Beiträge von Memmius Tuccius Apollinaris

    Was für ein freundlicher, dienstbeflissener und höflicher Sklave Kimon war. Der Stolz seiner Zunft, es gab sie immer noch die alt gedienten Sklaven die wussten wie man sich Herren gegenüber zu verhalten hatte. Apo hatte den Mann gleich in sein Herz geschlossen. Jedenfalls in jene Ecke, die für Sklaven vorgesehen war.


    Einen Augenblick später hatte er den Mann aber fast schon wieder vergessen, denn das was dann folgte war purer Luxus. Sie wurden von oben bis unten, von links nach rechts und von innen nach außen gepflegt. Apollinaris glaubte, dass es keine Stelle an seinem Körper mehr gab, die nicht massiert, geölt und entspannt worden war. Ein Zustand völliger entspannter Zufriedenheit machte sich in ihm breit. Der gleichmäßige Atem von Nero lullte Apollinaris ein. Einige Augenblicke später war auch er eingeschlafen und schnarchte leise vor sich hin.

    Was Nero bei dem Sklaven bestellte, war ein absolutes Verwöhnprogramm. Purer Luxus bei dem Apollinaris bereits jetzt das Wasser im Munde zusammenlief und er sich angenehm schläfrig fühlte. Apo schenkte Nero ein dankbares Lächeln, ehe er sich an den Sklaven wandte.


    "Wir benötigen zudem dringend etwas erfrischendes zu trinken. Unsere Reise war lang und voller Entbehrungen. Wir wurden durch die Wildnis gejagt, mussten schauerlichen Geräuschen lauschen, eine Horde Wilder hat uns angegriffen, ja dass wir überhaupt hier stehen grenzt an ein Wunder. Wie weit uns unser Weg geführt hat, davon sprechen unsere zerfetzten Schuhe und unsere geschundenen Körper und Seelen", stöhnte Apo, um das Ganze noch etwas mit Dramatik zu untermalen.

    Apollinaris folgte Nero auf dem Fuße. Es wurde alles gut, jetzt endlich wurde alles gut! Sie traten über die Schwelle, hinein in das Haus des Onkels und ließen die harte Realität für einige Stunden, Tagen, Wochen oder wenn sie Glück hatten sogar Monate hinter sich. Hier konnten sie ein neues Leben beginnen, allen voran Nero. Er hatte viel zu lernen und eben so viel zu vergessen. Apollinaris atmete erleichtert aus, heute würden sie warm, trocken und in einem Bett schlafen.

    Apollinaris versuchte in seinem abgerissenen Zustand so würdevoll wie möglich auszusehen. Die Worte von Nero rührten ihn und er schämte sich, was ihm letzten noch durch den Kopf geschossen war. Die Schlacht hatte seine Gedanken durcheinander gewirbelt und völlig zusammenhanglos wieder ausgespien. Nero log wie gedruckt ohne mit der Wimper zu zucken, was Apo freute. Hoffentlich fanden sie Unterschlupf, lange würden sie nicht mehr durchhalten. Sie hatten es tatsächlich bis vor die Tür des Onkels von Nero geschafft. Jetzt musste man sie nur noch über die Schwelle bitten...

    Apo gesellte sich zu Nero und musterte ihn eine Weile stumm. Tröstend legte er Nero einen Arm um die Schulter. Sie waren weit gereist, nur um erneut abgewiesen zu werden.

    "Es war nur der Sklave Nero und nicht Dein Onkel selbst. Lass den Kopf nicht hängen, wir finden einen Weg. Das haben wir bis jetzt doch immer oder nicht? Die Götter sind uns wohlgesonnen. Schau was um uns herum geschehen ist. Wir beide stehen noch, atmen noch, wir haben alle Chancen der Welt. Ein Bad und etwas zu Essen wäre nicht schlecht", schlug Apo vor.

    Apollinaris betrachtete das Schauspiel, was sich ihm gerade bot. Was war hier los? Waren denn alle wahnsinnig geworden? Jetzt stritten sie um den Toten und Nero schien ausgerechnet jetzt sein Selbstbewusstsein und seine Eier entdeckt zu haben. Jetzt! Hier! Und musste einen Prätorianer mit seinem käsigen Zeigfinger stechen? Das ging vermutlich für sie beide nicht gut aus. Apo schüttelte hinter den beiden den Kopf und hoffte Nero würde es sehen und sich die Warnung zu Herzen nehmen. Allerdings befürchtete Apo ganz anderes.


    Verstohlen schaute er sich nach dem Caesar um.

    Apo kämpfte gegen seinen störrischen Körper und fühlte wie ihm jemand den Kopf streichelte. Nero! Nero war da und stand ihm bei. Jetzt war er wieder ganz anders, so anders, der alte Nero. Nicht der mit den dunklen Augen und den schrecklichen Zähnen. Das war sein Nero. Die Starre fiel von Apollinaris ab und er begann hemmungslos zu zittern. Von Schlachten zu hören war das eine. Aber eine mitzuerleben war etwas ganz anderes. Die Geräusche, die Gerüche, das Schreien dass schon nichts mehr menschliches an sich hatte. Die Blicke der Kämpfer und die gebrochenen Blicke der Toten, all das hatte sich in seinen Verstand gefressen und ließ ihn nun unkontrolliert schauern.


    So taff er manchmal auch war, er war doch nur ein einfacher, junger Mann. Nicht mehr und nicht weniger. In einer Tabernaschlägerei hätte er sich möglicherweise behaupten können, aber dies hier? Hier wurden nicht ein paar Schwinger mit der Faust ausgeteilt und man ging mit blutiger Nase nach Hause. Hier gingen so manche nirgendwo mehr hin. Apo quälte sich in sitzende Position und sein Blick fiel auf einem Kerl, dem der halbe Schädel fehlte. Der Tucci schluckte und starrte Nero ins Gesicht.


    "Nero", sagte er, was ihm noch auf der Zunge lag, lag dort wie ein pelziges, widerwärtiges Etwas, dass er nicht aussprechen konnte. Nero hatte selbst gesehen was geschehen war. Was sollte er das Grauen noch in Worte fassen?


    Apollinaris schlang die Arme um den Hals von Nero und hielt sich an ihm fest, wie einem Stück rettenden Treibholz auf hoher See.

    Der Kampf brach um sie herum aus, Männer starben auf beiden Seiten. Es stank nach Blut, Fäkalien, Urin, Gedärmen und Apollinaris tat nichts. Gar nichts. Er saß auf seinem Pferd und schaute dem Geschehen das um ihn herum tobte zu. So als stand er mitten im Auge eines Sturms und er war samt seinem Tier irgendwie dort hineingeraten, dennoch nicht richtig anwesend.

    Warum das Pferd weder durchgegangen war, noch gescheut hatte, konnte sich Apo nicht erklären. Möglicherweise spürte es seine seltsame, entrückte Ruhe die einem völligen Unbegreifen geschuldet war. Er saß einfach nur da und starrte, starrte in eine Welt hinaus die er nicht mehr verstand und die sich ihm entzog und wie durch ein Wunder schien ihn keiner der Beteiligten wahr zu nehmen. Entrückt, verrückt, oder einfach nicht in die Situation passend. Er stand in der Gegend herum wie einer der Bäume und die gleiche Aufmerksamkeit hatte man ihm geschenkt.


    Apollinaris war nicht einmal starr vor Schreck, denn zum Schrecken hatte es bei ihm nicht mehr gereicht. Er versuchte zu begreifen, was für ihn unbegreiflich war. Von einer Sekunde auf die andere war die Welt umgeschlagen und ein Wald hatte sich in ein Schlachthaus verwandelt. Begleiter waren zu Leichen geworden, Feinde waren aus dem Nichts heraus aufgetaucht und jenen Mann den Nero am liebsten hätte fallen sehen, war gefallen.


    Apo hätte die Hände vor das Gesicht geschlagen, hätten sie ihm in diesem Moment gehorcht, doch alles was sie taten war krampfhaft die Zügel zu umklammern ohne diese zu nutzen.


    "Hast Du das gesehen?", keuchte ihm jemand zu.


    Apollinaris drehte den Kopf, er versuchte wieder Herr seiner Sinne und seines Körpers zu werden aber es war schwer, so verdammt schwer. Nero war es, der ihn angesprochen hatte. Dick und bleich wirkte er und dunkel schienen seine Augen aus seinem aufgedunsenen Gesicht zu funkeln. Wie eine Made aus dem Abgrund, die man gegen ihren Willen an das Licht gezerrt hatte. Es fehlte nur, dass er eine Reihe Reißzähne entblößte, loslachte und seine Fänge in das Fleisch der Gefallenen schlug. Apo schüttelte das Gedankenbild ab und stürzte wie ein Stein vom Pferd.


    Keuchend rappelte er sich auf dem Boden wieder auf, er war dermaßen verkrampft, dass er sich nicht einmal hatte einnässen können.

    `Singen wir weiter...´ Fangos Fang-Frage. Hatten sie ihm nicht genug Respekt und Dankbarkeit gezollt? Hätten sie weniger Jammern und mehr Durchhaltevermögen zeigen sollen? Sie hatten sich bemüht und sich durchgebissen. Nero konnte nichts für seine körperliche Schwäche. Gut einiges war selbst verschuldet, anderes war angeboren. Aber auch das Verschuldete konnte man nicht an einigen Tagen wieder wett machen. Apollinaris fragte sich, weshalb Fango sie derart strafen wollte. Lag es an den heißen Steinen? Er wusste es nicht, drum warf er einen hilflosen Blick zu seinem Freund Nero. Vermutlich war dies alles ein Teil ihres Schicksals und am Ende gab es eine Belohnung würden sie all das erdulden. Oder es gab ein weiteres Lied - dass war natürlich auch möglich.


    Mit grimmiger Miene ritt Apo weiter, gewillt sich nicht von der Drohung einschüchtern zu lassen.

    Apollinaris ritt schweigend neben Nero her. Finster blicken sie beide drein, denn so fühlten sie sich. Nero wirkte auf seinem Pferd wie versteinert. Auf die Frage von Apo hin, ob sie abreisen sollten, hatte Nero gesagt, dass dies nicht möglich war. Nun irgendwann mussten sie eigener Wege gehen und vermutlich würden sie irgendwann bewusst abgehangen werden. Oder man stieß sie den nächsten Abhang herunter. Wer wusste das schon? Sie waren grundlos beliebt wie Fußpilz. Als wäre ihr Leid durch Kälte, wunde Hintern, Dreck, Schlamm und feindseelige Mitreisende nicht schon schlimm genug, fingen diese nun auch noch an zu singen.


    Was kam als nächstes?

    Der Ritt war abgrundartig gewesen, denn es hieß, schnell, schneller, wer hatte am schnellsten keine Haut mehr auf dem Hintern. Apo befürchtete er wäre das erste Mal Sieger ohne den Sieg gewollt zu haben. Als er endlich vom Pferd stieg, tat er es derart breitbeinig, dass es ihm selbst peinlich war. Nero erging es nicht besser, sie beide waren derartige Gewaltritte nicht gewöhnt. Die abgehärteten, fiesen Schnösel hatten sie vermutlich unterwegs zurücklassen wollen. Abgehangen wurden sie nicht, für einen winzigen Moment bedauerte Apollinaris den Umstand. Das war keine Rettung, was immer das gewesen war, er würde es nicht vergessen. Einzig und allein Fango schien ihnen wohlgesonnen zu sein. Er teilte sogar die letzte Salbe mit ihnen brüderlich, was Apo gar nicht genug danken konnte.


    "Danke für alles Fango", war was er herausbrachte. Er hätte ihm noch so viel mehr zu sagen, von der Rettung, bis hin zu den warmen Steinen, aber das alles in Worte zu kleiden, hätte lange gedauert. So beließ Apo es bei dem schlichten Dank.


    Dann standen sie da, in der Fremde mit wundem Fleisch und nicht wissend, wohin es als Nächstes gehen sollte. Apollinaris legte Nero eine Hand auf die Schulter.

    "Lass uns aufbrechen Nero. Unsere eigene Reise erwartet uns", sagte er freundlich auch wenn sein Gesichtsausdruck etwas gequält wirkte.

    Apollinaris musste trotz des traurigen Themas aufpassen nicht loszulachen. Wenn Fango das gehört hätte! Vermutlich hätte er die nächsten heißen Steine dann nach ihnen geworfen!


    "Der Trick mit den Steinen ist wirklich gut, den werden wir uns merken. Es werden noch genug kalte Tage vor uns liegen und die werden nicht allein dem Wetter geschuldet sein", antwortete Apollinaris so leise wie möglich.


    Langsam kroch die Wärme wieder in seinen Körper und er fühlte sich nicht mehr wie ein Eisklotz. Sanft lehnte er sich an Nero, der sich regelrecht klamm anfühlte. Fast glaubte Apo, dass Nero die Schlange war und nicht er. Die meisten Menschen waren wirklich mies, aber darauf wollte er nicht eingehen. Er wollte seinen Freund aufbauen und nicht noch in seinem Elend bestätigen. Er versuchte ihn am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen und nicht ihm beizubringen, im Sumpf zu schwimmen. Apollinaris rückte die Steine zu Recht, so dass Nero angenehm liegen konnte. Er selbst rückte näher und schlang seinen kalten Freund fest in die Decken ein. Decken, warme Steine und Freundschaft, dass müsste Nero doch etwas auftauen. Ein Herz brauchte Wärme um zu schlagen.

    Apollinaris konnte Fango gerade noch ein "Danke" hinterher rufen, da war er auch schon wieder verschwunden. Mühsam gesellte er sich zu Nero, seine Glieder fühlten sich schwer wie Bei an. Zuerst legte er seine Steine mit zu denen von Nero, ehe er zurückkehrte, mit seiner Decke in der Hand und sich seitlich neben seinen Freund legte. Die Steine hatten sie so in der Mitte und sie würden sie beide gut durchwärmen. Seine Decke warf er zusätzlich über die von Nero. Er hoffte durch ihre Wärme und die der Steine würde die Nässe verschwinden. So nah er konnte rutsche er heran um Nero und sich selbst zu wärmen.


    "Morgen früh wird alles gut, es muss einfach. Ich werde Steine nie wieder mit den gleichen Augen sehen Nero, glaub es mir. Diese hier haben mehr Wärme als mancher Mensch jemals in sich trug, oder speichern könnte", murmelte er leise vor sich hin.

    Apollinaris ließ sich von dem Pferd rutschen und folgte den beiden Männern. Der Caesar tat es ihm gleich. Mehr noch er war wesentlich schneller als er. Apollinaris blieb in einiger Entfernung stehen und hörte sich an, was dieser zu sagen hatte. Welch ein Glück, dass so ein Mann über Leben und Tod entschied, bei dem Interesse an seinen Mitbürgern. Vermutlich wünschte er jedem Fettsack den Tod... wobei nein die finanzierten ja sein dekadentes Leben und machten solche Ausflüge mit klingendem Beutel möglich. Ohne Steuern war das Militär nicht zu finanzieren, denn Geld wuchs bekanntlich nicht auf den Bäumen. Wie man mit seinen Geringsten umging, zeigte wahre Größe.


    Vielleicht fand sich ja auch eine Barbarenaxt eines Tages im Schädel von Caesar wieder oder von dem Verwandten von Nero. Wer wusste das schon? Jedenfalls erklärte sich so, weshalb die wenigsten Senatoren und Kaiser eines natürlichen Todes starben. Es sei denn man zählte Gift oder ein Dolch im Herzen als natürlicher Tod. Denn natürlich überlebte so etwas keiner. Diese Leute gebaren sich, dass sie beliebt waren wie Fußpilz. Wollte man von solchen Leuten tatsächlich verteidigt werden? Oder fiel man da doch nicht lieber in die Hände der scheinbaren Barbaren?


    "Nero kommst Du? Wir müssen los und Dein Verwandter muss es noch aufs Pferd schaffen", rief Apolinaris und betrachtete den Verwandten von Nero wie ein widerwärtiges Insekt.

    Apos Augen wanderten zu Nero. Das Schauspiel das sich ihnen geboten hatte, war verstörend.


    "War es nicht einst die Aufgabe der Legion Rom und seine Bürger zu verteidigen? Kämpft der Legionär nicht für jene, die es selbst nicht können? Scheinbar haben sich die Verhältnisse gewandelt. Oder es liegt an uns beiden. Gut möglich, dass die Rettung von jedem anderen belohnt worden wäre. Aber Du sollst scheinbar ein entfernter Verwandter werden Nero. Behalte das stets im Hinterkopf und lass das Deine Energie dafür werden, dass Du es schaffst. Dass Du es allen zeigst. Wenn hier einer eines Tages entfernt wird, dann nicht Du. Merk Dir das und mach die Augen auf. Sieh wie Dich andere sehen. Und sieh hin, was sie für Unrecht deshalb betreiben.


    Dein Retter bestraft, samt seiner Einheit? Soll Lob und Strafe nicht die Legion nicht zusammenhalten und zu einer Einheit formen? Ist das deren Verständnis von Förderung? Ich nenne das Wut oder Willkür. Falls die uns abhängen wollen, müssen die früher aufstehen Nero. Mit uns nicht", flüsterte Apollinaris seinem Freund ins Ohr.


    Was die Strafe für ihren jungen Retter bedeuten, konnte sich Apollinaris ausmalen. Er hatte bald auf mehr zu verzichten, als auf einen Anteil seines Soldes. Die Kameraden würden sich für ihre Bestrafung erkenntlich zeigen. Ob er den jungen Mann warnen sollte? Ja. Aber nur wie?

    Soviel Glück wie sie musste man erst einmal haben. Nero und er waren zu Fuß mit einer schweren Truhe mit all ihrer Habe unterwegs gewesen. Und da hatte ihnen das Schicksal Fango vorbeigeschickt. Er hatte sie nicht nur aufgelesen, sondern auch auf sein Packpferd verfrachtet. Das Laufen hatte ein Ende und sie durften die Strecke reiten. Sogar die Truhe wurde von dem Pferd gezogen. Apollinaris freute sich und wertete das als gutes Zeichen.


    Als sie die Einheit von Fango erreichten und er sie vorstellte, hob er kurz grüßend die Hand.

    Apolinaris schaute auf die Truhe und blickte dann Nero ins Gesicht. Eine Truhe reichte aus, um Neros Leben zu verstauen. Er ließ sein Nest hinter sich, aber hatte das überhaupt eine Bedeutung? Neros Nest war stets verwaist gewesen, allein hatte er darin gehockt mit Dingen aus einer anderen längst vergangenen Zeit. Gaben einer Mutter, die er niemals kennengelernt hatte und die ihm dennoch alles bedeuteten. Apo hatte Neros Zimmer gesehen und er hatte verstanden. Es reichte ein Wort aus, um Nero und sein gesamtes Leben zu beschreiben - allein. Immer wieder sprang ihm dieses Wort ins Gedächtnis. Vielleicht ein Hinweis, ein Fingerzeig dass er die Chance war die Nero benötigte um endlich im Leben Fuß zu fassen.

    Apo bückte sich, verstaute seine Sachen ebenfalls in der Truhe und griff dann beherzt zu.


    "Das ist ab heute unsere gemeinsame Kiste und wir tragen sie gemeinsam. Aufbruch Nero", antwortete Apollinaris und war sich sicher, dass sein Freund genau wusste, was er mit diesem Satz meinte. Gemeinsam würden sie die Last des Lebens stemmen, denn alles hatte zwei Seiten und hoffentlich auch zwei Henkel.

    Apollinaris grinste zu einem Freund hoch, der sich aufgesetzt hatte. Vorher hatte Nero ihm mitgeteilt, dass sein Proviant abenteuerlich klang.


    "Das Essen findest Du schon abenteuerlich? Wieso nicht? Dein verwöhnter Gaumen wird feststellen, dass so viele andere Speisen ebenfalls lecker sind. Es muss nicht immer das Außergewöhnliche sein Nero. Manchmal sind die schlichten Speisen genau dass, was besonders gut schmeckt. Und wenn Du wirklich Hunger hast, bist Du froh überhaupt etwas zu Essen zu haben. Um jede Kelle Puls bist Du dann froh. Deshalb ein gutes Brot und ein würziger Käse, dass kann ein Festmahl sein. Gehe nicht vom Schlimmsten aus, wir versuchen uns gekonnt durchzuschlagen. Dein Onkel wird Dich ganz sicher erkennen und falls nicht, weißt Du sicher von etwas zu berichten, dass nur Du wissen kannst.


    Du hast Recht, lass uns aufbrechen Nero. Wir sollten unsere gute Stimmung ausnutzen. Lass uns zusammenpacken", stimmte Apo zu und setzte sich ebenfalls auf. Es kostete ihn einiges an Überwindung jetzt das warme Bett zu verlassen. Es war fiel zu gemütlich und angenehm, aber er hatte Nero etwas versprochen und das würde er halten. Apo reichte Nero die Hand und schaute ihn erwartungsvoll an.

    Apo grinste zu Nero rüber. Nero lächelte und er fühlte sich tiefenentspannt an. Endlich kam er etwas runter und konnte locker lassen. Sein Freund war verspannt bis in die Haarspitzen, aber wer konnte es ihm verdenken? Er war ständig in Alarmbereitschaft und diese betäubte er mit Wein. Eine Kombination, die es in sich hatte. Nero war erfüllt mit Trauer. Er trauerte um eine Mutter, dass Leben das er hätte führen können aber ihm nicht gewährt wurde und letztendlich um sich selbst. Denn sich selbst hatte er vor langer Zeit verloren. Möglicherweise hatte er sich selbst sogar niemals besessen. Es schmerzte Apollinaris, zu sehen wie es Nero erging. Er hoffte er konnte seinem Freund beistehen und ihn aus dem Sumpf ziehen, den Nero sein Leben schimpfte. Wohin er ihn auch zog, dass war gleich, wichtig war nur, dass er festen Boden unter die Füße bekam. Der Rest würde sich richten, aber zuerst musste er raus aus dem Morast.


    "Na schau, das erste Mal dass ich Dich wirklich lächeln sehe. Ein kleiner aber wichtiger Schritt. So machen wir es. Wir lassen es ganz gemütlich angehen und besorgen uns unterwegs auch etwas Proviant. Am besten getrocknete Früchte, harten Käse und etwas Brot", erzählte Apo.

    Apollinaris schaute Nero an und kam zur Ruhe. Die Frage beinhaltete mehr von Nero, als den Wunsch zu erfahren ob sie aufbrechen würden. Und mit dem Gepäck waren sicher nicht seine sieben Sachen gemeint. Man sagte den Tucci nach, dass sie Schlangen waren und die Schlange war ihr Zeichen. Er schien eine Mamba zu sein, denn der Legende nach bewachte sie sowohl ihre Eier als auch ihre Jungen.


    Nero hatte Angst ihr kleines Nest zu verlassen, wäre es nach ihm gegangen hätten sie vermutlich den Rest ihres Lebens in diesem Bett verbringen können. Eng aneinander geschmiegt. Nero hatte alles und doch hatte er nichts. Er war im eigenen Leben nur ein Störfaktor, niemand wollte den jungen Mann bei sich haben. Während seiner Geburt hatte er die Mutter verloren und seinen Vater gleich mit. Sein Verbrechen war es gewesen, geboren worden zu sein. Hätte man Nero gefragt, wäre er sicher der Erste gewesen, der seiner Mutter das Leben gewünscht hätte. Aber so konnte Nero nur hoffen und warten. Nur worauf sollte er hoffen? Das sich eines Tages sein Vater besinnen würde und ihm nicht mehr stillschweigend für einen Mord anklagte, den Nero nicht begangen hatte?


    Er hatte so viel nachzuholen, dass er hier wie Blei im Bett liegen bleiben wollte. Keiner wollte Nero das geben was ein Kind brauchte - Nähe und Liebe. Und so lag er hier, hoffte auf eine Besserung und auf eine Reise. Aber jene Reise die Nero tatsächlich nötig hatte, konnte Apo ihm nicht liefern. Die Reise in das Herz seines Vaters.


    "Wir haben alle Zeit der Welt, mein Gepäck ist leicht Nero. Aber Du reist mit unheimlich schwerem Gepäck. Sag einfach Bescheid, wenn Du Dich abreisebereit fühlst", beantwortete Apollinaris jene Frage die Nero tatsächlich gestellt hatte.