Beiträge von Titus Aemilius Nero

    Nero spürte, wie er vom Boden emporschwebte. Es dauerte, ehe er oben und unten in seinem Geist sortiert hatte und da war der kurze Flug auch schon wieder vorbei. Apollinaris hatte ihn scheinbar ein Stück getragen. Hier lag er gut, ein Kleiderbündel unter dem Kopf, das Bett war ja besetzt und für seine Freunde war auf dem Boden auch noch genügend Platz. Er warf ein paar weitere Amphoren aus der Tür, wo sie klirrend auf dem Pflaster zerscherbelten.


    "Gesottene Nachtigallenzungen", wiederholte er zusammenhanglos. Er lächelte breit, während er sich einkuschelte. Die Dreiecke taten wieder, was sie immer taten, sie sausten in einer großen Spirale einem geheimnisvollen Zentrum zu.

    Nero drehte träge den Kopf in Richtung Tür, während er überlegte, welcher Sklave ihn am wenigsten nervte, als Castor sich auf ihn warf und die Hände um seinen Hals krallte. Unsportlich wie Nero war, heute obendrein betrunken und berauscht, fiel er nach hinten wie ein nasser Sack. Die Dinge geschahen zu schnell, Nero begriff sie nicht mehr, empfand weder Schmerzen noch Atemnot und konnte nichts tun, außer darüber zu staunen, dass die Dreiecke rot und weiß explodierten, anstatt ihren regenbogenfarbenen Reigen fortzusetzen. Ziemlich gezackt, so hatten sie sich noch nie verhalten. Andererseits sah das auch nicht schlecht aus.

    "Das kommt davon. Man muss ERST rauchen und DANN trinken. Sonst kotzt man."


    Zumindest, wenn man es nicht gewohnt war. Den Fehler begingen die meisten nur einmal.


    "Jaaa. Wir haben Sklaven. Manche von denen können auch singen und tanzen und all den Kram. Aber die sind alle ... die bringen immer alles durcheinander, räumen alles weg, bis man nichts mehr findet. Mein Vater hetzt die mir auf den Hals. Ich hasse sie. Die taugen nichts. Das is mein Zimmer! Meine allein!"


    Er machte eine fuchtelnde Geste, die das ganze Chaos umspannte.


    "Du verstehst mich, Polli", jammerte er und sank in sich zusammen, während bunte Dreiecke in seinem Hirn tanzten und interessante Muster bildeten. "Du bist der einzige, der mich versteht."


    "Cappadocia? Dort gibt´s doch nur Sand und ... Sand."


    In der Vorstellung von Nero war Cappadocia eine Wüste mit ein paar erschöpften Silberminen und ein paar verstreuten Barbaren in Pluderhosen und ... offenbar war Tarkyaris ein Cappadox? Nero hatte bisher gedacht der Mann würde nur hin und her pendeln und wäre eigentlich ein Pontier oder so was. Er passte nicht ganz in das Bild, welches er von dem Volk bisher gehabt hatte. Er wurde aus seinen wirren Gedanken gerissen, als Apollinaris den Arm um ihn legte und eine Frage stellte.


    "Bei mir wohnen?" Nero nickte. "Klar."


    Die Idee, dass Apollinaris jeden Tag hier wäre, erschien ihm in seinem trunkenen Hirn hervorragend. Er nuckelte an der Bronzepfeife und entspannte sich. Langsam ließ er den Rauch durch die leicht geöffneten Zähne wieder nach draußen sickern. Als er eine deutliche Wirkung merkte, reichte er die Pfeife weiter. Er liebte dieses Kraut, das Tarkyaris ihm aus dem Osten mitbrachte.

    Nero war froh, als sie bei ihm zu Hause waren. Er merkte, dass er sonst früher oder später in der Taberna eingeschlafen wäre oder, noch unschöner, unterwegs. Zwar ging er nur in einfacher Kleidung und ohne die Zeichen des Patrizierstandes nachts in die Subura, doch das war kein endgültiger Schutz, auch wenn er sich inzwischen ganz gut in den dunklen Gassen auskannte und viele Bekannte hatte. Umständlich versuchte er, eine keltische Bronzepfeife zu entzünden, bekam es aber nicht mehr hin.


    "Ne... nee", antwortete er auf die Frage von Apollinaris hin, ohne aufzusehen. "Das heißt ... ja. Mein Vater hat da so Vorstellungen. Aber wozu? Ich hab alles, was ich brauch."


    Das stimmte nicht. Alles hatte er keineswegs. Aber genug, um keinerlei Ambitionen in Sachen Karriere zu hegen.


    "Und was ist mit dir, Polli? Warst du nich Ritter oder so was?"

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    Titus Aemilus Nero


    Den Sklaven der Villa Aemilia war es bei Prügelstrafe verboten, das Schlafzimmer vom jüngsten Sohn des Hausherrn anzurühren, außer, wenn der junge Mann es ihnen ausdrücklich befahl. Entsprechend wüst wirkte dieser Raum, denn Nero selbst war nicht imstande oder nicht Willens, Ordnung zu halten, mochte es aber auch nicht leiden, wenn andere sein Eigentum "durcheinander" brachten.


    Von der Sache her war dies ein schönes Privatgemach mit Wänden in freundlichem Hellgrün, Gelb und Blau. Auch die übrige Einrichtung fügte sich farblich, wie der gelb gekachelte Fußboden, der blaue Fransenteppich und die zahlreichen Decken und Kissen auf seinem Bett. Es waren die gleichen Farben, in denen einst seine schwangere Mutter das Zimmer ihres dritten Kindes hatte herrichten lassen. Da Nero tagsüber sehr viel schlief, war das Bett fast immer in Unordnung. Auf dem Scherenstuhl stapelte sich die Wäsche oder lag auf dem Boden verteilt. Die vielen Truhen standen oft offen und waren durchwühlt oder ausgekippt, wenn er etwas nicht auf Anhieb gefunden hatte. Auf einer Säule in der Nähe des Bettes thronte über all der Unordnung das Antlitz von Neros Mutter, die bei seiner Geburt gestorben war und nie erlebt hatte, wie ihr Sohn das Zimmer bezog.


    An der Wand waren mehrere Halterungen für Öllampen befestigt, die im Dunkeln Licht spendeten, ohne dass sie umkippen konnten - das war wichtig, denn Nero war bei seiner morgendlichen Heimkehr aus der Stadt oft in einem Zustand, der ihn torkeln und stolpern ließ.