Beiträge von Terpander

    << Lallender Löwe


    Manche bezeichneten Terpander als herzlos, doch das stimmte nicht. Er sah die Welt lediglich durch andere Augen. So verspürte er nichts anderes als Frohlocken beim Anblick der Toten, nach deren Verbleib kein Hahn mehr krähen würde. Die Subura bot großartige Möglichkeiten. Terpander hob die Amphore vom Leiterwagen und stellte sie neben den ersten Toten. Er entkleidete ihn, nahm zwei Fleischerhaken und jagte sie ihm durch die Fesseln, um ihn kopfüber an einem Deckenbalken aufzuhängen. Dann zückte Terpander das Filetiermesser.

    Terpander beobachtete das Treiben eine Weile mit verschränkten Armen. Cassivellaunus war also wieder aufgetaucht. Den kleinen Scheißer kannte er nur zu gut. Bewusst packte Terpander nicht mit an, um zu helfen. Was auch immer sich zugetragen hatte in den letzten Stunden - Cassivellaunus hatte die Arbeit genau so verdient wie seine Verleztungen. So begnügte Terpander sicht damit, den beiden zu zeigen, wo sie all das Hab und Gut unterbringen konnten.


    Im Laufe der Zeit änderte sich jedoch seine Ansicht. Nicht nur Amphoren voller Nahrungsmitteln, Kisten voller Tücher, gutes Geschirr und Besteck trafen im Lagerraum des Lallenden Löwen ein, sondern sogar Mobiliar! Terpander frohlockte, als er sah, dass hier tatsächlich Dinge von Wert angeschleppt wurden. Und so beschloss er entgegen seiner Vorsätze, doch noch zu helfen und folgte Pullus und Cassivellaunus auf ihrem Beutezug. Gemeinsam leerten sie den Blinden Esel in wenigen Stunden bis auf die Grundmauern aus.


    Blieb nur noch eines für Terpander zu tun ...


    Blinder Esel >>

    Terpanders geistige Kapazitäten reichten in seinem benebelten Zustand nicht aus, um den Inhalt des Zitats wirklich zu verstehen. Aber die Worte Amor und Venus verstand er und die Küsse an seinem Hals waren eine reizvolle Einladung, die er anzunehmen gedachte. Sein Körper wandte sich seiner Gespielin ganz zu und er ließ den Sack fallen, den er noch immer mit sich trug. Während Terpander Briseis an sich zog, ihr Gesicht fest mit einer Hand am Kinn packte und einen leidenschaftlichen Kuss vollzog, machte sein Körper sich bereit für den krönenden Abschluss dieser Nacht. Seine freie Hand presste Briseis am Gesäß an sich, damit sie es spürte. Dabei knetete er die weiche runde Hinterbacke so fest, dass er den Knochen darunter spürte.


    Umso mehr ärgerte ihn, dass Briseis sich plötzlich wieder losriss, nur weil zwei Sterbende herumstöhnten. Ach ja ... das Ritual. Briseis hatte recht. Sein Ärger verflog so schnell, wie er aufgeflammt war.


    "Das ist unser Publikum", erklärte er.


    Er hob den Sack auf und zog Briseis zu den Gekreuzigten, die von einer kleinen Gruppe Milites bewacht wurden. Die Soldaten würden das Pärchen nicht vertreiben, sondern sich über die Darbietung während der langweiligen Kreuzwache freuen, vermutete Terpander. Zumindest würde es ihm so gehen. Da er keine Unterwäsche trug, war nicht zu übersehen, was sie beide vorhatten, als sie sich den Kreuzen näherten.

    Gut, dass Charislaus helfen kam bei der Menge an Kundschaft. Inzwischen hatte jeder eine Schüssel mit der zähen, gleichförmig dunkelroten Masse serviert bekommen, in der die Fleischstücken schwammen. Gemüse suchte man darin vergebens. Natürlich erklärte Terpander gern, wie man diese kraftspendende Köstlichkeit zubereitete.


    "Zunächst wird ein Essigud mit Gewürzen wie Lorbeer, ganzen Pfefferkörner, Nelken, Zwiebeln und etwas Honig und Wurzelgemüse aufgekocht. Nach dem Sieben gibt man den Sud ins Blut, wodurch dieses gerinnt und fast völlig schwarz wird. Diese Suppe ist sehr gesund. Bitte bedient euch reichlich daran. Es ist ein großer Topf voll da und frisch schmeckt sie am besten."


    Das Gemüse und die Puls von Charislaus kommentierte er nicht, machte sich aber seine Gedanken dazu, dass der Raum im Verdauungstrakt davon verstopft werden sollte, wo doch Terpander dermaßen viel frisches Fleisch organisiert hatte. Er selbst ernährte sich fast ausschließlich carnivor, wenn es sich einrichten ließ. Wann immer es Fleisch gab, aß er nichts anderes dazu. Er hoffte, dass jeder der Soldaten wenigstens eine Schüssel Blutsuppe zu sich nahm. Immerhin hörten sich die Getränke auch für seine Ohren lecker an. Er stellte einen Teller mit einem großen Haufen schmackhaften kleinen Süßgebäcks auf den Tisch, von dem sich jeder bedienen konnte. Dieses war nicht selbstgemacht, sondern gekauft, schmeckte aber gut.


    Quietus, Pullus und Lurco schob er einen Teller mit einem Berg von Braten hin, der so zart war, dass er schon auf dem Teller zerfiel. Beilagen gab es keine, nur Fleisch. Ramnus und Lurco bekamen obendrein selbst gemachte Würste, auf die Terpander fast so stolz war wie auf seine Suppe.


    "Wollt ihr wirklich Brot dazu?" Die besorgte Frage konnte er sich dann doch nicht verkneifen.

    Terpander lächelte nachsichtig ob Scatos Bemühungen, ihn unter Druck zu setzen.


    "Es gibt heute ganz frische Blutsuppe, ein altes Rezept aus Sparta. Ich dachte, ich probiere mal etwas aus, das nicht jeder anbietet. Sie ist kräftigend und wohlschmeckend. Ich habe sonst auch noch Braten im Angebot, den ich heute Nacht im Ofen bei milden Temperaturen langsam habe durchgaren lassen, und selbstgemachte Würste."


    Terpander war fleißig gewesen in den letzten Stunden, sehr fleißig und alle Zutaten waren schlachtfrisch. Da er wollte, dass jeder seine Blutsuppe wenigstens probierte, bereitete er acht Schalen vor, die als Vorspeise dienen konnten oder bei Gefallen mit Nachschlag als Hauptgericht, und stellte sie jedem hin. Dem Optio gab er besonders großzügige Fleischstücken hinein.


    Dass Satibarzanes fort war, bedauerte er nicht. Er konnte den Kelten-Perser-Römer-Bastard nicht ausstehen. Mit Charislaus, der fügsamer war, konnte er sich eher anfreunden. Terpander war mit seinem Dasein zufrieden und bereitete die Trinkbecher vor.


    "Posca, Wasser? Oder darf es was Stärkeres sein? Rohes Blut ist auch noch vorhanden, ich habe noch nicht alles verkocht."

    Dort fand er Terpander vor, der aufgrund der frühen Stunde noch keine Gäste bewirtete (was er sowieso nur noch in Ausnahmefällen tat, seit er Charislaus zur Verfügung hatte). Er trug heute eine gewöhnliche römische Tunika. Die Schuhe fehlten wie immer.


    "Salvete", grüßte er und hörte auf, die Blutsuppe in der Amphore umzurühren. Er wusch sich die Finger und trocknete sie mit dem Geschirrtuch ab. "Was darf`s sein?"


    Terpander hatte einen starken griechischen Akzent, doch sein Latein war fehlerfrei. Er stieß einen gellenden Pfiff aus, den man durch die ganze Casa Leonis hörte, um den anderen Sklaven zu rufen.

    << Anis von Alexandria


    Die Schwüle hatte kaum nachgelassen, vermutlich würde es später gewittern. Terpander führte Briseis durch die Subura in Richtung Forum Romanum und dann zum Circus Maximus, dessen gewaltiger Außenwand sie folgten ehe sie zur Via Appia abbogen. Die vielen Karren machten die Nacht zu einer lauten und dreckigen Angelegenheit, denn die vielen Zugtiere ließen alle etwas fallen. Terpander war froh, als sie endlich die Porta Capena erreichten, die aus zwei Toren bestand, die unmittelbar nebeneinander durch die Stadtmauer führten. Auch außerhalb der Urbs Aeterna standen Häuser, doch nach etwa einer Meile hatten sie auch diese hinter sich gelassen. Hier begannen die Katakomben und die Tag und Nacht bewachten Kreuze - sofern noch lebende Menschen daran hingen. Leichen bewachte niemand.


    "Bist du bereit, Briseis?", fragte er, ohne innezuhalten, während er sie weiterzog. Er suchte ein Kreuz, an dem keine Leiche hing, sondern ein würdiger Zuschauer für das Ritual. Hoffentlich hatte nicht ausgerechnet Scato heute Kreuzwachdienst.

    Natürlich würde Terpander sein Weib gebrauchen. Alles andere wäre Dummheit, zumal er seit gut einem halben Jahr unfreiwillig abstinent lebte. Die Fluchtafel fand ihren Weg in seinen Beutel und der Beutel den Weg in seine freie Hand. Die andere packte Briseis um den Oberarm, um sie hinauszuführen. So, wie sie aus der Dunkelheit gekommen waren, verschluckte sie die Nacht wieder.


    Via Appia >>

    Fackellicht flammte auf, ein frischer Wind fuhr in das Kohlebecken und hüllte Terpander in schwarzen Qualm. Cassander suchte seine Nähe und umschloss ihn mit seiner Schattensubstanz. Wäre Terpander nicht entführt worden, wäre Cassander noch am Leben. Es war alles Viridomarus´ Schuld. Tief sog Terpander den scharfen Rauch ein, wobei er ein Husten unterdrückte. Doch als der Magus den Bannspruch rief, erlosch die Fackel und die schemenhafte Gestalt löste sich auf. Terpander ließ sich selbst keine Zeit, das zu bedauern. Bevor er in seinen eigenen Schatten versinken konnte, stand er auf, wobei er kurz unter dem Einfluss der Kräuter strauchelte, weil der Raum sich langsam um ihn drehte. Er griff Briseis unter dem Oberarm und zog sie auf die Füße. Ganz elend sah sie aus. Er zog sie an sich, strich ihr mit der anderen Hand das Haar aus dem Gesicht und sah ihr aufmerksam ins Gesicht.


    "Es ist Zeit, Liebes", sprach er mit nunmehr kratziger Stimme. Er blickte sich um, ob er etwas vergessen, hatte, ohne sie loszulassen. Sie mussten hier fort, sie hatten dringend etwas zu tun ... vor den Toren der Stadt warteten die Toten.

    Terpander lächelte ein wenig zu freundlich, als ihm der Arm von dem Fremdling getätschelt wurde.


    "Ich bin ein alter Mann, ein Lehrer aus Athen, der sich als Wirt seine Daseinsberechtigung erarbeitet, seit seine Schüler auf eigenen Füßen stehen. Und du möchtest dich mit mir schlagen? Soll ich dir vielleicht mit einer Papyrusrolle auf die Nase hauen? Es wäre ein einseitiger Kampf und griechische Lehrer sind teuer. Diese Rechnung möchtest du nicht deinem Herrn präsentieren müssen."

    Zugegeben, auf der Wirbelsäule hatte Terpander noch nie massiert und war dort auch nicht massiert worden. Ansonsten gab es wenig, das er sich nicht vorstellen konnte. Er nickte einmal.


    "Folge mir, ich bringe dich in deine Unterkunft. Die Sklaven wohnen im Obergeschoss, die Herren unten. Du hast für heute frei, um hier in Ruhe anzukommen, dich einzurichten und deine Habseligkeiten, sofern vorhanden, hierher zu schaffen."


    Terpander ging voran, verschloss die Taberna und zeigte Charislaus auf seine knappe und nüchterne Art die Casa Leonis von außen und innen. Nur beim Pfau Narcissus nahm er sich länger Zeit, dem Neuling zu erklären, wie wertvoll dieser Vogel für einen der beiden Domini war und was Charislaus alles nicht durfte, damit das Tier sich nicht erschreckte oder durch falsche Behandlung erkrankte. Auch das Kräuterbeet und den Granatapfelbaum hatte Charislaus tunlichst in Ruhe zu lassen, da Terpander sie allein pflegen wollte.


    Endlich durfte Charislaus sich in sein neues Quartier zurückziehen, das sauber, aber bis auf einen Teppich, den er ihm zum Ausrollen hinlegte, vollkommen leer war. Weitere Möbel musste Charislaus sich selbst organisieren.


    "Na dann, bis morgen."


    Terpander verschwand, um im Erdgeschoss seinen üblichen Beschäftigungen nachzugehen. Er war mit Charislaus als neuem Sklaven zufrieden, sie würden sich verstehen.

    Das unterwürfige Gebaren des Charislaus trug dazu bei, Terpander zu besänftigen.


    "Wenn dem so ist, werden wir gut miteinander auskommen. Vorschläge sind erwünscht, wenn respektvoll vorgetragen. Nörgelst du, setzt es was. Honig-Rosenwasser hört sich gut an, organisiere morgen die Zutaten und zeige mir, wie du es zubereitest. Ich möchte davon kosten. Für heute möchte ich deine Massagefertigkeiten überprüfen. Wie man wo massiert und vor allem wo niemals, hast du gesagt. Hört sich merkwürdig an. Wo sollte niemals massiert werden? Außer auf den Augenlidern oder in der Mundhöhle?"


    Für Terpander, der den Körperkult Spartas mit allen Qualen und Annehmlichkeiten über Jahrzehnte ausgekostet hatte, gab es bei gegenseitigen Massagen keine generellen, sondern nur individuelle Tabus. Er versuchte, sich vorzustellen, welche merkwürdigen Hemmschwellen man hierzulande haben könnte.

    Wie Recht der Magus hatte. Cassander war bereits zu Lebzeiten ein wandelnder Schädling gewesen, was Terpander nicht davon abgehalten hatte, seine Nähe zu suchen. Cassander war ein Einzelgänger gewesen, doch das hatte Terpander nicht als Hindernis betrachtet, sondern als Herausforderung. Hartnäckig war er ihm gefolgt, stets auf seiner Spur, im richtigen Moment zurückweichend, dann heftiger nachsetzend, ihn ködernd und anfütternd mit seinem Lieblingsfleisch, bis er ihn gezähmt hatte. Ein Jagdspiel zweier Jäger, von denen einer sehr scheu gewesen war, denn über ihm gab es noch höhere Gewalten, der er sich bewusst war. Eine dieser Mächte hatte den Namen Astèrios getragen, bis Terpander sie beseitigte. Eine blutige Opfergabe an Cassander, ein Geschenk, dass dieser nie in seiner Gänze zu würdigen gewusst hatte.


    Nein, Terpander fürchtete die Schadwirkung von Cassander nicht, weder im Leben noch im Tod. So griff er auch weiterhin nach dem Schatten und glaubte, eine Antwort zu spüren. Während Anis die Umbra des rachdürstigen Astèrios zurückdrängte, blieb jene von Cassander bei ihm. Terpander, dem es sonst leicht fiel, sich zu beherrschen, war unter dem Einfluss der Drogen nicht mehr er selbst und die Tatsache, dass Cassander tatsächlich tot war, wie er es geahnt hatte, schien sein Inneres zu zerschmettern.


    Ein Spartiate flehte niemals um Gnade. Doch er konnte um Vergebung bitten, ohne eine Milderung der Strafe zu beabsichtigen. Das einzige, was dadurch leichter wurde, war sein Gewissen.


    "Achilleus und Cassander - vergebt mein Versagen. Zerreißt von mir das, was dereinst die Ufer des Styx aufsuchen wird, stillt daran euren ewigen Hunger und trinkt mein Blut und fresst meine Essenz, bis nichts mehr übrig ist, aber zürnt mir nicht länger."


    Astèrios schloss er von dieser Bitte aus. Ihr gegenseitiger Abscheu war unauslöschlich. Achilleus und Cassander aber hatte Terpander geliebt. Seine Art der Zuneigung unterschied sich von dem, was andere als Liebe bezeichneten. Und doch war es Liebe, was er zu fühlen glaubte, wenn er an diese Menschen dachte und ihr Verlust schlug eine unsichtbare Wunde.

    Terpander nahm die Tabula, bevor Charislaus sie an sich nehmen konnte. Dass nicht seine Name als Empfänger stand, war ihm gleichgültig, Charislaus hatte kein Recht auf Privatsphäre. So öffnete der alte Mann die verschlossene Tabula. Seine Miene war ausdruckslos, aber er war sauer. Dass Tiberios nicht um seine Erlaubnis gefragt hatte, verwunderte ihn nicht, da Terpander keine hohe Meinung von dem kleinen Griechen hatte. Aber Charislaus war ihm persönlich anvertraut worden und er würde ihm Benimm beibringen. Was waren das für Zeiten, in denen jeder Dreckshelot tun und lassen konnte, wonach ihm beliebte? Er würde andere Saiten aufziehen. Terpander klappte die Tabula wieder zu und reichte sie seinem neuen Eigentum.


    "Charislaus, einige Regeln für deine Zeit in der Casa Leonis. Unsere Domini sind Sisenna Iunius Scato und Manius Purgitius Lurco. Ihr Wort ist Gesetz. Als Maiordomus spreche ich mit ihrer Stimme. Du selbst hast keine Stimme, du benötigst keine. Ohren zum Empfangen von Anweisungen genügen vollkommen. Du wirst keine Freizeit haben, du stehst meinen Wünschen rund um die Uhr zur Verfügung, Tag und Nacht, das ganze Jahr über, auch zu den Feiertagen. Falls du jemals noch ein Treffen haben wirst, dann weil ich es dir befohlen habe, eines zu haben. Habe ich es nicht befohlen, wird es kein Treffen geben. Hast du das verstanden?"

    Die Antwort hieß alles und nichts. Doch Terpander würde es vorerst darauf beruhen lassen, sie würden sich bei Zeiten wiedersehen, schließlich wusste der Eine wo der Andere wohnte und ewig würde Terpander nicht darauf warten, dass der kleine Grieche ihn wieder mit seiner Gegenwart erfreute. Den kühlen Blick des Andreas ignorierte Terpander.


    "Lass mich nicht zu lange warten, sonst komme ich dich besuchen."


    Und zeige dem ganzen Hausstand, wem du gehörst, sobald du aus der Tür trittst.


    Er lächelte. "Ta leme sintoma." Damit trat er einen Schritt zurück, um anzuzeigen, dass Tiberios nun nach Hause gehen durfte.

    Terpander erwiderte den Blick von Wonga, ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn das eine Drohung war, sollte der Nubier es wagen, sie in die Tat umzusetzen. Doch dann wandte der Mann sich als erstes ab und rettete damit seine dunkle Haut vor einem noch viel schwärzeren Dunkel. Weder Wonga noch Iduna hatten verstanden. Es gab Menschen, die fühlten anders. Bei ihnen weckten solche weinerlichen Geschichten kein Mitleid, wie sehr sie das Elend auch auswalzten, da sie keines empfanden. Dafür weckten sie den Beutetrieb. Und es war besser, es in Gegenwart von Terpander damit nicht zu übertreiben.


    Andreas trat zu ihnen, Terpanders Gesicht verriet nichts von seinen wölfischen Gedanken. "Chaire, Andreas. Gib uns noch einen Moment für den Abschied."


    Terpander zog Tiberios fest an sich heran, so dass dieser seinen schwellenden Schritt spürte. Ein langer, zärtlicher Kuss folgte und Terpander schloss dabei vor Genuss die Augen.


    "Wann sehen wir uns wieder, Briseis?", fragte er und seine Zähne nagten sanft über die zarte Wange.

    Terpander lächelte und wenn man ihn nicht kannte, hätte man es für freundlich halten können.


    "Natürlich hast du diese Behandlung verdient. Und nein, Mädchen. Meine Leute hätten dich nicht zum Sterben zurückgelassen, sondern getötet. Wäre deine Domina eifersüchtig gewesen, hätte sie nicht deine Haare geschoren, sondern sie dir samt der Kopfhaut und dem Gesicht abgezogen."

    "Du bist doch in meine Hände gefallen, Tiberios." Terpander streichelte die Hand des kleinen Griechen mit dem Daumen. "Die ehemalige Domina erscheint mir wie jemand, der weiß, wie man seine Sklaven bei Laune hält. Wer sich wie ein Lamm benimmt und bei Schwäche auch noch blökt, den holen die Wölfe."


    Terpander hoffte, die beiden würden bald zu einem Ende kommen, damit er sich Tiberios widmen konnte, dem er ein Lächeln schenkte, bei dem man die trotz seines Alters annähernd weißen Zähne blitzen sah.

    Terpander legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend.


    "Du sprichst, als wäre das etwas Ungewöhnliches oder gar Schlimmes. Wären meine Leute mit der fertig gewesen, wäre von dir nichts übrig gewesen als ein zuckender Haufen Blut und Gedärme, der benutzt wird, bis er aufhört zu zucken. Je nach Menge der Teilnehmer noch länger. Da wäre im Anschluss nichts geblieben, was noch durch Rom laufen, Gladiatorenkämpfe besuchen, Wachteln knabbern und herumjammern könnte."


    Aus seinem Tonfall sprach Stolz.


    "Den Sklaven wurde offenbar eine Runde Spaß gegönnt. Da sag noch einer, die Flavier wären keine freundliche Gens."