Beiträge von Titus Iunius Verax

    Die neue Heimat


    Wir kamen in die Stadt und stellten fest, wir hatten kein Ziel. Doch das Glück war uns hold und wir fanden direkt an der Hauptstraße ein kleines Gebäude, das ganz offensichtlich zum Verkauf stand. Iunia Proxima und ich wechselten kurz einen Blick und blieben dann stehen und riefen der Reisegruppe noch einen letzten Gruß zu. Wir würden das Haus erstehen und dann weitersehen.


    Es stellte sich heraus, dass das Haus wirklich günstig abzugeben war, solange wir den Unrat selbst beseitigen würden, der sich in den Jahren des Leerstandes angesammelt hatte. Und das allerbeste war, dass eine taberna im Untergeschoss ebenfalls zum Haus gehört. Proxima und ich mussten nur kurz diskutieren und beschlossen dann, dass wir es einfach wagen würden, denn Proxima war eine gar nicht so schlechte Köchin und Demetrios kannte zumindest das Rezept für henqet (Bier). Alles andere würde sich mit der Zeit ergeben, aber es war besser als nichts für den Anfang.


    Die nächsten Tage sind wir also damit beschäftigt, die taberna und das Haus zu reinigen...

    Ich war extrem schockiert als ich von dem Vorfall am Zelt erfahren hatte. Aber gleichzeitig war ich ein wenig stolz, dass meine Schwester so gut auf sich selbst aufpassen konnte. Der Übertäter, der mir zuvor gar nicht so aufgefallen war - von seiner Teilnahme an der Reisegruppe einmal abgesehen - , hatte sich zu seinem Freund zurückgezogen und beiden hielten viel Abstand von uns, unserem Wagen und vor allem von Proxima. Das hieß letztlich, dass sie am Ende unserer Kolonne liefen. Das wiederum hielt mich nicht davon ab, Demetrios mit der Sicherheit von Proxima zu beauftragen, während ich selbst mich fallen ließ und noch hinter den beiden... Leuten... ging.


    Man hatte mir schon früher einen sehr finsteren Blick nachgesagt, der eigentlich oft nur darin begründet war, dass ich viel nachdachte. Aber mit der Zeit konnte ich mir das zu Nutze machen und so laufe ich nun jeden Tag hinter den zwei Halunken und sehe aus als würde ich nur einen Vorwand suchen oder auf eine Chance warten, um ihnen weitere Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. So konnte ich aber glücklicherweise hören, dass ihr Weg sie weiter nach Satala führen würde. Wir hätten in Caesarea also Ruhe vor ihnen und müssten nichts befürchten.


    Die Reise vergeht dann auch ohne weitere Zwischenfälle und wir kommen nach... viel zu langer Zeit endlich in Caesarea an. Der Duft von Salzwasser ist nur noch eine ferne Erinnerung und das Schwanken eines Schiffes hatte ich verdrängt und letztlich auch vergessen. Wir sind endlich am Ziel und können hier ein neues Leben beginnen. Wie es wohl aussehen mag?

    Die Nacht in Heraclea tat uns auf jeden Fall gut, eine Nacht ohne das Schwanken eines Schiffs und das Platschen von Wasser. Mir ging es sehr gut und auch Proxima und Demetrios sahen am folgenden Morgen wieder frischer aus. Die Reisegruppe hatte sich darauf geeinigt, so früh es geht wieder aufzubrechen, damit genug Strecke vor einer notwendigen Mittagsruhe gemacht werden könnte. In den Morgenstunden brechen also alle auf, deren Weg weiter nach Norden führt, so auch wir...


    Die Sonne erhob sich in den folgenden Stunden schnell über den Horizont und begann, das karge Land um uns herum weiter zu verbrennen. Die Unterbrechung der Reise, die wir um die Mittagszeit herum bei einigen dürren, aber doch Schatten spendenden Bäumen abhielten, war dringend notwendig, denn viele waren die Hitze nicht gewohnt. Auch wir waren nach der langen Reise und unserem schnellen Aufbruch sowohl in Alexandria als auch Tarsus etwas erschöpft.

    Runter vom Schiff und auf ins Landesinnere


    Unser Schiff, die 'Schwingen der Nut', war in Tarsus in Cilicia angekommen und ich war mindestens so froh, das Schiff verlassen zu können, wie es der Kapitän war, uns loszuwerden. Wenn es eine Sache gibt, die ich während dieser Seefahrt gelernt habe, dann dass ich Seefahrt verabscheue. Der Kapitän hatte sein Geld im Voraus erhalten, als wir ihm unser Reiseziel als Antiochia angaben. Da wir jetzt aber früher ausstiegen, wollte ich natürlich einen Anteil der Bezahlung zurück. Er weigerte sich zunächst, also ließ ich Proxima mit ihm reden. Ich habe keine Ahnung, was sie genau gesagt hat, aber er gab ihr gut ein Drittel des eigentlichen Betrags wieder. Ich schwor mir nicht weiter nachzufragen...


    Nun stehen wir in Tarsus, es ist glücklicherweise früh am Morgen, sodass wir uns nicht um eine Unterkunft kümmern müssen, sondern lediglich eine Reisegruppe finden müssen, der wir uns anschließen können. Wir schlagen uns also bis zum Rand des Ortes durch und hören uns um. Unser Glück ist uns ausnahmsweise hold und wir finden schnell eine Gruppe, die sich gerade sammelt, um gen Norden aufzubrechen. Es ist noch Zeit, also lasse ich Proxima und Demetrios bei unseren Sachen und besorge noch einige Vorräte für die Reise. Es ist dann aber auch der Moment, in dem mein eigenes Glück wieder abhanden geht, denn als ich zur Gruppe komme, sagt man mir, dass alle nur noch auf mich gewartet hatten, und fragte, wo ich denn so lange geblieben wäre.


    Die Reisegruppe setzt sich in Bewegung und es dauert tatsächlich nicht lange, bis jemand sagt, wir wären jetzt nicht mehr in Cilicia, sondern in Cappadocia. Aber aus Sicherheitsgründen würden wir eine Nacht in Heraclea Cybistra pausieren, um nicht auf offener Straße nächtigen zu müssen. Ein Teil der Gruppe wollte ohnehin nur bis dorthin mit uns reisen und dann weiter nach Galatia. Es dauert noch einige Stunden, aber wir kommen in der kleinen Stadt an, die uns eine Nacht Herberge sein wird...

    "Du hast viel genauer zugehört als ich... wieso? Aber dieses Caesarea klingt gut... irgendwie... erhaben. Vielleicht bietet es das bisschen Luxus, das man zum Leben braucht."


    Ich überlege kurz, was ich gesagt hatte... "Aber wir werden irgendwie an Geld kommen müssen."

    Ich gehe die Reiseroute im Kopf durch, man hatte sie uns genannt und erklärt. Aber ich kann mich partout nicht erinnern, wo Tarsus liegt und ob es wirklich klüger ist, dort von Bord zu gehen. Ich vertraue Proxima an der Stelle einfach... das oder mehr Seefahrt, die Entscheidung ist recht einfach.


    "Keine Küstenstädte mehr. Nur noch Tarsus, wenn du meinst, dass das geht. Hören wir uns dann da einfach um, irgendjemand wird bestimmt etwas sagen können..."

    Der nächste Hafen. Ich hasse ihn jetzt schon. Salamis, das sagen die Matrosen, ist das hier, eine Stadt auf einer Insel, die Kypros heißt. Ich hasse Salamis. Ich hasse Kypros. Ich hasse das Meer.


    "Ja, ich will an Land gehen, aber nicht hier", sage ich zu Proxima. "Ich will so weit weg vom Meer wie möglich, wenn wir von diesem Schiff runter sind. Lass uns eine Stadt im Inland suchen. Ein Fluss ist in Ordnung, aber auch da werde ich nicht drauf fahren. Schick Demetrios, wenn unsere Vorräte nicht mehr reichen sollten..."

    "Wenn wir angekommen sind, wo auch immer das sein wird, dann kann Demetrios uns ein wenig Bier nach dem alten Rezept brauen, das er früher schon immer gemacht hat. Und dann bekommen wir sicher auch etwas besseres zu essen als... das hier."


    Mein Blick geht gen Himmel, die Sonne verrät, dass wir noch ein wenig Zeit haben, aber nicht genug für ein ausgiebiges Bad. Wenn wir auf dem Schiff sind, sollten wir uns überlegen, wohin wir eigentlich wollen. Und wie weit wir überhaupt kommen mit dem Geld, das uns geblieben ist...

    "Wir können schon einen Wein trinken. Es würde mich auch interessieren, was sie hier unter Wein verstehen. Aber beeilen müssen wir uns leider trotzdem."


    Gemeinsam streifen wir durch die Stadt, immer in der Nähe des Hafens, aber doch weit genug weg, um nicht ständig das Meer zu sehen. Es dauert auch nicht lange bis wir ein kleines Gasthaus finden, das recht leer wirkt. Das Essen wird also nicht lange brauchen.

    "Essen. Das hat weniger mit Wasser zu tun..."


    Tyrus war eine alte Stadt, die Geschichten, die über sie erzählt wurden waren fast genauso alt. Wir waren im Hafen angekommen und ich war froh, dass sich der Boden unter meinen Füßen nicht mehr bewegen würde, aber der Boden bewegte sich auch weiterhin. Ich bin nicht für die Seefahrt gemacht und ich werde mich nie wieder an Bord eines Schiffes begeben, wenn unsere Reise ein Ende in Antiochia findet.


    "Ich glaube nicht, dass genug Zeit für beides ist. Wir sollten bald nach dem Essen wieder zurück zum Schiff. Und wir dürfen nicht zu viel Geld ausgeben, du weißt, dass wir es noch brauchen werden, wenn wir nicht in drei Monaten am Hungertuch nagen wollen."

    Es wäre mir lieber gewesen, wenn wir nicht immer wieder so lange hätten warten müssen. Die Fahrt auf dem Schiff gefiel mir nicht sonderlich, also war ich erfreut als Proxima einen Landgang vorschlug. Das Schiff würde ein wenig hier liegen und unser letzter verbliebener Sklave, Demetrios, konnte auch alleine auf unsere Sachen aufpassen. Er war uns ergeben, schon ewig in der Familie und hatte keinerlei Ambitionen.

    Die Schwingen der Nut

    Ich weiß, wie es meiner Schwester geht. Sie will nicht mehr zurückblicken, sie will nur noch weg aus Alexandria. Das Schiff entfernt sich von der Stadt, aber sie ist immer noch zu sehen. Ich stelle mich vor Proxima, damit sie keinen Grund sieht, sich umzudrehen.

    "Alles wird gut. Wir finden eine neue Heimat. Du findest einen neuen Mann. Wir finden Frieden."

    Abschied aus Alexandria

    Alles war so unsäglich schief gegangen. Vater hatte damals Wunden in einem Scharmützel davongetragen, die eigentlich nicht hätten passieren dürfen. Er wurde aus der Armee entlassen, das Geld, das er bekam, war mehr als angemessen, aber es ging dann stetig bergab. Er schien die Lust am Leben verloren zu haben und gab sich, vollkommen unrömisch, dem Alkohol hin. Und eines Tages verschlimmerten sich die Wunden, sein Bein musste abgenommen werden. Ab da wurde es noch schlimmer. Zumindest hat Mutter das so erzählt. Vater starb vor einigen Jahren, sie zog uns dann alleine groß. Die Ersparnisse waren zum Glück vorhanden, Mutter hatte immer etwas beiseite gelegt. Aber sie ging an alle dem seelisch zugrunde. Vor ein paar Monaten starb auch sie...


    Es war nicht leicht für Iunia Proxima und mich. Die Pläne hatten anders ausgesehen, Proxima sollte heiraten, aber als Mutter starb befiel sie - verständlicherweise - eine große Trauer und der Verlobte machte sich aus dem Staub. Ich dagegen war ohnehin immer etwas unentschlossen, ich arbeitete mehr oder weniger als Tagelöhner mal hier und mal dort. Ich habe ein paar Dinge aufgeschnappt und habe eine gute grundlegende Ausbildung zu Hause genossen, aber...


    Wir haben uns entschieden allem ein Ende zu setzen und Alexandria zu verlassen. Zu viele böse Erinnerungen, zu viel Leid und Mitleid. Was wir nicht verkaufen konnte und nicht behalten wollten, hatten wir verschenkt; zumeist an die Ärmsten der Armen in der Stadt. Den Rest, unsere verbliebenen Habseligkeiten, hatten wir zusammengepackt und eine Reise organisiert, die uns von hier wegführen sollte. Erst einmal gen Antiochia und von da aus... mal sehen. Das Reich ist groß, irgendwo werden wir einen Platz finden...


    Wir stehen an Deck des Schiffes, das uns auf der ersten Etappe aushalten sollte. Proxima lächelt mich an. Ich lächle zurück. Es ist die richtige Entscheidung...