchst Du eine Übersetzerin für Dein Kauderwelsch oder führt mich das Mädchen zu meinem Geld, oder was soll das heißen?"


    Spinther stand auf, trat neben sie und strahlte über das ganze Gesicht.


    "Das ist Eireann!"


    Erneut folgten keine weiteren Erklärungen.


    "Hat Dir die Sonne heute etwas zu sehr auf den Kopf geschienen oder was? Ich verstehe kein Wort. Bekomm endlich die Zähne auseinander, Mann!" Cascsa begann die Geduld zu verlieren.


    "Nun Marcus, verstehe doch, ich habe ...... gewisse Vermögensdispositionen getroffen, die mich leider daran hindern, Dir die versprochene Summe in voller Höhe zeitnah auszuzahlen. Die Möbel zahle ich selbstverständlich und auch die Pachtsumme habe ich bereits Deinem Bankier übergeben, aber die Mietrückstände zwingen mich zu einer .... anderen .... Herangehensweise."


    Langsam begann der Denar in Casca zu wackeln, bevor er langsam zu fallen begann ....


    "Und hier kommt Eireann ins Spiel.", beendete Spinther seinen Vortrag.


    Cascas Kiefer begannen zu malen.


    "Du windiger kleiner Verbrecher willst mich also tatsächlich schon wieder betrügen?!"


    Spinther grinste noch breiter.


    "Nein keineswegs, ich versuche meinen Verpflichtungen nur in der jeder mir möglichen Form nachzukommen. Das Geld habe ich absehbar nicht. Daher biete ich Dir stattdessen meine Sklavin Eireann an."


    Casca sah sich das Mädchen nun zum ersten Mal bewusst an.


    Ein Kind war sie zweifellos nicht mehr. Eigentlich war sie sogar eine Schönheit. Ihre Haut hatte einen bronzefarbenen Ton, der ihr stand. Die strahlend blauen Augen sah er nur ganz kurz, als sie einen Wimpernschlag lang aufblickte. Das Haar war tiefbraun und leicht gewellt und bis zur Brust reichend. Für eine Sklavin hatte sie daraus eine hübsche Frisur zusammen gesteckt. Sie war von mittelgroßer Statur und schlank.


    "Und was soll ich mit einer Sklavin anfangen?", riss er sich von ihrem Anblick los. "Ein riesiger Hüne von einem Sklaven könnte mich wenigstens beschützen."


    Spinther lief um Eireann herum.


    "Sie ist meine beste Sklavin, das schwöre ich bei Minerva! Sie ist jeden einzelnen Denar wert. Sie hat mich einst ein Vermögen gekostet. Direktimport aus Gallia."


    Casca seufzte laut vernehmlich. Spinther hatte das Geld wohl wirklich nicht. Nun hieß es nichts oder eine Sklavin umsonst. Er könnte sie ja weiterverkaufen oder ...


    "Und was sind Deine Pflichten in diesem Haushalt? Was kannst Du denn?, wandte sich Casca einfach direkt an Eireann.


    Spinther ermunterte das Mädchen zu sprechen.

    Nach einem gemütlichen Spaziergang in nicht hektischer Unsicherheit, ob eines Verfolgers, kam Casca wieder in der Caupona Flora an. Er betrat das bereits gut gefüllte Lokal und fand seinen Tisch durch den kleinen Servius reserviert vor. Gedeckt war dieser auch schon. Casca war beeindruckt. Er setzte sich neben den Knaben und dankte ihm. Dann blickte sich Casca im Lokal um. Flora war an der Theke und bereitete Getränke vor. Ihr Aufpasser Dracon hatte seinen Dienst für heute Abend begonnen und stand mit verschränkten Armen in einer Ecke und betrachtete die Gäste. Der Abend war allerdings noch nicht alt genug, um bei dem einen oder anderen alkoholbedingte Ausfälligkeiten hervorrufen zu können.


    Bei nächster Gelegenheit nahm er Blickkontakt mit der Wirtin auf und nickte ihr zu.


    Kurz darauf brachte sie ein üppiges Abendessen und guten Wein. Offensichtlich hatte Casca seine Position erfolgreich klar gemacht. Trotzdem schien Flora einen skeptischen Zug um den hübschen Mund zu behalten und blieb kurz angebunden. Sie hatte sicher mit Servius gesprochen und dieser hatte ihr Cascas Vorwurf an sie bestimmt weitergegeben. Sie hatte offensichtlich noch Klärungsbedarf, aber die Menge an Gästen ließ keine Diskussion zu, daher führte sie keine. Sehr geschäftstüchtig .... und umsichtig.


    Nach einer kurzen Weile. Casca stopfte sich bereits fröhlich die Backen voll, erschien seine Pächterin erneut am Tisch. Sie hielt ihm einen Zettel hin und raunte: "Das wurde für Marcus Iulius Casca abgegeben. Keine Angst .... ich habe es nicht geöffnet."


    Ohne eine Antwort abzuwarten, machte Flora wieder kehrt. Casca grinste in sich hinein und öffnete die Nachricht.


    An: M. Iul Casca


    Salve mein Freund,


    ich hoffe, dass Du Dich in Deinem Heim wieder eingelebt hast und alles zu Deiner Zufriedenheit geregelt wurde.


    Was den Ausgleich der vereinbarten Summe angeht, bitte ich um eine erneute Unterredung.


    Ich habe Dir dahingehend einen Vorschlag zu machen.


    Daher fühle Dich jederzeit in meine Villa eingeladen, um diesen Vorschlag zu besprechen.


    Weiter hoffe ich, dass die bestellten Möbel Deinen Bedürfnissen in jeder Form gerecht werden.


    Vale Amicus,
    Quintus



    Was ein Arsch ..... Casca hätte bedeutend mehr Möbel in besserer Qualität ordern sollen. Seine Laune sank. Der alte Gauner wollte sich doch um die Zahlung drücken. Ihm war der Appetit vergangen.


    Mit einem "Wir sehen uns später und danke Deiner Mutter für das köstliche Essen" stand er auf und ging. "Und folge mir nicht schon wieder!"


    Der Abend war für ihn sowieso gelaufen, daher konnte er seine miese Laune auch zu Spinther tragen und ihn umgehend in den Genuss dessen kommen lassen. Seine Stimmung sackte auf dem, wenn auch kurzen, Weg noch weiter ab. Er donnerte an Spinthers Türe und raunte dem Pförtner zu "Na, noch alle Fackeln auf ihrem Platz?", was dieser nur mit einem verständnislosen Blick quittierte.


    Er wartete nicht weiter auf Begrüßungsfloskeln oder ähnliches sinnfreies Gerede, sondern stürmte in die Villa. Im Atrium saß Spinther bei einem Becher Wein und genoss scheinbar die Ruhe. Cascas Arm schnellte vor und Quintus zuckte zusammen. Beinahe hätte er seine Tunica besudelt. Casca griff allerdings nur nach dem Wein und goss sich einen eigenen Becher voll. "Keine Angst. Heute verpasse ich Dir keinen.
    ... Zumindest erst mal nicht."


    Casca setzte sich. "Was hat Dein Brief zu bedeuten? Wir hatten uns doch geeinigt?" Der Iulier funkelte sein Gegenüber an und nahm einen Schluck Wein.


    Quintus tat gefestigt und hob die Hände. "Verstehe mich nicht falsch. Du hast Recht, ich habe Dir Unrecht getan und bin noch immer untröstlich. Aber darf ich Dir zunächst jemanden vorstellen?"


    Er klatschte in die Hände und blickte erwartungsvoll zu einer Türe neben ihm. Casca folgte dem Blick.

    Nachdem Casca sich erfrischt hatte und die dunklen Gedanken beiseite geschoben hatte verließ er die Thermen. Er ging erneut Richtung Forum und da seine Sinne und seine Aufmerksamkeit nun geschärft waren bemerkte er schnell erneut, dass er verfolgt wurde. Hierüber hatte er nun keinen Zweifel mehr. Erneut in Richtung Via Flaminia unterwegs schmiedete er einen Plan den Gegner zu stellen. Er brauchte eine räumliche Sacksituation. Und er wusste wo er diese recht schnell bekommen konnte. Nicht lange danach näherte er sich dem Templum Divi Traiani. Am Portal angekommen, betrat er das Heiligtum. Er bemühte sich sehr schnell in den Schatten zu verschwinden. Den normalen Betrieb des Tempels beachtete er nicht und machte sich auf in die hinteren Gefilde des massiven Bauwerks. Es dauerte nicht lange, bis ihn ein Priester entdeckte und stellte.


    "Landsmann! Wenn Du huldigen und opfern willst dem vergöttlichten Trajan, so bist Du am falschen Platze angekommen.", schwadronierte dieser.


    "Verstehe mich nicht falsch mein Freund, aber ich würde diesen Platze lieber auf einem Weg verlassen, den sonst keiner üblicherweise benutzt." gab Casca zur Antwort.


    "Das ist mehr als unüblich. So muss ich Dich bitten zu gehen!"


    Nach einem Griff in seinen Beutel hielt Casca dem Priester einige Münzen entgegen.


    "Möge dies der Gottheit zu Größe verhelfen .... und mir den Weg öffnen."


    Der Gesichtsausdruck des Priesters veränderte sich.


    "Dies ist eine Beleidigung des Göttlichen! ..... das Doppelte!"


    Casca rollte mit den Augen. Sei's drum ....


    "Hier und nun öffne den geheiligten Weg für den Meister der Münze!"


    Er konnte dem Priester ansehen, dass er dessen Ehre ein wenig zu viel beansprucht hatte, aber das Geld wog schwerer. Nachdem Casca den Tempel durch eine kleine Türe im hinteren Teil wieder verlassen hatte und der Priester diese Türe wortlos verschlossen hatte, mache er sich langsam um das Gebäude herum wieder auf den Weg zum Hauptportal. Aus einiger Entfernung fiel ihm sofort jemand auf, der den Eingang nicht aus den Augen ließ und sich einigermaßen gut versteckt hielt. Casca näherte sich aus dem toten Winkel und trat hinter die ... kleine Gestalt. Mit einem schnellen Ruck hatte er sie am Schlafittchen gepackt und hielt sie fest.


    "He, lass mich los! Ich habe nichts getan! Du Grobian!"


    Nach einer kurzen Begutachten erkannte Casca seinen Verfolger. Es war der Junge aus Floras Caupona.


    "Du bist doch Floras Sohn, oder? Wie heißt Du? Warum folgst Du mir?"


    Der Junge zappelte und versuchte sich zu befreien.


    "Ja, ich bin Servius. Aber ich bin Dir nicht gefolgt. Jeder kann .... diesem Gott .... dort .... huldigen."


    Cascas Griff wurde fester.


    "Belüge mich nicht. Deine Mutter hat Dich geschickt mich zu beschatten. Gib es zu. Sie will erfahren mit wem sie es zu tun hat, oder?"


    Das Zappeln des Jungen erlahmte und wich Resignation.


    "Nein, so ist es wirklich nicht, Herr, sie weiß nicht einmal, dass ich Dir gefolgt bin. Mir ist nur so schrecklich langweilig. Ich will nicht immer nur in der taberna helfen. Also bin ich Dir gefolgt. Nur um zu sehen ..... was Du so tust."


    Casca blieb skeptisch, hatte aber das Gefühl, dass der Junge aufrichtig war. Daher ließ er ihn los. Und der Junge rannte nicht weg, sondern schaute Casca aufmerksam an.


    "Nun Servius. Einen Helfer, der es so gut versteht jemandem zu folgen und dabei unerkannt zu bleiben, kann ich vielleicht brauchen."


    Er schaute gewichtig und ehrfürchtig auf den kleinen Bengel hinab.


    "Mein erster Auftrag lautet. Gehe heim zu Flora und bestelle ein Abendessen für mich. Ich werde kurz nach Dir eintreffen und will, dass es an meinem Tisch bereitsteht. Wehe Dir, wenn das nicht so ist!"


    Zunächst machte der Knabe nur große Augen. Darauf trat ein Glühen in seine Augen, da er seiner heiligen Pflicht gewahr wurde.


    Mit einem stolzen "Ja, Herr!" machte er kehrt und rannte davon.


    Casca blieb zurück, schüttelte den Kopf und lächelte erleichtert in sich hinein.

    Nachdem Casca sein Heim neu eingerichtet hatte, machte er sich auf den Weg zu seiner nächsten Station. Hierfür musste er nur über das Forum Traiani. Das Capitol umrunden. An der Ecke Via Flaminia abbiegen. Am Porticus Divorum vorbei und den Saepta Iulia. Kurz danach stand er vor den Thermae Agrippae.


    Er wandte sich kurz um, denn schon den ganzen Weg hatte er das Gefühl verfolgt zu werden. Doch erneut schüttelte er den Gedanken ab, wenn auch weniger schnell und weniger überzeugt. Hauptsächlich, weil es mitten am Tag war und weil er die Thermen jetzt wirklich brauchte.


    Die Thermen des Agrippa waren die ältesten öffentlichen thermae der römischen Republik. Erbaut auf den ursprünglich privaten Gärten des Freundes Augustus', lagen sie zwischen dem ebenfalls von ihm erbauten Pantheon und dem Theater des Pompeius. Aufgrund ihrer großen Beliebtheit - Agrippa verfügte testamentarisch, dass der Eintritt für die stadtrömische Bevölkerung frei sein sollte - wurden sie erstmals von Titus renoviert.


    Der Komplex erstreckte sich über eine Fläche von fast einem stadium im Quadrat und entsprach eher dem Muster älterer Bäder. Das Zentrum bildete ein runder Saal mit einem Durchmesser von etwas weniger als einem actus, der durch eine Kuppel bedeckt war. Um diesen waren die weiteren Baderäume unregelmäßig angeordnet, wobei das Caldarium sich westlich an die Halle anschloss. Zu den Thermen zählten nicht nur Baderäume, sondern auch die umliegende Gartenanlage, ein großes Schwimmbecken, der stagnum Agrippae und Platz für sportliche Aktivitäten wie Ringen et cetera. Die Wassermassen, die für die Aufrechterhaltung des Badebetriebs benötigt wurden, speisten sich aus einem separaten Aquädukt, der Aquae Virgo.


    Casca war voller Vorfreude die Badewonnen genießen zu können.


    Römische Thermen hatten stets die gleiche Raumfolge, die schon bei den hellenistischen Reihenbädern existiert hatte.


    Im apodyterium, dem Umkleideraum, entkleidete sich Casca und verstaute seine Kleidung in den in die Wand eingelassenen, abschließbaren loculi. Einen älteren Knaben, der sich scheinbar genau hierauf spezialisiert hatte vertrieb er mit einem geraunzten "He alter Mann. Dein Schicksal mag ja erbarmungswürdig sein, aber wenn Du nochmal so nahe an meine Habseligkeiten kommst, hast Du auch noch eine Hand weniger auf Erden!"


    Als erstes kühlte sich Casca im frigidarium, dem Kaltbaderaum, ab und sprang dort in das Kaltwasserbecken. Das frigidarium war der größte Raum der Thermen und daher der Hauptaufenthaltsraum. Aber Casca erkannte keine anderen Badegäste.


    Darauf reinigte er sich mit dem strigilis und ließ sich nach dem Bad im aleipterion einölen und massieren. Angeschlossen an das frigidarium war die palaestra, der Sportplatz, so dass man sich nach der körperlichen Ertüchtigung, etwa durch Ballspiele oder Muskeltraining mit Hanteln, gleich im kalten Wasser erfrischen konnte. Dieser Teil war allerdings nicht nach Cascas Geschmack.


    Darauf folgte das ebenfalls durch Hypokausten beheizte tepidarium mit milder Hitze.


    Anschließend betrat er das caldarium, den durch Hypokausten und Wandheizungen geheizten, nach Süden hin gelegenen Heißbaderaum mit Heißwasserbecken. Die Bodentemperatur dort war wirklich hoch, weshalb er im Bad Holzschuhe trug. Im caldarium gab es Apsiden, in denen sich die mit heißem Wasser gefüllten Wannenbäder befanden.


    Während Casca den Ausblick durch die großen Fenster genoss, ließ er sich von einem Sklaven mit warmen Güssen überschütten.


    Schließlich gab es noch ein laconicum, ein Schwitzbad mit trockener Hitze ohne Becken, das durch einen Holzkohleofen beheizt wurde und deshalb viel heißer wurde als das caldarium.


    Nun hatte Casca den Punkt erreicht, weswegen er in die Thermen ging. Das Wasser und die Wärme schickte alle seine Sorgen und Beschwernisse in den Hintergrund. Jetzt sah er klar und konnte unverstellt denken. Er war glücklich darüber Spinther übertölpelt und seine Wohnung und seine Caupona zurückerobert zu haben. Auch auf seine neue Einrichtung freute er sich. Er war wieder in Roma. Er war wieder daheim. Es dauerte jedoch nicht lange, bis er sich zu fragen begann, was er denn nun in diesem Rom tun sollte. Er war ja nicht ohne Grund nach Hispania geflüchtet. Mit seiner Familia konnte er nicht viel anfangen. Eine echte Aufgabe sah er nicht. Er bekam Angst davor, dass die Leere wieder von ihm Besitz ergreifen könnte.


    Er schüttelte den Gedanken erfolgreich ab und konzentrierte sich auf Konkretes. Mittlerweile war er sich sicher verfolgt zu werden. Wer sollte dies sein? Hatten die Iulier erfahren, dass er zurück war und kontrollierten ihn, dass er ihnen bloß keine Schande machte? Oder war es Spinther? Wollte er die Vereinbarung etwa brechen? Hatte er ihn falsch eingeschätzt?

    Nach dem Überqueren diverser Kaiserforen hatte Casca endlich sein Ziel erreicht.


    Die Märkte des Trajan. Sein Ziel und der perfekte Ort für sein Vorhaben. Seine Wohnung hatte er zwar wieder, aber alle ehemalig darin befindlichen Möbel waren verschwunden oder nicht mehr nutzbar. Also bedurfte es einer Neuausstattung. Diese war natürlich Teil der Vereinbarung mit Spinther gewesen.


    Zwischen dem Trajansforum und den südlichen Ausläufern des Quirinal waren die Trajansmärkte angelegt. Der Hügel wurde dort in mehreren Stufen abgetragen und darauf ein kompliziertes System von Gebäuden auf mehreren Ebenen in den Einschnitt gesetzt. Die Architektur der Anlage dient dabei auch als Stütze des Hanges, weshalb ihre Form nicht zufällig an eine Staumauer erinnert. Die Fassade der Trajansmärkte besteht aus einem Halbrund, das die östliche Exedra des Trajansforums umfasst. Zwischen den beiden Gebäuden führt eine Straße hindurch. An beiden Seiten der Marktfassade sind neben den Eingängen zwei halbrunde Kuppelsäle angelegt.


    Im unteren Stockwerk sind elf kleine Tabernae untergebracht, über denen ein überwölbter Gang verläuft, an dem zehn weitere Läden liegen. Die Fassade des Ganges ist mit Rundbogenfenstern durchbrochen. Das dritte Stockwerk besteht aus einer Terrasse über dem Gang im darunterliegenden Stockwerk, auf der die Via Biberatica entlangführt, an der zu beiden Seiten Läden liegen. Von der Via Biberatica führt eine steile Treppe zu einem prächtigen Raum, der das Zentrum der Anlage bildet. Der weite Saal geht über zwei Stockwerke. Im Erdgeschoss lagen je sechs Läden an den Längsseiten.


    Casca hatte einige absolut notwendige Anschaffungen zu tätigen, die für jeden Betrachter einer leeren Wohnung auf der Hand lagen. Jenseits davon würde er sich treiben lassen.


    Um zu den Möbelgeschäften zu gelangen musste er im Erdgeschoss bleiben, denn diese waren in den Räumen zur östlichen Seite hin gelegen. Das lag an der Lagerung der sperrigen Gegenstände, da die Lichtversorgung hier sehr spärlich bis gar nicht vorhanden war.


    Der erste Laden, den er betrat gehörte einem Griechen namens Chrispos. Ein durchaus ein passendes Faktum. Denn die Mode der römischen Ausstattung orientierte sich ohnehin an der griechischen mit ihrer überladenen Dekoration. Einem Thraker hätte Casca sowieso keinen Geschmack für Design zugestanden.


    Chrispos war ein Händler, wie er im Buche stand. Zunächst beäugte er Casca von oben bis unten, um seine Solvenz zu beurteilen. Diesen Test schien man als positiv bewertet abzuhaken. Im folgenden Verkaufsgespräch waren alle Waren schlicht weg das Beste vom Besten. Und alles Unikate. Der nächste Kunde, der es jeweils sofort kaufen würde, stand quasi bereits hinter Casca. Wie gesagt, ein typischer Händler. Aber da Casca der Preis eigentlich egal sein konnte und die Möbel wirklich gut waren, würde er sicher fündig werden. Er wollte Spinther zwar etwas schröpfen, aber nicht ruinieren. Bei diesen Gedanken schlich sich sein ungutes Gefühl wieder ein.


    Im Folgenden suchte sich Casca einen sehr schlichten Esstisch, einen wirklich exquisiten weißen Marmortisch mit Löwenstützen und einen dunklen dreibeinigen Tisch mit Beinen in Greifenoptik aus. Ein Regal und eine Wäschetruhe aus Holz kamen bald dazu. Weiter hatte es Casca ein mit Bronze und Eisen beschlagener Holztresor angetan. "Wie ich sehe, kann man den Tresor am Boden mit einem gemauerten Sockel gegen einen Komplettdiebstahl sichern. Hast Du Handwerker, die das machen können?", fragte er den Hausherrn. "Selbstverständlich dominus, überhaupt kein Problem, meine Leute erledigen dies schnell und günstig!" Folgend kamen zwei einfache Hocker und drei ebenso einfache Stühle hinzu. Aber Casca musste diesen einen mit Adlern verzierten kunstvollen Stuhl mit geschweiften Beinen unbedingt haben. Es folgten ein Bett mit Bronzebeschlägen und ein Ecksofa. Wichtig war Casca ein massiver Holzschrank mit inbegriffenem lararium.


    Seine Auswahl sollte fürs erste genügen. Die Küchenausstattung würde er entweder nicht brauchen oder bei Flora .... ausleihen. Die Kleinigkeiten des täglichen Bedarfs würde er an einem anderen Tag besorgen. Der grobe Rahmen stand.


    "Danke für Deine geduldige und fachmännische Beratung, Chrispos. Die Adresse für die Lieferung und die weiterhin vereinbarten Arbeiten habe ich Deinem Schreiber bereits genannt. Dein Preis dafür ist akzeptabel." Das war er sogar wirklich. Da die Handwerker sowieso im Hause waren, hatte Casca ein neue und bedeutend massivere Türe bestellt. Auch sollten alle Fenster mit Stäben aus Eisen gesichert werden. Er würde seine Wohnung nicht noch einmal verlieren.


    "Bliebe nur noch die Formsache der Bezahlung. Ich weiß, dass Du sicher lieber klingende Münze von mir bekommen hättest, aber das müssen wir verschieben." Casca reichte dem Griechen eine tabella. Das folgende Stirnrunzeln hielt sich jedoch in Grenzen.


    "Dies ist die Zahlungszusage des argentarius meines wohlmeinenden Spenders Quintus Obsidius Spinther. Du kannst und wirst das vor der Zahlungsabwicklung überprüfen wollen. Er heißt Artemion .... oder Artedemion. Wie auch immer, der größte Bankier nahe dem Saturntempel."


    Beim Verlassen des Ladens hätte Casca schwören können, dass sich jemand in Windeseile um die nächste Ecke davon machte. Er tat diese Beobachtung jedoch schnell wieder ab.

    Zitat

    Original von Nero Helvetius Archias
    Liebe Mitspielerinnen und Mitspieler!
    In der Subura hat direkt gegenüber der neuen Urbanerstation ein neues Lokal aufgemacht, das sich neben meinen eigenen Storys auch sehr über EURE Geschichten freuen würde! Also wenn eure ID einmal alleine oder in Begleitung in der Subura oder deren Nähe unterwegs sein sollte, kommt vorbei!


    Besonders alle Urbaner-IDs sind herzlich dazu eingeladen ihre Abende hier zu verbringen, für Speis und Trank ist gesorgt! :D


    Bei Zeiten und in Absprache wird das sicher mal der Fall werden. :D

    Casca machte sich in Hochstimmung auf den Weg in die Stadt. Er hatte Spinthers Verirrungen eingefangen. Er hatte seine Wohnung zurückerobert und er hatte seine Pachteinnahmen wieder erschlossen. Nun gedachte er seine Wiederkehr in Roma perfekt zu machen.


    Den Aventin hinunter traf man unausweichlich auf die lange Wand. Den Circus Maximus. Man musste sich entscheiden, wo man ihn umging. Casca wählte die Flussseite. Umging man den Pons Palatinus und den Circus auf der anderen Seite so traf man unweigerlich auf das Amphitheatrum Flavium und musste das komplette Forum Romanum durchschreiten. Daher ging Casca lieber zum Fluss und Richtung Forum Boarium. Am Domus Caligulae vorbei, kam er seinem Ziel viel schneller näher. Die altehrwürdige Basilica Iulia markierte den Zeitpunkt, als er das Forum Romanum betrat.


    Die Außenfassade der Basilica war komplett in weißem Marmor mit dorischen Säulen auf beiden Stockwerken versehen. Zwischen den Säulen des ersten Stocks erstreckten sich dabei offene Arkaden mit Statuen an der Außenseite und Marmorbalustraden zum Mittelschiff hin. Unter den Abgebildeten befand sich auch Lucius Iunius Quintus Vibius Crispus, der damit in Anerkennung seiner zahlreichen Appellationen an Domitian geehrt wurde.


    War es Fügung der Götter, dass er ausgerechnet an diesem Bauwerk, errichtet von einem seiner Namensvetter, dem großen Iulius Caesar, das Forum, den Nabel des Erdkkreises betrat.


    Die hochherrschaftliche Ehrfurcht Cascas endete in dem Moment als ein wirklich abgerissener alter Kerl an ihm vorbeiging, mit absolut unansehnlichen Ekzemen im Gesicht, laut hörbar den Rotz hochzog und dann ebenso laut gerade vor Cascsa auf die Straße rotzte.


    Das seltsamste, sowohl für Casca, als auch für den Bettler war Cascas Reaktion. denn er musste breit grinsen. Das war Rom, sein Rom. Kein in Watte gepackter, entrückter und der Realität entzogener Pathos, der gerade versucht hatte in ihm aufzusteigen und von dem sich so mancher blenden ließ. Nein, Roma war real, hart, wirklich, wahrhaftig und unerbittlich. Und so mochte er es auch am liebsten.

    Cascas Frühstück bestand aus Brot und Käse. Zu Trinken gab es Milch, Wasser und den bestellten Wein. Es gab auch Honig und Datteln, Oliven und Gemüse sowie Eier und etwas Fisch. Mit gierigen Bissen begann Casca seine Mahlzeit zu vertilgen.


    "Sehr gut. Genau was ich jetzt gebraucht habe!", rief er Flora hinterher, die aufgebrochen war den Wein durch neuen zu ersetzen.


    Sie näherte sich skeptisch dem Tisch, stellte den Becher ab und blieb selber unschlüssig stehen. Der Junge wich ihr nicht von der Seite und schaute neugierig.


    Zwischen zwei Bissen wies Casca auf den Platz auf der anderen Seite des Tisches und murmelte: "Setz Dich doch."


    Stehenbleibend erwiderte Flora stoisch: "Warum sollte ich mich zu einem solchen Radaubruder setzen? Du verängstigst die ganze Nachbarschaft, vergraulst meine Kunden, von denen auch Bassius einer gewesen ist, verwüstest die ganze Straße und führst Dich in meinem Laden wie der Herr im Hause auf. Ich habe bereits nach Dracon geschickt."


    Casca legte den Kanten Brot nieder, den er gerade gegriffen hatte.


    "Ich respektiere Deine Motive. Und wer auch immer Dracon ist. Die Antwort, die Du haben willst lautet .... weil ich es bin."


    Unverständnis war das einzige was Floras Gesicht zeigte. Der Sestertius war noch nicht gefallen.


    "Gut .... also die Antwort hast Du jetzt, aber offensichtlich die Frage wieder vergessen. Die Frage war .... warum ich mich her wie der Herr des Hauses aufführe."


    Während Casca die Bearbeitung des Kanten Brot wieder aufnahm, ließ die Reaktion, die etwas milder ausfiel nicht lange auf sich warten.


    "Moment ..... mein Vermieter heißt ...."


    Weiter kam Flora nicht.


    ".... Quintus Obsidius Spinther. Zumindest glaubst Du das. Und ihm gehören tatsächlich weite Teile dieses Hauses. Sogar alles, außer Bassius Rattenloch und Deiner Caupona. Diese beiden gastlichen Orte gehören .... mir. Marcus Iulius Casca."


    Der Unglaube im Gesicht der hübschen Wirtin nahm zu. Die Unruhe des Jungen ebenso.


    "Du kannst das gerne nachprüfen. Frage Spinther ... sofern er vom Medicus zurück ist ... oder wir schauen uns die Besitzurkunde zusammen im Tabularium an."


    Der Unglaube im Gesicht war verschwunden und offensichtlich kalkulierenden Gedanken gewichen. Bevor diese sich Bahn brechen konnten, kam ihnen Casca bereits wieder zuvor.


    "Gut, ich sage Dir, wie es läuft. Was Deine Pacht und die Miete dieses Unwesens von oben der Vergangenheit angeht, habe ich mich bereits mit Spinther geeinigt. Für die Zukunft gilt, dass Du mir die Pacht jeden Monat im Voraus in bar übergibst. Ich werde hier essen und sicher auch des Öfteren trinken. Ich erwarte Wein und nicht die Ziegenpisse, die so mancher anderer Kunde bekommt. Auch sollte immer ein Platz für mich frei sein. Ich mag diesen hier. Vielleicht brate ich mir in Deiner Küche auch mal selber was ..... im Gegenzug senke ich Deine Pacht ..... angemessen."


    Er ließ seinen Blick kurz ihren Körper hinabgleiten.


    "Weitere Dienstleistungen erwarte ich nicht von Dir. So einer bin ich nicht."


    Es gab genug Vermieter, die das verlangten. Und etwas schade war diese Entscheidung sicher auch. Aber Casca war tatsächlich nicht so einer.


    In diesem Moment stürmte ein riesiger schwarzer Nubier in die Taberna und rannte auf Cascas Platz zu. Casca sprang auf und kam diesem freundlich entgegen.


    "Dracon, mein Freund! Schön, dass Du hier bist. Deine Herrin hat fantastische Neuigkeiten für Dich!"


    Casca ging an ihm vorbei, da der Nubier in seinem Sturm innegehalten hatte und Flora unschlüssig anstarrte. Casca lächelte, als er im Gehen zurückrief.


    "Ich habe noch etwas vor, wir sehen uns später."


    Hinter ihm standen alle drei und blickten ihm nach. Er hatte im Ergebnis alle richtig eingeschätzt. Aber er war sich sicher, dass Flora nicht die devote Mieterin sein würde, die er vielleicht erwartet hatte. Er hatte sie überrumpelt, keine Frage, aber er hatte ihr angesehen, dass sie sich nur sammelte. Die Erkenntnis schreckte ihn jedoch nicht ab, ich Gegenteil, sie reizte ihn.

    Nach mehr Wein und einigen Zahlungsmodalitätsdiskussionen machte sich Casca am Morgen auf "nach Hause", um Schritt zwei seines Feldzugs gegen die schleichende Enteignung durchzuziehen. Er hatte ein ungutes Gefühl. Er kannte Spinther schon lange und war sich daher recht sicher gewesen mit seiner offensiven Einschüchterungstaktik Erfolg zu haben. Aber der Widerstand war größer als erwartet gewesen. Und der Grund war nicht Angriffslust oder irgendeine Art von Reife- oder Entwicklungsprozess gewesen, sondern ..... Angst. Spinther hatte vor irgendetwas oder jemandem große Angst. Und er wollte dies Casca gegenüber nicht offenbaren. Und das erzeugte Cascas mieses Gefühl, das sich auch nicht verflüchtigen wollte. Bei nächster Gelegenheit musste er hier nachhaken. Er konnte es nicht gebrauchen, dass Spinther sein Haus, das auch Cascas Haus war nicht mehr halten konnte und irgendein Immobilenhai sein Imperium erweitern wollte.


    Casca war hundemüde, er stank und war hungrig. All das war die beste Motivation für das Kommende. Gerade erreichte er die Caupona Flora.


    "Sei gegrüßt, Flora. Einen guten Morgen wünsche ich Dir. Einen verdünnten Wein und ein Frühstück. Hinten an den Tisch in der Ecke. Bin gleich zurück."


    Er näherte sich der Türe nach oben und drehte sich noch einmal kurz um.


    "Und ... wir haben zu reden!"


    Casca stürmte die Treppe hinauf und blieb vor seiner Wohnungstüre stehen. Wieder verhöhnte ihn das dort prangende -Hier wohnt Bassius-. Aus dem Inneren dröhnte ein lautes Schnarchen. Casca grinste böse und trat die Türe ein.


    Im dunklen ersten Zimmer sah es aus, wie unter einer Tiberbrücke und es stank abscheulich. Casca trat ein paar versiffte Stühle beiseite und näherte sich dem Fenster. Donnernd stieß er die Läden zur Straße auf und ließ Luft und Licht hinein. Irgendwo hörte er ein versoffenes Stöhnen. In den Raum schrie er.


    "Aufwachen Bassius, Du mieser kleiner Wurm. Der Dreck wird rausgekehrt!"


    Auf einer Matte am Boden rollte sich besagter Wurm unorientiert hin und her und grunzte. Schon war Casca bei ihm.


    "Guten Morgen Sonnenschein! Die Vigiles sind da! Du bist eine Brandlast Bassius und eine außerordentlich widerliche noch dazu!"


    Er packte den Mann am Kragen der Tunica und zog ihn grob auf die Beine. Außer Rülpsen und Grunzen kam ihm nichts über die Lippen. Casca zerrte ihn die Treppe hinab und warf ihn unter dem nun offenen Fenster in den Rinnstein. Dass er dabei mitten im größten Unrathaufen im Umkreis landete, war mehr oder minder Absicht.


    "Sollte ich Dich miese wohnungsstehlende Made hier noch einmal auch nur je wieder sehen, so gehst Du im Tiber schwimmen."


    Aus der Flora ragten die Köpfe von der Wirtin und einem kleinen Jungen neben ihr. Ihr Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Überraschung, Schock und Faszination.


    "Bin gleich da!"


    Wieder stürmte Casca die Treppe hinauf. Kurz darauf begann der Regen. Dieser spezielle Regen bestand aus den Besitztümern von Bassius, die nun nach einander auf die Straße flogen und um den noch immer trunkenen und benommenen Bassius herniedergingen. Krachend und scheppernd fielen Stühle, Keramiken und allerlei anderes auf den mittlerweile schreienden Bassius. Casca erschien nach getaner Arbeit am Fenster und schrie hinab.


    "Wie gesagt, ich will Deine widerwärtige Visage hier nie wieder sehen! Solltest Du noch Fragen haben, so wende Dich an Spinther!"


    Bassius schrie ein letztes Mal seine Angst hinaus, raffte nur einige wenige Dinge zusammen und rannte um sein Leben.


    Casca kam nun seelenruhig die Treppe wieder hinunter, ging an Flora und dem Jungen vorbei zu seinem Tisch in der Ecke und fand alles Bestellte dort bereits vor. Daraufhin setzte er sich und wischte sich die Hände ab. Den verdünnten Wein trank er in einem Zug aus.


    "Flora. Danke. Noch einen und dann .... auf ein Wort!"

    Wenig später näherte sich besagter Junge der Türe des Anwesens. Er spähte von links nach rechts, um sich zu vergewissern, dass ihn niemand beobachtete. Als er der Türe ganz nah war, erschien Casca wie aus dem Nichts neben ihm. Auch Casca schaute sich nach weiteren lebenden Seelen im Umkreis um. Als er keine sah, zog er eine der beiden Fackeln aus der Halterung. Zusammen mit dem versprochenen Geld übergab er sie dem Jungen und zog sich wieder ins Dunkel zurück. Mehrere weitere kurze Seitenblicke später legte der Junge die Fackel direkt an den unteren Rand der Türe. Er wartete etwas, bis das Holz begann schwarz zu werden und zu rauchen. Dann hämmerte er mit aller Kraft gegen das Tor und schrie aus Leibeskräften.


    "Verreckt in den Flammen, ihr miesen Hunde! Geizige Bastarde!"


    Schon lief der Junge die Straße hinunter so schnell er nur konnte. Nur Sekunden später riss der Torhüter das Portal auf und schreckte kurz zurück. Er verpasste der Fackel einige Tritte und Stampfer und rannte dem Jungen einige Meter hinterher.


    "Du mieser kleiner Pisser! Wenn ich Dich erwische ertränke ich Dich in der Latrine!""


    Nach wenigen Schritten erkannte der portarius drei Dinge. Zum ersten, dass er den Jungen niemals würde einholen können. Zum zweiten, dass er lieber noch einmal nach den Flammen sehen sollte und zum dritten, dass er seinen Posten nicht verlassen durfte.


    Die Erkenntnis von Casca dagegen war es, dass alle diese drei Einsichten zu spät kamen. Denn er hatte das Anwesen bereits betreten. nach dem Portalbereich folgte das kleine Atrium. Wandbemalung und Statuen hatten schon bessere Tage gesehen. Casca hielt sich im Schatten an den Wänden und lauschte angestrengt. Viel war nicht zu hören. Er meinte Geklapper und leise Gespräche aus der Küche zu hören. Sicher die Sklaven. Seinem Mantel hatte er sich bereits entledigt. Am anderen Ende des Atriums lag das Arbeitszimmer von Spinther. Darin brannte noch Licht, denn der Schein fiel nach außen. Am Rande der offenen Türe angekommen spähte Casca nur Bruchteile einer Sekunde um die Ecke. Der Hausherr stand einen Becher auf seinem Schreibtisch abstellend vor einer Büste und betrachtete diese gedankenverloren. Er war allein. Ebenso schnell entschied sich Casca, wie er vorgehen sollte .... Frontalangriff.


    Mit schnellen Schritten stürmte er auf Spinther zu. Dieser erblickte ihn erst im letzten Moment und begann sich zu ihm zu drehen. Dem Erschrecken auf seinem Gesicht folgte unmittelbar der Einschlag von Cascas Faust. Mit wirbelnden Armen ging er zu Boden. Blut schoss ihm aus der Nase, als er zu seinem Angreifer hinauf sah.


    "Wer zum Hades? Zu Hilfe!!!"


    Casca setzte sich seelenruhig auf die Ecke des Tisches. Griff sich den Becher, der wie gehofft Wein enthielt und nahm einen tiefen Zug.


    "Salve Quintus. Ein guter Tropfen. Es freut mich, Dich bei so guter Gesundheit anzutreffen."


    Spinthers Augen weiteten sich. Seine Erkenntnis über den Besucher und das Eintreffen mehrerer Sklaven kamen im selben Moment. Er schien kurz abzuwägen, was er nun tun solle und entschied sich wie geplant zum Rückzug. Wütend fuhr er seine Sklaven an.


    "Geht! ..... ich kenne den Mann."


    Mühsam rappelte er sich daraufhin auf. Außer Reichweite von Casca griff er nach einem Tuch von einer Anrichte, seinen Besucher nicht aus den Augen lassend. Das Tuch auf seine Nase drückend, näselte er.


    "Marcus. Willkommen zurück. Du hättest auch einfach anklopfen können."


    Nach einem weiteren Schluck Wein, erwiderte Casca eiskalt.


    "Ich dachte mir, dass jemand, der das Heim eines anderen nicht respektiert, solche Besuche gewöhnt sein sollte."


    Spinther war ein Mensch, der nur vor Stärke zurückschreckte. Das Milieu, aus dem er kam, war darauf aufgebaut. Hätte Casca Angst oder Schwäche offenbart, wäre der Kampf bereits vorbei und anders gelaufen. Spinther begann zu stottern.


    "Weißt Du ..... Marcus ..... ich musste ....."


    Harsch schnitt Casca ihm das Wort ab.


    "Du hast meine Wohnung ohne Absprache untervermietet. Du hast mein Geschäft ohne Absprache neu vermietet. Und Du hast die Einnahmen dessen von mir gestohlen!"


    Beide Hände erhoben kam Spinther einen Schritt näher.


    "Aber Marcus. Der alte Grieche war gestorben, ich konnte das Geschäft doch nicht leer stehen lassen. Und die Untervermietung ..... ich brauchte das Geld. Wir werden uns doch sicher einig. Ich hatte monatelang nichts von Dir gehört. Du musst doch verstehen, dass ...."


    Casca sprang vom Tisch auf und machte zwei energische Schritte auf Spinther zu, der zurückwich.


    "Du hast mich bestohlen und betrogen. Ich sage Dir wie es laufen wird. Du zahlst mir die Pachteinnahmen zurück. Du zahlst mir die Mieteinnahmen aus. Plus die Schäden, die dieses Subjekt in meinem Zuhause angerichtet haben wird. Weiter verlange ich Zinsen und eine Entschädigung!"


    Alles Blut wich aus Spinthers Gesicht. Um so deutlicher leuchtete das Blut unter seiner Nase.


    "Weißt Du wie viel das ist? Du weißt nicht, was Du da verlangst."


    Nach der Rückkehr zu Tisch und Weinbrecher begann Casca zu grinsen.


    "Mal sehen, welcher Iulier gerade Praetor ist. Und falls es keiner ist, so wird die Gens sicher einen davon sehr gut kennen. Was so ein Haus wie das hier bei einer Zwangsversteigerung wohl einbringen wird?"


    Die Miene seines Gegenüber machte Casca klar, dass er den Kampf gewonnen hatte.

    Es roch nach Pisse. Durchdringend. Casca hatte es sich gar nicht mal so weit von seiner, wenn auch derzeit okkupierten, Wohnung am Straßenrand -bequem- gemacht. Es ging leider kein Lüftchen, was den Dunst hätte wegblasen können. Als Alternative blieb ihm nur einen tiefen Zug unter seinem Mantel zu nehmen. Will heißen den Geruch gegen den von altem Schweiß zu tauschen. Der echte Bettelbruder, dem er den Mantel abgekauft hatte, hatte jetzt sicher mehr Freude als er. Aber zur Tarnung seiner Kleidung und seiner Tasche war der grobe Wollumhang unerlässlich gewesen. Der Mond stand hoch und brachte ein wenig Licht in die Gasse. Der Circus Maximus war nicht weit weg. Den Göttern sei Dank aber zumindest weit genug weg, um den ganzen Freier-Huren-Konflikten dort aus dem Weg zu gehen.


    Vor ihm die Straße runter lag eine kleinere Stadtvilla. Mittelhohe Mauer. Kleines Atrium und kleiner Garten. Hatte schon bessere Tage gesehen. Rauchige Fackeln an der Türe. Viel hatte sich offensichtlich nicht geändert. Vor rund einer Stunde war der Torwächter herausgekommen und hatte die Fackeln angezündet. Auch er hatte sicher bessere Tage erlebt. Es war also kein muskelbepackter Nubier am Tor, sondern nur diese halbe Portion. Langsam setzte sich das Mosaik an Informationen zusammen. Sehr erfolgreich war Spinther in den Jahren von Cascas Abwesenheit also nicht gewesen.


    Quintus Obsidius Spinther. Casca und er kannten sich seit Kindheitstagen. Beide hatten einiges gemeinsam. Fortuna hatte ihre beider Leben nicht unbedingt mit ihrer immer währenden Anwesenheit beglückt. Doch im Vergleich zu Spinther hatte sich dies Casca wohl deutlich mehr selbst zuzuschreiben. Spinther hatte nicht die Gens Iulia im Rücken gehabt, er hatte immer um alles kämpfen müssen. Er war als Händler stets eher schlecht als recht über die Runden gekommen. Daran hatte sich wohl nichts geändert.


    Casca zog sich erst den Mantel enger um die Schultern und verzog dann den Mund, ob des Gestanks. Er hätte sich doch einen Schlauch Wein kaufen sollen. Die nächsten Stunden vergingen nahezu ereignislos. Mehrere Wagen rumpelten vorbei. Auch zog eine Saufgesellschaft von einigen Adligen an ihm vorbei. Deren Sklaven hatten Knüppel dabei und musterten Casca nur kurz. Eine solche Begegnung konnte fatal ausgehen. Das einzig interessante waren einige Gäste gewesen, die Spinther besuchten. In kurzen Abständen waren drei Sänften gekommen. Jeweils ein Mann und eine Frau wurden vor dem Haus abgeladen. Der Kleidung, der Sänfte und der Anzahl der Sklaven nach zu urteilen, waren alle drei Männer erfolgreicher als Spinther. Die folgenden Stunden konnte man die Abendgesellschaft hören. Nicht zu ausgelassen, aber klar und deutlich. Klang eher geschäftlich.


    Eingelullt von Hunger, Müdigkeit, Urin- und Schweißgestank dämmerte Casca beinahe in tiefen Schlaf. Geweckt wurde er erst von der Abreise der drei Edeltunicaträger inklusive Anhang. Cacsa war wieder hellwach. Er beobachtete die Abreise aller zuvor angekommenen Gäste. Der Pförtner war noch immer der selbe.


    Schon vor einiger Zeit hatte sich Casca entschieden noch diese Nacht zu handeln, denn er wollte auf keinen Fall eine weitere Nacht in dieser Cloaca verbringen müssen. In einer weiteren Gasse stand ein Wagen. Eventuell konnte er damit über die Mauer des Anwesens gelangen. Er würde den Einwohnern aber noch etwas Zeit lassen. Die Sklaven würden Küche und Triclinium aufräumen und langsam zur Nachtruhe wechseln. Nach etwas über einer halben Stunde näherte sich ihm ein Junge um die zehn Jahre. Er hielt sich für leise. Als er begann nach Cascas Umhang zu greifen, da er ihn für schlafend hielt, schlug Casca dessen Hand energisch weg.


    "Was soll das werden du kleiner Nichtsnutz?!"


    Verschreckt wollte der Junge entkommen, nun da sein Gegner eben nicht den Schlaf der Gerechten schlief. Doch Cascas Bein schnellte vor und der Kleine ging zu Boden. Bemerkenswert blitzartig war er aber wieder auf den Beinen und wollte Fersengeld geben. Noch rechtzeitig rief ihm Casca zu.


    "Interesse dir das Geld zu verdienen, das du haben wolltest?"


    Der Junge hielt in der Bewegung inne. Zögerlich und in sicherem Abstand drehte er sich wieder um.

    Spätestens auf dem Forum Romanum bekam Casca echte Heimatgefühle. Die herzerwärmende Freundlichkeit der Passanten, die einen mit wohlmeinenden Remplern zeigten, dass man ihnen in den Weg gelaufen war. Dabei war das Forum nicht einmal voll. Der Arbeitstag neigte sich zusehens seinem Ende zu. Am Rostrum vorbei und zwischen den Tempeln für Saturn und Concordia hindurch sah Casca nach oben. Dort ragte sein Ziel imposant als Abschluss des Areals auf. Das Tabularium.


    Neben dem Palast und dem Praetorianerkastell vielleicht der Ort der Stadt, den Casca am wohl seltensten aufsuchen würde. Aber er hatte ihn vor einigen Jahren aufgesucht und musste dringend herausfinden wie die Schlacht für ihn stand. Denn nur so konnte er einschätzen, wie er seine Truppen in den kommenden Gefechten am besten einsetzte. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er in Hispania zu viel Zeit mit diesem alten Centurio verbracht hatte. Er hörte sich ja schon wie Pompeius oder Caesar an.


    Endlich betrat er den Teil des Gebäudes, der für die normalen Bürger gedacht war. Den Bereich des Staatsarchivs hatte man getrennt angeordnet. Denn mögen die Götter davor bewahren, dass dort unwürdige Würmer herumkrochen. Die trotzdem noch immer langen Schlangen vor ihm waren jedenfalls voller dieser Würmer. Er hätte nicht gedacht, dass um diese Zeit noch immer so viele Personen Zugang zu den Urkunden verlangten. Entnervt wurde sich Casca bewusst, dass er bei diesem Andrang unmöglich heute noch drankäme. Hinter dem großen Holztresen war in der hinteren Ecke ein Scriptor zu Gange, der entweder den Kundenkontakt scheute oder für heute fertig war. Casca scherte aus der Schlange aus und lehnte sich an den Tresen. Damit setzte er alles auf einen Wurf.


    "Salve Legat! Schon Feierabend?"


    Der Mann hielt in seinem Zusammenräumen inne und blickte auf.


    "So ist es. Die Schlage, die sie suchen, ist dort drüben."


    Sofort begann er wieder Sachen in seine Tasche zu stopfen.


    "Da komme ich her. Die Schlage ist mir allerdings zu lang. Ich wäre gerne vor Jahresende hier wieder raus."


    Das Stopfen fand erneut ein Ende. Nun richtete sich der Mann zu voller, wenn auch kümmerlicher, Größe auf und schnauzte Casca an.


    "Das ist nicht mein Problem. Geh in die Schlange oder verschinde ganz. Das ist mir gleich. Ansonsten lasse ich dir beim Verschwinden auch gerne helfen!"


    Er starrte Casca an und erwartete seinen Abgang. Casca allerdings blieb seelenruhig stehen.


    "Nur mit der Ruhe Legat. Ich weiß, dass ein Tag voller Hilfsbereitschaft für den Bürger viel Kraft kostet. Daher leiste ich gerne meinen Beitrag dazu, dass diese Kraft in vollen Krügen wieder aufgefüllt wird. Wie wären fünf Sesterze? Ich suche nur eine Urkunde."


    Ein paar verstohlene Seitenblicke folgten.


    "Sieben."


    Casca wog seine Möglichkeiten ab und entschied, dass es die Sache wert war. Diskussionen und Schachereien wären seiner Sache abträglich gewesen.


    "Einverstanden. Ich suche eine privat hinterlegte Urkunde. Der Name des Hinterlegers ist Gaius Petronius Calvus. Ein Testament. Eingelagert wohl vor circa acht Jahren. Ich will es nichtmal mitnehmen, nur sehen."


    Das Geld fand seinen Weg zum Bürobewohner. Nach nur noch sehr kurzem Zögern ging dieser auf die Suche und kehrte nach einigen Augenblicken mit einer Schriftrolle zurück. Casca ließ sie sich aushändigen und wurde dabei nicht aus den Augen gelassen.


    "Ah. Gut. Ich hatte mich doch richtig erinnert. Ich hatte meiner Schwester Petronilla die Familiensänfte vermacht. Sehr gut, so sollte es auch sein. Sie ist nicht gut zu Fuß, müssen sie wissen."


    Damit reichte er die Rolle zurück und wurde wortlos mit nur einem Nicken verabschiedet. Nach der eben erhaltenen Erkenntnis würde sich Casca ein Plätzchen für die Nacht suchen müssen. Oder besser ein Plätzen, wo er die Nacht am besten nutzen konnte.