Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

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    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    Deandra nahm Platz und warf mir einen unmissverständlichen Blick zu. Kurz bemitleidete ich mich selbst, da die Hochzeit und damit auch die auf diesen Tag folgende Nacht eindeutig zu weit in der Zukunft lagen, dann aber sagte ich mir, dass hier noch einige Briefe auf mich warteten, die geschrieben werden sollten. Es würde sich wohl auch an diesem Abend keine Gelegenheit bieten, ihr cubiculum aufzusuchen und zumindest einen Hauch dessen zu erfahren, was ich in der Ehe ständig würde haben können. Ich seufzte theatralisch und sah über Deandras Schulter, wie sie in geschwungenen Lettern ihren Namen an die dafür vorgesehene Stelle setzte. "Naja, fast. Dein Vater muss sein Einverständnis ebenfalls geben", sagte ich. "Ich werde ihm dieses Dokument zusenden mit der Bitte, es zusammen mit seinem Einverständnis abzugeben, dann sollte alles geklärt sein. Vielleicht möchtest du ihm auch selbst schreiben? Es gibt sicher viel zu erzählen, und es wäre ihm sicher eine Freude, etwas von dir zu hören, hm?"


    Marc schien offensichtlich überarbeitet zu sein, denn einerseits verpuffte mein Angebot nach körperlicher Nähe wirkungslos und andererseits wollte er mir sogar einen Teil seiner geplanten Post abtreten. Ich drückte meine Verwunderung in einem langen Blick über die Schulter aus. Bevor ich mich jedoch der Behebung des ersten Problems widmete, ging ich auf seinen Vorschlag ein, selbst den Brief an meinen Vater zu schreiben.


    „Mein Angebot wäre, dass ich unter den förmlichen Teil, in dem du die Verlobungseintragung regelst, noch ein paar Zeilen setze, in denen ich, hm, was auch immer berichte.“


    Natürlich würde sich Vater über ein paar Zeilen von mir freuen, aber ich war seit jeher schreibfaul, was jedoch kein Indiz dafür war, dass ich etwa nur ungenügend über die Fertigkeit des Schreibens verfügen würde. Als Tochter eines Patriziers war meine Bildung überdurchschnittlich gut, die Unterweisungen in den verschiedensten Künsten waren sogar auf besonders fruchtbaren Boden gefallen. Und doch waren Briefschulden für mich ein Graus. Auf keinen Fall würde ich sogleich mit der Abtragung beginnen.
    Deswegen erhob ich mich ansatzweise, aber nur soweit, um mich über den Schreibtisch beugen zu können. An einer entlegenen Stelle des Tisches legte ich die Feder ab – unerreichbar für Marc. Ich richtete mich auf, raffte mit der einen Hand die Tunika, kletterte aus dem Rahmen seiner Beine heraus, drehte mich um und schob mit der freien Hand seine Schenkel zusammen.


    „So, mein Liebster. Zunächst ist es jedoch erforderlich, die Unversehrtheit so mancher Körperfunktion zu überprüfen. Ich mache mir diesbezüglich ernsthafte Sorgen“, sagte ich schelmisch lächelnd, weil diese Sorge natürlich frei erfunden war.


    Um die Tunika nicht zu ruinieren, musste ich nun beide Hände benutzen. Ich raffte den Stoff, nahm seine Beine zwischen meine und anschließend auf seinem Schoß Platz. So weit es ging, rutsche ich vor, legte die Arme um seinen Hals und freute mich der auswegslosen Situation, in die ich ihn gebracht hatte. Natürlich war er viel stärker als ich und konnte mich, wenn er wollte, mit Leichtigkeit mit den Füßen auf den Boden setzen, aber vorerst schränkten meine Arme und Beine seine Beweglichkeit und mein Halsansatz sein Sichtfeld ein. Ich drückte einen sanften Kuss auf seine Stirn, die erstmalig in praktischer Reichweite für mich war.

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    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    Deandra schließlich überraschte mich. Ich sah sie aufmerksam wie überrascht an. Reitunterricht wollte sie ihm zukommen lassen? Unter ihrer Leitung? Ich räusperte mich vernehmlich. "Die Duccier haben hier ein Gestüt. Vielleicht wäre es besser, wenn er sich dort das Reiten beibringen ließe, Deandra", sagte ich deutlich. Mir missfiel der Gedanke, dass sie sich wieder zu stark engagieren würde.


    Auf das Räuspern hin wendete ich mich um und versuchte in Marcs Gesicht zu lesen, was es zu bedeuten hatte. Ich musste dabei nach oben schauen und stellte fest, dass nicht in jedem Fall der Platz am Schreibtisch eine respektable Position beinhaltete. Marc hatte ein Händchen dafür, den Überblick über Situationen zu wahren, sich in strategisch günstige Positionen zu bringen und gleichzeitig auch noch die Höflichkeitsregeln zu beachten.
    ‚Ein echt toller Kerl’, dachte ich, würde es aber nie laut äußern, denn die Gefahr bestand ja vielleicht, dass er daraufhin abheben könnte. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf musste ich trotz seiner ernsten Worte ein klein wenig schmunzeln.


    Als er geendet hatte, atmete ich einmal tief durch, nickte ihm kurz zu, doch bevor ich etwas sagen konnte, ergriff Corax das Wort. Ich drehte mich zurück, stellte die Arme auf der Tischplatte auf und stützte mein Kinn auf die gefalteten Hände. Eine bequeme Position, um nachzudenken. Nicht unbedingt begeistert stellte ich fest, dass ich nicht nur räumlich zwischen zwei Männern saß, sondern auch zwischen deren Auffassungen geraten war. Natürlich gab es gar keine Frage, welche Stellung ich beziehen würde, und auch mein Vater, der als Patron Corax’ Interessen vertrat, würde dieselben Prioritäten wie Marc setzen. Allerdings hoffte ich, die richtigen Worte zu finden.


    „Du bekommst aus dem Gestüt Aurelia ein passendes Reitpferd gestellt und wir bezahlen dir den Reitunterricht. Das machen wir doch, oder?“ Ich wandte den Kopf zu Marc und erbat mit Blicken eine Reaktion.

    Langsam war ich nicht nur unschlüssig, sondern auch ratlos, weil der Hund mir nicht in das Haus folgen wollte, sich auch nicht streicheln ließ und zu guter Letzt Aintzane mir auch noch Bedenken einredete. Ich stand noch immer mit dem Rücken zu dem Tier, wobei es vermutlich aufschlussreich gewesen wäre, es in diesem Augenblick zu betrachten. Hegte es feindliche Absichten, würde es doch sicher eine Angriffhaltung einnehmen wollen. Fühlte es sich nunmehr unbeachtet, wollte aber etwas erreichen, musste wiederum auch eine Reaktion zu sehen sein. Langweilte es sich, könnte es ja fortlaufen, so dachte ich.


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    Original von Aintzane
    "Was will er überhaupt von dir?", fragte sie noch zusätzlich.


    „Ich hab ihn noch nicht gefragt", erwiderte ich todernst, zuckte schließlich mit den Schultern, zeigte ein kleines Schmunzeln und drehte mich erneut dem Hund zu.


    „Was also schlägst du vor?“, fragte ich meine Sklavin, während ich das Fellbündel vor mir betrachtete.

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    Original von Loki
    Er richtete sich wieder auf und blickte ernst zur Römerin..


    "Wenn es das war, was ich denke dass es das war, dann hat sich gerade eine Valkyre zu früh deinem Sklaven genährt. Ich sage zu früh, weil sie bald wieder erscheinen dürfte, um ihn mit nach Valhalla zu nehmen. Und das wird sie, glaub mir, das wird sie. Wir sollten uns beeilen, dieser Mann braucht Hilfe."


    Endlich konnte ich mich wieder frei bewegen. Ich nutzte die Gelegenheit und drehte mich um. Loki, der in der Sänfte nach dem rechten sah, machte jedoch keinen besonders beruhigenden Eindruck auf mich, als er sich mir zuwandte. Von seinen Worten verstand ich auch nur die Hälfte, nämlich dass Assindius dringend Hilfe brauchen würde. Ich seufzte, denn dies war definitiv der Abbruch meiner Forschungstour, aber bevor ich mich in das Schicksal fügte, wollte ich wenigstens noch Antworten haben.


    „Was, bei den Göttern, ist eine Walküre und was ist Walhalla?“


    Ich hatte nicht vor, mit ihm lange zu diskutieren, denn wenn er sagte, der germanische Geist – und ich war überzeugt, dass es ein germanisches Gespenst gewesen war – käme wieder, dann würde er es wohl wissen. Meinetwegen konnte er mir auch die Antworten während des Laufens geben, aber auf eine Aufklärung würde ich bestehen, mein Gesicht ließ keinen Zweifel daran.


    Ich betrachtete es stets als beachtliche Geste, wenn sich jemand für ein Fehlverhalten entschuldigte, also lächelte ich der mir unbekannten Frau freundlich zu. Marc übernahm es daraufhin, uns vorzustellen, wofür ich ihn dankbar anblickte, ich hätte es ungern selbst gemacht. Die Antworten auf die von ihm gestellten Fragen interessierten mich natürlich auch, weswegen ich mich wieder der jungen Frau zuwandte. Flüchtig streifte ich ihre Tunika, um zu prüfen, ob ich eine neue Anregung für mich aufgreifen konnte. Danach weilte mein Blick mit Interesse auf ihrem schmalen Gesicht.


    Als sie geendet hatte, hoben sich meine Brauen eine Winzigkeit, mein Blick wanderte zunächst bis zu ihren Schuhen, bevor ich mich abwandte und einen Happen Hähnchenfleisch anpiekte, um ihn in aller Ruhe zu verzehren. Währendessen überlegte ich mir, ob ich die Dame als Frau oder als Posten ansehen sollte. Beides zusammen ging nicht. Glücklicherweise war ich aber auch nicht gezwungen zu antworten, denn Marc hatte bislang das Gespräch geführt, sofern man die wenigen Worte bereits als Gespräch bezeichnen konnte. Mein Blick streifte seine Stirn, seine Wangenknochen und blieb an seinem Mund hängen. Augenblicklich fand ich es unterhaltsamer, seine Kaubewegungen zu verfolgen als mich mit einer Frau zu unterhalten, deren Betätigung ich ablehnte.

    Der Eindruck, in Helena noch ein halbes Kind vor mir zu haben, wandelte sich während der letzten Minuten. Ihre Ansichten waren nicht uninteressant, zumindest beschäftigten sie mich. Zwar waren wir nicht einer Meinung, aber es kam zum Meinungsaustausch, und darauf kam es an. Ich lauschte ihrer Erwiderung und schnippte dabei im Laufen ein Steinchen davon, das einen Doppelschritt weit rollte, bis es erneut liegen blieb.


    „Du meinst, du musst erst etwas finden, um glücklich sein zu können? Meinst du damit eine Freizeitbeschäftigung, eine Lebensaufgabe, einen Liebsten?“ Während ich sprach, blickte ich weiter zu Boden, konzentrierte mich somit ganz auf das Gespräch. Mir war nicht klar, was Helena meinte. Ob sie überhaupt etwas Spezielles meinte. „Wenn dem so wäre, müsstest du ja bis zu jenem Augenblick des Fundes permanent etwas vermissen. Meinst du das so?“ Ein seitlicher Blick versuchte in Helenas Gesicht zu lesen, noch bevor die Antwort kam. Vielleicht hatte sie mich ja auch nicht richtig verstanden, daher reichte ich noch eine Erklärung nach. „Du hast doch dich, Helena. Du hast ein Leben, das noch vor dir liegt. Warte nicht ab, nimm es in die Hand. Schon alleine, wenn du etwas von dir Geplantes umsetzen kannst, glaub mir, dann wirst du etwas wie Glück empfinden.“


    Ich gestand mir ein, dass ich auf gewisse Weise ratlos war, denn das Gefühl, Helena könnte bedrückt sein, wollte nicht weichen. In Ermangelung einer Erklärung schob ich diese Tatsache noch immer auf ihr Wesen. Möglicherweise hatte sie aber auch nur eine falsche Einstellung zu Leben, eventuell war daran die Tante Schuld. Ich schmunzelte bei dem Gedanken, einmal den Versuch zu starten, Helena umzukrempeln.


    „Auf keinen Fall ist es eine Beschwerde, sich einer Gegebenheit nicht unterzuordnen, wenn, Helena, und darauf kommt es an, wenn man handelt. Beschweren hat etwas mit Abwarten, mit Passivität, mit Reden oder besser Nörgeln zu tun. Wenn du aber nichts sagst, sondern handelst, dann bist du aktiv, dann bist du nicht ausgeliefert und niemand kann behaupten, du hättest dich beschwert. Schau, nehmen wir an, du triffst in deinem Leben auf ein Hindernis. Jetzt kannst du dich hinstellen und im Stillen jammern oder dich lautstark beschweren, aber beides hilft dir im Grunde nicht. Du fühlst dich nicht besser und das Hindernis steht dir weiter im Weg. Deswegen handele doch einfach, ohne etwas zu sagen, du hast sogar zwei Wege: Entweder du drehst dich um und schlägst einen neuen Weg ein oder du umgehst das Hindernis. In beiden Fällen bist du aktiv, dein eigener Herr, du hast dich nicht untergeordnet. Weißt du, wie ich es meine?“


    Ich hatte vor lauter reden nicht auf den Weg geachtet und sah mich plötzlich der Grundstücksgrenze gegenüber. Mein Schritt stoppte.


    „Tja, hier haben wir schon mal ein Hindernis, aber um derlei Barrieren geht es mir eigentlich nicht. Komm, lass uns zurückgehen.“

    „Also, ich nehme doch an, dass sich das Bad im Haus befindet“, sagte ich mit einem Kopfschütteln, als mir Sofia eine Palla um die Schultern legte. Eine Armbewegung reichte, da lag das gute Stück auf dem Boden. Ich schritt über die Türschwelle und … musste warten. Geduldig hörte ich mir die Erklärungen der Sklavin an, die mich stark an Großmutter Aurelia erinnerten. Immer diese Ratschläge und dazu diese nicht nachvollziehbare, aber dennoch von mir akzeptierte Scham. Jedoch hatte alles seine Grenzen und der Gedanke, dass eine Sklavin Marc auf mein Erscheinen vorbereiten würde, kam mir derart skurril vor, dass ich lachte. Zum Glück war Sofia nicht so wendig im Kopf, um dieses Lachen richtig deuten zu können, und das war gut so. Niemand wusste, wie nahe sich Marc und ich bereits gekommen waren und doch hatten wir keine wichtige Norm gebrochen.


    „Können wir jetzt gehen?“, fragte ich schließlich ungeduldig. „Und du wirst ganz sicher nicht zuerst in das Bad schauen. Ich brauche dich nur für den Weg, dann kannst du gehen.“ Sofia bewegte sich endlich und ich folgte ihr.


    Ich wusste nicht, ob es Genervtheit wegen der einfältigen Sklavin war, oder ob sich langsam ein ungutes Gefühl, das aus Ungewissheit und leichter Sorge bestand, in mir breit machte. Die anfängliche Abgeklärtheit war verflogen, als ich vor der Badtür stand. Unwillig wedelte ich mit den Händen, um erst einmal Sofia loszuwerden. Erst danach betrat ich das Balneum.


    Der Versuch, sich zunächst zu orientieren, scheiterte gleich zu Beginn, weil zu viele unverständliche Eindrücke auf mich wirkten. Da war ein leeres Bassin und Stille, die kurzzeitig durch bekannte Geräusche durchbrochen wurden, die ich aber nie im Leben mit Marc in Verbindung bringen würde. Kurz darauf entdeckte ich ihn.
    Ein Gefühl überkam mich, das Sofia wohl tagtäglich fühlen musste: Nichts verstehen, der Situationen hilflos ausgeliefert, zeitweilig handlungsunfähig. Die klamme Luft förderte auch nicht gerade die Denkprozesse. Wieso lag er am Boden? Warum, bei den Göttern, zuckten seine Schultern so verdächtig? Bei aller Dümmlichkeit – in einem hatte die Sklavin Recht behalten: Es ging ihm nicht gut, wenn auch anders als von Sofia geschildert und von mir erwartet.


    Mein Blick fiel auf einen achtlos hingeworfenen und halb zerweichten Brief, als ich auf ihn zuschritt. Aber das Papier interessierte mich nicht, weil das Herz längst hart schlug und eine unbestimmte Angst meinen Brustkorb zusammenpresste. Ich wollte von Marc wissen, was geschehen war, ich ahnte, es musste etwas Schlimmes sein, wenn es ihm derart schlecht ging. Das Bedürfnis kam auf, ihn einfach in den Arm zu nehmen, aber ich schob diesen Wunsch auf. Stattdessen holte ich tief Luft, bevor ich mich hinkauerte und ihn sanft an der Schulter berührte.


    „Was ist passiert, mein Liebster?“, flüsterte ich, denn selbst wenn der Hals nicht zugeschnürt gewesen wäre, eine normale Sprechweise passte nicht in diese Situation.

    Weibliche Schnattertaschen „liebte“ ich besonders. Und doch musste ich mich zusammenreißen, als Sofia zu unnützen Reden anhob, und es sogar schien, als wolle sie mir näher als gewünscht kommen. Ein Wort von mir hätte nicht nur die Vorwärtsbewegung gestoppt, sondern auch den Denkprozess. Ich blieb tapfer und harrte der Dinge. Endlich schien es auch soweit zu sein. Ich lauschte mit leicht gerunzelter Stirn, um aus dem anfänglichen Wirrwarr etwas Brauchbares entnehmen zu können. Ich zuckte zunächst mit der Schulter, denn es verwunderte mich nicht, wenn jemand Soffchen mal aus dem Zimmer warf. Vielleicht hatte Marc einen schlechten Tag gehabt und ihm war die depperte Sklavin einfach auf die Nerven gefallen. Nachvollziehbar und kein Grund zur Sorge, resümierte ich.


    Erst als der „germanische Barbar“ zur Sprache kam, stutzte ich. Also das war nun wirklich keine passende Umschreibung für Marc. Ich holte bereits Luft, um Sofia zurechtzuweisen, denn Taktlosigkeiten oder Frechheiten gingen mir dann doch zu weit, als sie einen Brief erwähnte. Der tiefe Luftzug verließ ungenutzt meinen Mund, ich krauste erneut die Stirn und begann, die Fakten aneinanderzureihen: Da war ein Brief – auch noch im Wasser, wie Sofia sagte, Marc war offensichtlich schlecht gelaunt, Sofia machte sich Sorgen. Nun ja, letzteres hatte nicht viel zu bedeuten, aber ich wollte der Sache dennoch auf den Grund gehen, denn vielleicht gab es ja einen Zusammenhang zwischen dem Brief und dem von der Sklavin geschilderten Ärger.


    Ich rutschte zur Bettkante, erhob mich und schritt bereits an Sofia vorbei.


    „In welchem Bad ist er denn? Ach, am besten, du führst mich dorthin.“ Das ersparte mir das lange Zuhören bei den ohnehin unklaren Aussagen. Während ich über den Gang schritt, versuchte ich mich an die Tagespost zu erinnern. Briefe, die jedoch nicht meinen Namen aufwiesen, gingen mich nichts an, also betrachtete ich sie nicht länger. Ein Blick auf den Absender war dann reine Zeitverschwendung. Heute ärgerte ich mich erstmalig über diese Unachtsamkeit.


    edit: Fehlereliminierung

    Die Auskunft war dürftig. Im Grunde wusste ich nicht, um was es ging, aber wenigstens um wen. Ich gab meine bequeme Liegeposition auf und rutschte höher, weil alles, was mit Marc zusammenhing, schon einmal definitiv unter „wichtig“ lief.


    „Sofia, wenn du nun noch die Güte hättest, mir zu sagen, was mit dem Herrn ist, wäre uns beiden geholfen.“ Ihr, weil sie dann nicht mehr Rede und Antwort stehen musste, und mir, weil ich ihr dann nicht mehr zuhören musste. Ich hatte bewusst die obige Formulierung gewählt, weil sich dadurch Sofias Hirn hoffentlich entspannen und die erhoffte Antwort schneller ihren Weg in meinen Gehörgang finden würde. Jeder Römer und ebenso jeder durchschnittlich begabte Sklave hätte sich entweder über meinen Wortlaut gewundert oder die Anzüglichkeit darin erkannt.


    Während die Sklavin nach Worten rang, kreisten meine Gedanken um die verschiedenen Möglichkeiten, was mit Marc sein könnte. Ein Unfall? Ich verwarf dieses Hirngespinst, denn man sollte zunächst nie das Schlimmste annehmen. Vielleicht war ihm etwas dazwischen gekommen und er konnte die vereinbarte gemeinsame Mahlzeit nicht einhalten. Oder er erwartete mich irgendwo.
    ‚Na, mach schon, Soffchen. Jetzt hast du mich einmal gestört, also möchte ich auch wissen, was los ist.’


    Ich verschränkte abwartend die Arme und musterte die Sklavin teils ungeduldig, teils gespannt.

    Ich wollte Helena nicht unterbrechen, daher wartete ich auf eine Pause, um ihr einen Vorschlag zu machen.
    „Lass uns doch eine kleine Runde durch diesen Wildpark machen, dabei redet es sich leichter.“ Ich fand, persönliche Auskünfte waren für Sklavenohren, und seien diese noch so loyal, weniger geeignet.


    Nachdem wir uns in Bewegung gesetzt hatten, dachte ich über ihre Aussage nach, die so gar nicht nach einem glücklichen Menschen geklungen hatte. Worin aber ihr Kummer bestand, sofern man ihr derzeitiges Unvermögen, Glück zu empfinden, so nennen durfte, offenbarte sich mir nicht. Ich suchte nach einem Hinweis in ihren Worten, fand aber keinen. Weder an einem weniger freudigen Willkommen konnte man meiner Meinung nach derart lange tragen noch an einem Aufenthalt in einem wenig anziehendem Landstrich. Entweder war Helenas Gemüt von Natur aus melancholisch geprägt oder es gab weitere Gründe für ihre etwas gedrückte Stimmung.


    „Helena, Glück entspringt aus uns selbst, es ist einfach die Grundeinstellung, die wir dem Leben gegenüber einnehmen. Jeder hat damit sein Glück in der eigenen Hand, sofern er nicht sterbenskrank ist. Man sollte es nie von einem anderen Menschen abhängig machen und schon gar nicht von irgendwelchen Umständen. Wenn du dich um dein Glück kümmerst, es in deiner Seele pflegst, strahlt es augenblicklich aus dir heraus, andere können das erkennen. Und dann ist es gleich, ob du dich in Germanien, in deiner Heimatstadt oder sonst wo aufhältst. Du wirst dann überall Glück empfinden, einfach weil du dich deines Lebens freust.“


    Ich schaute meine Cousine mit einem Lächeln an und ließ die letzten Worte wirken, denn sie waren die Grundaussage.


    „Und findest du einen Menschen, mit dem du dein ohnehin vorhandenes Glück teilst, dann wirst du erleben, dass es sich sogar noch mehrt“, fügte ich leise an, lächelte weiterhin und nickte ihr aufmunternd zu.


    „Und in Puncto Beschwerden habe ich ebenfalls eine andere Auffassung“, sagte ich munter und schritt sogleich etwas beschleunigter aus. „Ich beklage oder beschwere mich höchst selten, denn ich habe ja stets die Wahl, ob ich mich den Gegebenheiten unterordne oder eben nicht. Eine freie Wahl bedeutet gleichzeitig einen gewissen Grad an Unabhängigkeit, der wiederum ein Glücksgefühl erzeugt. Beschweren hilft ohnehin nicht, Helena, und auch nicht, sich demütig in alles ergeben, aber handeln hilft. Nimm dein Leben in die Hand, bis zu einem gewissen Grad ist es dir gestattet. Das ist mein Geheimnis, wie man in aller Regel sein Glück bewahrt, selbst dann, wenn man unter einer Patria Potestas steht. Freie Meinungsäußerung - im privaten Rahmen versteht sich - schließt Wohlerzogenheit nicht aus.“


    Es musste an Helenas Wesen liegen, dass ich derart ins Schwatzen geraten war, was sonst keineswegs meine Art war. Eine letzte Frage blieb noch zu beantworten.


    „Ja, ich bin glücklich, doppelt sozusagen. Für einen Teil meines Glücks sorge ich selbst, ein weiterer kommt automatisch hinzu, wenn dich jemand liebt.“ Ich dachte an Marc und lächelte. Anschließend betrachtete ich während des Schlenderns ihr Gesicht. Helena wirkte alles andere, aber nicht kämpferisch auf mich. Sicherlich würde sie auch eine sehr ergebene Ehefrau werden, und natürlich war ich gespannt, wer einmal ihr Herz erobern würde.

    Lesen bildete nicht nur, es machte auch Spaß. Aus diesem Grund nutzte ich die Zeit, in der Marc noch im Castellum weilte, für dieses Hobby. Ich lag in bequemer Haltung auf dem Bett und war gänzlich in die Welt dieses Buches abgetaucht, als es an die Tür trommelte. Der Schreck fuhr mir in alle Glieder, denn in solcher Art war es keinesfalls üblich, sich bemerkbar zu machen.


    „Zum Hades!“, fluchte ich zwar leise, aber dennoch reichlich erbost. Das Herz schlug hoch, mein Blick, der zunächst die geknitterte Buchseite gewahrte, richtete sich ärgerlich auf die Tür. Ich ließ das Buch unwillig auf den Schoß sinken, oder besser fallen, und holte gerade Luft, um einen Schwall an Vorwürfen dem Verursacher meiner Verärgerung entgegenzuschleudern, als mir die Dringlichkeit seiner Worte bewusst wurden.


    „Hm“, brummte ich vor mich hin. Ärger und die Vermutung, dass es für die unliebsame Störung einen guten Grund geben musste, hielten sich kurzzeitig die Waage, bevor ich mich entschloss nachzufragen.


    „Komm rein! Aber wehe, wenn es nicht wichtig ist.“


    Ungeachtet der Tatsache, dass man Sklaven üblicherweise nie direkt ansah, empfing ich Sofia mit einem bitterbösen Blick. Wenigstens äußerlich wollte ich mein Missfallen zeigen, auch wenn ich innerlich stets schnell besänftigt war.

    „Schon gut, beruhige dich“, erwiderte ich und machte besänftigende Handbewegungen. „Wir machen es so: Ich werde meinen Bestand prüfen und ein passendes Tier für dich aussuchen. Vermutlich wird es ein Wallach sein. Ein solches Tier habe ich allerdings nicht hier in Germanien, denn uns haben nur im Renntraining befindliche Pferde begleitet. Bis dieses Pferd hier eingetroffen ist, wirst du bei jemand, den ich hier noch organisieren muss, aber unter meiner Leitung eine Unterrichtung im Reiten erhalten. Einverstanden?“


    Ich schaute erwartungsvoll auf Corax, der sich sichtlich unwohl zu fühlen schien.

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    Original von Corax Syphax
    Ccorax blies kohlendioxihaltige Luft durch seinen Mund, womit eine unwissende Geste gemeint war.
    Ich brauch offenbar, wie dein Vater mir sagte, ein Pferd für die ALA , denn ich habe vor dort hinzugehen.
    Er machte eine kleine Pause und überlegte kurz, dann blickte er erst zu Claudia, dann kurz zu Aurelius, wandte sich dann aber wieder Claudia zu.
    Also, ich kenn' mich nicht so aus. ...........Wir, also in meinem Dorf damals.........(seine Stimme hatte etwas zufriedenes, heimatliches) ..............wir hatten keine Pferde, nur Kühe oder Oxen mit denen wir unsere Felder bearbeiteten. Er musste dabei kurz an die malerische Vergangenheit denken, wurde aber dann wieder in die Gegenwart zurückgerufen.
    Das waren noch Zeiten,............da war alles noch friedlich, ............da gab es weder Sklaven noch Fremde noch Feinde...............Bis die................. Da stockte er, hackte plötzlich ab, sein Atem wurde schneller, er schaute auf einmal Aurelius und Claudia hektisch an, auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen, er wollte zwar wieder gelassen wirken und blickte daher zu Claudia, aber es sah nciht so aus, als wirkte er so.


    Ich hörte mir seine Bemerkungen an und machte dabei vermutlich kein besonders zufriedenes Gesicht. Meine Brauen zogen sich zwischenzeitlich beunruhigt zusammen. Nach kurzer Überlegung, die von einem sachten Entlangfahren an der Stirn begleitet wurde, setzte ich zu Erklärungen an.


    „Das Gestüt Aurelia züchtet vornehmlich edle Rassepferde. Natürlich sind sie ausdauernd und genügsam neben ihrer Eleganz, und gewiss wäre es nicht das erste Ross, das in Soldatenhand kommt, aber … Kannst du denn überhaupt reiten?“


    Eine gute Behandlung war mir für die Tiere, die ich abgab wichtig, es ging schließlich nicht nur ums Geld. Zu klären war außerdem, ob das Reiten des Corax ein Sitzen auf einem Tierrücken war oder ob er meinen ausgebildeten Rössern gerecht werden konnte. Auch wenn er als Klient meines Vaters sicherlich ein gewisses Anrecht auf den Erwerb eines Pferdes hatte, mein Vater das Geld vermutlich sogar bereits verauslagt hatte, mussten gewisse Grundlagen vorhanden sein. Es wäre zudem nicht der erste Reitunterricht, der unter meiner Führung stattfinden würde.

    Ah, darauf spielte er also an, dachte ich bei mir und schmunzelte.


    „Nun ja, ich denke dennoch, es wäre zweckmäßiger, am Bauch und nicht am Ringfinger zuzunehmen.“


    Ich wusste ja, wie er es meinte, musste aber trotzdem leise lachen. Inzwischen überblickte ich auch die Abläufe, wie dieses Phänomen überhaupt möglich war, wobei mir die Machweise im Augenblick besser als das Ergebnis gefiel, das vor allem deswegen, weil es so viele Monate dauerte, bis es sichtbar im weiteren Sinne war. Diese Zeit stellte ich mir nicht wirklich witzig vor, was ich aber für mich behielt.
    Bei dieser Gelegenheit fiel mir ein, dass ich einmal gehört hatte, der Geschmack würde sich während dieser Zeit ändern. Also hieß es, Vorsorge zu treffen. Ich bestellte mir augenblicklich eine Portion Gletschereis mit Früchten für den Fall, dass mir ausgerecht diese Leibspeise später nicht mehr munden würde. Da der Sommer nahte, standen die Chancen ohnehin schlecht, dass sich das eingelagerte Eis noch lange halten würde.


    Während der Wartezeit lauschte ich auf seine Erklärung bzgl. Onkel Ciceros. Ich neigte den Kopf leicht zur Seite und lächelte sanft, weil mir wieder einmal bewusst wurde, wie umsichtig und umsorgend er war. Gerade diese Seite gefiel mir gut an ihm, darin war er erwachsener als manch anderer doppelt so alte Mann.


    „Sisenna? Nein, ich denke nicht, dass du an sie schreiben solltest. Sie ist doch viel zu klein, um das alles zu verstehen.“


    Die angenehme Stimmung schien unwiderruflich zu schwinden, als er über Mutter sprach. Ich hörte es an seinem Tonfall, auch wenn Helenas Erscheinen seine Ausführungen zunächst unterbrachen. Von einem unguten Gefühl beschlichen, grüßte ich meine ehemalige Cousine nur flüchtig. „Salve, Helena.“


    Meine Augen hefteten sich sogleich wieder auf Marc. „Befürchtungen?“ Ich musste schlucken, war sie doch die einzige Mutter, die ich je hatte, auch wenn es theoretisch durchaus drei hätten sein können. Meine leibliche Mutter allerdings kannte ich nicht und Vesuvianus lebte alleine. Von einer Frau wusste ich nichts.

    Ich hatte durchaus mitbekommen, dass Camryn mal wieder die Höflichkeitsregeln brach, nahm es aber vorerst nur nebenbei zu Kenntnis. Ich nahm mir vor, dieses Verhalten keineswegs zu tolerieren, derzeit beschäftigte mich allerdings das Verhalten des Vierbeiners wesentlich mehr: Ich wurde nicht aus ihm schlau. Er folgte mir nur zeitweilig, bellte immer wieder und schien etwas sagen zu wollen, das ich einfach nicht verstand. Zwar könnte ich den Versuch machen, zur Abwechslung mal dem Hund zu folgen, aber mitten in der Nacht erschien mir dieses Unterfangen doch etwas abwegig und so lange mein Trotzkopf nicht geweckt wurde, regierte mein Verstand an sich immer recht abgeklärt.


    Es dauerte mir viel zu lange, bis Camryn mit den angeforderten Esswaren kam, daher beschloss ich, dem Tier doch ein gewisses Stück zu folgen. Wir legten die Strecke bis zur Grundstücksgrenze zurück, als Aintzane endlich bei uns eintraf und sich sogleich lautstark bemerkbar machte.

    Zitat

    Original von Aintzane
    "Nein!", rief sie. "Geh weg von dem Köter! Er ist gefährlich!"


    Ich drehte mich verwundert zu ihr um und ließ die Hündin dabei aus den Augen, was entweder leichtsinnig oder vertrauensvoll war.


    „Wieso? Kennst du ihn?“, fragte ich mit Überraschung in der Stimme.

    Der Tag hatte längst seinen Abschluss gefunden, als ich – zwar längst ausgekleidet, aber noch immer vor dem Wandspiegel stand und nachdenklich das polierte Metall betrachtete, das zum einen mich und zum anderen das Bett in meinem Rücken widerspiegelte. Ich wusste nicht, woran es lag, aber die Tage häuften sich, in denen ich nicht sofort einschlafen konnte. Am besten gelang mir das Hinübergleiten in den Schlaf noch, wenn die Gedanken bis zuletzt um irgendetwas kreisten, ganz egal, was es war. Doch auch diese Taktik erwies sich mehr und mehr als unbrauchbar; etwas in mir war stärker.
    Ich seufzte – nicht weil es derart furchtbar war, kein ablenkendes Thema zur Hand zu haben, sondern weil ich durchaus wusste, was mir fehlte. Nur eben die Tatsache, warum sich diese Abende häuften, war mir schleierhaft.


    Ich griff nach einem Glastiegel, in dem sich eine kühlende Creme befand, die normalerweise von meiner Leibsklavin aufgetragen wurde. Heute jedoch hatte ich das Bedürfnis, mir darüber hinaus etwas Gutes zu tun. Ein Klecks fand den Weg auf meine Wange. Ich verteilte die Masse, die einen angenehmen Duft ausströmte, dünn und stellte das kleine Gefäß wieder zurück. Auch die Benutzung der Bürste probte ich an diesem Abend erstmalig. Ich stellte dabei fest, dass es weitaus angenehmer war, wenn man das Haar selbstständig ordnete. Damit es über Nacht nicht unnötig in Unordnung zu geriet, schlang ich das Band wieder darum, betrachtete mich ein letztes Mal und schritt auf das Bett zu.
    Ich schlug die dünne Sommerdecke zurück, legte mich hinein, bedeckte mich jedoch nur bis in Hüfthöhe. Selbst in Germania war es zeitweilig warm. Vielleicht lag es ja an den Temperaturen, dass der Schlaf selten auf Anhieb kam, dass Müdigkeit nicht ausreichte, um in das Land der Träume zu gleiten, dass viel zu viel Energie am Ende des Tages noch in mir vorrätig war. Ich schloss die Augen und lauschte meiner Atemfrequenz.

    Helena schien sich zu freuen. Es war das erste Mal, dass ich sie unbeschwert, offen und auf eine aufrichtige Art freundlich erlebte. Nachdenklich betrachtete ich ihr Gesicht und fragte mich, woran die bislang erlebte steife Zurückhaltung gelegen haben mochte, die manchmal fast wie Abneigung auf mich wirkt hatte. Ich nickte, noch immer in Gedanken gefangen.


    „Ja…warum nicht?“, erwiderte ich zerstreut, wandte mich dann jedoch wieder den Sklaven zu, die für die groben Arbeiten zuständig waren. Ich wies sie dahingehend ein, dass sie für längere Zeit selbstständig arbeiten konnten. Einige waren abgestellt, einen verwilderten Strauchabschnitt zu roden und den Boden anschließend umzugraben. Ich beabsichtigte dort eine lange Rabatte anzulegen. Andere sollten die störenden Bäume an der Sonnenseite fällen.


    „Ich möchte nicht, dass jemand zu Schaden kommt, ein Grenzzaun beschädigt wird oder sonst was passiert“, ordnete ich in der Hoffung an, dass meine Worte auf fruchtbaren Boden fielen.


    Geraume Zeit beobachtete ich das Tun der Sklaven, bevor ich mich wieder meiner ehemaligen Cousine zuwandte.


    „Helena?“ Ich schaute sie erneut nachdenklich an. „Du bist nicht glücklich, oder?“, fragte ich mit leiser Stimme, die keine Neugier, sondern eine neue Form von Besorgtheit ausdrückte.

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    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    "Oh, es ist von Wert", widersprach ich. "Das in galena* enthaltene Blei wird beispielsweise für das Bleiweiß verwendet, welches du im Gesicht trägst. In Ägypten verwenden sie es bei der Herstullung von Glas, und man kann sogar Silber daras gewinnen. Du könntest versuchen, es zu verkaufen. Ich bin mir sicher, dass jemand Interesse daran findet."


    Ich sah während meiner Ausführungen zu Deandra und bemerkte daher auch den Blick, den sie mir bedeutsam zuwarf. Schmunzelnd rutschte ich etwas zurück, damit sie Platz nehmen konnte, immerhin waren wir allein, und wer konnte einer solch kecken Versuchung schon widerstehen? Doch kaum dass sie saß, lehnte ich mich etwas vor und zog eine Schublade auf. Ihr entnahm ich ein Pergament, das bereits meine Handschrift aufwies, doch noch nicht fertiggestellt war. Ich legte das Pergament vor uns auf den Schreibtisch und griff nach der vorhin achtlos fallengelassenen Feder, um sie Deandra hinzuhalten. "Fehlst nur noch du."


    Ich hatte also doch einen Schatz ausgegraben, stellte ich mit Genugtuung fest, als Marc das Wort „Silber“ erwähnte. Abschätzend betrachtete ich nochmals den unförmigen Klumpen und fragte mich, wie groß die Menge an Edelmetall wohl wäre, die man aus ihm gewinnen konnte. Derzeit war meine Geschmacksrichtung in Bezug auf Schmuck gänzlich auf silberne Farbtöne ausgelegt, aber ich hatte die Erfahrung gemacht, dass nicht alles ansehnlich blieb, das einmal hellsilbrig geglänzt hatte.


    „Hm.“ Ich grübelte kurz, wobei sich die Brauen zusammenzogen, als sei ich verärgert, aber dem war natürlich nicht so. Angestrengtes Nachdenken zeigte sich eben mitunter in angespannter Mimik.


    „Wen müsste ich denn fragen, um zu erfahren, ob dieser Schatz ein wertvolles und farbbeständiges Silber birgt?“, fragte ich in grüblerischer Sprechweise – zum Teil zu mir selbst, zum Teil natürlich an Marc gerichtet. Selbstverständlich interessierte mich weder Glas noch das Gesichtspulver, das es überall zu kaufen gab.


    Während dieser Gedanken ging Marc auf meinen Vorschlag ein und gewährte den gewünschten Platz auf seinem Stuhl, indem er zurückrutschte. Beinahe abrupt schwenkte dadurch meine Aufmerksamkeit um, mein Lächeln beinhaltete weit mehr als nur ein Dankeschön. Wenn Blicke Sätze formulieren könnten, hätten sie meine verwegenen Gedanken verraten. So aber fiel kein Wort.


    „Mhmm“, erklang es aber sogleich genussvoll, als er sich vorlehnte. Der zustande gekommene Körperkontakt löste diese Wohlfühlbekundung beinahe unwillkürlich aus, ein Nachlassen durch sein Aufrichten mochte ich nicht hinnehmen.


    „Du kannst gerne so bleiben“, bot ich mit einem Blick über die Schulter an. „Diese Form der Rückenstützung hat was.“ Gleichzeitig eliminierte ich jede Möglichkeit, etwas – und sei es nur ein Blatt Pergament – zwischen uns schieben zu können. Ich schmunzelte, wandte den Kopf wieder nach vorn und schaute auf das Schriftstück, das er vor mir ausgebreitet hatte.


    „Ja, fehle nur noch ich“, wiederholte ich und griff nach der Feder. Während ich sie in das Glas mit der kostbaren Tintenfischflüssigkeit tunkte, ging mir durch den Kopf, dass mir bei aller Fantasie nie in den Sinn gekommen wäre, dass ich bei der Willenserklärung für die Registratur einmal eine solch angenehme Sitzposition haben würde. Ich unterzeichnete mit einem Lächeln.




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    Eheregister
    regia des cultus deorum in Roma
    Italia



    M. Aurelius Corvinus et Claudia Aureliana Deandra s.d.


    Wir möchten unser Verlöbnis eintragen, welches PRIDIE KAL MAR DCCCLVII A.U.C. (28.2.2007/104 n.Chr.) in Mantua vollzogen wurde. Dies bestätigen wir mit unseren Unterschriften.


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    ____________________________________________
    Marcus Aurelius Corvinus



    [Blockierte Grafik: http://img413.imageshack.us/img413/3423/cadunterschriftzp8.gif]
    ____________________________________________
    Claudia Aureliana Deandra


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    MOGONTIACUM, ANTE DIEM XV KAL IUL DCCCLVII A.U.C. (17.6.2007/104 n.Chr.)


    Sim-Off:

    über Gebühr: über das Normale hinaus, mehr als üblich, mehr als schicklich. Ist zumeist negativ behaftet. ;)
    Dekolleté: Region um den Brustansatz bzw. darüber.


    Ich dankte Marc mit einem Lächeln für die Vorstellung des Fremden und den angeboten Platz, auf dem ich nun bereits zum zweiten Mal sitzen durfte. Die Hände legte ich neben das dort befindliche Papier, während mein Blick zufrieden über die Tischplatte hin zu dem Gast streifte. Ich stellte fest, mit einem Tisch vor sich fühlte man sich augenblicklich nicht nur wichtig, sondern auch irgendwie sicher. Soso, daher saß Corvi so gerne dort. Ich schmunzelte bei diesem Gedanken, schaute ihn flüchtig an, wandte meine Aufmerksamkeit dann aber wieder Corax und seinem Anliegen zu.


    „Du bist Klient meines Vaters? Na dann…“ Ich lächelte und beschloss, meine übertriebene Zurückhaltung aufzugeben. „Du möchtest also ein Pferd. Ja, da bist du hier richtig. Wozu soll es sich denn eignen?“


    Ich wollte zunächst abwarten, wie gut sich Corax mit Pferden auskennen würde. Möglicherweise musste ich ihm bei der Wahl des Geschlechts und des Alters behilflich sein.

    Noch bevor Marc mir irgendwelche Erklärungen liefern konnte, war der mir fremde und doch irgendwie bekannt erscheinende Mann herangetreten und hatte sich niedergekniet. Als er nach meiner Hand griff, blickte ich zunächst verwundert auf seinen Haarschopf und anschließend zu Marc, um mit Blicken zu erfragen, was hier eigentlich vor sich ging und wie ich die Situation zu werten hatte. Der Druck der Lippen auf meinem Handrücken bannte meine Aufmerksamkeit aber erneut. Ich schaute auf den vor mir Knienden, der meine Hand über Gebühr lange in seiner hielt, was mir letztlich missfiel und mich dazu veranlasste, sie ihm vorzeitig zu entziehen. Ich legte sie auf mein Dekollete, die andere als Schutz oben drauf und hörte mir seine nun folgenden Erklärungen an.


    Auf seinen ersten Satz wusste ich nichts zu sagen, fragte mich allerdings flüchtig, woher der Fremde sein Wissen über Marc bezog. Nein, ich wollte keine vorschnellen Schlüsse ziehen, Marcus würde mich sicherlich in Kürze darüber aufklären.
    Ich verfolgte, wie der Mann wieder Platz nahm und kurz darauf eine ähnlich verwunderliche Bemerkung tätigte. Von welchem Namen er wohl sprach, fragte ich mich, denn auch wenn ich nicht einschätzen konnte, ob ihm der voller Name meines… hier stutzte ich unwillkürlich, denn das Wort „Verlobter“ kam noch nicht flüssig über die Lippen. Es war noch zu frisch in meinem Denken verankert.
    Aber dennoch: Obwohl ich nicht wusste, ob ihm der volle Name bekannt war, stand immerhin fest, dass es bei Marc mehr als nur einen Namensteil mit Bedeutung gab.


    ‚Hm’, dachte ich. ‚Na, hoffentlich rettet Marc bald die Situation.’ Ich stand immer noch neben seinem Stuhl, durch die Verblüffung war eine Fortbewegung unmöglich geworden. Meine Augen suchten den Kontakt.