Beiträge von Castor

    Der Bursche war wie von Sinnen und dann biss er Pollux sogar. Sein Bruder kreischte auf und verschwand um irgendetwas zu holen. Castor schaute einen Moment verdutzt, den der Zechpreller natürlich sofort ausnutzte und sich freistrampelte. Zum Glück hielt der Sack! Das war vielleicht ein Chaos! Irgendwas hatte Tacitus gepackt und geworfen, zum Glück nicht in seine Richtung. Nur wohin? Das hatte Castor nicht mitbekommen. Ehe der Mann noch fliehen konnte sprang Castor ihm in den Rücken und verfehlte ihn, den just im gleichen Augenblick ging der Bursche in die Knie und landete auf dem Rücken. Castor landete bäuchling neben ihm. Keuchend rappelte er sich sofort wieder auf und schmiss sich auf Tacitus. Seine Hände legten sich um dessen Hals, nicht um ihn zu erwürgen, sondern um ihn zu fixieren.


    Wer jetzt in die Gasse kam, bekam vermutlich ein einmaliges völlig falsches Bild geboten.

    Kaum hatte er die Beine des Unholds geschnappt, da trat dieser wie ein wildgewordener Esel um sich. Den verfluchten Stein, den er jetzt gebrauchen konnte, hatte er natürlich entsorgt. Mit hektischen Blicken hielt er nach einem geeigneten Ersatz Ausschau, als ihn ein Tritt von Tacitus traf. Der Tritt war der eines wütenden Maulesels und schleuderte Castor mehrere Schritte weit in die Gosse hinein.


    "Verdaaaammt", hörte Pollux seinen Bruder kreischen und dann einen dumpfen Aufprall.


    Ein erneutes Kreischen das in ein Brüllen überging zeigte Pollux an, dass es seinem Bruder gut ging und dass Castor stinksauer war. Wie eine Furie stürzte sich Castor auf eierigen Sohlen aus der Gosse zurück ins Getümmel und blieb wie angewurzelt stehen, als er seinen Bruder dabei beobachtete, wie dieser auf den Zechpreller einsprach. Die Augenbrauen von Castor wanderten in unbekannte Höhen, ehe sich seine Lippen zu seinem bekannten messerdünnen Grinsen teilten. Währenddessen wuchs ihm eine Beule über dem linken Auge.

    Castor ließ den Stein sinken und nickte zustimmend.


    "Die Götter sind ihm hold, er darf sein Leben behalten und seine Schulden begleichen. Andere wären nicht so freundlich wie wir, nur auf ihre Bezahlung zu pochen. Aber er hat tatsächlich Glück im Unglück, dass er uns getroffen hat. Tarkyaris wird zufrieden mit ihm sein. Und nachdem die Götter ihn riefen und Tarkyaris ihn entsprechend vermittelt hat, werden ihn auch schon die Kunden rufen. Der Sack ist zu, wie man so schön sagt Pollux. Ich kann die Sezterzen schon regelrecht in meinen Fingern fühlen", lachte Castor hell, geradezu freundlich was überhaupt nicht in die Situation passte.


    Er warf den Stein über die Schulter und schnappte sich die Füße von ihrem Schuldner.

    "Wo lang?", fragte er grinsend.

    Der Blick in die Dunkelheit und Nacht währte nicht lange. Die Sicht von Tacitus wurde jäh unterbrochen, als sich ein Sack über seinen Kopf stülpte und an seinem Hals schmerzhaft zugezogen wurde. Der Geruch ließ den Mann würgen. Blut. Geronnen, teilweise getrocknet und noch andere unaussprechliche Dinge, die sich neben den abgeschlagenen Köpfen in dem Sack befunden hatten.


    "Familienzusammenführung", hörte er eine vertraute Stimme raunen.


    Castor. Das blonde Gegenstück zu Pollux, die beiden Zwillinge die die Namen von zwei Göttern trugen und ihn nun wie Rachegöttern der eigenen Entscheidungen und Taten heimsuchten.


    "Riechst Du das? Das Blut Deines eigenen Kindes? Den Geruch Deiner Schuld? Das ist das Odövre Deiner Strafe, der Anfang vom Ende. Du hast die göttlichen Strahlenden verhöhnt. Unsere Dienste in Anspruch genommen und wusstest Du könntest nicht zahlen. Die Strahlenden bringen Dir nun die Dunkelheit. So wie Du es verdient hast. Atme den Gestank Deiner Schuld tief ein und gewöhne Dich daran! Du kannst und Du wirst bezahlen, so oder so", zischte Castor und beförderte für Pollux gut sichtbar einen dicken Stein zu Tage, den er auf seinem heimlichen Weg aufgeklaubt hatte.


    Der Stein sauste ohne jedes Zögern hart auf den Sack nieder, um den Mann darin in das Land der Träume zu schicken.

    "Zahltag!", knurrte Castor wie ein weidwundes Tier dabei.


    Der blonde Zwilling wollte den Zechpreller nicht töten, sondern betäuben. Tot brachte er keine einzige Sezterze ein. Deshalb war der Schlag zwar hart, aber nicht brutal oder gar tödlich.

    Vier grimmige Augenpaare hatten die beiden Warnungen im Auge behalten. Und da war er, der Zechpreller, der es gewagt hatte ihren göttlichen Zorn heraufzubewören. Er hatte sie verraten und verkauft. Sein Wort war nichts wert gewesen. Nein er hatte sogar auf die Götter gespuckt. Warum sollten sie ihm also die versprochene Frist schenken? Der Kerl hatte ein Blutbad geordert und sie hatten geliefert. Jetzt galt es, sich zu holen was ihnen zustand. Mit dem Ellenbogen stieß Castor seinen Bruder liebevoll in die Rippen.


    Der Zechpreller hatte Angst, pure Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er vor Kummer und Gram die Hände über den Kopf zusammenschlug. Nun war es zu spät, zu bereuen. Er hätte bezahlen müssen. Dass der Mann wegen seiner Tat derart außer sich war, dieser Gedanke kam einem Geschöpf wie Castor gar nicht in den Sinn. Sie waren auf der Straße aufgewachsen, sie waren die Straße und die Straße war in ihnen. Sie kannten die Regeln, die Wege und scheuten sich nicht sie zu gehen. Denn eine Wahl hatten die beiden ohnehin nicht.


    Geduckt wie eine Raubkatze auf dem Sprung schlich er los, ihrer Beute hinterher. Er hatte sie verkauft und nun würden sie ihn einsacken und verkaufen. Castor schnappte sich den blutigen Beutel, der vor wenigen Augenblicken noch zwei abgeschlagene Schädel als Inhalt gehabt hatte. Gleich würde er den Kopf des Vaters und Liebhabers aufnehmen. Familienzusammenführung mal ganz anders.


    Castor öffnete den Sack und hielt ihn bereit. Bei einer passenden Gelegenheit würde er dem Flüchtenden den Sack über den Kopf ziehen und ihn ins Land der Träume schicken. Und sobald der Gute wieder aufwachte, erwachte er in seinem persönlichen Albtraum.


    Das Grinsen von Castor sah aus wie ein blutleerer Riss, der sein Gesicht durchschnitt.

    Castor griff sich ebenfalls eine der Flaschen. Diesmal war es eine giftgrüne die sein Misstrauen weckte, nach dem erleichternden Erlebnis mit der braunen Flasche. So leise wie möglich öffnete er sie und hielt sie bereit.


    Nun hieß es abwarten bis das Opfer und der Schosshund sich setzten und bestellten. Pollux musste die beiden ablenken, während er ihn nach- und richtig einen einschenkte.

    Castors verzweifelte Miene verwandelte sich in eine bösartige Fratze.


    "Wir sorgen nicht dafür dass er bezahlt Bruder! Er hat sein Leben verwirkt. Er ist die Bezahlung! Wir machen ihn nieder und verkaufen ihn an den nächsten Händler oder in ein Lupanar. Wir bekommen unsere 500 Sesterzen und wenn wir sie aus seinem Fleisch schneiden müssen.


    Er hat sich mit den Strahlenden angelegt. Die Götter selbst, also wir, werden sich ihn vorknöpfen und ihn zu Markte tragen.


    Er hat sein Schicksal selbst besiegelt.

    Pollux komm", sagte Castor mit grimmiger Geldgier.


    Sie würden den Mann finden und verscherbeln, dass stand fest. Castor flitze in die Nacht davon, die Straßen nach dem Schuldner absuchend.

    Kaum gedacht, schon erschien jene Frau die er sich so sehnlich herbeiwünschte. Nun sein Sehnen war Geld geschuldet. Castor wollte den Auftrag so sauber und schnell wie möglich hinter sich bringen. Das Wetter nagte an den Zwillingen und jede kalte Nacht, die sie nicht auf der Straße verbringen mussten war ein Gewinn. Er konnte schon das Bett förmlich unter sich spüren. Die Frau war nicht mehr gut zu Fuß, sie war bereits so rund, dass ihr sogar das Treppesteigen Schwierigkeiten bereitete. Bis dato wäre sie eine leichte Beute, aber...


    Es gab bei solchen Aufträgen immer ein aber. Dieses Aber schritt mit grimmigem Blick neben der Maesa her. Die Frau hatte sich bei dem Schläger eingehakt und ließ sich von ihm stützen. Der grobe Klotz sah aus, als hätte er schon mehr Genicke im Leben gebrochen, als Castor Sommer gesehen hatte. Er musste den Wachhund von seinem Knochen locken. Doch wie? Das war hier die alles entscheidende Frage. Eine Ablenkung wäre gut. Eines der Fläschen wäre noch besser. Castor wünschte, er hätte das braune Fläschchen nicht getrunken, sondern hätte es zur Hand um diesen Fiesling damit auszuschalten.


    Er hatte kein braunes Fläschchen mehr, also musste sein Bruder ran. Leise schlich Castor zurück und stieß einen heiseren Ruf aus. Eine Mischung aus Krähe, Eule und unterdrücktem Husten.


    "Pollux? Du musst helfen", wisperte Castor.

    Castor warf seinem Bruder einen besorgten Blick zu. Er hoffte nicht, dass Pollux auch gleich alles von vorne und hinten kam. Aber was raus musste, musste raus.

    Castor schaute sich verstohlen um, nickte knapp und verschwand im Haus. Die ersten zaghaften Schritte führten Castor in einen dunklen Flur. Dort stand auch der riesige Krug, in denen der Urin gesammelt wurde. Sklaven schütteten ihn dort jeden Morgen hinein, wenn sie die Töpfe ihrer Herren leerten. Irgendwann würde einer der Wäscherei vorbeikommen und die Flüssigkeit abholen.


    Die Umgebung war alles andere als einladend. Geschmiere, Dreck und Feuchtigkeit hatten den Wänden zugesetzt, an denen nun der strahlende Castor vorbeischlich. So leise er konnte schlich er weiter und kam endlich im ersten Stockwerk an. Hier war es nicht alles andere als schäbig. Castor wusste, dass die unteren Wohnung der wahre Luxus waren, je höher man stieg, umso ärmlicher wurde es. Der Hintergrund war einfach, die Feuergefahr. Wer im ersten teuren Stockwerk lebte, der konnte es bei einem Brand gut ins Freie schaffen. Wer kostengünstig so weit oben wie möglich leben musste, würde bei einem Brand aller Wahrscheinlichkeit nach umkommen.


    Selbst was die Mietpreise anging, waren Römer duruch und durch pragmatisch.


    Lecania Maesa hieß die Frau, die er sich holen sollte. Aufhalten sollte sich die Frau in oder um die Taverna Apicia. Castor lauschte in das Gebäude hinein und schlich zurück, um dann mit einer Selbstverständlichkeit die Taverna zu betreten die schon unheimlich war. Er setzte sich in eine der dunklen Ecken und verschmolz mit der Finsternis.


    `Maesa, wo bist Du? Zeige Dich´, dachte er mit schelmischen Schmunzeln, so als ob seine Gedanken die Frau herauslocken konnten.

    Castor blinzelte in Zeitlupe, wollte gerade zu einer Antwort ansetzen aber aus seinem Mund kam nichts weiter als ein langezogener Rülpser. Sein Bauch untermalte das Geräusch mit heftigem Gegrummele und für den Bruchteil eines Augenblicks bestand das Gesicht von Castor nur noch aus Augen, sehr feuchten Augen. Heiß und kalt raste es durch seinen Körper und schlagartig kam es da an, wo Castor es gar nicht haben wollte! So schnell ihn seine dürren Beine trugen rannte Castor um die Ecke, riss sich die Tunika in die Höhe und erleicherte sich geräuschvoll an der nächsten Häuserecke.


    Nach dem ein zweiter, brauner Schwall seinen Körper verlassen hatte, hörten auch seine Augen auf zu tränen. Was beim Abgrund war in dieser verflixten Flasche gewesen? Er hatte fast die Wand neu gestrichen!


    "Puuuh", schnaufte er erleichtert und kehrte zu seinem Bruder zurück.


    "Die braune Flasche hatte es in sich", murrte er und einen Augenblick später strahlte er fast wieder wie üblich.

    Sein Blick wanderte ebenfalls nach oben und er grinste seinen Bruder an.


    "Wir schleichen uns ins Haus und huschen durch die Schatten. Wir klettern nicht die Hauswand hoch, zu gefährlich bei der Kälte. Wir haben die ganze Nacht Zeit. Also lassen wir es langsam angehen. Rein ist nicht das Problem, wir müssen genauso sicher wieder raus. Bereit Bruder?", fragte er und deutete auf den Eingang.

    Castor schritt neben seinem Bruder und hörte dessen Gesang zu. Eigentlich war das keine gedankliche Erwähnung wert, denn wann waren sie je getrennt? Konnte man einen Menschen trennen? Durchtrennen ja, aber voneinander trennen? Nein. Sie waren ein und die selbe Person, die Dank göttlicher Fügung an zwei Orten zeitgleich sein konnte. Nun wenn sie wollte, aber sie wollten meist nicht. Das letzte bisschen Geld hatte Pollux für einen Kasten mit bunten Fläschchen ausgegeben. Castor rieb sich die klammen Hände und betrachtete glückseelig die Errungenschaft seines Bruders.


    Die erste Kälte war aufgezogen und verwandelte die Nächte in ein Glücksspiel. Sie beide kannten die Regeln der Gosse, der Nacht und der Kälte. All das war ihre Heimat geworden. Das Leben auf der Straße war gefährlich. Wer nicht mit einem offenen Auge schlief, schloss meist beide für immer. Räuber die genauso wenig hatten wie man selbst oder noch weniger, waren genauso gefährlich wie der Frost der einem den Tod brachte. Zu zweit konnten sie sich Wärme schenken, körperlich und geistig, die anderen verwehrt blieb. Schlief einer, konnte der andere wachen. Und nichts war in solchen klammen Zeiten mehr wert, als ein windgeschütztes Fleckchen, von dem aus sie die Straße im Blick hatten, selbst aber vor den Blicken anderer verborgen waren.


    Sobald sie das Geld ihres Auftrags in Händen halten würden, würde sich dies alles ändern. Sie würden in einem warmen Bett schlafen, warme Mahlzeiten essen und die Sorgen die sie bis jetzt plagten, wie die Läuse die anderen in alter Kleidung wären vergessen. Sein Bruder tanzte neben ihm her, die Nacht und den kleinen Glücksschnaps feiernd, den er gerade genossen hatte.


    Castor schaute in das Kästchen und wählte die braune Flasche. Sie strahlte Urigkeit, ja fast Gemütlichkeit aus. Mit einem leisen Plopp entkorkte er die Flasche und nahm einen winzigen Schluck. Würzig, kräuterig, vollmundig, kurzum lecker. Castor grinste über beide Ohren, die im beißenden Wind bereits rot angelaufen waren. Sie benötigten einen Schal oder etwas anderes, dass sie sich als zusätzlichen Schutz um den Körper binden konnten.


    Aber eines nach dem anderen. Bevor sie sich aus den Lumpen eines anderen armen Hundes einen Schal schlitzten, hatten sie eine Aufgabe zu erledigen, die ihr Leben für immer verändern würde. Mit einem schlemischen Grinsen lehrte Castor das braune Fläschchen auf Ex, ein Prosit auf ihren Erfolg.

    Castor lächelte wie immer so liebenswürdig und falsch, wie es sonst nur einer Geldwechsler vermochte. Ihr Kunde war umgehend mit dem Preis einverstanden. Castor war eigentlich davon ausgegangen hart mit dem Burschen feilschen zu müssen, aber er hatte die Forderung sofort akzeptiert. Er fühlte eine kleine Enttäuschung, aber 500 Sezterzen waren sehr viel Geld. Allerdings hatten sie das Geld noch nicht in der Hand.


    "Morgen bei Mondschein wird das Licht von den beiden erloschen sein. Du darfst morgen die frohe Kunde von den beiden Strahlenden in Empfang nehmen. So wie wir die 500 Sezterzen zu empfangen verlangen!", reimte Castor und kam sich dabei richtig genial vor.

    "Für läppische 500 Sesterzen an die Strahlenden, wird Dein Leben wieder blütenrein.


    Das entstandene Früchtchen wird nicht am Baume reifen. Der Baum selbst wird im Sturm der Göttlichen fallen. So als wäre Dein Unglück niemals geschehen werter Herr", sagte Castor ernst und nickte gewichtige.

    "Wir die Strahlenden lösen jedes Problem für passende Bezahlung. Es gab noch nie Beschwerden über unseren Dienst am Menschen. Weder der Auftraggeber noch der beglückte Kunde hat geklagt. Hat jemand ein Problem, haben wir die Lösung. Das ist unser Schicksal, unsere Gabe und auch unsere Bürde", lächelte Castor keck.


    Die seltsame Frau war verschwunden. Nun so oder so wäre sie dass, lachte er innerlich.