In einer Neumondnacht | Nieder mit den falschen Götzen!
Den Weg vom Aventin zum Tempel der Gens Flavia haben die Getreuen in zwei Gruppen aufgeteilt hinter sich gebracht. Hinter dem Tempel finden sie sich wieder zusammen: Ultor und Sulamith, Molliculus, Myron und Philotima.
"Ihr sollt euch keine Götzen machen, noch Bild, und sollt euch keine Säule aufrichten in eurem Land, dass ihr davor Gebete sprecht. Denn ich bin der HERR, euer Gott."
So spricht Philotioma mit gedämpfter Stimme zu dem dunklen Schemen ihrer Brüder und Schwestern. Sie schlägt das Zeichen des Kreuzes über ihnen.
"Lasst uns unser gesegnetes Werk beginnen."
Ultor verschwindet im Schatten des Gebäudes, um die Tempeltüre zu öffnen. Die anderen warten in dem umlaufenden Säulengang. Erst als Ultor ihnen einen Signal gibt, stoßen zu ihn.
Nur Sulamith bleibt versteckt im Säulengang, um aufzupassen und die anderen wenn nötig zu warnen. Philotima ist dankbar dass ihre Schwester, trotz all ihrer Bedenken, sich zuletzt dafür entschieden hat, das richtige zu tun.
Auf einer niedrigen Mauer unweit des Tempels sitzen, vage zu erkennen, zwei Männer. Nachtschwärmer wohl. Sie scheinen in ein Würfelspiel vertieft. Kurz zögert Philotima... was wenn sie etwas hören? Was wenn sie die Vigilen rufen? Einer der beiden hebt einen Weinschlauch an die Lippen.
Philotima schilt sich für ihr eigenes Zaudern. Die Sache ist schon zu weit gediehen, um sie zu verschieben. Auf leisen Sohlen steigt sie die Treppen vor dem Tempel empor, und spürt bei jedem Schritt, wie flammend die Entschlossenheit in ihrem Herzen wächst. Die Entschlossenheit, so wie der Zorn auf die frevelhafte Vermessenheit des flavischen Geschlechtes. Das glaubt, Menschen zu Göttern erheben zu können. Das sich in dünkelhafter Hybris so bereitwillig der Verdammnis in den Rachen wirft. Das ihren Großvater in den Tod getrieben hat. Ihren Eltern stets mit Verachtung begegnete. Wie beißend war der Hohn der Basen, wie eisig die Geringschätzung der Flavia Agrippina. Wie demütigend war es damals, den Vater so zu sehen... sich anbiedernd, ein Bittsteller. Nur um eine weitere Ablehnung zu hören. Und Baiae wieder zu verlassen, geduckt wie ein getretener Hund.
Ein Lichtstrahl fällt auf den Vorplatz, aus der Türe des Tempels, die nun einen Spalt weit offen steht. Nur schwach ist er, wie von einer Öllampe, doch nach der Schwärze der stadtrömischen Nacht erscheint er hell in den Augen der Getreuen.
So viel gebetet. So viel gepredigt. So harthörig sind die Heiden. Doch die frommen Taten dieser Nacht werden sie nicht überhören können!
Philotima blickt in die Gesicht der anderen unter den dunklen Kapuzen. Weggefährten, ein jeder so verschieden, und doch vereint in Glauben und Mut. Philotimas Finger umschließen fest das kalte Eisen der Brechstange, als die Vier, einer nach dem anderen, den Innenraum des Götzentempels betreten.