Beiträge von Titus Tuccius Tychicus

    Natürlich hatte er das.


    Nikanor geleitete den Gast zu einem Tischlein im Atrium, wo er ihn mit Knabbergebäck und verdünntem Wein versorgte, bis der Tribun ein Zeitfenster fand, in dem er den neuen Legionarius zu empfangen gedachte. Alsdann durfte Sempronius Sophus in das Tablinium eintreten, wo der Tribun in der Regel seine Gäste empfing. Aufgrund der Fußbodenheizung war es im Inneren warm und zusätzlich spendeten einige Öllampen und Licht.


    Titus Tuccius Tychicus war ein eleganter kleiner Mann, dessen einst blondes Haar bereits vollständig zu weiß verblasst war. Seine Körperhaltung war soldatisch, seine Bewegungen geschmeidig. Er gab dem Legionarius Zeit, ihn zu begrüßen und grüßte zurück, ehe er auf den freien Stuhl am Tisch wies.


    "Nimm Platz." Er schob seine Tabula zurecht, darauf wartend, dass der Mann sein Anliegen vortrug.

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    Der Tribun hatte die Dienstpläne der nächsten Zeit angeschaut, war die Befehle noch einmal durchgegangen und kam zu dem Schluss, dass der Optio für eine gewisse Zeit entbehrlich war. Entsprechend lautete der Inhalt des Schreibens, das Stilo gebracht wurde:




    Urlaubsbescheinigung



    Optio Sisenna Seius Stilo

    der Legio XV Apollinaris


    ist vom


    ANTE DIEM IX KAL APR DCCCLXXI A.U.C.

    (24.3.2021/118 n.Chr.)

    bis

    ANTE DIEM XVII KAL MAI DCCCLXXI A.U.C.

    (15.4.2021/118 n.Chr.)


    beurlaubt.


    Gezeichnet

    Titus Tuccius Tychicus


    legio-xv-tribunus-angusticlavius.png


    Der Tribun nahm das Schreiben ab, las es durch und verwahrte es in einer hölzernen Mappe.


    "Gut, Duplicarius Umbrenus. Zunächst wirst du dir ein Bild von deiner Turma machen und einen Bericht zum Zustand der Einheit vorlegen. Persönlich! Du wirst feststellen, dass dein Decurio Potitus Calpurnius Rex zusammen mit so manch anderem im Valetudinarium gelandet ist. Die Turma ist bis heute nur provisorisch betreut worden, das soll sich mit dir ändern. Du wirst also auch ein Konzept präsentieren, wie du gedenkst, die Kampfkraft der Turma wiederherzustellen und die Aufklärungsritte künftig zu organisieren."


    Das war viel verlangt von jemandem, der bis soeben noch Eques gewesen war und ganz frisch als Duplicarius begann, doch Tychicus wäre kein Tuccius gewesen, wenn er es nicht aus vollen Zügen genießen würde, einem jungen Umbrenus eine Aufgabe zu stellen, an der er eigentlich nur scheitern konnte. Tychicus nahm nun ein vorbereitetes Signaculum mit einem daran befestigten Lederband aus der Holzmappe und schob es über den Tisch. Darauf waren bereits Cimbers Name und seine Legio eingestanzt.


    "Willkommen in der Legio XV Apollinaris, Duplicarius Umbrenus."


    Sein Lächeln wurde noch breiter.

    Der Gast wurde als Offizier sogleich durch das Atrium zum Tablinium geführt, das jetzt im Winter von Holzwänden verschlossen war, während im Sommer nur leichte Vorhänge eine Abgrenzung bildeten. Zum Empfang der Gäste stand im Tablinium ein großer Besprechungstisch mit mehreren Scherenstühlen bereit. Aufgrund der Fußbodenheizung herrschte hier wohlige Wärme und zusätzlich spendete eine Feuerschale Licht. Nikanor bat den Gast noch für einen Augenblick um Geduld und informierte Chwasak, den Leibsklaven des Herrn, über den neuen Gast und sein Anliegen. Dann begab er sich wieder zur Porta, während Cimber warten durfte, bis der Tribun aus seinem Arbeitszimmer kommen würde.


    Wenig später trat Titus Tuccius Tychicus ins Tablinium, einen Stapel Unterlagen unter dem linken Arm. Er war ein eleganter kleiner Mann mit schneeweißem Haar, obwohl er erst etwa 40 Sommer und Winter gesehen haben mochte. Mit geschmeidigen Bewegungen trat er ein, wartete auf die Begrüßung, sodass er diese erwidern konnte, und nahm Platz. Tychicus saß schräg gegenüber des neuen Offiziers und schlug eine hölzerne Mappe auf.


    "Appius Umbrenus Cimber also. Kappadokisches Urgestein. Hast du die Heimat vermisst oder bedauerst du die Rückversetzung in unsere beschauliche Provinz?"


    Seine Stimme klang freundlich, doch das musste bei einem Tuccius nichts heißen. Sie lächelten auch, wenn sie einem einen Dolch in die Leber stachen. In ihrem Inneren der Mappe waren mehrere Wachstabulae so angebunden, dass er darin blättern konnte. In einer weiteren Holzmappe befanden sich Papyri.


    "Den Versetzungsbefehl benötige ich bitte."

    Nikanor, der Ianitor


    Die Porta hatte sich kaum geschlossen hinter dem neuen Optio, da hämmerte es schon wieder. Nikanor nahm an, der Mann hätte etwas vergessen, doch als er die Porta öffnete, stand da jemand ganz anderes. Dunkelhaarig, mit hellbraunen Augen, fast gelb wie die eines Wolfs. Irgendwie meinte er, die Visage schon einmal gesehen zu haben ... oder hatte sein Herr ihm nur von jemandem berichtet, der so aussah?


    "Salve. Was ist dein Begehr?"

    Ein Bote des Militärs brachte folgendes Schreiben, das seinen Ursprung in der Legio XV Apollinaris hatte:



    IN NOMINE IMPERII ROMANI

    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI



    VERSETZE ICH DEN:



    Eques der Legionsreiterei

    Publius Matinius Sabaco


    Legio XV Apollinaris

    PROVINCIA Cappadocia



    MIT SOFORTIGER WIRKUNG ALS


    SUBOPTIO NAVALORUM

    ZUR CLASSIS GERMANICA

    NACH GERMANIA SUPERIOR.


    DER SUBOPTIO NAVALORUM HAT SICH DORT IN ANGEMESSENER ZEIT; SPAETESTENS

    KAL FEB DCCCLXXI A.U.C. (01.02.2021/118 n. Chr.)

    ZUM DIENST ZU MELDEN


    Dieser Bescheid gilt als Passierschein bis Germania Superior.


    FUER DEN ROEMISCHEN KAISER


    TRIBUNUS ANGUSTICLAVIUS

    TITUS TUCCIUS TYCHICUS

    legio-xv-tribunus-angusticlavius.png


    "Dann hoffe ich doch, dass der gute Eindruck bestehen bleibt."


    Denn für Tychicus war der Dienst als Tribun in der Legio XV Apollinaris mehr als nur ein Beruf. Auch Tychicus stand auf für die Verabschiedung. Nach einem formellen Salutieren und dem Befehl zum Wegtreten ließ er Cerretanus zur Tür geleiten, wo er meinte, dass noch der Miles wartete, der den neuen Optio hergebracht hatte. Aulus Umbrenus Cinna. Ja, diesen Namen kannte Tychicus ... der kleine Rotschopf gab sein Bestes, ein Mustersoldat zu sein, denn er wusste, wessen Augen stets auf ihm ruhten. Schweigend, doch niemals schlafend.

    "Es sind vor allem einheimische Arbeiter. Die genaue Zusammensetzung des Trosses wirst du in Trapezus erfahren. Alles andere wäre Spekulation. Die Reiterei wird nicht einbezogen, das wäre zu viel des Guten. Nur dein Centurio, du und eure Centuria."


    Das klang fast romantisch, nur dass die eisigen kappadokischen Winter sehr gut geeignet waren, Stimmungsbilder zu verderben - genau wie die brütend heißen Sommer. Momentan waren die Temperaturen allerdings moderat, der Frost hatte sich vorerst wieder zurückgezogen.


    "Die einheimischen Hirtenhunde sind schwer abzurichten. Als Hunde für die Legio sind sie nicht zu gebrauchen. Sie greifen immer an, wenn ein Fremder in ihr Revier eindringt, ganz gleich, ob Feind, Freund oder herumstreunendes Kind. Den Herden der Nomaden solltest du dich nicht nähern, da sie diese Hunde gleich rudelweise dabeihaben."


    Das hätte noch gefehlt - den nächsten Offizier verloren, weil er sich zum Reiten auf einen der Hirtenhunde setzen wollte. Dann hieß es wieder, sich eine würdevolle Todesart für die Hinterbliebenen auszudenken. Wie beim Vor-vorletzten Centurio dieser problematischen Centuria, der aus einem Grund, den nur er kannte, den Kopf durch einen Zaun geschoben hatte und beim Versuch, sich zu befreien, samt Zaun den Hang hinuntergestürzt war, wobei er sich das Genick gebrochen hatte. So was konnte man keinem trauernden Angehörigen erzählen und auch vor den Soldaten brachte man besser andere Inhalte zur Sprache.


    "Also nein ... keine Hunde."

    Tychicus gefiel die Art von Cerretanus. Es gab engstirnige Führungsnaturen, denen es missfiel, wenn ein Untergebener offen sprach, doch der Tribun gehörte nicht dazu. Er nahm die Gedanken, die der Mann sich gemacht hatte, äußerst wohlwollend auf. Tychicus schob die Tabula etwas von sich weg, verschränkte die Finger und lehnte sich etwas zurück.


    "Es gibt natürlich Befehle, in deren Rahmen du freie Entscheidungsgewalt hast. Eure erste Mission ist eine Eskorte. Es gilt, einen Tross Zivilisten von Trapezus nach Satala zu eskortieren. Marschiert dorthin und bringt sie sicher hierher. Die Details wirst du von deinem direkten Vorgesetzten erfahren. Dein Centurio ist Sextus Cossutius Bellutus. Eure Einheit ist die erste Centurie der vierten Kohorte. Damit ist dein Centurio gleichzeitig der Befehlshaber über die ganze vierte Kohorte und du bist als Optio sein Stellvertreter."


    Das war kein geringer Platz für einen Neuling, doch Cerretanus hatte sich gut präsentiert. Tychicus nahm ein Signaculum mit einem daran befestigten Lederband aus der Holzmappe und schob es über den Tisch. Darauf waren bereits Cerretanus Name und seine Legio eingestanzt - einer der Gründe, warum er sich eine Weile hatte gedulden müssen. Ab sofort konnte er, lebend wie im Tode, stets als der erkannt werden, der er war.


    "Melde dich bei deinem Centurio und lass dich anschließend von einem Miles in deine Unterkunft führen - die wissen, wo ein Bett freigeworden ist. Dann hast du für den Rest des Tages frei. Morgen beginnt dein Dienst. Wenn du keine Fragen mehr hast, kannst du wegtreten."

    "Rückfragen sind niemals unhöflich, im Zweifelsfall retten sie Leben."


    Mit Tuccius Tychicus konnte man im Gegensatz zu manch anderem Offizier gut reden, da er jede Information aufsaugte wie ein Schwamm. Auch Rückfragen waren Informationen. Der Tribun nahm das Schreiben ab, betrachtete wohlwollend den Hinweis auf die Phalera, und verwahrte es in einer der Mappen (natürlich einer jener ohne Wachs).


    "Bislang ist diese Centuria vom Pech verfolgt, mit einem ständigen Wechsel ihrer Befehlshaber. Das hat der Moral nicht gutgetan. Störrische Langeweile, ja, ich denke, damit fasst du es gut zusammen. Aber ich sehe hier den Göttern sei Dank die Lösung des Problems vor mir sitzen. Fühlst du dich bereit, das fast erloschene Feuer wieder zu wecken?"

    "Durch den Bosporus thracius hättest du per Schiff gereist sein können. Aber das ist letztlich eine Frage der Präferenz und der gebotenen Möglichkeiten, weniger der Geschwindigkeit, nicht wahr?"


    Tychicus hätte sich vor allen Dingen gern über die Stimmung in Trapezus und die Eindrücke auf der Straße nach Süden erkundigt. Das entfiel nun. Die Reise durch das karge Hochland von Taurus und Antitaurus war eher nicht der Rede wert. Er nahm seinen Griffel zur Hand. Sein Sklave hatte ihm den Namen des Gasts, das Datum und die Ankunftszeit bereits ins Wachs eingekratzt.


    "Appius Furius Cerretanus, Optio aus Rom", las Tychicus. "Deinen Versetzungsbescheid benötige ich bitte für die Unterlagen." Er lehnte sich ein wenig zurück und schaute zufrieden. "Du wirkst wie ein Mann, der anzupacken weiß! Wie erfahren bist du mit störrischen Faulpelzen? Wir haben hier eine Centuria, die dringend ein wenig Schliff benötigt."


    Dass genau jene Centuria Wachdienst gehabt hatte, als Cerretanus eintraf, wusste Tychicus, weil er dieser Gammelcenturia gern den Tag verdarb, indem er Anweisung gab, ihren Dienst so einzuteilen, dass die Freizeit in die eiskalten Nachtstunden fiel, sodass die Ausflüge nach Satala wenig erbaulich waren und die meisten Geschäfte geschlossen hatten.

    Offiziere wurden nicht abgewiesen. Der Optio wurde sogleich zu ins Tablinium geführt, wo er sich mit Wein und Gebäck die Zeit vertreiben konnte, bis der Tribun Zeit hatte. Er hielt ihm die schweren Vorhänge auf, die den halboffenen Raum abschirmten, und die in Anbetracht der Kälte zugezogen waren. Aufgrund der Fußbodenheizung war es im Inneren verhältnismäßig warm und zusätzlich spendete eine Feuerschale Wärme und Licht. Nikanor bat den Gast noch für einen Augenblick um Geduld und informierte den Leibsklaven des Herrn über den neuen Gast und sein Anliegen. Dann begab er sich wieder zur Porta.


    Wenig später trat auch der Tribun ein, einen Stapel Unterlagen unter dem linken Arm. Titus Tuccius Tychicus war ein eleganter kleiner Mann, dessen einst blondes Haar bereits vollständig zu weiß verblasst war. Seine Körperhaltung war soldatisch, doch seine Bewegungen eher geschmeidig als kraftvoll. Er begrüßte den Furier freundlich. Über dessen Namen und Grund des Erscheinens war er bereits informiert worden.


    "Salve, Optio Furius. Ich hoffe, du hattest eine gute Anreise. Bist du über Trapezus gekommen?"


    Tychicus nahm schräg gegenüber des neuen Offiziers Platz und schlug eine hölzerne Mappe auf. In ihrem Inneren waren mehrere Wachstabulae so angebunden, dass er darin blättern konnte. In einer weiteren Holzmappe befanden sich Papyri.

    Nikanor, der Ianitor


    Sie mussten sich nicht lang in Geduld üben. Ein älterer, trainiert aussehender Sklave öffnete einen Flügel der Porta. Nikanor war kein plumper Haudrauf, sondern ein Meister der Kampfkunst. Er hatte einst Gladiatoren ausgebildet, war nun allerdings zu alt dafür. Der vernarbte alte Sklave musterte die Neuankömmlinge mit scharfem Blick. Er war derjenige, der entschied, wer an dieser Porta vorbeikam, um seinen Herrn sprechen zu dürfen, der sich in dieser Angelegenheit ganz auf den Sklaven verließ.


    "Salve. Was ist dein Begehr?"

    Tribunus Angusticlavius

    Titus Tuccius Tychicus


    Als Tribun genoss Tychicus den Luxus eines eigenen kleinen Atriumhauses inmitten des Castellums, in welchem die Legio XV Apollinaris stationiert war. An Prunk ließ er es nicht mangeln; das Mobiliar war neu und die Innenarchitektur von extravaganter Erscheinung. Die Schlange der Gens Tuccia tauchte immer wieder im Mobiliar auf. Die Wandmalereien wurden regelmäßig erneuert, um einem Verblassen entgegenzuwirken. Sie erinnerten an das alte Seleukidenreich von Alexander dem Großen - nicht unbedingt politisch korrekt, doch da es längst untergegangen war und die gesamte Provinz Cappadocia ein kultureller Mischmasch war, sagte auch niemand etwas dagegen.


    Durch einen Flur trat man in das Atrium, in dessen Mitte ein rechteckiges Becken das Regenwasser vom Dach auffing. Auch das Lararium befand sich hier an einer Wand. Alle Wege waren überdacht, sodass man auch bei Regen trockenen Fußes die Räume wechseln konnte. Der Innenhof versorgte alle Räume mit Licht und Luft, denn nach außen hin gab es keine Fenster.


    Im rechten Flügel befanden sich die Küche, die Latrine und die Kammern für die vier kappadokischen Sklaven des Tribuns:

    • Chwasak - Leibsklave
    • Nikanor - Porta, Leibwächter und Handwerkliches
    • Kamisares - Küche und Vorräte
    • Sabiktas - Ordnung und Sauberkeit


    Linker Hand lagen das Arbeitszimmer und das Schlafzimmer des Herrn dieser Casa.


    Ging man gerade hindurch, fand man gegenüber dem Eingangsbereich das offene Tablinium, welches bei Bedarf mit Vorhängen oder zur kalten Jahreszeit auch mit Holztüren abgeschirmt werden konnte und wo der Tribun Gäste empfing. Dafür stand hier ein großer Besprechungstisch mit mehreren Stühlen, während sich sein Schreibtisch im Arbeitszimmer befand, in welchem er für gewöhnlich niemanden empfing. Auch eine Büste seines Vaters war hier zu finden. Den Raum dahinter benutzte Tychicus als Archiv und Bibliothek. Auch ein Gästeraum war in der kleinen Casa vorhanden.