Beiträge von Lucius Aelius Quarto


    “Oh ja, natürlich sehe ich da eine Möglichkeit. Du könntest Mitglied der Veneta werden, ein sodalis. Dein... Freund... Flavius Piso, ist er denn auch ein Blauer?“


    Früher hatten die Flavier traditionell zur Factio Praesina gehalten, dass wusste Quarto, und jetzt war der Senator Flavius Furianus Vorsitzender der Purpurea. Aber ein Flavier bei der Veneta? Nein, daran konnte er sich nicht erinnern. Das hatte es in der langen Zeit seiner Mitgliedschaft noch nicht gegeben.

    “Mein lieber Marcus Iulius Proximus, ich grüße dich!
    Danke ja, es geht mir soweit gut. Dir auch, so hoffe ich?
    Du hast Misener mitgebracht? Wie schön, ich freue mich, danke! Den sollten wir gleich probieren.
    Bitte, nimm doch platz.“




    Sim-Off:

    Es war so gedacht, dass Du nach meinem letzten Post hereinkommst.

    “Ach so, ja, dass muss wohl sein.“


    Scheinbar hatte Quarto seinen Bruder missverstanden. Oder dieser hatte sich missverständlich ausgedrückt? Das war er von ihm nun so gar nicht gewohnt. Aber er hatte sich auch noch nicht an dessen Krankheit gewöhnt. Nein, Valerianus machte gar keinen gesunden Eindruck, stellte Quarto einmal mehr fest.


    “Also, mein Vorschlag ist der noch junge Senator Titus Aurelius Ursus. Während meiner beiden letzten Amtszeiten als Consul war er mir jeweils als Quastor Consulum zugeordnet und ich war sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Er ist noch jung, ich sagte es, aber danach hat er bei der I. Legion als Tribunus Laticlavius gedient. Er kennt sie also sehr gut, die Legion und er kennt alle Stabsoffiziere.
    Ich glaube, niemand wäre besser für dieses Kommando geeignet.“

    Erneut strich, kritzelte, löschte und schrieb Quarto auf seiner Tafel herum.


    Dann...
    “Ich versuche eure Vorschläge in einen Gesetzestext zu fassen. Leider lässt sich dabei kaum vermeiden, dass dieser etwas länger gerät.


    (1) Gegen ein ordentliches Gericht oder sein Urteil kann vom Angeklagten oder Kläger an einen amtierenden Tribunus Plebis appelliert werden. Nach Prüfung kann dieser die Appellation abweisen, oder durch sein Veto eine Verhandlung abwenden, oder beenden, oder ein bereits ergangenes Urteil aufheben. Durch das Veto wird eine Neuverhandlung im darauf folgenden Amtsjahr erwirken, sofern das zuständige Gericht nicht von einer Erhebung der öffentlichen Klage absieht.
    (2) Gegen ein ordentliches Gericht oder sein Urteil kann vom Angeklagten oder Kläger an den Senat appelliert werden, wenn der Angeklagte selbst Vollsenator ist. Die Appellation ist an einen der amtierenden Consuln zu richten. Nach Prüfung kann dieser die Appellation abweisen, oder die laufende Verhandlung abwenden, oder beenden, oder ein bereits ergangenes Urteil aufheben und eine Neuverhandlung in Form einer Anhörung im Senat unter seiner Leitung ansetzen. Das Senatsurteil erfolgt in Form eines Decretum Senatus.
    (3) Gegen jedes Gericht oder sein Urteil kann vom Angeklagten oder Kläger an den Imperator Caesar Augustus appelliert werden. Dieser kann die Appellation abweisen, oder die laufende Verhandlung abwenden, oder beenden, oder ein bereits ergangenes Urteil aufheben und neu verhandeln lassen. Die Form der Neuverhandlung erfolgt dabei nach den kaiserlichen Bestimmungen.
    (4) Eine Appellation kann ab Erhebung der öffentlichen Klage und bis drei Tagen nach Urteilsverkündigung eingebracht werden. Nach Ablauf dieser Appelationsfrist gilt ein Urteil als bestätigt.
    (5) Wird eine Appellation abgewiesen, dann gilt das Urteil als bestätigt.
    (6) Gegen ein bestätigtes Urteil ist keine Appellation zulässig.


    Beim Appellationsrecht an den Senat würde nach diesem Vorschlag also der angerufene Consul darüber entscheiden, ob die Appellation zugelassen wird. Sollte der Senat darüber entscheiden, so wie es Praetor Urbanus Purgitius Macer vorgeschlagen hat, dann müsste dies innerhalb einer Debatte oder Anhörung geschehen. Da könnte dann auch gleich die Neuverhandlung stattfinden, so meine ich. Deshalb diese Lösung.“

    “Hat der Verurteilte Verwandte bis zum zweiten Grad, dann sollen sie den Überschuss bekommen, wenn sie ihre Ansprüche geltend machen. Hat er keine, fällt alles dem Staate zu.
    So lautet mein Vorschlag.“

    “Aber das ist nicht deine Schuld. Der Praefectus hätte sich deiner Bitte gegenüber nicht verschließen sollen. Vor allem aber ist es vollkommen abscheulich, für eine Gefälligkeit wie diese eine solche Forderung zu stellen und dann auch noch so unverblümt.
    Jedoch, es stimmt natürlich: ein verstorbener Patron, selbst wenn er sich zu den Göttern selbst gesellt hat, ist auf Erden keine große Hilfe.“


    Natürlich hätte Valerianus die Klienten seines Adoptivvaters übernehmen können. Das wäre durchaus üblich gewesen. Aber er hatte es nicht getan.

    “Schön. So soll es sein. Und eure Eltern sind sich auch einig und haben der Vermählung zugestimmt, ja?“


    Die Frage ging durchaus an beide. Caius' Vater Decimus Aelius Calvaster lebte unter dem gestrengen Regiment seiner Frau Acilia recht zurückgezogen in Ravenna. Quarto hatte ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen.
    Seianas Vater kannte Quarto gar nicht. Weil so eine Eheschließung aber auch unter politischen Gesichtspunkten bedeutsam war hatte er sich kundig gemacht und wusste daher zumindest, dass sie eine Nichte des Senators Marcus Decimus Livianus und des Praefectus Classis Primus Decimus Magnus war. Caius hatte sich keine schlechte Partie auserwählt.

    Einige durchaus einflussreiche Männer verübelten es Livianus, dass er sich damals, im Parthischen Krieg hatte gefangennehmen lassen. Sie waren der Ansicht, dass er rechtzeitig hätte Selbstmord begehen müssen um seine Ehre zu retten, die sie dadurch besudelt sahen. Aber diese Männer waren auch niemals in einer ähnlichen Situation gewesen.
    Außerdem gab es Neid, denn Livianus war triumphal aus der Gefangenschaft zurückgekehrt und hatte dann das seinige dazu getan, diesen Eindruck zu verstärken.
    Das alles wusste Quarto natürlich. Er selbst gehörte nicht zu den scharfen Kritikern des ehemaligen Praetors, vielleicht auch deshalb, weil er damals selbst in Parthia gewesen war und den Krieg gesehen hatte.


    “Manche verübeln dir die Vergangenheit, ich weiß es wohl.“, antwortete er schlicht und gab damit zu erkenne, dass er zu wissen glaubte, was Livianus hatte sagen wollen.
    “Ich rate dir gerne. Aber wie, glaubst du, kann ich dir helfen?“

    Quarto spitzte die Lippen, so als hätte er soeben gehört, die beiden seien miteinander durchgebrannt.


    “Die Gelegenheit... mmh.“, brummelte er. “Natürlich in Begleitung und mit dem Wissen deiner Familie.“
    War das nun eine Frage oder eine Feststellung?
    Wohl eher letzteres, denn ein 'Nein' schien er nicht hören zu wollen.


    Stattdessen sprach er lieber selbst weiter.


    “Ihr kennt euch also schon recht lange, ja?
    Das ist gut. Ja, wirklich, dass ist sehr gut. Ein Paar sollte sich kennen. Es sollte von den Stärken, aber auch von den Fehlern des jeweils anderen wissen, bevor... ähm...
    Du willst ihn doch zum Manne nehmen, meinen Vetter, ja?“

    Während Flavius Furianus sprach nippte Aelius Quarto an seinem neu eingeschenkten Wein. Geduldig hörte er ihm zu, unterbrach ihn nicht ein einziges mal, und er nippte und schwieg noch immer, als Flavius Piso die Worte seines Verwandten mit einer eigenen Einschätzung ergänzte.


    Kurz traf sich sein Blick mit dem seines Vetters zweiten Grades.
    Die zweite Vorspeise wurde gebracht. Es gab aufgespießten Fasan.


    “Oh, dass hört sich ganz wundervoll an!“, kommentierte er die Ankündigung des Sklaven.


    “Was die Kaiserliche Kanzlei angeht“, meinte er, während ihm ein anderer Sklave einen Spieß auftrug: “vertraue ich ganz deinen Worten, Aulus Flavius Piso. Du kennst die Männer, die heute dort arbeiten, sehr viel besser als ich. Wenn du sagst, sie sind allesamt unbestechlich und dem Kaiser treu ergeben, dann ist das eine gute Nachricht.“


    Es war nicht so, dass er diese Männer überhaupt nicht kannte. Der Procurator a libellis Decimus Annaeus Varus hatte ihn kurz nach seiner Amtseinführung besucht und der Procurator ab epistulis Lucius Iunius Silanus war früher einmal sein Klient gewesen.
    Er kannte sie also, aber vermutlich wirklich nicht so gut wie Piso und nicht so gut wie jene Männer, die damals in der Kanzlei Verantwortung trugen, als er selbst, Quarto, Magister Domus Augusti gewesen war.


    Davon aber redete er nicht, sondern eröffnete: “In Zukunft wird außerdem mein Vetter in der Kanzlei tätig sein.“
    Er nickte Aelius Archias lächelnd zu.
    “Der Imperator Caesar Augustus hat es bereits so entschieden.“
    Nun sah er wieder in die Runde.
    “Die kaiserliche Verwaltung hat enorm an Einfluss gewonnen, dass stimmt. Aber ich habe jeden Grund, ihr voll und ganz zu vertrauen.“


    Er besah sich den Spieß, als ob er überlegte, mit welchem Ende er am besten anfangen sollte.


    “Die Prätorianer stehen unter dem Kommando von Tiberius Prudentius Balbus. Er kennt die Garde durch und durch. Er ist der Sohn meines leider verstorbenen Freundes und Klienten Gaius Prudentius Commodus, ist selbst mein Klient und hat außerdem meine Nichte zur Frau genommen. Ich würde meine Hand für ihn ins Feuer legen, so wie es Mucius Scaevola einst für Rom getan hat.“


    Nun ließ er doch von dem Spieß ab. Stattdessen sah er Flavius Furianus sehr direkt und ernst an.


    “Ist es möglich, Senator, dass aus deinen Worten über die Germanii auch deine ganz eigene Gegnerschaft zu Senator Germanicus Avarus spricht?
    Er ist der Onkel meiner Frau und was du über Senator Quintus Germanicus sagst, dass sagst du über ihren Bruder, der mein Klient ist.“


    Allerdings war Adria keine geborene Germanica, sondern eine Cornelia. Aber dieses kleine Detail überging er, ebenso wie die Tatsache, dass er bis eben nichts von Salinators Besuch in der Casa Germanica gewusst hatte.
    Quarto war bislang immer ganz selbstverständlich davon ausgegangen, die unverbrüchliche Unterstützung der beiden Germanii-Senatoren zu besitzen. Auch hatte er auf Avarus' Reichtum spekuliert, für den Fall, dass er für seine Pläne eines Tages sehr viel Geld benötigen sollte.
    Doch Furianus hatte diese Gewissheit soeben erschüttert, auch wenn sich Quarto nichts davon anmerken ließ. Insgeheim beschloss er, die beiden Männer bei nächster Gelegenheit selbst aufzusuchen.


    “Aegyptus..“, fuhr er scheinbar ungerührt fort: “...dort war bisher ebenfalls ein Germanicus Statthalter; Decius Germanicus Corvus. Auch er ist mein Klient.
    Jetzt wurde er abgelöst. Den neuen Mann, diesen Terentius Cyprianus, ich kenne ihn nicht. Er war schon vorher dort, als Befehlshaber einer Legion, soweit ich weiß.
    Nein, ich weiß nicht viel über ihn, aber es gibt Gerüchte. Von einem Streit mit Germanicus Corvus habe ich gehört und man erzählt sich finstere Geschichten über einen Mord. Das alles muss nicht wahr sein und nichts davon muss mit dem Praefectus Urbi zu tun haben.
    Doch eines weiß ich sicher: Germanicus Corvus wurde auf Geheiß von Potitus Vescularius Salinator durch diesen Terentius Cyprianus ersetzt.
    Weshalb sollte er das tun, wenn er doch mit den Germanii im Bunde ist?“

    “Oh ja, schon der Gedanke daran ist abscheulich.“, gab Quarto Ursus recht.


    Mit einer Handbewegung beendete er das beunruhigende Thema, als wollte er ein böses Unheil einfach hinwegfegen.


    “Nun...
    Die Sache mit dem Ulpianum...
    Ich muss da die Initiative ergreifen und die Neueinsetzung des Ausschusses vorschlagen. Nach den kommenden Wahlen würde ich es tun, aber noch in der Amtszeit der jetzigen Magistrate, bevor die neuen vereidigt sind.“

    Der Kaiser meinte, er könne das 'schlechterdings persönlich erledigen'? Er wollte das Kommando also persönlich übernehmen?
    Quarto schaute seinen Bruder überrascht an.


    “Ich... ähm... das hatte ich nicht erwartet... Du selbst willst die I. Legion wieder anführen?“

    “Oh, natürlich, Senator Decimus Livianus, gehen wir ein Stück.“


    Quarto machte seinen wartenden Klienten ein Zeichen, dass er den Vorplatz der Curia Iulia zu verlassen gedachte. Seine zu Livianus gewandte Körperhaltung ließ dabei erkennen, dass er mit seinem Senatskollegen ungestört sprechen wollte.


    So gingen sie also und die Klienten folgten ihnen mit etwas Abstand.


    “Worum geht es?“, frage er mit gedämpfter Stimme.

    “Die Räuberei hat sich in gewissen Gegenden und auch hier in Rom zeitweise schon wie eine Seuche ausgebreitet. Es ist eine Geißel unserer Zeit und nichts rechtfertigt solchen Tun, weder Hunger noch Armut. Jeder Bewohner des Imperiums ist dafür verantwortlich, seinen Lebensunterhalt auf ehrliche Art zu bestreiten. Das Argument, die Umstände könnten einen Mann dazu zwingen gegen das Recht zu verstoßen, nein, dieses Argument kann nicht gelten.


    Also ja: Räubern muss die Todesstrafe drohen. Damit bin ich einverstanden.


    Aber ich glaube an die Urteilskraft unserer Gerichte. Und ich kann mir sehr gut Umstände vorstellen, bei denen der Tod eine zu harte Strafe wäre. Wenn keine erhebliche Verletzung angedroht wird und das Opfernicht fürchten muss getötet zu werden, wenn die Drohung vielleicht nur aus einem blauen Auge besteht und das Objekt der Begierde kein goldener Pokal ist, sondern nur ein Apfel, dann, ja dann erscheint mir diese Strafe unangemessen.


    Deshalb gefällt mir der Vorschlag unseres jungen Kollegen Aurelius Ursus sehr gut, Raub zwar grundsätzlich mit dem Tode zu bedrohen, den Gerichten aber die Option zu lassen auf eine geringere Schuld zu erkennen, die dann weniger schwer bestraft wird. Ich denke da an eine hohe Geldstrafe, die, sollte eine andere Initiative unseres Consuls Tiberius Durus zum Erfolg führen, auch in Opus Publicum umgewandelt werden kann. 1600 bis 5000 Sesterzen, dass würde ich unter einer hohen Geldstrafe verstehen. Es wäre das Doppelte der Strafe, die momentan auf Diebstahl durch Einbruch steht.


    Der zurzeit gültige § 92 müsste dafür nur geringfügig geändert werden. Der Absatz (3) wäre zu streichen und die Absätze (1) und (2) entsprechend anzupassen.“

    “Ja, eine Grenze von 600 Sesterzen erscheint mir angesichts deiner Argumente gut gewählt, Consul.
    Und wie du es richtig sagst, hat eine Stadt mit entsprechendem Bedarf auch die Möglichkeit, sich selbst an der Versteigerung zu beteiligen. Allerdings würde ich keine Sklaven kaufen, die zuvor am selben Ort als freie Bürger gelebt haben, wenn ich ein städtischer Beamter wäre. Solche Konstellationen führen doch nur zu Ärger.“

    “Wenn die Consuln alleine darüber entscheiden können, ob der Senat einen Fall neu verhandelt oder nicht, würde dieses Vorrecht damit auch ihr Recht ersetzen die Entscheidungen eines untergeordneten Magistrats – hier also der Praetoren – aufzuheben?


    Wenn wir den Prozessteilnehmern die Möglichkeit eröffnen, eine Verhandlung per Appellatio bereits vor ihrer Eröffnung zu stoppen, dann gehen wir natürlich das Risiko, dass die ordentlichen Gerichte ausgehebelt werden. Aber gut, wenn wir dieses Risiko auf uns nehmen wollen, dann ließe sich das sicherlich entsprechend verankern. Allerdings muss dann auch geregelt werden, ob damit das Anrecht auf eine einmalige Appellatio aufgebraucht ist, oder in diesem speziellen Fall eben nicht.


    Bei dem Veto durch einen Volkstribun: ob eine Verhandlung neu angesetzt oder die Anklage fallen gelassen wird, diese Entscheidung würde aber noch immer der zuständige Praetor treffen, oder?“

    “Die Frage, wie viele städtische Sklaven eine römische Stadt beschäftigt oder beschäftigen soll, diese Frage darf aber doch nicht mit der Zahl der dort lebenden Gesetzesbrecher beantwortet werden.“, gab Aelius Quarto zu bedenken.