Beiträge von Memmius Tuccius Apollinaris

    "Geld und einen langen Atem Nero, dass ist alles was Du benötigst. Ob wir es schaffen wird sich zeigen, so können wir uns am Ende wenigstens sagen wir haben es versucht. Wir werden uns durchschlagen, wir werden unterwegs einige Jobs annehmen und so unsere Kasse aufbessern. Nebenbei lernt man so durch Leute wieder Leute kennen. Hört hier und dort was es für Neuigkeiten gibt und ist immer auf dem Laufenden. Denn auch das wird oft gesucht, kleine und große Informationen gegen bare Münze. Du wirst sehen, das Leben hinter der Mauer Deines Hauses hat mehr zu bieten als Du glaubst.


    Einfach wird es nicht, aber das war es bei Dir Zuhause schließlich auch nicht. Es wird Zeit, dass Du Deinen Kopf und Dein Leben auslüftest. Du bist hier und das ist der Anfang Deiner persönlichen Reise", antwortete Apo grinsend und streckte sich.

    Apo schüttelte den Kopf und hielt Nero weiterhin fest.


    "Nein das meine ich nicht Nero. Ich bin nicht mit Dir befreundet, damit Du Dich um meine Karriere kümmerst und ein gutes Wort bei Deinem Vater einlegst. Das könntest Du vermuten, aber Deine Vermutung ist falsch. Du bist mein Freund und wir beide sind hier in der Taberna, da Du ein Problem mit Deinem Vater hast. Du hast ein Problem mit Deinem gesamten Leben. Es geht hier um Dich und nicht um mich. Wir kümmern uns beide um unsere Namen, ganz ohne Väter Nero. Wir stehen einander bei und werden es auch gemeinsam schaffen. Nein ich möchte nicht, dass Du mit Deinem Vater sprichst. Gerade jetzt nicht, dass ist das Letzte was Du gebrauchen kannst", antwortete Apollinaris ruhig und genoss die Ruhe am Morgen.


    Das Nero derart dachte, war traurig genug. Aber vermutlich kannte er es nur, dass andere Personen rein für ihren Vorteil Kontakt mit ihm suchten. Darum ging es Apo nicht und das würde auch Nero irgendwann begreifen. Kurzum, dass es jemanden gab, der ihn wirklich mochte.

    Apo drückte Nero fest an sich und schüttelte den Kopf.


    "Das ist auch für mich meine erste Reise und dann gleich Rom. Tja Rom das Machtzentrum des Imperiums, was ich hier soll? Meiner Familie Ansehen und Ruhm bringen, nur wie ich das anstellen soll, dass hat mir keiner verraten. Da muss ich wohl selbst durch. Nun Zweifel ob ich lieber Zuhause bleiben soll, hatte ich ehrlich gesagt nicht. Aber ich sage Dir was im Vertrauen Nero, ich hatte genauso viel Angst wie Freude. Also ich kann Dir gar nicht sagen was überwogen hat. Das hat sich von Tag zu Tag stets gewandelt. Mal überwog die Freude, mal die Angst vor dem was mich in Rom wohl erwartet.


    Ich denke so ist es immer, wenn man sich auf etwas völlig Neues einlässt. Drum mach Dir da keine Sorgen, Du bist nicht allein. Ich bin an Deiner Seite und stehe Dir bei und wenn Du Angst hast, kannst Du mir das sagen. Ich hatte sie auch", flüsterte Apollinaris.

    Apollinaris musterte seinen Freund, der schlagartig nicht mehr wusste wie er sich verhalten sollte. Er schien peinlich berührt und stammelte eine Antwort vor sich hin.


    "Nero wir sind Freunde, Du musst Dir keine Sorgen machen. Schau Du hast bis jetzt den ganzen Tag verschlafen und die Nacht zum Tag gemacht. Du bist Dein Leben lang vor Deinem Vater geflohen, ohne jemals wirklich dabei einen Fuß vor die Tür zu setzen. Du bist nicht davongelaufen, sondern Du hast die Flucht in die Amphore angetreten. Du hast Dich im Rausch versteckt und das findet gerade sein Ende. Jedenfalls hoffe ich das für Dich, leicht wird so etwas nicht. Es heißt zwar, im Wein liegt Wahrheit, aber ich sage Dir in der Nüchternheit liegt Klarheit. Und genau das benötigst Du jetzt, einen klaren Kopf.


    Du hast Dir bis dato noch nie Gedanken um Deine Zukunft gemacht und was aus Dir werden soll. Woher solltest Du das innerhalb eines Augenblicks wissen? Du weißt nicht was Du möchtest, dass ist doch schon einmal ein Anfang. Denn damit haben wir eine Aufgabe, wir müssen herausfinden was Du möchtest. Nicht alles ist so verzweifelt, wie es auf den ersten Blick scheint. Und gleich was geschieht Nero, Du bist nicht mehr alleine, ich bin hier und ich bleibe hier.


    Drum versuche Dich noch etwas auszuruhen oder ein bisschen zu entspannen. Sobald Du Dich bereit fühlst, werden wir uns ein Frühstück gönnen und dann in aller Ruhe gemeinsam überlegen, wie es weitergehen könnte. Hab jetzt keine Angst vor der eigenen Courage", munterte Apo seinen Freund auf.

    Apollinaris wachte auf, da die Luft im Raum frisch aber kalt wurde. Er schaute sich nach Nero um. Sein Freund leerte gerade den Nachttopf aus dem Fenster, was Apo grinsen ließ. Wem dieser Morgengruss auf den Kopf fiel, der würde seinen Spaß haben. Einen Augenblick später schloss Nero das Fenster und gesellte sich wieder zu ihm ins Bett. Apo hielt die Decke hoch, damit Nero drunter schlüpfen konnte und deckte sie beide wieder warm zu.


    "Hast Du heute etwas vor, oder wollen wir den heutigen Tag gemütlich im Bett verbringen? Etwas zu Essen können wir uns später unten aus der Taberna holen. Und wir könnten so in aller Ruhe überlegen, was Du nun tun möchtest. Möchtest Du zu Deinem Vater zurückkehren, oder versuchen wir es wirklich bei Deinem Onkel in Germania?", fragte Apo und drückte sich an Nero, damit sie es schön warm hatten.

    Apo gähnte und mummelte sie beide ein. Einerseits um sie zu wärmen, aber viel wichtiger noch um Nero dass Gefühl zu geben willkommen und gewollt zu sein.


    "Jene die das Spiel aufstellen, haben die Würfel gezinkt Nero. Das heißt nicht, dass die ganze Welt mit falschen Würfeln spielt. Bei mir verlierst Du nicht, ich sage Dir wie es ist. Du bist eine kleine verlorene Seele Nero und Du bist das völlig unverschuldet. Du bist ein guter und hochanständiger Kerl und ein wunderbarer Freund. Lass Dir nichts anderes einreden.


    Weißt Du, sie wissen gar nicht, wen sie da von sich gestoßen haben. Es ist schade und bedauerlich, wie manche Menschen denken. Aber zum Eigenschutz, musst Du irgendwann lernen, selbst zu ihnen Abstand zu halten. Der Schmerz bleibt, aber sie schlagen Dir nicht ständig neue Wunden. Die alten verheilen irgendwann, aber sie verschwinden nicht. Du wirst immer die Narben tragen.


    Ich habe Dir nur die Möglichkeiten aufgezählt, mach Dir keine Sorgen. Wir machen uns morgen früh lieber Gedanken, wohin es gehen soll. Das hoffe ich auch, bezogen auf Onkel Nepos. Wir werden es herausfinden. Denk allein an die Reise, die vor uns liegt. Wer weiß, was wir alles sehen werden? Ich freue mich, dass wir uns hier getroffen haben. Morgen früh nach dem Frühstück geht es los", sagte Apollinaris und schloss die Augen.

    "Das hast Du aber lieb gesagt Nero, Du bist einer meiner wenigen Freunde und ich möchte Dich auch niemals verlieren. Nein ich gehe nicht weg, ich bleibe. Und sollte ich doch einmal weggehen, dann kommst Du einfach mit", flüsterte Apo Nero ins Ohr und stellte ebenfalls einen Wein zur Seite. Damit sie gemütlich liegen konnten.


    "Lass uns schlafen und morgen früh überlegen wir, wie wir nach Germania kommen. Falls weder Rom noch Germania uns will Nero, dann reisen wir nach Cappadocia. Dort finden wir immer eine Heimat. Aber vorher ruft Germania. Schlaf schön und träum was Schönes. Heute Nacht kannst Du bestimmt gut schlafen. Schau wie das Feuer brennt, einer von unseren Penaten muss uns gefolgt sein und meint es gut mit uns", sagte Apollinaris aufmunternd.

    Apollinaris legte sich dicht neben Nero und schaute dabei zur Decke auf.


    "Er könnte, wenn er wollte Nero, aber der Weg wäre hart, steinig und schwer. Allerdings hat auch niemand jemals behauptet, Vater oder Familienoberhaupt zu sein wäre leicht. Das Erste was er tun müsste, wäre gegen seine eigene Finsternis anzukämpfen. Damit er wieder Licht in sein Leben lassen kann und damit auch Dich", antwortete Apo und legte Nero einen Arm um die Schulter.


    "Wer ich bin und was ich in mir lese? Das Nero ist eine der schwierigsten Aufgaben. Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht. Ich hoffe der Mann zu sein oder zu werden, der ich gerne wäre. Jedenfalls bemühe ich mich. Aber wer ich tatsächlich bin, dass könntest Du mir sagen. Jedenfalls wer ich für Dich bin", sagte Apollinaris leise und zog Neros Umhang als Decke über sie.

    Apollinaris sagte nichts weiter zu dem Händler. Er wusste was Tarkyaris war, ein excellenter Geschäftsmann. Allerdings musste das Nero nicht heute lernen, denn je mehr Freunde er gefühlt hatte, umso besser war es für ihn. Selbst wenn einer ein Krämer war, dann war dem eben so. Tarkyaris würde es nicht stören und Nero tat es gut. Um den Rest würde sich Apo selbst kümmern, dass Tarkyaris Nero nicht schadete.


    "Vorhin habe ich bereits in Dir gelesen. Dies geschah unbewusst, da Du mir leid tust.

    Was ich in Dir lese Nero.


    Du bist ein guter Freund, ein Mann den jeder verkennt. Du bist jemand, der schlichtweg einmal gesehen werden möchte. Als die Person die Du tatsächlich bist und nicht die Rolle die Du für Deinen Vater spielst. Du gibst alles um gesehen zu werden. Geht das nicht im Guten, dann eben im Schlechten. Dein Vater zieht leider gleich. Er ist weder gut noch schlecht zu Dir. Er zeigt sich Dir gegenüber gleichgültig.


    Meine Gedanken waren, dass er vielleicht merkt, wie sehr er Dich insgeheim doch mag, sobald Du verschwunden bist. Möglicherweise würde er begreifen, was er an Dir gehabt hatte.


    Dein Vater hört nicht, dass Du schreist, ohne ein Ton von Dir zu geben.

    Dein Vater sieht nicht, dass Du weinst, ohne eine Träne zu vergießen.

    Dein Vater fühlt nicht, was Du Dir sehnlichst wünscht, ohne eine Bitte auszusprechen.

    Dein Vater sieht nicht, dass Du für ihn kämpfst, um ihn für Dich zu gewinnen.


    Dein Verhalten mag für Deinen Vater auf den ersten Blick abschreckend wirken. Du bist provokant und frech. Aber all das dient nur einem Zweck und zwar die Aufmerksamkeit und die Liebe Deines Vaters zu gewinnen. Du hast Deine Mutter verloren und Deinen Vater scheinbar nie für Dich gewinnen können. Was sollst Du tun? Schweigend daran zu Grunde gehen und zu zerbrechen?

    Das habe ich ihn Dir gelesen Nero.


    Dein Vater vermisst seine geliebte Frau. Anstatt zu erkennen, dass Du genauso ein Teil Deiner Mutter bist wie von ihm, gibt er Dir die Schuld an ihrem Schicksal. Ihr könntet Euch gemeinsam erinnern indem er Dir von ihr erzählt. Ihr könntet sie auch gemeinsam betrauern. Aber das kann und will Dein Vater nicht, er braucht einen Schuldigen Nero, um damit fertig zu werden. Das Schicksal ist launisch, unbekannt und unbegreiflich. Dem Schicksal kann man nicht ins Gesicht brüllen, oder ihm wie einen Feind die Kehle durchschneiden. Also braucht er einen Schuldigen aus Fleisch und Blut. Das Grausame daran ist, dass er Dich dazu auserkoren hat.


    Er verlor seine Frau, Du hast Deine Mutter verloren. Welcher Schmerz ist tiefer? Das ist kein Rennen und auch kein Wettbewerb. Er hatte sie einige Jahre und war glücklich. Du durftest sie niemals kennenlernen, wurdest nie von ihr in den Armen gehalten. Das hätte er tun sollen Nero. Das sieht er nicht", antwortete Apollinaris mitfühlend.

    "Nun manche sind wahre Naturtalente, aber normalerweise gehört da ständiges Üben zu Nero. Ich kann für Dich gerne versuchen in Personen zu lesen, über wen möchtest Du denn etwas wissen? Meine Erkenntnisse sind nicht immer falsch, aber auch nicht immer richtig. Im Gegensatz zu den Meister des Fachs bin ich ja noch ein junger Hüpfer, genau wie Du. Warum sollte ich nicht etwas Nettes zu Dir sagen? Du bist mein Freund und mir tut es leid, wie man mit Dir umgeht. Das hast Du nicht verdient.


    Bassus bricht nach Germania auf, aber glaubst Du er wird uns mitnehmen? Vielleicht würde er Dich sogar an Deinen Vater ausliefern? Was hast Du für einen Eindruck von ihm? Wäre es nicht logischer, dass wir ihm heimlich folgen? So führt er uns ebenfalls zu Deinem Onkel, bekommt es aber nicht einmal mit. Danke für den Wein Nero", freute sich Apo und entkorkte seine Amphore ebenfalls. Er nahm einen kräftigen Schluck und schmatzte glücklich.


    "Was für ein köstlicher Tropfen. Mach es Dir direkt neben mir gemütlich, wir nehmen Deinen Umhang als Decke so ist uns schön warm. Was weißt Du denn über Deinen Onkel? Erzähl mir alles was Du weißt Nero. Die Zwillinge sind Überlebenskünstler, dafür brauchst Du nicht einmal mich, um dass zu erfahren. Tarkyaris hingegen ist ein durchtriebener Hund, ein Schlitzohr. Dass lass Dir gesagt sein. Er hat eine wahre Krämerseele, sein Lächeln ist so falsch wie hier in der Taberna der Muslum", lachte Apo um Nero ein bisschen aufzumuntern.

    Apollinaris erhob sich und nahm seinen Muslum an sich.


    "Keiner hat sich selbst gemacht Nero, auch Du nicht. Wie viel Du im Bauch gegessen hast, konntest Du nicht entscheiden. Gebrauche nicht die Argumente Deines Vaters, oder von wem auch immer. Ein Vater sollte seine Familie beschützen, sie verteidigen, oder weshalb ist er das Familienoberhaupt? Lass uns oben weiter reden", sagte Apo freundlich und knuffte Nero.


    Apo führte Nero eine kleine Treppe nach oben, ging ein Stück den schmalen Flur hinein und entriegelte die letzte Tür auf dem Gang. Das Zimmer das sie betraten war klein und wirkte aufgrund der Möbel noch winziger. Ein kleiner Tisch stand im Raum, für die Kleidung gab es eine verschlissene Truhe, die Strohmatratze im Bett hatte schon bessere Tage gesehen. Holz lag neben der Truhe für die Feuerschale im Raum. Das Feuer in der Feuerschale war völlig heruntergebrannt. Apollinaris hockte sich neben die Schale und blies ganz vorsichtig in die Glut um sie wieder anzufachen.


    "Meine Familie bekleidet einige wichtige Ämter. Meine Verwandten müssen weitreichende Entscheidungen treffen, es ist für sie extrem wichtig, zu wissen ob jemand lügt oder wie ihr Gegenüber empfindet. Natürlich kann das niemand mit großer Garantie sagen. So wie wir Personen lesen lernen, so lernen wir zeitgleich uns nicht auslesen zu lassen. Gestik, Mimik, Deine Körperhaltung, was Du sagst, vor allem wie Du es sagst und viele Dinge mehr verraten einem Tucci sehr viel. Meist verrät es uns mehr, als das was uns eine Person tatsächlich sagt. Manchmal ist diese Fähigkeit wichtig für das Geschäft, das Amt oder sogar für das nackte Überleben", erläuterte Apollinaris freundlich und lächelte glücklich, als das Feuer wieder zum Leben erwachte.


    Vorsichtig trug er sie rüber zum Bett. Nahe genug, damit sie es schön warm hatten, aber weit genug entfernt, dass kein Funke ihr Bett entzünden konnte.


    "Was immer Dein Vater in Dir sieht Nero, für mich bist Du ein erstklassiger Freund und ich habe Dich sehr gerne. Mich schmerzt es, wie mit Dir umgegangen wird. Zu Deinem Onkel, was spricht dagegen, dass wir nach Germania aufbrechen? Vielleicht ist er genau der Mann, den Du kennenlernen solltest", sagte Apo und legte seinen Mantel auf das Stroh, so dass sie damit nicht direkt in Berührung kamen.

    Apollinaris leckte seinen Holzlöffel sauber, legte ihn zur Seite und schaute Nero fassungslos an.


    "Du hast Deine Mutter umgebracht? DU? Nero, Du warst ein Baby und Babys können niemanden umbringen. Was Du dort schilderst, ist ein grauenvolles Schicksal. Ein Heiler hätte Deiner Mutter beistehen müssen. Oder jemand mit solchen Fähigkeiten, ich habe keine Ahnung davon. Aber Dir zu unterstellen, Du hättest Deine Mutter umgebracht. Dann denk die Anklage einmal weiter. Was war Dein Verbrechen? Geboren zu werden?


    Wenn Deine Mutter derart krank war, hätte Dein Vater mit dieser Frau keine Kinder zeugen dürfen. Weißt Du, man findet immer einen Schuldigen, wenn man nur lange genug sucht. Sogar ich, ich habe für unseren Mist Tarkyaris ans Messer geliefert. Du verstehst was ich meine? Man kann sich mit solchen Anschuldigungen auch etwas schön reden und etwas von sich schieben.


    Letztendlich hast weder Du noch Dein Vater Deine Mutter umgebracht. Das war Schicksal Nero und zwar ein verdammt hartes. Anstatt Dich für den Verlust Deiner Mutter verantwortlich zu machen, sollte Dein Vater Dich lieben. Du bist das Einzige, was er noch von ihr hat. Du bist ein Teil von ihr und ihm. Ihr könntet Euch beistehen, gemeinsam an sie denken und Dein Vater könnte Dir von ihr erzählen. Das ist ein sehr finsterer Weg für einen sonst so scheinbar in sich ruhenden Mann. Aber wer weiß, welche Orkane unter seiner glatten Oberfläche toben und ihn zerreißen? Aber deshalb muss er Dich ja nicht zerfetzen", stöhnte Apo und aß ganz langsam seinen Puls.


    "Du bleibst erstmal bei mir und dann sehen wir weiter. Lass uns jetzt nichts übers Knie brechen. Vielleicht hasst Dein Vater Dich sogar stellvertretend für sich selbst, Menschen sind oft kompliziert und meine Familie hat gelernt in ihnen zu lesen wie in Schriftrollen. Aber ich bin keiner der besonders begabten Leser", erklärte Apollinaris und löffelte seinen Puls auf.


    "Möchtest Du hier unten bleiben, oder wollen wir hoch aufs Zimmer gehen?", fragte Apo und rieb sich den Bauch.

    Apolinaris nickte dankbar und anerkennend. Nero war wirklich ein guter Freund, ein Mann den jeder verkannte. Jemand der schlichtweg einfach einmal gesehen werden wollte. Ging das nicht im Guten, wählte man das Schlechte. Aber scheinbar zog dort Neros Vater gleich. Er war weder gut, noch böse, es war viel schlimmer, er war gleichgültig. Vielleicht würde der Mann merken, wie sehr er Nero mochte, wenn Nero verschwunden war. Möglicherweise würde er begreifen, was er an ihm gehabt hatte, wenn er fort war.


    Hörte er nicht, das Nero schrie, ohne einen Ton von sich zu geben? Sah er nicht das Nero weinte, ohne eine Träne zu vergießen? Fühlte er nicht, was Nero sich wünschte, ohne je eine Bitte zu äußern? Sah er nicht, dass Nero für ihn kämpfte um ihn für sich zu gewinnen?


    Neros Verhalten mochte auf den ersten Blick abschreckend wirken, es war forsch und es war provokant. Aber all das diente nur einem Zweck und zwar die Aufmerksamkeit und die Liebe seines Vaters zu gewinnen. Er hatte seine Mutter verloren und seinen Vater scheinbar nie für sich gewinnen können. Was also sollte er tun? Daran laut- und klaglos zerbrechen?


    Apollinaris starrte in den Puls, als ob er dort alle Antworten der Welt finden würde. Sein Blick hob sich langsam und er schaute seinem Freund in die Augen. Er blinzelte langsam und nahm einen Löffel Puls, ehe er antwortete.


    "Genau das sollst Du tun, Du verschaffst Dir damit Gewissheit. Allerdings überlege es Dir gut, manche Wahrheit hätte man lieber nie erfahren. Ich hingegen würde die Wahrheit wissen wollen Nero. Denn am Ende kämpfst Du um die Gunst und Liebe eines Mannes, wo Du den Kampf schon längst verloren hast. Ich weiß was ich sehe, aber was nützt es Dir, dass ich Dich sehe? Wo Du einen Vater brauchst", antwortete Apo leise und drückte kurz Neros Hand.

    Apollinaris drückte Nero fest an sich, denn genau das schien sein Freund am nötigsten zu haben. Als sie sich von einander lösten, hakte Apo Nero unter und betrat gemeinsam mit seinem Freund die Taberna. Der kleine Verschlag war gut gefüllt, vor dem Feuer saßen einige Reisende die vergeblich versuchten, ihre Sandalen vom Straßendreck zu reinigen. Der Innenraum war warm, laut und in der stickigen Luft lag eine Duftmischung aus Essen, Nässe und Menschen. Die Gäste schauten kurz zur Tür, als die beiden jungen Männer eintraten. Kalter Wind begleitete Nero und Apo, dann fiel die Tür ins Schloss und sperrte das kalte Wetter wieder aus. Die Blicke der Gäste hafteten nicht länger auf den beiden. Jeder ging hier seinen Angelegenheiten nach, einige stillschweigend, die anderen redseelig von den genossenen Getränken.


    Apo führte Nero an einen der kleinen Tische und nahm auf einem der dazugehörigen Hocker Platz. Seine Tasche ließ Apollinaris um die Schultern hängen, er zog sie nur nach vorne auf seinen Schoß. Die Taberna füllte sich weiter. Die Nacht war zwar finster, aber noch jung und das Schneegestöber trieb weiter Gäste in den abgerissenen Schuppen.


    "Du hast die Flucht ergriffen, diesmal nicht über Wein oder Kraut, sondern wirklich. Nero ich weiß nicht ob ich Dich bedauern oder zu diesem Schritt beglückwünschen soll. Im Grunde möchte ich beides. Die Villa hat Dein Vater umfunktioniert zum Carcer. Das er Deine anderen Gäste herauswirft, habe ich noch verstanden. Aber mich? Nun mein Name zeugt nicht von schlechter Herkunft. Aber wer weiß schon, was sie über mich gedacht haben? Ich hoffe Du hast trotz allem nicht zu großen Ärger bekommen. So gut es geht, habe ich versucht Deinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Die Version des Abends die ich zum Besten gegeben habe, war extrem geschönt. Kurzum ich habe alle Schuld Tarkyaris dem Händler in die Schuhe geschoben. Niemand kennt ihn, niemand von Deiner Familie wird ihn je wiedersehen. Sei es drum, dass sie ihn verabscheuen. Ich hatte gehofft, dass sie danach von Dir ein anderes, besseres Bild haben.


    Aber scheinbar war meine gut gemeinte Lügengeschichte nicht gut genug. Wirst Du nach Hause zurückkehren Nero? Ich habe zur Zeit kein Dach über dem Kopf und ich werde mir hier ein Zimmer nehmen. Erwarte nichts Großartiges, aber um nicht auf der Straße schlafen zu müssen wird es reichen für die erste Zeit. Gleichzeitig werde ich nach etwas Besserem Ausschau halten. Was hältst Du davon, bei mir zu bleiben? Was hast Du schon zu verlieren? Und vielleicht merkt Dein Vater dann doch, dass er einen Sohn hat und ihn vermisst. Das kann ich Dir natürlich nicht versprechen, möglich wäre es jedoch. Und falls nicht, dann weißt Du wenigstens woran Du bist Nero. Was sagst Du?", fragte Apollinaris.


    Apo stand noch einmal schnell auf, orderte für jeden eine Portion Puls, Mulsum und ein Zimmer. Im Anschluss kehrte er zu Nero zurück und grinste ihn an.

    "Essen, Getränke und ein Zimmer sind geordert", erklärte er.


    Einen Augenblick später wurde ihnen das Essen und die Getränke serviert und Apo schaute gut gelaunt in seine farblich trübe Nachtmahlzeit.


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    "Guten Hunger Nero", sagte Apo freundlich und nahm den Holzlöffel zur Hand.

    Kalt war es und eisig und dieser Umstand war nicht allein dem Wetter geschuldet. Apollinaris hatte die Villa Neros verlassen, so wie es dessen Verwandte gefordert hatten. Der Tucci hatte alles in seiner Macht stehende getan, um seinen Freund zu beschützen. Kurzum, er hatte gelogen, dass sich die Balken bogen. Nun zog er alleine nachdenklich durch die Straßen und durch die verschneite Nacht. Eine Bleibe hatte er nicht, seine Hoffnung war es gewesen bei seinem Freund unter zu kommen, bis er dieses Problem behoben hatte. Seine Hoffnungen waren jäh zerschlagen worden, wie so manche Amophore die im Garten der Villa zersplittert worden war. Sie hatten es sich zu gut gehen lassen, dafür ging es ihm jetzt schlecht.


    Aber was beklagte er sich? Sein Problem war lediglich das fehlende Dach über dem Kopf. Neros Problem hatte die Höhe von einem Gebirgszug. Wein und Kraut, sein Freund war auf der Flucht und rannte weg ohne ein Fuß dabei vor die Villa zu setzen.


    Apollinaris hielt auf die Subura zu, dort gab es eine Taberna deren Preise erschwinglich waren und wo er sich etwas aufwärmen konnte. Der Weg war weit, oder er kam ihm unendlich langgezogen vor, da er kaum die eigene Hand vor Augen sah. Das spärliche Licht, dass ab und an seinen Weg beleuchtete, machte die Sache kaum besser. So irrte er mehr durch die dunklen Gassen, als das er einem bestimmten Weg folgte.


    Sein Maßstab war der Geräuschpegel, in und um eine Taberna ging es laut und gesellig zu. Hinzu kam die Wärme der Speisen und des Feuers, all das was Apollinaris jetzt dringend benötigte. Einen warmen Ort wo er rasten und die Nacht verbringen konnte. Endlich kam die Taberna in Sicht. Trotz der schummrigen Beleuchtung, war sie eine Lichtinsel in der Finsternis.


    Apo blieb unvermittelt stehen. Das war doch Nero! Als er seinen Freund das letzte Mal gesehen hatte, lag er betäubt auf dem Boden. Apollinaris fasste seine Tasche fester und ging auf Nero zu.


    "Nero? Was machst Du denn hier? Hat Dein Vater Dich hinausgeworfen?", fragte Apo ungläubig und packte seinen Freund zur Begrüßung bei den Schultern, ganz so als wollte er sich versichern, dass dieser auch wirklich da war.

    Auf die Bitte von des Hausherrn nickte Apollinaris knapp. Es war verständlich, dass alles was in den Mauern eines Hauses geschah auch in den Mauern zu bleiben hatte. Sie selbst hielten es nicht anders. Allerdings ging es dabei nicht um die Feierlaune und Ausschweifungen von einzelnen Familienmitgliedern, sondern um die Bewahrung von Geheimnissen, Plänen und vielem mehr. Apo atmete erleichtert auf, dass der Hausherr ihm glauben schenkte. Besser sie jagten den windigen Händler, als das sein Freund Nero Ärger bekam. Nero hatte schon genug Ärger, nicht umsonst floh er mit dem Wein und der Peife in einen anderen Zustand. Apollinaris hoffte nur inständig, dass Nero wohlbehalten wieder aufwachen würde.


    Auf die Bitte des Hausherres hin, verließ Apo das Zimmer von Nero. Draußen wurde er von einem jungen Mann empfangen, dem man seine Passion ansah. Er grüßte diesen mit einem freundlichen Nicken.


    "Ja gerne. Ich verabschiede mich und versichere, dass meine Lippen versiegelt sind. Achtet bitte auf Nero, er ist ein guter Freund von mir. Wenn nicht der einzige. Ich hoffe wir sehen uns unter erfreulicheren Umständen wieder", verabschiedete sich der Tucci und machte sich auf den Weg zur Porta.


    Inständig hoffte er, dass Nero nicht für das Chaos verantwortlich gemacht wurde. Er hatte für seinen Freund sein Bestes gegeben.

    Apollinaris stand auf und schaute dem Mann betroffen in die Augen.


    "Mein Name ist Memmius Tuccius Apollinaris, ich grüße Dich. Was hier los ist? Das ist eine lange Geschichte. Die Kurzversion, Nero hatte eine kleine Feier gegeben. Der Abend begann ganz einträchtig, in einer kleinen Taberna haben wir etwas gegessen und einen Schluck getrunken. Ein windiger Händler heftete sich dann an die Fersen von Nero. Bei ihm waren zwei Burschen, seine Bediensteten, Zwillinge. Nero so gut wie er ist, bot ihnen an, sich an seinem kleinen Fest zu beteiligen.


    Kaum hier in der Villa seines Vaters angekommen, ließ er Speisen und Wein reichen. Ich glaube das war alles eine Falle des Händlers. Er muss den Wein mit etwas versetzt haben, um möglicherweise Nero auszurauben. Jeder der von dem Wein trank, erlag nach kurzer Zeit einer Art Ohnmacht. Nero hat es zuerst erwischt. Ich glaube die beiden Burschen wurden von dem Händler ebenfalls hinters Licht geführt, also betrogen.


    Denn wie Du siehst, ist der eine Zwilling ebenfalls betroffen.Der Händler floh, als einer der Zwillinge zu Boden ging. Der zweite Zwilling setzte ihm ohrenbetäubend und kreischend nach. Mir war so, als wollte er ihn aufknüpfen also erledigen. Vermutlich hat uns der zweite Zwilling damit vor dem Händler bewahrt. Was immer dieser vorgehabt hatte, es kann nur Schlechtes gewesen sein.


    Im Laufe des Gesprächs haben wir mitbekommen, wie er sich damit brüstete Parther zu sein. Mir schien er eine sehr suspekte Einstellung uns Römern gegenüber zu haben. Falls er überhaupt ein Händler war und kein... nun Du weißt schon. Ich habe versucht Nero zu wecken, aber da ist nichts zu machen", erklärte Apollinaris und schaute so betroffen wie es sein Gesicht hergab. Er wollte seinen Freund nicht ans Messer liefern. Der Händler war ihm gleichgültig. Einer musste der Schuldige sein und Tarkyaris kam da wie gerufen.

    Apollinars wurde so langsam wieder klar, denn hier ging es drunter und drüber. Wie der Vater von Nero reagieren würde, wenn er mitbekam was hier vor sich ging, wollte sich der Tucci gar nicht ausmalen. Vermutlich würde er sie alle eine Runde durch das Haus prügeln, bevor er sie wie räudige Hunde davon jagte. Sie mussten das Chaos irgendwie wieder in den Griff bekommen. Sein Blick fiel dabei auf Tarkyaris, der noch munter und nüchtern wirkte.


    "Warum ruft denn keiner nach den Sklaven? Glaubt mir, wenn der Vater von Nero dass hier mitbekommt, sind wir gleich alle geliefert", stöhnte Apo und rieb sich über das Gesicht. Davon dass er seinen Unterschlupf verlor, wollte er gar nicht sprechen. Der Ausdruck in seinen Augen wurde flehend, wenn Tark und er nichts taten, wer dann?


    Apollinaris stand auf, er rollte sich förmlich auf die Beine und schwankte aus Neros Zimmer. Er musste seinem Freund beistehen und sich selbst vor allen Dingen auch.

    "Sklaven! Wir benötigen hier Hilfe!", rief er mit so kräftiger Stimme, wie er es im Moment vermochte.


    Er hoffte einer der Haussklaven würde sich angesprochen fühlen und erscheinen. Aber irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl, da Nero die Sklaven schon sehr negativ beschrieben hatte. Sollte sein Rufen nicht helfen, dann würde er sich auf die Suche machen müssen und einige in das Zimmer schleifen. Etwas ratlos wartete er ab, ehe er sich wieder Nero zuwandte und zu seinem Kumpel zurückkehrte.


    Apo fühlte die Stirn von Nero und untersuchte noch einmal den Hals. Nero lag grätenbreit wo er lag und hatte sich eingekuschelt. Er schien völlig in Ordnung zu sein. Was man von dem Zimmer nicht behaupten konnte.

    Apollinaris benötigte einen Moment bis die Information dass Nero angegriffen wurde in seinen Verstand sickerte. Sein Freund und Gastgeber, angegriffen für Nachtigallenzungen! Er quälte sich auf seine wackligen, wabbligen Beine und eilte Nero zur Hilfe. Tarkyaris war flink und bei Verstand genug, um rechtzeitig einschreiten zu können. Apo entriss dem anderen Blondschopf Nero und brachte ihn in Sicherheit außerhalb der Reichweite des nun ziemlich betrübt schauenden Burschen.


    "Meine Güte, bist Du in Ordnung Nero? Du siehst gar nicht gut aus", sorgte sich Apo und stellte fest, dass Nero eigentlich immer so aussah.


    Behutsam versuchte er ihm wieder etwas Farbe in die Wangen zu kneifen und tastete vorsichtig dessen Hals ab. Das Zimmer stank mittlerweile bestialisch, wo blieben denn nur die Sklaven?


    "Tarkyaris rufe mal nach den Sklaven, damit hier einer aufräumt. Das darf doch alles nicht wahr sein", stöhnte Apo verzweifelt.

    Mit Schwung schoss Pollux in das Bett neben seinen Bruder Castor und genauso schwungvoll schoss es aus ihm heraus und zwar Erbrochenes. Der Vater von Nero würde sie aufknüpfen, soviel stand fest, wenn sie keinen der Sklaven herbeischafften, der das Chaos beseitigte.


    "Nero, dass hättest Du ihm vorher sagen sollen. Danach ist es etwas zu spät. Wir benötigen dennoch einen der Sklaven, sonst reißt uns Dein Vater in Stücke. Amphoren, Essensreste, Kotze und Zerstörung. Ich habe so ein ungutes Bauchgefühl, dass uns das Dein Vater übel nehmen könnte. Es könnten allerdings auch Blähungen vom vielen Essen sein. Heute brauchst Du die Sklaven, morgen halten wir sie wieder von unserem Zimmer fern Nero. Natürlich verstehe ich Dich, wer möchte nicht sein eigenes Reich für sich haben? Aber bedenke, Dein Zimmer liegt im Haus Deines Vaters. Und Väter können sehr eigen sein. Sehrrrrr eigen", erklärte Apollinaris mit beschwörendem Blick.