Beiträge von Sulamith

    Graecina war hier bei ihr. Ihre Berührung gab ihr ein wenig Halt zurück, an dem sie sich festkrallen konnte. Sie hatte auch ihre sanfte Stimme erkannt, nachdem sie sich wieder beruhigen konnte. Auch wenn sie für die Hebräerin dumpf klang, als befände sie sich unter Wasser. Auch Tiberios war da. Er hatte sie hierher gebracht. Trotz allem hatte er sie nicht verlassen obwohl sie seine Warnungen ausgeschlagen hatte. Auch wenn er ihr nicht hatte helfen können, so war er jetzt ihre Zunge und berichtete ihrer Freundin, was geschehen war. Auch wenn sie seinen Worten nicht richtig folgen konnte, so wusste sie doch, wovon er sprach. Stille Tränen kullerten dabei über ihre Wangen, denn sie konnte nichts dagegen tun, dass sich in ihrem Kopf immer wieder die gleichen Bilder abzeichneten. Der Mann, den sie Titus nannten, er würde sie auch noch weiterhin quälen. Wenn nicht mehr physisch dann doch psychisch. Nichts war mehr so, wie es einmal war. Nichts würde je wieder gut werden.


    Während sie auf dem Boden kauerte und ins Nichts starrte, nahm sie plötzlich eine Gestalt wahr, die vor ihr in die Hocke gegangen war. Es war Tiberios Stimme, der nun griechisch mit ihr sprach. Ihre Augen versuchten ihn zu fokussieren. Er gab ihr ein Versprechen ab, auch bei Ha-Schem. Er sprach von dem geheimen Treffen, wozu sie ihn eingeladen hatte. Als er das Wort für den Ewigen aussprach, schienen ihre Augen ein wenig lebendiger und wacher zu wirken. „HaShem“, hauchte sie fast unhörbar. Doch Tiberios mochte es vernommen haben. Zu mehr war sie Augenblick nicht im Stande. Doch zumindest konnte der junge Grieche hoffen, dass seine Worte zu ihr vorgedrungen waren.


    Als mehrere Herzschläge später ein paar starke Arme sich ihrer annehmen wollten, ergriff sie wieder die Panik. Wieder begann sie zu zittern und zu wimmern. Titus war in diesem Moment wieder da und wollte sie davontragen.

    Und Sulamith? Sicher fragt sich der geneigte Leser, wie es in der Zwischenzeit der jungen Hebräerin ergangen war, nachdem sich um sie herum erneut der fahle Schatten der Gewalt gelegt hatte, indem zwei Vertreter unterschiedlicher Kulturen aufeinander getroffen waren und damit einen weiteren Konflikt auslösten. Dazu bedienen wir uns eines Kunstgriffes und drehen den Fortgang der Ereignisse einfach ein wenig zurück...


    Die junge Hebräerin war in sich selbst gefangen und erlebte die schlimmsten Momente ihrer Tortur stets wieder von neuem. Ob sie jemals im Stande sein würde, aus diesem Zustand ausbrechen zu können oder darin gefangen bleiben musste, war ungewiss. Der einzige Mensch jedoch, der sich bereit erklärt hatte, ihr beizustehen, tat was er für richtig hielt. Fremde Gottheiten rief er an,um einer Tochter Zions beizustehen. Konnte dies denn von Erfolg gekrönt sein? Sulamith, wäre sie denn bei sich gewesen, hätte wahrscheinlich protestiert, denn wie schon hunderte Generationen vor ihr hatte sie das Wort des einzigen Gottes verinnerlicht, welches ihm Volk die Vielgötterei verboten hatte. Dennoch schien allein der sanfte Klang seiner Worte eine leichte beruhigende Wirkung auszuüben. Es benötige sicher noch viel Zeit und und noch mehr Zuwendung, um eine positive Veränderung herbeizuführen. Diese Zeit aber war ihnen nicht gegeben.


    Als man Tiberios als den Schuldigen bezichtigte und der Helfer selbst zum Opfer ungezügelter Gewalt wurde, hatten die feinen Sensoren der Hebräerin diese neue Gefahr auch erkannt. Sie zog sich daraufhin wieder in ihr Schneckenhaus zurück. Äußerlich machte sich dies bemerkbar, indem ihr Wimmern wieder lauter wurde und sie noch mehr zitterte. Die Angst, erneut berührt und missbraucht zu werden, war so groß, dass sie zu bersten drohte.
    Erst die vertraute Stimme, die nach einer gefühlten Ewigkeit auf sie entsprach, konnte sie wieder ein Stück weiter zurückbringen. Ob Sulamith tatsächlich die junge Iulia in diesem Moment erkannte oder nur eine gewisse Vertrautheit spürte, konnte niemand sagen. Gewiss war jedoch, dass der Hebräerin noch ein weiter holpriger Weg zurück bevorstand, den sie ganz allein bestreiten musste.

    Die Hebräerin erschrak, als sie spürte, dass jemand sie anfasste. Sie vernahm eine dumpfe Stimme, die sie bei ihrem Namen rief. Doch das löste in ihr nur noch mehr panische Ängste aus. Sie wollte nur noch weg. Daher wurden ihre Schritte immer größer. Den jungen Griechen, der sich sofort ihrer erbarmt hatte, schien sie in diesem Moment nicht erkennen zu können, sondern sah in ihm lediglich eine weitere Bedrohung, gegen die sie nicht auszurichten wusste. Stattdessen begann sie am ganzen Körper zu zittern und leise zu wimmern. Von weit her drangen Worte an sie heran. Es ist vorbei! Nein, es war noch lange nicht vorbei ihre Tortur dauerte weiter an und wahrscheinlich würde sie nie wieder enden.


    Sie hatte sich gesetzt und starrte ins nichts. Stille Tränen rannen ihre Wange hinunter. Immer und immer wieder sah sie vor ihrem inneren Auge, was in jenem Zimmer vorgefallen war. Es war wie eine Endlosschleife, die scheinbar durch nichts und niemand unterbrochen werden konnte. So spürte sie auch nicht das Brennen ihrer Lippe, als eine Hand mit einem mit Wein getränkten Tuch vorsichtig ihre blutende Lippe abtropfte.

    Sulamiths Flehen und Betteln, ihr Schreien und Wimmern war verstummt. Nachdem die Tür wieder offen stand und ihr Vergewaltiger bereits eine Weile den Ort des Geschehens verlassen hatte, trat auch Sulamith aus dem Zimmer. Sie war nackt und an ihrem Körper waren deutlich die Male ihrer Schändung zu sehen. Blaue Flecken, Kratzer und eine blutige Lippe. Diese sichtbaren Andenken hatte ihr Peiniger ihr hinterlassen. Doch die, die man nicht sah, waren weitaus schlimmer.


    Wie geistesabwesend trat sie heraus, so wie sie war. Ihre Umgebung nahm sie nicht mehr wahr. Sie war an einem anderen Ort. Nur so konnte sie im Augenblick noch weiterleben. Ganz gleich ob die gierigen und gaffenden Blicke der Männer im Schankraum sie trafen. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen!
    Sie hatte weit mehr als nur ihre Jungfräulichkeit verloren. So schritt sie durch den Schankraum. Ihr Ziel war der Platz hinter dem Tresen... oder noch besser der Hinterhof, wo niemand sie sah und sie allein sein konnte.

    Sulamith wich schnell zurück in eine Ecke des Raumes, nachdem ihr Peiniger sie abgesetzt hatte. Sie wusste, dass sie hier gefangen war und dass sie diesem Mann nun vollkommen ausgeliefert war. Da Graecina noch immer nicht hier war und sie auch von Tiberios‘ Seite wenig Hilfe erwarten konnte, waren alle Möglichkeiten ausgeschöpft, noch Heil aus der Sache herauszukommen. Als letzte Option sah sie nun nur noch, ihn mit Worten dazu zu bringen, von ihr abzulassen. Auch wenn sie wenig Hoffnung hatte, damit erfolgreich zu sein, wollte sie die Chance dennoch nicht ungenutzt lassen. Sie sank vor ihm auf die Knie und hob bittend ihre Hände. „Bitte, Dominus! Ich bin keine Lupa!“ begann sie. doch sie merkte schnell selbst, dass ihn dieses Argument wohl kaum von seinem Vorhaben abhalten konnte. Schließlich war sie eine Frau- Ob Lupa oder nicht, war in diesem Zusammenhang zweitrangig. Vielleicht aber konnte ihn die Aussicht auf viel Geld davon abhalten, sie zu schänden. „Meine Domina wird dich sicher großzügig belohnen, wenn sie mich auslösen kommt! Doch nur, wenn du mir nichts antust!“ Kaum hatte sie dies ausgesprochen, merkte sie, wie anmaßend sie gesprochen hatte. Was, wenn sie durch solche Behauptungen Graecina auch noch in Gefahr brachte? Sie selbst hatte sich alles eingebrockt, also musste sie auch dafür geradestehen! Hatte sie nicht noch großspurig vor den jungen Griechen behauptet, sie wäre sich im Klaren darüber, worauf sie sich einließe. Die Hebräerin erkannte ihren Hochmut, dem sie erlegen war. Darum gab es nur eins: Sie erhob sich und blieb vor ihrem Peiniger mit gesenktem Blick stehen und überließ sich ihm, wie ein Lamm, das auf der Schlachtbank geführt worden war.

    Alles Jammern und Schreien hatte keinen Sinn. Gegen diesen Mann hatte Sulamith keine Chance. Mit seinen Armen und seinem Körpergewicht hielt er sie in Schach, so dass sie sich kaum noch bewegen konnte. So bleib ihr nichts anderes übrig, als die lüsternen Annährungsversuche über sich ergehen zu lassen. Dabei wurde er immer zudringlicher und schürte somit selbst sein Verlangen nach ihre.


    Die Mischung aus seinen Körperausdünstungen, dem Alkohol und seinem widerlichen Atem der ihr in die Nase stieg, als er sich gierig mit seiner Zunge ihrem Hals näherte und dabei lüstern keuchte drehte ihr den Magen um. Am liebsten hätte sie sich übergeben. Es schien, als sollte hier und jetzt ihr schlimmster Albtraum wahr werden. Dabei hatte sie doch nur helfen wollen! Dummerweise war sie dabei ziemlich blauäugig vorgegangen. Warum hatte sie nicht auf Tiberios und Eireanns Einwände gehört? Sie hatte nie erlebt, wie das Leben außerhalb ihrer kleinen behüteten Welt wirklich war. Und nun traf sie auf erschreckende Weise die Realität. Das wahre Leben mit all seinem Schmutz, seiner Rohheit und seiner Gewalt.


    Was sonst noch um sie herum geschah, bekam die Hebräerin nicht mehr mit. Sie befand sich gerade mittendrin in ihrem schlimmsten Martyrium, welches sie bislang erlebt hatte. Dieser Mann würde jetzt und hier ihr Wertvollstes rauben und wenn es noch schlimmer kam, würden sich all diese Rabauken über sie hermachen. Sie würden ihren reinen Körper besudeln und aus ihr ein Stück seelenloses Fleisch machen.


    Doch dann plötzlich schien er von ihr abzulassen. Das jedoch war und blieb nur einer ihrer Wunschgedanken. Schließlich packte er sie, schwang sie sich über die Schulter und trug sie davon. Ohne Unterlass schrie und zappelte Sulamith weiter. Doch dann war sie bereits mit ihrem Peiniger im Nebenzimmer verschwunden.

    Es gab kein Entrinnen für Sulamith. Sie war diesem Mann unweigerlich ausgeliefert. Auf Hilfe war auch nicht zu hoffen. Tiberios würde es nicht wagen, sich mit diesen drei Rabauken anzulegen. So blieb ihr nur noch übrig, auf Gott zu vertrauen.


    Wieder packte er sie, so dass sie diesmal keine Möglichkeit mehr hatte, ihm zu entwischen. Sie schrie und versuchte sie sich mit allen Kräften zu wehren. Erst recht als er ihr seine widerliche Zunge in ihren Mund schob und sie so zum Schweigen brachte. Gleichzeitig vergriff er sich an ihrer Brust, was in ihr nur noch mehr Panik auslöste. Sie hatte eine leise Ahnung davon, was diese Kerle mit ihr machten, wenn ihnen niemand Einhalt gebot. Doch von wo sollte denn Hilfe kommen?


    Hoffnung keimte in ihr auf, als sie das Gebrülle des schwarzhaarigen Schankmädchens vernahm. Ausgerechnet sie wollte ihr helfen? Vielleicht stimmte es ja, dass in jedem Menschen ein guter Kern verborgen war. Das Schankmädchen war an den Tisch der drei Rüpel herangetreten und ließ ihre Schimpftirade los. Endlich ließ der Kerl von der Hebräerin ab und begann sich köstlich über das Gezeter zu amüsieren. Sulamith versuchte sich immer noch zu befreien. Ihr Herz schlug wie wild und sie war den Tränen nah. Solch eine Erfahrung war ihr bisher immer erspart geblieben. Noch nie hatte sich ihr ein Mann genähert. Dass es nun ausgerechnet auf diese Weise passieren musste!


    Der Rüpel ließ sie natürlich nicht los und wenn sie nur eine Sekunde darauf gehofft hatte, dies könne noch gut ausgehen, wurden all ihre Hoffnungen mit einem Ruck am Stoff ihrer Tunika zunichte gemacht. Sie schrie auf, als ihr bewusst wurde, dass sie plötzlich ganz entblößt da stand. Ohne Gnade und das weitere Gegeifere des Schankmädchen ignorierend, packte er sie wieder zur Freude seiner Kumpane, die ihn noch anzufeuern begannen.
    Sulamith schrie und weinte, doch niemand schien es zu interessieren. Sollte das Gottes Wille sein?


    Sim-Off:

    Aus der Perspektive einer zarten, kleinen Frau schon. 8)

    Inzwischen sehnte sich die Hebräerin wieder zurück zu dem Spülbecken, denn in der Gegenwart dieser drei Männer fühlte sie sich schrecklich unbehaglich. Und das nicht nur, weil die Drei sie anstarrten, ja sie mit ihren Blicken förmlich auszogen und scheinbar jede ihrer Bewegungen mitverfolgten. Schlimm genug war es, dass der eine ihr unverhohlen ins Dekolleté schaute während sie über dem Tisch gebeugt war und denselben abwischte. Als einer der Drei sie dann auch noch ansprach, erschauderte sie innerlich. Das Letzte was sie wollte, war mit einem dieser Männer in ein Gespräch verwickelt zu werden. „Ich helfe heute nur aus,“ gab sie mit zittriger Stimme zur Antwort.


    Gerade als sie sich wieder aufrichten wollte, legte der Mann, der sie an den Tisch gelotst hatte, seine Pranken auf ihre Schultern und begann sie ungefragt zu massieren. Sie erschrak zunächst, doch dann begann sich ihr Körper zu versteifen. Es widerte sie noch mehr an, als der Rüpel ihr dann auch noch ins Ohr flüsterte und sie seine Gegenwart ganz dicht hinter sich spürte.
    „Ich habe nur ganz wenige Talente, Dominus! Bitte, ich habe zu arbeiten!“, flehte sie. Ihre Angst wuchs und wuchs. Sie musste hier weg von diesem Tisch! Sofort! Aber es gab keinen Ausweg: Vor ihr der Tisch, hinter ihr dieser Kerl, der sie bedrängte und dann noch die beiden anderen Männer, die scheinbar gebannt dieses Schauspiel verfolgten.
    Langsam wollte sich der Gedanke in ihr festigen, dass es vielleicht doch keine gute Idee gewesen war, hierherzukommen und den Platz der Ancilla einzunehmen. Doch hier ging es in erster Linie nicht um sie, sondern um das Kind, dem sie helfen wollte. Also war das hier nichts anderes als eine Prüfung, die sie bestehen musste. Sollte sie also alle über sich ergehen lassen?
    Sie konnte zumindest versuchen, dass es nicht zum Schlimmsten kam. Vor allem musste sie sich nun irgendwie aus ihrer Position herauswinden, um anschließend einen Fluchtversuch zu unternehmen zu können. Ersteres gelang ihr auch. Sie hatte sich tatsächlich umdrehen können und hatte nun den Tisch im Rücken. Doch vor ihr stand nun ganz dicht gedrängt dieser Berg von Mann. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, an diesem Koloss vorbeizukommen.

    Eigentlich hatte sie erwartet, dass Anis nicht so schnell locker lassen würde. Doch offenbar hatte ihre Abfuhr Wirkung gezeigt, als sie ihn einfach stehen gelassen hatte. Endlich belästigte er sie nicht länger, so dass sie sich in Ruhe wieder dem Berg aus schmutzigem Geschirr widmen konnte.


    Bevor sie jedoch das Spülbecken erreicht hatte, wurde sie plötzlich ganz unsanft an der Schulter gepackt. Vielmehr war es eigentlich der Stoff an der Schulter ihrer Tunika, den der Rüpel erwischt hatte und der dem heftigen Ruck nicht länger standhalten konnte. Sie hatte noch ein charakteristisches Geräusch vernommen, welches Stoff verursachte, wenn er riss. Das und der Schreck, als sie jemand auf diese Weise angefasst hatte, ließ sie spitz aufschreien. Während ihre eine Hand automatisch an ihre Schulter griff, um zu fühlen , wie groß der Schaden war, blickte sie erschrocken in das Gesicht des Mannes, der sich scheinbar wie aus dem Nichts neben ihr aufgebaut hatte. „Was?“, fragte sie ängstlich und vermied dabei dem Mann direkt anzublicken. Dann begriff sie endlich, was er von ihr wollte. Ihr Blick richtete sich auf die unheilvolle Ecke des Schankraums, wo sich die Kumpane des Mannes lautstark amüsierten. „Drei Cervisia?“, fragte sie unsicher. Ihr Unbehagen war ganz deutlich in ihrer Stimme zu hören.
    Wie getrieben griff sie zu drei der frisch gespülten Becher und schenke Cervisia ein. Als sie damit beschäftigt war, wurde ihr auf unangenehme Weise bewusst, dass sich ihre eingerissene Tunika an der Schulter selbständig machte und ein wenig herunterrutschte, so dass ihre Schulter entblößt war. Ungeachtet dessen stellte sie die drei Becher auf ein Tablett und nahm noch einen Lappen. Dann bahnte sie sich ihren Weg zu besagtem Tisch und stellte das Tablett ab. „Frisches Cervisia für die Domini,“ murmelte sie, als sie die Becher den Männern servierte. „Der Dominus sagte auch, es sei etwas verschüttet worden.“ Es klang fast schon wie eine Entschuldigung. Mit ihrem Lappen wischte sie schnell die Pfütze auf dem Tisch weg, damit sie sich möglichst schnell wieder hinter den sicheren Tresen retten konnte.

    „Ja,“ gab sie knapp zurück und quittierte ihre Antwort mit einem müden Lächeln. Doch der Mann ließ nicht locker und säuselte weiter. Anis aus Alexandria hieß er. Anis mit den magischen Kräften, die allerding der Hebräerin allerdings kein bisschen imponierten. Sie wollte nicht mit diesem Mann sprechen und schon gar nicht sollte er ihr aus der Hand lesen. Langsam wurde sie unruhig, als er immer weiter auf sie einredete und Süßholz raspelte. Als er sie fragte, was sie denn hier mache, sah sie endlich die Chance, sich aus der Situation zu befreien.
    „Arbeiten!“, gab sie kapp zur Antwort. „Du entschuldigst mich bitte, ich muss weitermachen, sonst bekomme ich noch Ärger!“, meinte sie dann und wollte sich wieder von ihm abwenden, um zum Spülbecken zurückzukehren.

    Zitat

    Original von Gaius Iulius Caesoninus

    Genüsslich schaufelte er sich einige Lukanische Würstchen und etwas Gerstenpuls auf den Teller und begann zu Essen, während Graecinas Leibsklavin kam und Wein anbot. Caesoninus grinste und deutete auf seinen wieder leeren Becher. "Aber gerne doch, schönes Kind!"


    Als der Hausherr auf ihr Angebot einging, nickte sie freundlich. Mit einem "Gerne!" verschwand sie auch schon wieder, nur um kurze Zeit später mit zwei Bechern Mulsum zurück zu kommen. "Bitte sehr, Dominus!" Immer noch lächelnd stellte sie den Becher vor ihm ab.
    Die arme Graecina schien richtig zu leiden, als sie sie ansah und ihren Becher ebenso abstellen wollte. Ein wenig hatte sie von ihrer Konversation mitbekommen. wie es schien ging es um das leidige Thema: Heiraten! Als Graecina nun von ihrem Cousin genötigt worden war, aufzuzählen, welche Qualitäten ihr Zukünftiger denn mitbringen sollte, grinste sie verhalten. Doch bei dem letzten Satz ihrer Herrin schien auch sie sehr überrascht zu sein. Woher wusste sie denn nur, das ältere Männer mehr Erfahrung hatten? Besser sie ging schnell, damit niemand die Röte in ihrem Gesicht wahrnahm.

    Die Hebräerin konzentrierte sich ganz auf ihre Arbeit. Dabei versuchte sie sich die Krüge und Trinkgefäße nicht genauer anzuschauen, bevor sie sie nicht gespült hatte. Nur so war diese Arbeit einigermaßen zu ertragen. Manche der Becher waren nicht ganz geleert worden, so dass sich noch ein Rest darinnen befand. Für die Trinkreste gab es einen Bottich, ebenso auch für die Essensreste. Nein, Sulamiths Gedanken schweiften bei deiser Arbeit ab. Nur so war es für sie zu bewältigen. So registrierte sie auch nicht, als ein junger, recht gutaussehender Mann zum Tresen trat und dort stehen blieb. Wie lange er dort schon gestanden hatte und sie beobachtet hatte, konnte sie nicht sagen. Erst als er sie ansprach, zuckte sie vor Schreck kurz auf. Ihr Blick traf erst den jungen Mann, dann den Griechen, der zwar immer noch über jenem leeren Cervisiabecher saß, aber aus irgendeinem Grund keine Aufmerksamkeit erregen wollte. Kannte Tiberios etwa diesen Mann? Warum hatte er sie nicht gewarnt? Oder war seine Angst so groß gewesen? Was immer das auch bedeuten sollte, es war ihr nicht wohl bei der Sache. Doch sie wusste noch genau, was ihr das Schankmädchen über ihre Aufgaben gesagt hatte. Alle Gäste, die zu ihr an den Tresen kamen und Cervisia bestellten, sollte sie bedienen.


    Etwas zaghaft trat sie an den Tresen heran. Die Schmeicheleien des Mannes ignorierte sie, denn sicher war es nur das übliche Geschwätz der Männer, die hier verkehrten. „Salve, Dominus! Mein Name ist Sula und ich komme aus Creta. Was kann ich für dich tun?“ Sie machte einen kühlen, leicht eingeschüchterten Eindruck. Jedoch wollte sie ihrer Aufgabe gerecht werden. Dass sie des Lateinischen mächtig war, stand nach ihrer Antwort wohl außer Frage.

    [FONT=]Tiberios hatte sie nicht allein gelassen. Er hatte sich an den Tresen gesetzt, so dass man sie vom Schankraum aus nicht sofort erkennen konnte. Und er hatte ihr versprochen, für sie zu beten. Ja, sie hoffte auch, dass Graecina bald eintreffen würde und sie aus dieser Lage befreite. „Ich danke dir, Tberios. Der Herr möge dich schützen!“, antwortete sie ihm. Sie war sehr froh darüber, denn in ihrem Inneren tobte die Angst, vor dem, was sie hier noch alles erwartete.


    Die Hebräerin machte sich sofort an die Arbeit. In der Zwischenzeit hatte sich eine große Menge an Krügen und Trinkgefäßen angesammelt. Zu ihrem Entsetzen bemerkte sie, dass das Spülwasser eigentlich nicht mehr Schmutz aufnehmen konnte, denn es war bereits total verdreckt. Also nahm sie den schweren Bottich. um das Schmutzwasser auszuleeren und es mit frischem Wasser zu befüllen. Dazu musste sie den Schankraum verlassen, und in einem hinteren Raum verschwinden, der dann nach draußen in eine Art Hinterhof führte. Dort konnte die das schmutzige Wasser wegschütten und sich auf die Suche nach frischem Wasser machen. Zwei Frauen, die in einer ähnlich schäbigen Aufmachung wie das Schankmädchen drinnen war, beobachteten sie dabei und begannen miteinander zu tuscheln. Eine der beiden kreischte plötzlich laut auf und konnte sich dann kaum halten vor Lachen, als sie bemerkte, wie sehr sich die Hebräerin erschrocken hatte. Zum Glück fand Sulamith bald einen Bottich mit frischem Wasser, den man anscheinend auf Vorrat von einem Brunnen geholt hatte. Sie beeilte sich, schleunigst wieder in den Schankraum zurückzukommen, um sich dort ihrer Aufgabe zu widmen.


    Mit gemischten Gefühlen nickte sie Tiberios zu, als sie wieder zurück war, um weiterzumachen. Sie arbeitete schnell, versuchte aber auch gleichzeitig ihre Arbeit gut zu machen, denn es sollten hinterher keine Klagen kommen. [/FONT]

    Sulamith ergab sich ganz ihrem Schicksal. Ganz gleich welche Arbeit sie verrichten sollte, sie würde es tun. Die Hebräerin hielt sich zwar für gewöhnlich nicht in solchen Etablissements auf, doch wusste sie, dass in diesen Tabernae nicht nur Getrunken und gegessen wurde. Zu den Aufgaben mancher Schankmädchen gehörte es, ab und an auch für die fleischlichen Lüste ihrer Gäste zu sorgen. Ebenso wenn fremde Männer sie betatschten oder ihr anstößige Dinge nachriefen. Davor graute es ihr am meisten. Doch sie hatte sich entschieden. All das wollte sie in Kauf nehmen.

    Das Schankmädchen musterte sie von oben bis unten. Wahrscheinlich um festzustellen, wozu sie taugte. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass sie sie verachtete. Im Grunde passte die Hebräerin nicht in diesen Laden. Aber auch wenn es nicht danach aussah, hatte sie die Ausdauer auch schwere Arbeiten zu verrichten.


    Als das Schankmädchen sie schließlich hinter den Thresen schicken wollte, damit sie dort das schmutzige Geschirr spülen sollte und neue Bierkrüge befüllen sollte, atmete sie erleichtert auf. „Ich werde das tun, was du mir aufgibst. Vielen Dank!“ Sie nickte dem Schankmädchen dankbar zu und wollte sofort an die Arbeit. Doch zuvor wandte sie sich noch an den Griechen. „Danke Tiberios, dass du mich hergebracht hast. Wenn du möchtest, kannst du jetzt gehen.“ Wahrscheinlich wollte Tiberios nicht länger als nötig in der Taberna verweilen. Sie hätte es ihm nicht verübelt, wenn er jetzt gehen wollte. Aber wenn er hier in ihrer Nähe geblieben wäre, hätte sie sich sicherer gefühlt. Auch wenn er weiter nichts für sie hätte tun können.

    Die arme Kreatur, der Sulamith sozusagen in die Arme lief, war eine verdreckte und übel riechende junge Frau, die in der Taberna arbeitete. Ihre Körperausdünstungen, die nach altem Schweiß und Urin rochen, ließen darauf schließen, dass sie schon länger keine Möglichkeit hatte, sich zu waschen. Ebenso fehlten ihr die Zähne im Mund. Weiß Gott welche Krankheiten sie womöglich noch mit sich herumschleppte und an ihre Kundschaft weitergab. Die Hebräerin schauderte es bei dem Anblick dieser Frau. Dennoch blieb sie dabei, denn dies war eine Prüfung, die sich selbst auferlegt hatte - für die Ancilla.

    Die Frau hatte offenbar den jungen Griechen wiedererkannt und erkundigte sich sofort nach dem kleinen Sklavenmädchen. Mehr noch, sie drohte ihnen damit, dass sie das Kind ersetzen müssten, falls ihm etwas zugestoßen sei.
    „Die Ancilla ist zu krank und zu schwach für diese Arbeit hier. Meine Domina wird sich ihrer annehmen. Stattdessen bin ich hier und werde ihren Dienst übernehmen. Solange bis meine Domina kommt und mich auslösen wird.“ Sulamiths Worte kamen ruhig und klar aus ihrem Mund während sie ihr Gegenüber mit festem Blick anvisierte. Doch dann senkte sie ihre Augen demütig.

    Sulamith hatte leise gebetet und Gott um Beistand gebeten, als sie Tiberios gefolgt war. Schließlich kamen sie in die Nähe der Taberna. Bereits von weitem konnte man das Gekreische und Gelächter, das aus dem Innern herausdrang, hören. Ebenso ließ der Gestank nach diversen Körperausdünstungen, Fäkalien und Alkohol keinen Zweifel mehr übrig, was sie dort drinnen erwarten würde.


    Bevor sie eintraten, versuchte der Grieche noch ein letztes Mal sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Doch die Hebräerin hatte ihre Meinung nicht geändert. „Lass uns eintreten“, antwortete sie. Und um ihm zu zeigen, dass sie es ernst meinte, machte sie den ersten Schritt und öffnete die Tür. Mit gesenkten Kopf trat sie ein. Mit ihrem ersten Atemzu sog sie den üblen Geruch ein, der ihr entgegenschlug. Dann sah sie kurz auf, um sich einen Weg durch die voll besetzte Taberna zu suchen. Dann schritt sie voran…

    Die Hebräerin nickte ihm zu. Seine Entschlossenheit imponierte ihr. Wenn der Grieche mit der gleichen Offenheit, die er hier zutage legte, auf ihre Zusammenkunft kam, dann würde er vielleicht auch die Heilsbotschaft des Nazareners verstehen lernen. Dann würde er verstehen, dass auch er wertvoll war. Und das nicht nur, weil er über besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügte, die für seinem Dominus nützlich waren, sondern einfach weil er ein Mensch war.
    Sulamith war dieser feine Hauch eines Schauderns bei der Erwähnung der Nekropole nicht entgangen. Früher hätte sie wahrscheinlich ähnlich reagiert. Nicht etwa weil sie sich vor irgendwelchen Totengeistern fürchtete, sondern weil die Nähe der Toten im Judentum als unrein galt. Doch scheinbar wollte die Fantasie mit dem Griechen durchgehen, da er sich plötzlich absicherte und seinen Dominus erwähnte. Womöglich fürchtete er, es könne ihm dort etwas Schreckliches zustoßen. „Fürchte dich nicht, Tiberios! Dir wird dort kein Leid zugefügt. Im Gegenteil, du wirst die Botschaft des Heils dort empfangen, “ versprach ihm Sulamith.
    „Du musst kein Jude sein, um die Liebe Gottes zu empfangen,“ beschwichtigte sie ihn. „Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind sind dem Herrn willkommen, ganz gleich, welchem Volk sie angehören oder von welchem Stand sie sind. Und glaube mir, es bedarf nicht viel, um Gutes zu tun.“ Womit sie wieder beim Thema waren. Für Tiberios war es sicher schwer zu verstehen, weshalb sie an Ancillas Stelle treten wollte. Niemand wollte sich freiwillig demütigen oder gar misshandeln lassen. Selbst Sulamith verspürte Angst, wenn sie daran dachte, was sie dort erwarten würde. Aber hatte nicht auch der Nazarener Demütigungen und Misshandlungen hingenommen, als er sich für die Menschen hingegeben hatte?
    „Ja, Tiberios, ich bin mir dessen bewusst. Und wenn es so ist, dann sei es so.“ Letztendlich setzten sich die beiden in Bewegung. Der Grieche mit seiner Fackel schritt voran und Sulamith folgte ihm schweigend durch die Nacht.

    Sulamiths Blick ruhte für einige Herzschläge auf dem Griechen, der ihr versichert hatte, keine bösen Absichten zu haben. Sollte sie ihm glauben. Seine Worte klangen überzeugend. „Nun gut!“, sagte sie nach einer Weile. „Wenn du nach Antworten suchst, dann komme in zwei Nächten zur Nekropole nahe der Ruinen des alten Circus Gai et Neronis. Dort wirst du finden, wonach du suchst.“ Tiberios würde dort nicht nur Sulamith wieder treffen, sondern auch den Predigten des Sixtus beiwohnen können. Vielleicht wurden dann all seine Fragen beantwortet und in ihm eine neue Saat gesät.
    Die Hebräerin hatte dort auch gehört, dass niemand wertlos war in den Augen Gottes. Sie alle, ganz gleich ob Sklave oder Herr – sie alle waren Gottes Kinder! Daher nickte sie ihrer Mitsklavin anerkennend zu. Schön, dass sie das bewahrt oder bereits begriffen hatte, dass sie keine selenlosen Dinge waren, die zufällig auch atmeten. Der Grieche hingegen aber hatte da eine ganz andere Meinung. Er betete das wieder herunter, was man ihm und allen Sklaven ins Gedächtnis eingebrannt hatte. „Es sind unsere Taten, die uns ausmachen und an denen wir gemessen werden, nicht das, wozu man uns gemacht hat oder als was wir geboren sind,“ konterte sie Tiberios. Eireann hingegen hatte begriffen, dass auch die Ancilla ein Recht auf Leben besaß und dass es für sie noch eine Chance auf Rettung gab. Sie nahm das Kind und ging. „Möge der Herr euch behüten!“ murmelte sie den noch nach. Dass Graecina ihnen in der Domus behilflich sein würde, stand für die Hebräerin außer Frage.
    Noch weniger konnte Tiberios verstehen, weshalb ihn Sulamith gebeten hatte, sie zur Taberna zu bringen, wo sie anstatt des Mädchens ihren Dienst übernehmen wollte. „Ich werde dort anstelle des Mädchens solange bleiben, solange es nötig sein wird. Und ja, ich bin mir im Klaren darüber, dass dies ein übler Ort ist.“ entgegnete sie ihm mit ernster Miene. Als er sich schließlich noch einmal versicherte, dass es tatsächlich ihr Wille war dorthin zu gehen, nickte sie. „Ja, es ist mein Wille! Und gräme dich nicht, dass du mich dort nicht beschützen kannst. Der Herr wird seine schützende Hand über mich halten!“ Sulamith war bereit, ganz gleich, was sie dort erwarten sollte.

    Wieder lenkte Sulamith ihren Blick zu Eireann. Sie war so naiv. Oder war es doch kühle Berechnung? Stellte sie sich nur dumm, um herauszufinden, ob und wer sich in der Domus wohl noch zu der neuen Lehre hingezogen fühlte? Die Hebräerin verkniff sich eine Antwort. Nur ungern wollte sie die Sklavin anlügen. Stattdessen schenkte sie ihr nur ein geheimnisvolles Lächeln, was alles und nichts bedeuten konnte.


    Glücklicherweise konnte sie sich kurz darauf wieder dem Griechen widmen, der sich ihr nun vorstellte und ihr frei heraus erklärte, dass er sich lediglich für den philosophischen Ansatz der christlichen Lehre interessierte. Nicht etwa, weil er sich zu ihnen bekennen wollte. Aber war das nicht der erste Schritt, den man tat? Von der guten Nachricht zu hören und zu begreifen, welches Geschenk der Nazarener den Menschen gemacht hatte? So hatte es doch auch bei ihr angefangen. Sie hatte von seinen Taten gehört und hatte daraus für sich Hoffnung geschöpft.
    „Du möchtest von seiner Lehre hören, Tiberios Scriba des edlen Gnaeus Furius Philus? Aber woher soll ich wissen, dass ich dir trauen kann? Vielleicht bist du ein Spion. Wir leben gerade in schwierigen Zeiten,“ antwortete sie ihm. Für einen Moment hatte sie ernsthaft überlegt, ihn mit zur Casa Didia zu nehmen. doch diese Idee schob sie ganz schnell wieder beiseite. Das wäre viel zu gefährlich gewesen.


    Sulamith war keineswegs erstaunt, dass Tiberios Begleiterin das Zeichen des Fisches nicht kannte und auch nichts von den Christen wusste. Vielleicht sollte sie ihr zeigen, was es hieß, der Lehre Christi zu folgen.
    „Dieses Kind hier mag nur eine einfache und wertlose Sklavin sein,“ entgegnete sie den beiden, die sich sehr über ihr Vorhaben, das Kind mitzunehmen, entrüsteten. „Doch sie ist auch aus Fleisch und Blut. Sie ist ein Mensch. Jedes Menschenleben ist wertvoll. Wenn wir nicht werden wie die Kinder, dann werden wir auch nicht würdig sein, die Gnade Gottes zu empfangen.“ Die Hebräerin bezweifelte, dass die beiden begriffen, worauf sie hinaus wollte.
    „Ich werde statt ihrer in die Taberna zurückgehen. Eireann, bring du das Kind zu meiner Domina. Und zwar nur zu meiner Domina! Verstehst du!? Bitte erkläre ihr alles und bitte für mich bei ihr um Vergebung. Ich werde alle Konsequenzen auf mich nehmen.“ Sanft schob sie das kränkelnde Kind ihrer Mitsklavin zu. Dann wandte sie sich wieder an Tiberios. „Bitte bring du mich zu dieser Taberna!“

    Noch immer umringten die Kinder Sulamith und ließen sich auch nicht von den beiden Fremden irritieren. Alle, die hier am Ufer des Tibers ihre Heimat gefunden hatten, hatten schon längst ihren Anspruch auf Privatsphäre über Bord geworfen. Und all jene, die nach Sonnenuntergang hier auftauchten, taten dies aus ganz bestimmten Gründen. Die einen halfen, das große Elend zu mildern. Wohlwissend, dass ihre Taten nur ein Tropfen auf dem heißen Stein waren. Andere wiederum führten eher Böses im Schilde. In der Gemeinde war die Rede von Spionen gewesen, die die christliche Gemeinschaft unterwandern wollten. Zu wem gehörten die beiden?
    „Ich tue das, wann immer es mir möglich ist,“ antwortete sie Eireann. Welch Glück, dass Graecina heute nicht mit ihr gekommen war. Wenn sie hier von einer der iulischen Sklaven erkannt worden wäre, dann konnte dies unabsehbare Folgen für sie beiden haben. Sulamith konnte wenigstens jede Beteiligung ihrer Freundin abstreiten, wenn man sie jemals deswegen zur Rede stellen sollte.


    Ein leichtes Zucken umschmeichelte Sulamiths Lippen, als Eireanns Begleiter das griechische Wort für Fisch nannte. Natürlich war es nichts Besonderes, dass ihm dieses Wort geläufig war. Es gab unzählige Menschen, die in dieser Stadt lebten und des Griechischen mächtig war. Jeder gebildete Römer gehörte dazu und auch jeder gebildete Sklave, wenn er nicht sogar selbst Grieche war. Eireann jedoch konnte mit diesem Begriff gar nichts anfangen, so wie sie sagte. So wie die Hebräerin gehört hatte, stammte sie ursprünglich aus Gallien oder Britannien, was für sie fast dasselbe war. Doch aus welchem Grund waren sie hier? Ganz sicher nicht, um ihren heidnischen Göttern abzuschwören und von nun an den Nazarener als ihren Herrn anzuerkennen.


    „Du möchtest die Bedeutung wissen?“ fragte sie den jungen Mann in seiner Muttersprache. „Und was ist mit ihr? Weswegen seid ihr hier?“ Die Hebräerin wollte so schnell nicht ihr Misstrauen nicht ablegen.
    Der junge Mann schien tatsächlich Interesse an ihrer Lehre zu haben und schien auch unvoreingenommen. Aber was war mit der Frau? Die Iulier hatten ihr suggeriert, dass die Christen ein Haufen Verbrecher waren. nicht mehr und nicht weniger.
    „Das glaube ich gerne, dass die Iulier dieses Zeichen für eine Bedrohung halten!“, sagte sie in lateinischer Sprache, wieder an ihre Mitsklavin gewandt. „Doch was denkst du?“


    Die kleine Ancilla, die noch immer Sulamiths Hand umklammerte, schien sehr kränklich zu sein. Das kleine Mädchen litt still, ohne zu klagen. Doch die Hebräerin konnte deutlich sehen, wie schlecht es ihr ging. Sie konnte das Kind in dieser Verfassung nicht einfach zurücklassen. Zwar hatte sie getrocknete Kräuter dabei, aus denen man einen Aufguss herstellen konnte. Das aber würde keinesfalls ausreichen, damit die kleine wieder gesunden konnte. Das Kind gehörte in ein warmes Bett und bedurfte viel Ruhe. „Dieses Kind hier braucht dringend Hilfe! Es wird wohl das Beste sein, wenn wir sie mit uns nach Hause nehmen.“