Beiträge von Lucius Aelius Quarto

    Quarto lächelte bei Centhos letzten Worten.
    “Du scheinst mir Iulius Caesars Werke studiert zu haben.“
    Dann wurde er aber sofort wieder ernst.
    “Dein Angebot ehrt dich und ich nehme es gerne an. Sofern Titus Aurelius Ursus sich unserer Sache anschließt, und ich bin davon überzeugt, dass er es tut, werden ihm die Pferde für eine zusätzliche Reiterei sicherlich willkommen sein.
    Also ist es beschlossen: ich gehe nach Mantua und wer mit mir gehen kann und will, der möge mit mir kommen. Wer hier bleiben muss, wird mit mir in Verbindung bleiben und unsere Mission als Auge, Ohr und Hand in Rom unterstützen.“

    “Gewiss, ja...“, murmelte Quarto mehr zu sich selbst.
    Dann blickte er dem Centurio offen ins Gesicht.
    “Ich danke dir aufrichtig, dass du diesem Befehl zuwider handelst, mich warnst und deine Hilfe anbietest. Welcher Gefahr du dich selbst aussetzt, das ist mir durchaus bewusst.
    Aber du tust das Richtige und ich werde es dir niemals vergessen.“

    Quarto nahm den Befehl, las ihn, und gab die Tafel dann an Corvus weiter.
    Schlagartig hatte sich die eben noch angespannte Stimmung im Raum geändert. Der alte Senator machte eine einladende Geste.
    “Wollen wir uns nicht setzen? Im Sitzen spricht es sich leichter.“
    Er blickte kurz zu Corvus, dann wieder zu Valerian.
    “Ich hoffe du verzeihst mir, dass ich Decius Germanicus hinzu geben habe. Ich vertraue ihm vollauf und du kannst es auch.“

    “Ich bin kein Feldherr und habe nie Legionen angeführt, so wie unser Freund Decius Germanicus hier.“
    Quarto wies auf seinen Klienten, der das halbe Leben in Uniform verbracht hatte.
    “Aber immerhin habe ich, zumindest als Beobachter, an Iulianus' Parthia-Feldzug teilgenommen, vieles gelesen und manches verstanden. Also weiß ich, dass eine Legion nicht genügen wird, um sich dem Thronräuber entgegen zu stellen.
    Von Mantua gilt es zunächst heraus zu finden, wo die anderen Legionen und sonstigen Verbände der Armee und Flotte stehen. Salinator“
    , er spukte den Namen förmlich aus: “war lange am Danuvius. Es steht zu befürchten, dass die dortigen Legionen für ihn sind und es sind einige. Aber was ist mit denen in Britannia, in den Germanicas und jenen im Osten? Das gilt es zu ergründen und erst dann können weitere Pläne gemacht werden.
    Er fuhr sich abermals in der bekannten Geste über den Bart.
    “Aber, gewiss, ich werde Verbindungsleute in Rom brauchen, Männer, denen ich vertrauen kann und die mir berichten, was hier in Rom vor sich geht.“

    Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Schläger stürmten nicht in das Zimmer. Stattdessen erschien tatsächlich der alte Consular. Allerdings kam er nicht allein.


    “Salve! Ich bin Lucius Aelius Quarto. Und dieser Mann an meiner Seite ist Decius Germanicus Corvus, ein Verwandter des Senators Germanicus Sedulus.“
    Das Valerian Sedulus an der Porta erwähnt hatte wiederholte Quarto nicht. Aber sein Blick verriet, dass er darüber unterrichtet worden war, wenn auch ein wenig unzusammenhängend, wie man zugeben muss.


    Noch immer lag Misstrauen in der Luft und wohl deshalb war die Begrüßung ein wenig knapp ausgefallen.

    “Ich?“
    Quarto tat so, als ob ihn dieser Gedanke Centhos überraschte, obwohl Paetus' ihn zuvor, bevor die Iulier gekommen waren, bereits in ähnlicher Weise angesprochen hatte.


    Er hob abwehrend die Hände.
    “Zum jetzigen Zeitpunkt brauchen wir darüber nicht sprechen. Hier in Rom sind mir die Hände gebunden und wir wissen nicht wie sich die Lage darstellt, wenn ich die Reise nach Mantua hinter mich gebracht hat. Und auch wenn ich hoffe, dort freundschaftliche Aufnahme zu finden, will und kann ich dem jetzt noch nicht vorgreifen.“


    Er machte eine kurze Pause, bevor er weiter sprach.
    “Ihr alle kennt mich als einen treuen Diener des Staates und als Verfechter des römischen Rechts. Doch jetzt, in dieser Situation, sehe ich keine andere Möglichkeit, als mich außerhalb der Gesetze zu begeben. Unsere Verfassung, in ihrer heutigen Form, liefert keine Antworten auf unsere drängenden Fragen.“


    Obwohl Quarto zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte, dass Salinator wenig später im Senat das angebliche Testament des ermordeten Kaisers würde öffnen lassen, das ihn zu seinem Nachfolger erklärte, fuhr er ein wenig prophetisch fort:
    “Gewiss wird der Mörder Mittel und Wege finden, sich nach den Buchstaben des Codex Universalis zum rechtmäßigen Nachfolger meines Bruders zu erklären. Er wird seinem Tun den Anschein von Legalität geben. Aber nur ein Mensch ohne jedes Empfinden für das, was Gerecht ist, könnte so etwas als legitim ansehen.“


    Er blickte in die Runde.
    “Macht euch keine falschen Hoffnungen. Wer mir folgt, der begibt sich außerhalb dessen, was von den Gesetzen gedeckt wird. Die Feinde Roms werden mich und meine Anhänger als Verräter bezeichnen. Aber es ist der Weg der Gerechten und am Ende, wenn der Mörder seiner Macht enthoben wurde, wenn er hoffentlich gefangen und verurteilt wurde, von einem guten römischen Gericht, dann wird alles, was jetzt getan werden muss, als richtig anerkannt werden.“

    “Mmh...“
    Wieder fuhr sich Quarto über den Bart, während er die wenig optimistischen Worte seines Klienten bedachte.


    Dann hellte sich seine Miene auf.
    “Titus Aurelius Ursus befehligt die I. in Mantua. Keine Legion steht näher an Rom und er ist ein guter und enger Freund. Außerdem ist er Patrizier und schon deshalb ganz gewiss kein begeisterter Anhänger Salinators.“


    Er schaute in die Runde und schließlich zu Proximus.
    “Du hast recht, Marcus Iulius, hier zu bleiben hieße, in der Falle zu hocken und nichts tun zu können. Es schmerzt mich sehr, Rom zu verlassen, aber es geht nicht anders. Ich muss gehen. Nach Mantua, ja, ich werde mich nach Mantua begeben, zu Ursus und seiner Ersten!“


    Wieder sah er abwechselnd zu den beiden Iuliern.
    “Was habt ihr gehört? Ist es schwer aus der Stadt zu gelangen? Es wurde ein Reiseverbot für Senatoren verhängt. Ist es noch in Kraft und wird es sorgsam kontrolliert?“

    Von den Verschwörern und Cornelius' Rolle wusste auch Quarto nichts.


    Mit seinem zornigen Ausbruch war er noch nicht am Ende:
    “Egal wer ihn ausruft, es ist Unrecht! Dieser Mann an der Spitze des Staates kann nur Unglück und Elend über uns bringen und wer ihm hilft, der dient Rom nicht, sondern wird wie er zum Verräter!“


    Dann wurde der alte Mann aber ruhiger. Nachdenklich fuhr er sich über den Bart.
    “Aegyptus... ja, eine reiche Provinz mit starken Legionen. Sobald die Frühjahrsstürme ausbleiben werden die Getreideflotten wieder fahren und für das Brot in Rom sorgen. Wer sie verhindert, der setzt einen Dolch an die Gurgel der Stadt... Aber es ist weit weg, jenseits des Meeres. Außerdem... wie steht es inzwischen um deinen Einfluss dort, Decius Germanicus?“

    “Ja, wir sind hierher gekommen, bevor die Verhaftungen begannen und hatten keine großen Schwierigkeiten. Zuerst wollte man uns nicht in den Palast hinein lassen, aber dann ging es doch. Bisher wurde ich nicht behelligt. Aber die Wachen vor dem Palast... nun, ich sitze hier dennoch wie ein Gefangener.“


    Als Centho weitere Details berichtete, hörte Quarto still und mit sorgenvollem Gesichtsausdruck zu. Manches hatte er bereits gewusst aber er erfuhr jetzt auch Neues.
    Er nickte.
    Ein Sklave hatte mittlerweile zwei weitere Stühle gebracht. Quarto machte eine einladende Geste und ließ sich selbst auf den seinen fallen.


    “Potitus Vescularius Salinator ist ein Verräter!“, brach es plötzlich mit aller Verachtung aus ihm heraus. “Ein Mörder und Verräter! Ich bin davon überzeugt: Er hat den Imperator Caesar Augustus, meinen Bruder, umbringen lassen, meine Schwägerin, meinen Neffen... Und er will die Macht für sich selbst, sich auf den Thron setzen! Ich werde das niemals hinnehmen, weder das Eine, noch das Andere!“

    “Und das sind der Senator Lucius Iulius Centho und Marcus Iulius Proximus, der Duumvir von Misenum.“, stellte Quarto nun seine neuen Gäste vor.
    “Wollen wir uns nicht setzen? Möchtet ihr etwas trinken?, fragte er daraufhin, wieder an die Iulier gewandt.
    “Ihr wisst natürlich, was geschehen ist, nicht wahr? Gefährliche Zeiten sind angebrochen und Informationen sind Gold wert. Ihr müsst uns unbedingt berichten, wie es euch in der letzten Zeit ergangen ist. War es schwer, hierher zu gelangen? Wurdet ihr aufgehalten? Habt ihr Neuigkeiten mitgebracht?“

    “Marcus Iulius, ich freue mich dich zu sehen. Das wir uns hier in Rom wiedersehen und nicht schon vorher in Misenum getroffen haben...!
    Quarto ließ den Satz unvollendet, als ihm offensichtlich etwas einfiel.
    “Ach ja. Darf ich vorstellen: Decius Germanicus Corvus. Wie ihr, ist auch er mein Klient. Vielleicht kennt ihr euch bereits? Decius Germanicus lebt ebenfalls in Misenum, als... nun, als Ruheständler. In seiner aktiven Zeit war er zuletzt Praefectus Aegypti und, ähm..., kommandierte dort auch die Legionen, nicht wahr?“

    Quarto erhob sich. “Salve Lucius Iulius, mein treuer Freund!“, rief er aus und wenn man vorher bei ihm so etwas wie Anspannung bemerkt hatte, so fiel sie jetzt von ihm ab.
    “Wie schön dich wieder zu sehen. In der Tat, es ist lange her!“

    Ich bitte doppelt um Entschuldigung: Zum einen wegen der langen Wartezeit und zum anderen weil ich sie nicht belohne und Deiner Aufnahme nicht zustimme. Ich hoffe, Du findest eine andere gens, die Dir ebenfalls zusagt.

    “Ja, die Macht des Militärs...“, grübelte Quarto, der wegen seines früheren Exils nie eine für seinen Stand übliche militärische Laufbahn gemacht hatte.
    “Gewiss, die Armee hat schon Kaiser gemacht. Flavius Vespasianus ist an der Spitze seiner Truppen zum Herrscher aufgestiegen. Nicht durch Beziehung, Anspruch oder Überzeugungskraft, nein, nur durch seine militärische Macht hat er sich damals, vor vierzig Jahren, durchsetzen können...“
    Der alte Senator fuhr sich mit der Hand durch den Bart.
    “Zweifellos weiß Salinator auch, dass er die Unterstützung der Legionen braucht. Bestimmt sind seine Boten schon längst zu allen Befehlshabern unterwegs... und er hat Freunde beim Militär...“

    “Ha! Ich sehe schon, mein Sohn wird eines Tages das Zeug zu einem großen Anwalt haben! Allerdings war sie seine Großtante.“, stieß Quarto lachend hervor. Aber es war ein bitteres Lachen, in dem keine Freude steckte.
    “Es ist eine sehr gewagte Legitimation. Und dennoch fürchte ich, dass der Gedanke auch diesem verschlagenen Praefectus Urbi kommt und er uns genau deswegen alle umbringen wird. Vielleicht noch nicht jetzt, vielleicht schützt uns unser Name noch. Aber das wird uns nicht lange vor seiner Willkür bewahren.“

    “Ich? Was sollen diese bitteren Scherze? Ich bin sein nächster männlicher Verwandter der noch am Leben ist, dass mag wohl sein, aber ich ein Aelier und gehöre nicht dem Hause Ulpia an. Von uns ist in der Verfassung nicht die Rede.“