Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

    Uh, ich auf einem Pferd?! Das ging ja schon mal gar nicht, auch wenn das Angebot sicherlich nett gemeint war. Dabei ging es mir nicht um die Wunden, ich hatte seit Jahren mit Pferden Kontakt und würde diese Tiere sicherlich vorsichtig behandeln, aber bereits vor Jahren hatte die Acta von einem unschicklichen Ritt meinerseits berichtet. Nein, auf eine Neuauflage konnte ich gerne verzichten. Ich durfte nicht mehr wie früher gedankenlos handeln, weil alles, was ich tat, auch auf ihn fallen würde. Griesgrämig verzog ich mein Gesicht.


    „Ich glaube, es geht noch“, sagte ich tapfer und zugleich unendlich müde. Ich spürte meine Beine kaum noch, schwankte mehr als dass ich lief. Mit zusammengepressten Lippen setzte ich einen Fuß vor den anderen, den Blick auf den Boden geheftet und darauf hoffend, keinen Stein und keine Wurzel im Weg zu haben, denn den Fuß regelrecht anzuheben, war mir nicht mehr möglich.

    "Ja, da muss was sein", stimmte ich Aintzane zu, als die Hündin erneut wie wild zu bellen anfing, fortlief und wieder bellte. "Als Hund würde ich vermutlich auch so ein Theater machen", fügte ich grinsend an. "Komm, lass uns nachsehen."


    Ich gab meiner Sklavin mit dem Kopf einen Wink, ließ den Soldaten einfach stehen und schritt auf die Hündin zu, die zielstrebig einen Weg verfolgte, dessen Sinn sich mir erst erschloss, als wir schließlich am Rand eines Schachtes standen. Vorsichtig lugte ich hinein, konnte aber durch die Tiefe bedingt nicht bis auf den Boden blicken.


    "Ob sich hier ein Tier verfangen hat?", überlegte ich laut. "Pscht", erschreckte ich es, oder versuchte es zumindest. Wieder lauschte ich angestrengt.

    Zitat

    Original von Appius Terentius Cyprianus
    Hmm wenn der CP keine Privatpost mehr befördern würde, dann müßte sich ja jeder irgendwie Sklaven oder zwei IDs für den Postversand holen.
    Oder halt alles per PN was schon irgendwie schade wäre, weil es ja durchaus nen schönes Element des Spiels hier ist.


    Für mich war der CP bisher auch ein schönes Spielelement, aber bis zu 10 Tage bei Normalpost, wie Avarus sagt, ist mir definitiv zu lang. 20 Sz für Eilpost ist mir wiederum zu teuer, ich bin sparsam veranlagt. ;) Außerdem bleibt die Post ja häufig mal liegen. Ein Sklave transportiert innerhalb eines Tages und das auch noch kostenlos. Ich find, diese Alternative (wenn auch nur für manche Spieler) muss bei der Organisation (Preis, Zustelldauer) des CP berücksichtigt werden. Oder trägt das aktuelle Angebot des CP dem bereits Rechung? Mir ist klar, dass diese Einrichtung zeitaufwendig ist.



    Zitat

    Original von Publius Decimus Lucidus


    Ich weiß ja nicht wie es Avarus geht, aber ich für meinen Teil empfinde Kritik in so einer Form als weitaus unangenehmer als ohne gekünsteltem Witz und Smiley Kram.


    Ein Wort auch noch hierzu: Corvinus ist nie gekünstelt, man kann ihn 1zu1 nehmen, immer. Wenn er Grinssmilies setzt, dann sind die so gemeint.


    PS: Ich setze meine Smilies auch nach meiner aktuellen Stimmung. Ich dachte auch bislang, das ist der Sinn dieser Dinger. :D

    Zitat

    Original von Medicus Germanicus Avarus
    Und wenn ich solche Gusten wie diesen Aurelier in Germanien sehe, dann dauert es eben auch mal richtig lang. (...)
    ... weil der Herr Graf eben seine dämlichen Briefe zu spät abgeschickt hat oder es ihm vom Ar... in den Kopf gestiegen ist ...


    Weil mich diese Bemerkungen heute noch genauso wie gestern stören, äußere ich mich auch noch mal zur Sache.


    Wir befinden uns in einem Thread, wo nach einer Lösung für die Postübermittlung in Germania gesucht wurde. Die Art und Weise habe ich eher als witzig denn angriffslustig empfunden.


    Deine ID, Avarus, kann „diese Guste“ in Germania nicht sehen, weil sie in Italia weilt. Daraus folgt, dass deine Bemerkung rein SimOff aufzufassen ist. Dies als Zusammenfassung und für den Überblick. Mitunter tangieren Dialoge auch Dritte, das ist in diesem Fall geschehen und soll dir hiermit bewusst gemacht werden. Ich hätte genauso das erhöhte Porto zurückgefordert, wenn zum wiederholten Male Eilbriefe, deren Übermittlung das Vierfache kostet, unbearbeitet bleiben. Beim ersten Mal sagt sicherlich keiner was, wie ja auch in Corvinus' Fall geschehen. Ich werde mir demnächst überlegen, ob ich den Cursus Publicus nutze, falls ihr das erreichen wolltet, habt ihr das erreicht. Eilbriefe versende ich schon lange nicht mehr.

    Ich sagte nichts zu den Baukünsten meines Leiters dieser inzwischen aus allen Fugen geratenen Unternehmung, aber auf seine Erklärungen hörte ich. Zwar verstand ich nicht den Sinn, denn zum einen fehlte mir die Kenntnis über germanische Geister und zum anderen auch das Verständnis dafür, dass es womöglich ein weiteres Totenreich als das römische geben konnte, aber ich war für den Moment zufrieden. Wortlos lief ich hinter Loki her, der das Tempo spürbar anzog. Lange würde ich das nicht durchhalten, ich war Fußstrecken nur bedingt gewöhnt. Ja, wenn hier ein Fluss wäre und es um das Schwimmen ginge, sähe die Welt viel freundlicher aus.


    Nach etwa einer Meile, die mir vorkam, als wenn sie im Tempo von trabenden Pferden zurückgelegt worden wäre, blieb ich einfach stehen.


    „Ich kann nicht mehr, ich brauche eine Pause.“

    Meine Sklavin ließ ich auf dem Flur stehen, als ich nach der Begegnung mit Marc in mein Cubiculum zurückkehrte. Den Kopf voller Sorgen, der Magen eigenartig zugeschnürt, ließ ich mich auf das Bett fallen und starrte unbeweglich an die gegenüber liegende Wand. Marcs Verhalten war beunruhigend, ich kannte ihn so nicht. Die Unruhe wurde durch die Ungewissheit über den Grund seines Verhaltens noch verstärkt. Hinzu kam die Enttäuschung darüber, dass ich für ihn offensichtlich nicht ausreichend vertrauenswürdig war, um auch nur ein Wort der Verständigung mit mir zu wechseln. Diese Erkenntnis war ernüchternd, sie war sogar niederschlagend.


    Minuten mochten vergangen sein, als es klopfte und ungefragt meine Leibsklavin mit einem Tablett eintrat.


    „Du kannst gleich wieder umdrehen, ich möchte nichts essen“, fuhr ich sie an. Etwas zu mir zu nehmen, war das Letzte, nach dem mir jetzt der Sinn stand. Mein Hals war ohnehin zugeschnürt.


    Als sie nicht gehen wollte, runzelte ich ärgerlich die Stirn, bemerkte dann, dass sie sich merkwürdig verhielt, was sicherlich nicht mit dem abgelehnten Essen zusammenhing.


    „Was ist?!“, fragte ich in gereiztem Tonfall.


    Die Sklavin trat auf das andere Bein, sie war sich nicht sicher, ob sie durch eine Information die Laune ihrer Herrin noch mehr verschlechtern würde. „Möchtest du darüber unterrichtet werden, wenn es etwas über den jungen Herrn zu berichten gibt?“, fragte sie vorsichtig nach, der Kopf steckte tiefer als sonst an den Schulterblättern. Sie fühlte sich sichtlich unwohl, weil sie dachte, der Herr wäre geistig krank geworden.


    Ich drehte mich ihr verwundert zu. „Natürlich möchte ich das. Was für eine dumme Frage.“ Abwartend blickte ich sie an.


    „Der Herr Corvinus ist in sein Zimmer gegangen, er war nur mit einem Tuch bedeckt. Und jetzt werden Maronen für ihn im Auftrag der Herrin Helena geröstet.“


    Meine Augen nahmen eine unnatürliche Größe an. Helena? Was sollte das bedeuten? Sie war nicht seine Mutter, nicht seine Leibsklavin und auch nicht seine Frau. Ich merkte, wie Ärger in mir hochstieg, versuchte ihn aber zu kontrollieren.


    „Halte mich auf dem Laufenden“, gab ich zur Antwort und wandte den Kopf in Richtung Fenster. Das fehlte noch, dass die Sklavin die Auswirkung meiner gestiegenen Enttäuschung sah. Es gab derzeit genug Gesprächsstoff in der Küche. Ich hörte, wie die Tür leise ins Schloss gezogen wurde und war mit meinen Gedanken allein.

    Hatte nicht einmal jemand behauptet, Beriefe schreiben mache Spaß? Wieder einmal vergeblich suchte ich nach dieser Begleiterscheinung bei der Abarbeitung der unangenehmen Pflicht, und nichts anderes war Briefeschreiben für mich: Eine Pflichtveranstaltung. Ich seufzte hörbar, als ich mich setzte. Um die Angelegenheit wenigstens etwas aufzuwerten, hatte ich mir in Marcs Abwesenheit sein Officium als Arbeitsplatz ausgesucht. Mein Po ruhte derzeit auf der Fläche, wo er sonst saß, die Arme lagen dort, wo sonst seine ruhten – falls sie ruhten. Die Feder lag bereit, das Tintengefäß stand griffbereit und die Schreibunterlage lag bereits vor mir.


    Mein Blick schwenkte nach rechts unten, wo ein paar Schubladen zu finden waren. Sicherlich wäre es interessant gewesen zu schauen, was darin verborgen lag, aber ich hatte alles, was ich brauchte, und damit erübrigte sich ein Nachsehen. Der Inhalt der Fächer ging mich nichts an.


    Nachdem ich die Regale, Beleuchtungskörper und den Wandschmuck betrachtet hatte, gab es nichts mehr zu erkunden, also zog ich mir widerstrebend das Pergament heran. Ich starrte auf das Papier und stellte mit Erleichterung fest, wie überaus beträchtlich es bereits durch Marc gefüllt war. Trotz dieser Tatsache fiel mir einfach kein Anfang ein. Eine nähere Verbindung zu meinem Vater war nie zustande gekommen, dafür war die Zeit nicht ausreichend vorhanden gewesen. Was schreibt man also jemanden, zu dem man kaum eine Beziehung hat? Ich seufzte erneut. Etwas Spannendes gab es nicht zu berichten, höchstens meinen Ausflug in Germaniens Wälder. Den allerdings sollte ich lieber nicht erwähnen, denn das würde Marcs Aussage widersprechen. Von meiner unausgefüllten Sehnsucht konnte ich ihm schließlich erst recht nicht schreiben. Wenn ich es mir recht überlegte, ging das ja keinen Dritten an. Auch der nächtliche Ausflug, der durch einen Hund verursacht wurde, eignete sich nicht. Ich blies entnervt die Luft durch die geschlossenen Lippen, die daraufhin ein eigentümliches Geräusch verursachten.


    Der Resignation nahe, stützte ich das Kinn in die Hand, tippte mit der Fußspitze rhythmisch auf den Untergrund und verzog Mund und Augenbraue zu einer genervten Grimasse. Plötzlich kam ein Einfall, ich richtete mich tatenfroh auf, nahm die Feder, tauchte sie ein und setzte sie auf das Papier.




    Ad
    Herius Claudius Vesuvianus
    villa claudia in Roma
    Italia



    Aurelius Corvinus Claudio Vesuviano s.d.


    Geschätzter Freund, ehe ich zu einer wichtigen Bitte komme, lasse mich kurz berichten, wie es mir und den meinen bisher im rauhen Germanien ergangen ist. Die Reise nach Mogontiacum war beschwerlich, doch gelangten wir ohne Verzögerung sicher an. Dir sei versichert, dass scharfe Sklavenaugen tagtäglich scharf über die Sicherheit deiner Tochter wachen, wenn ich nicht selbst zugegen bin, um ihre Sicherheit zu garantieren. Meine Arbeit im castellum geht gut voran, doch einmal mehr bewundere ich dich für die Ruhe und Gelassenheit, die du dir angesichts deines eigenen Amtes bewahrt hast. So manches Mal wünschte ich, dich als mentor zu einer Angelegenheit befragen zu können.


    Doch nun genug von mir. Deandra geht es gut, sie möchte im Anschluss selbst noch einige Zeilen anfügen. Wir schreiben dir mit der Bitte, unsere Verlobung im tabularium eintragen zu lassen, denn dies ist bisher nicht geschehen. Anbei senden wir dir daher die entsprechende Erklärung zu, mit welcher du bitte das Eheregister aufsuchen möchtest, um als pater Deandras unsere Verbindung zu bestätigen. Ich gestehe, dass mich seit unserer Abreise auch eine Frage beschäftigt, die ich dir nun, da ausreichend Zeit verstrichen ist, gern stellen würde: Hat mein Vetter Sophus sich in irgendeiner Weise geäußert, gar Ansprüche gestellt?


    Mit dieser Frage werde ich nun auch schließen. Mögen die Götter ihre schützende Hand über dich und die deinen halten, mein Freund, und dir Ansehen und Ehre gewähren angesichts deiner Quästur.


    Vale.


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    MOGONTIACUM, ANTE DIEM III KAL IUL DCCCLVII A.U.C. (29.6.2007/104 n.Chr.)



    Lieber Vater,
    wir dachten, es wäre eine schöne Idee, wenn du in diesem Brief von uns beiden hörst. Alles Wichtige hat Corvinus ja bereits erwähnt, ich übernehme jetzt den angenehm nebensächlichen Teil. Es geht mir sehr gut, ich habe bereits wichtige Personen der Provinz getroffen und werde auch sonst recht verwöhnt. An meiner Hand glänzt ein besonderer Ring; ich werde ihn dir, so bald es geht, einmal zeigen. Selbstverständlich sitzt er noch locker, keine Sorge, du verstehst?


    Grüße bitte die Familie von mir, vor allem Epicharis.
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    Ich nahm an, dass jeder Mann wie Marc dachte und meine Bemerkung von Vesuvianus nicht nur richtig gedeutet werden konnte, sondern ihm noch einiges mehr berichtete. Das Siegeln würde Marc vornehmen müssen, also ließ ich das Schreiben einfach liegen, erhob mich und verließ, um eine Last erleichtert, das Officium.

    Es stellte sich recht bald heraus, dass der vermeintliche Einbrecher ein Soldat war, was mich nicht nur entspannen ließ, sondern sogar noch beruhigte. Als er allerdings zu sprechen begann, drehte ich mich verblüfft um. War außer mir noch jemand hier? Er konnte ja wohl unmöglich meine Sklavin mit Dame bezeichnet haben. Oder doch? Ich grübelte kurzfristig, wandte mich ihm dann aber ergebnislos zu.


    „Ich erforsche gerade das Nachtverhalten eines germanischen Hundes“, antwortete ich neckisch, weil ich der Meinung war, dass ich ihm eigentlich nicht Rede und Antwort stehen musste. Ich reckte den Kopf und suchte nach dem Zielobjekt, das sich merkwürdigerweise unbeweglich und lautlos benahm.


    „Was hat er denn jetzt?“, fragte ich Aintzane und dreht mich ihr zu. Offensichtlich war sie die Einzige, die sich mit Hunden auskannte.

    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    Nachdem der Peregrine den Raum verlassen und die Tür geschlossen hatte, wandte ich mich an Deandra. "Also, wenn du mich fragst... Mir kommt er etwas suspekt vor. ..."


    Als Marc zu sprechen begann, wandte ich ihm den Kopf zu. Bereits nach dem ersten Satz nickte ich.


    „Er ist wunderlich“, stimmte ich ihm zu, warf es aber nur gedämpft ein, denn es gehörte sich nicht, einem anderen ins Wort zu fallen. Auch den Gedanken, dass er dennoch korrekt behandelt werden müsse, weil er Klient meines Vaters war, teilte ich.
    Wie zu erwarten war, kam Marc noch einmal auf den Reitunterricht zu sprechen. Als sich seine Braue hob, erforderte dies schon zwangsläufig das Hochziehen meiner Augenbrauen. Dadurch entstand ein Ausdruck auf dem Gesicht, der Gespanntheit, schmunzelndes Wohlwollen und den Gedanken, dass diese Darlegung unnötig war, gleichzeitig beinhaltete.


    „Jaaa, du hast Recht“, sagte ich dennoch mit einer Spur verschmitzter Grummeligkeit, weil ich es erstens nicht gut fand, dass er so tat, als könne ich einen Fehler nur dann erkennen, wenn er richtig ausgewalzt war, und zweitens erinnerte er mich an die Moralpredigten unseres Vaters, als ich mal wieder nicht vorbildlich genug war. Wieder einmal stellte ich fest, dass sich unsere Positionen zu früher deutlich gewandelt hatten. Wenn ich ehrlich war, mochte ich aber sogar seine Art, jedoch zugeben wollte ich das nicht. Schließlich bestand die Gefahr, dass er mal übertreiben könnte.


    „Eigentlich ist es nicht nötig, dass ich noch länger hier bleibe. Oder ist dir weiblicher Beistand wichtig?“, fragte ich schmunzelnd, während ich das Kinn in den Handteller des abgestützten linken Armes legte. Ich brachte den Kopf in eine schräge Haltung, die mein gesunkenes Interesse an der Verhandlung im Ganzen ausdrückte.

    Das Leben war so ungerecht! Ich bestand wie Marc aus Fleisch und Säften, ich liebte und begehrte wie er, ich durfte so wenig mit ihm schlafen wie er mit mir und mir ging es mit dieser erforderliche Zurückhaltung so schlecht wie ihm. Ich atmete schwer aus, so als würde ich die Last von uns beiden alleine tragen, und im Grunde verhielt es sich auch so. Ich spürte, dass er nicht länger bereit war, Zurückhaltung zu üben. Gleichzeitig wusste ich, dass er sein Wort gegenüber meinem Vater nicht brechen würde. Die Lösung hieß irgendwie, aber nicht Deandra, es war üblich, statthaft und doch verletzte es mich zutiefst.
    Das Leben war ungerecht. Ich hatte auch Wünsche, große Sehnsüchte, und was wurde aus mir?


    Die in Warteposition verweilende Sehnsucht, das gewaltsam gestoppte Verlangen, die aufgeschobene Teilerfüllung und diese trüben Gedanken trugen dazu bei, dass sich Resignation mit Begehren und Traurigkeit mit Leidenschaft mischte, ein Cocktail, der so gut wie unverdaulich war. Während Marc an seinem ersten Brief arbeitete, überlegte ich, welche Möglichkeit es für mich gab, die mein Leiden mildern würden, denn anders konnte man es nicht bezeichnen. Gab es Mittel zur Betäubung? Zur körperlichen und geistigen Ruhigstellung? Ein Abreagieren an anderer Stelle war für mich indiskutabel. Ich nahm mir vor, gleich morgen zu einem Medicus zu gehen.


    Die Zeit tropfte schwerfällig dahin und ließ mir viel zu viel Raum für trübe Gedanken. Ich überlegte, wo ich die beiden Ärzte, die mich bereits kannten, treffen würde. Einer, so glaubte ich mich zu erinnern, war Meridius’ Leibarzt und als solcher sicherlich mit dem Legaten abgereist. Blieb noch der Legionsarzt. Ein Schmunzeln huschte bei dem Gedanken über mein Gesicht, ich würde ihm mein Leid schildern und dabei erklären, dass es nur daraus resultierte, weil ich mit dem Tribunus seiner Einheit noch nicht verheiratet bin. Die Vorstellung war derart witzig, dass ich lachen musste. Zu spät fiel mir ein, dass dieses Beben sicherlich unpraktisch beim Briefe schreiben war, daher hielt ich sofort inne, indem ich die Atmung stoppte und auf seine Reaktion wartete. Offensichtlich hatte ich Glück gehabt, der erste Brief war erledigt, ich atmete erleichtert aus.


    Ich dachte, jetzt musste Rühren erlaubt sein, außerdem wurden mir langsam die Arme schwer, weil sie in viel zu hoher Position verweilen mussten. Ich streckte die Glieder und auf seine Frage, ob es noch gehen würde, antwortete ich mit einem wenig aufschlussreichen: „Na ja…“
    Eine Idee schoss mir durch den Kopf: Ich hatte nur zugesagt, mich ruhig zu verhalten, nicht aber die Arme in unbequemen Höhen zu belassen. Die neue Position war unterhalb des Bauchnabels und nicht nur bequemer, sondern auch reizvoller, was meine Gedanken nunmehr wieder stärker an Marc band. Ich atmete einmal tief durch, legte die Wange an seinen Rücken und streichelte imaginär seinen Bauch. So kurz davor und doch unerreichbar weit. Ich seufzte.


    Wieder begann eine Wartezeit, die ich diesmal mit der Erforschung der Frage nutzte, warum sich körperliche Sehnsucht zu einer echten Plage steigern konnte. Vermutlich, so meine Hypothese, begehrte man das, was man nicht haben durfte oder konnte, umso mehr. Trotzdem erklärte das noch lange nicht, warum ein anderer Mensch mit seinem Körper ein solches Empfinden auslösen konnte. Warum entstand überhaupt diese Fixierung auf einen Menschen, der anders gebaut war? Was machte die große Anziehung gerade dieser anderen Bauweise aus? Alles Fragen, die ich mir auf Anhieb nicht zu erklären wusste. Währenddessen grassierten wieder die Kurzatmigkeit, das Herzrasen und der Aufruhr, dessen Ursprung nicht mehr zu orten war, weil er sich inzwischen überallhin ausgebreitet hatte.



    Stunden mussten vergangen sein, wenn ich mein Gefühl danach gefragte, da war Marc endlich mit dem nächsten Schriftstück fertig. Es stellte sich heraus, dass es der Brief an meinen Vater war, vermutlich deswegen hatte die Fertigung soo lange gedauert. Regelrecht verblüfft, hob ich den Kopf, als mir das Pergament zur Fertigstellung nach hinten gereicht wurde.


    „Ich könnte, aber du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich das auch mache.“


    Ich nahm das Schreiben entgegen, lehnte mich zur Seite, um an die Kommode zu gelangen. Dort lag der Brief gut, wie ich fand. Einmal die Hände gelöst, nutzte ich die Chance und setzte die nächste Umarmung noch tiefer an. Tief genug.

    Endlich war ein Ende dieses Weges durch dichtes Gestrüpp, das voll mit ekligen Krabbeltieren war, in Sicht. Zwar wurde es nicht hell, aber immerhin konnte ich eine bessere Orientierung finden. Als ich mich aus der gebückten Haltung aufrichtete, sah ich, wie die Hündin jemanden anfiel.


    „Bei den Göttern, ein Einbrecher oder so was“, flüsterte ich zu Aintzane gewandt. „Sie wollte uns auf eine Gefahr hinweisen, hat uns aber nun in eine Gefahr gebracht. Was, bei den Göttern, machen wir denn jetzt?“


    Ich rührte mich nicht von der Stelle, auch wenn mir klar war, dass mich der Mann bereits gesehen haben musste. Mir fehlte der Überblick über die Situation, und den wollte ich mir zunächst verschaffen. Sorgfältig musterte ich ihn. Die Stille wollte ich nicht als erste durchbrechen. Jetzt erst wurde mir bewusst, wie leichtsinnig mein Verhalten gewesen war, ohne männliche Begleitung durch die Nacht zu streifen.

    Seine Gründe, weswegen die zu erledigende Post Vorrang haben sollte, waren durchaus nachvollziehbar. Eine Argumentation dagegen würde mir schwer fallen, das sah ich ein. Das Dumme war einfach, weil er ja fast jeden Abend, wenn er schon einmal in der Villa nächtigte, irgendetwas Wichtiges zu erledigen hatte, mit der Ausführung der angenehmen Dinge aber weit im Rückstand lag. Die Situation stellte sich für mich wie ein liebevolles Kräftemessen dar: Keiner von uns wollte so recht nachgeben, ein Kompromiss musste also her.


    „Es ist ja nicht so, dass ich deine Arbeit gering schätze“, begann ich und kam auch sofort wieder ins Stocken. Ich lehnte die Wange an seinen Rücken, meine Hände wurden noch von Marc gehalten, ich sprach und schaute in Richtung eines Regals an der Zimmerwand. „Es gibt aber Wünsche, die ich gerne erfüllt hätte, ich hab dich viel zu selten für mich alleine.“


    Das klang ja schon fast wie eine Beschwerde und dabei hatte ich vor kurzem Helena erst gesagt, dass ich stets handele und mich nicht erst beschwere. Wobei, genau das hatte ich ja auch vorgehabt, bis ich auf Marcs Pflichtbewusstsein gestoßen war. Ich stand also vor der Entscheidung, gehen oder bleiben. Tja, irgendwie ging die Variante „gehen“ nicht umzusetzen. An dieser Stelle war mein Wille tatsächlich zu schwach. Marc hätte grob werden müssen, um den Willen zu aktiven, denn der wäre nur erstarkt, wenn der Wunsch nach Nähe erloschen wäre.


    „Wäre es für dich ein akzeptabler Kompromiss, wenn ich bleibe und mich, ähm, ruhig verhalte?“


    Ich hatte zwar keine Ahnung, ob ich eine halbe Stunde lang untätig sitzen konnte, wenn all das, was ich begehrte in greifbarer Nähe war, aber auf einen Versuch wollte ich es ankommen lassen. Auf jeden Fall registrierte ich erfreut, dass er gedachte, nur das Wichtigste abzuarbeiten. Und trotzdem…weil alles in mir in Aufruhr war, weil das Herz pochte, dieses Kribbeln sich in Dimensionen gesteigert hatte, die jeder Ruhigstellung im Grunde widersprachen, bedeutete warten eine Qual. Ich stützte meine Stirn gegen seinen Rücken, seufzte einmal ergeben und stellte mich auf eine endlose halbe Stunde ein.

    Offensichtlich hatte sich Helena Gedanken um Camryns Gefühle gemacht. Das war so ungewöhnlich, fast unglaublich, dass ich zunächst dieses Thema übersprang und auf ihre letzte Bemerkung einging.


    „Um ehrlich zu sein, weiß ich auch nicht, wie Marcus auf die Frauen seiner Umgebung wirkt“, erwiderte ich schmunzelnd. Helena wirkte inzwischen lockerer oder vergnügter. Zumindest fasste ich ihr Zwinkern, das ich während eines Seitenblicks wahrnahm, in diesem Sinne auf. „Ich habe mir nie darüber Gedanken gemacht. Wie wirkt er denn?“


    Während ich durchaus gespannt auf die Antwort wartete, gingen mir wieder Helenas Worte über Camryn durch den Kopf. Ich blieb schließlich stehen und blickte meine ehemalige Cousine an.


    „Ähm, Helena“, begann ich, und setzte mich doch wieder in Bewegung, weil so das Reden leichter fiel. „Die Gefühle einer Sklavin interessieren mich absolut nicht. Und du denkst doch nicht etwa im Ernst, ich könnte wegen Camryn beunruhigt sein?“ Wieder musste ich Helena forschend anblicken, weil unser Thema zu absurd war, um es überhaupt zu besprechen, und doch taten wir es im Augenblick. Der nächste Satz verblüffte mich jedoch noch mehr, sodass ich erneut stehen blieb. Ich strich mir über die Stirn, als wenn ich Kopfschmerzen hätte, dabei suchte ich nur nach den passenden Worten.


    „Es wäre sicher nicht leicht, mit der Frau unter einem Dach zu leben, mit der Marcus das Bett vor mir geteilt hat, ja. Wobei … Helena, ich weiß, was ich wert bin, vermutlich würde mich nicht einmal eine solche Wohnsituation stören. Was jedoch Camryn betrifft, sie kann weder als Frau gesehen werden noch hat Marcus mit ihr das Bett geteilt. Er hat sie in seinen Dienst gestellt, das ist alles. Diese Tatsache stört mich nicht unbedingt, es war schließlich vor meiner Zeit …“


    Ich schwieg für kurze Zeit, mein Blick war auf den Boden gerichtet. Nein, Camryn war tatsächlich nicht das Problem, auch nicht der Gedanke, dass es mehrere Camryns gegeben haben könnte, und ebenso wenig die Tatsache, dass die Sklavin in böser Absicht gehandelt hatte, als sie auf der Herfahrt diese Unterstellung mir gegenüber geäußert hatte. Jetzt, tatsächlich erst jetzt, erkannte ich den wahren Grund meiner Verärgerung und der daraus resultierenden Entgleisung.


    Ich hob den Kopf und fragte mich, ob Helena bereits alt genug war, sodass ich auch über dieses Thema mit ihr sprechen konnte.


    „Du warst noch nie verliebt, oder?“ Ich wollte mich vorsichtig vortasten.
    Obwohl die im Garten arbeitenden Sklaven bereits in Hörweite waren, blendete ich diesen Teil der Umgebung aus. Mein Blick war auf Helena gerichtet.

    Ich fand Aintzanes Idee gar nicht so abwegig. Zumindest konnte man den Versuch starten, ihm zu folgen, falls er wirklich vorhatte, uns irgendwohin zu locken. Etwas musste auf jeden Fall passieren, denn das laute Bellen störte inzwischen sicher nicht nur die schlafenden Nachbarn, sondern auch mich. Kleine Hunde waren da bedeutend angenehmer, sie strapazierten weniger mein empfindliches Trommelfell. Außerdem rochen sie nicht so streng. :P
    Mein Blick suchte Aintzane, die mir als Ratgeber momentan sehr nützlich war.


    „Probieren wir es doch einfach aus und folgen ihm. Es wird sich ja zeigen, ob dein Gedanke richtig war.“ Ich setzte den Vorschlag sogleich um und folgte dem Hund auf einem Schleichweg, der von unserem Anwesen führte und den ich bisher noch gar nicht kannte. ‚Ist ja interessant’, dachte ich. ‚Was man bei dieser Gelegenheit alles so entdeckt.’


    Die Nacht war von ungewohnten Geräuschen erfüllt. Langgezogene Rufe von Nachtvögeln erklangen mal aus der Ferne und dann wieder ganz nahe. Das Rascheln im Gestrüpp zu beiden Seiten des Pfades setzte stets unverhofft ein, es ließ mich, auch wenn ich nicht ängstlich veranlagt war, innerlich jedes Mal zusammenfahren. Klebrige Fäden, die von den Zweigen hingen und in deren Herstellern ich die von mir verabscheuten Krabbeltiere vermutete, blieben immer wieder in meinem Gesicht hängen. Mein angewiderter Ausdruck war zum Glück für niemand zu erkennen, weil wir der Enge wegen hintereinander und zudem gebückt laufen mussten. Sie seufzte, als der Weg kein Ende nehmen wollte und die Hündin keinerlei Anstalten machte, das Ende der Wanderung einzuläuten.

    Seine Einwände, er könne nichts sehen, wenn ich bliebe, wischte ich mit einem Lächeln fort. Na, dem konnte ich doch Abhilfe schaffen.


    „Kein Problem, mein Liebster. Selbstverständlich soll deine Sicht nicht behindert sein.“


    Ich rutschte von seinem Schoß und deutete mit einer Handbewegung an, er könne wieder vorrutschen. Dieser Einladung würde er sicher folgen, denn es sah schließlich nach einem Rückzug meinerseits aus, was allerdings ein Trugschluss war. Doch ob er nun dem nachkam oder nicht, ich belegte umgehend den schmalen Raum zwischen seinem Po und der Lehne. Es hatte Vorteile, wenn man schlank war, auch wenn ich zusätzlich etwas Ruckeln und seinen Oberkörper leicht vordrücken musste, um hinter seinem Rücken halbwegs bequem Platz nehmen zu können.


    „Natürlich befürchte ich nicht, du könntest dein Wort brechen. Für meine Hartnäckigkeit gibt es viel gewichtigere Gründe.“ Es war aus meiner Sicht mindestens genauso wichtig, dass ich ihn als Mann schätzte, wie er von anderen hoffte, als vorbildlicher Römer geschätzt zu werden. Und es gab noch einen weiteren Grund:


    „Du kannst wirklich viel von mir verlangen, aber in Puncto Körperlichkeit kann ich deinen Wünschen – wenn sie meinen widersprechen – kaum nachkommen, weil ich selbst keinen Zugriff auf mich habe“, erwiderte ich mit einem übertrieben ernsten Kopfnicken. „Ich bin viel zu schwach, als dass ich den Willen über mein Verlangen stellen könnte“, fügte ich im Brustton der Überzeugung an.


    Ein Schmunzeln, das sich schnell in ein breites Lächeln wandelte, kündete von dem Spaß, den ich bei der Abgabe dieser Erklärung hatte. Zur Bestätigung meiner Worte, die ich keineswegs durch das Lachen zu stark abschwächen wollte, weil ich dem Vergnügen bewusst einen größeren Stellenwert in meinem Leben einräumte, schob ich meine Arme um seine Taille und drückte meine Lippen auf den Tunikastoff. Dabei schoss mir durch den Kopf, dass es eine weitaus bessere Kussgrundlage geben könnte. Nach einem flüchtigen Anschmiegen löste ich die Umarmung und strich mit den Händen nach unten. Der Saum war schnell erreicht.


    „Schreib doch ruhig!“, erinnerte ich ihn an sein Vorhaben, während die Hände nun unter der Tunika nach oben strichen.

    Ich fragte mich, warum ich nicht viel eher auf die Idee gekommen war, ihn offensiv von seinem Schreibtisch wegzulocken, oder, sofern das nicht ging, ihn wenigstens vom Arbeiten abzuhalten. Vermutlich lag es daran, weil mir einerseits stets bewusst war, dass wir eine Grenze nicht überschreiten durften, andererseits hätte ich aber auch nie gedacht, wie einfach es war, ihn abzulenken. Zumindest sah es ganz danach aus. Ich spürte, wie Leben in den gerade noch reglosen Körper kam, seine Arme umfingen mich, eine Hand streichelte und ein sachter Druck, der auf eine höchst empfindsame Region traf, ließ mich alles ausblenden, was störend, ablenkend oder unwichtig war. Ich stellte selbst die Liebkosungen mit den Lippen ein, um durch nichts von diesen Regungen abgelehnt zu sein. Ein Schauer jagte durch meinen Körper und blieb als leichtes Zittern zurück, der Atem konnte sich nicht zwischen flach und stoßweise entscheiden. Begann hier eine Art Sucht? War ich längst süchtig? Wollte ich es sein? Ja, auf jeden Fall. Zu verlockend waren die ausgelösten Empfindungen, bittersüße Regungen in mir - süß, weil so unsagbar angenehm, bitter, weil viel zu selten hervorgelockt, zudem unerfüllt, nicht von ihm gestillt.


    Vertieft in diese Eindrücke, erfüllt mit dem längst ausgelösten Kribbeln bemerkte ich, dass er endlich, endlich durchstartete. Er drückte meinen Po näher als nah an sich heran und intensivierte dadurch dieses begehrte Gefühl. Ein Laut der Lust kam unweigerlich über die Lippen, die daraufhin seine spürten, zunächst leicht, dann fordernder. Und ich wollte mehr, war begierig, sehnsuchtsvoll.


    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    "Aglaia mea... Hättest du etwas einzuwenden, wenn ich dich später besuche? Ich muss diese Briefe aufsetzen, es ist wirklich dringlich. Du weißt, wie der Pöbel sich den Mund wegen Ciceros Verfehlung zerreißt, ich kann das nicht noch weiterhin schüren, zu viel steht auf dem Spiel..." Abermals seufzte ich und strich Deandras schönes Haar von der Schulter zurück auf ihren Rücken. Damit bestätigte ich wohl wieder einmal ihre Annahme, die Arbeit sei wichtiger als das Vergnügen. "Ich werde kommen, ich verspreche es", fügte ich hinzu, zwinkerte und kniff ihr gleichzeitig halbherzig (damit es nicht weh tat) in den Hintern.


    Es dauerte einige Herzschläge, bis seine Worte meinen Verstand erreichten, den ich längst ausgeschaltet hatte. Hatte ich richtig gehört? Er wollte jetzt Briefe schreiben? Wie, bei allem was uns heilig ist, kann man nur derart kontrolliert sein? Das Öffnen der Augen fiel schwer, weil ich sie nicht öffnen wollte. Was hatte ich mir bloß für einen Mann ausgesucht? Hatte ich ihn mir ausgesucht? Wurde ich gefragt? Nein, Amor fragte nie, bevor er Pfeile versendete. Ich seufzte ebenfalls.


    „Ja, ich habe etwas einzuwenden, wenn du mich schon so fragst“, erwiderte ich leise. „Wenn überhaupt, dann bleibe ich jetzt hier sitzen, weil ich keine Lust habe, abzubrechen. Schreibe du, ich beschäftige mich derweil mit dir.“


    Die letzten Worte sagte ich mit einem belustigten Unterton. Er würde schon sehen, wie gut es sich dabei arbeiten ließ.

    Statt einer Antwort auf meine bange Frage bekam ich nach langem Schweigen drei Worte zu hören, die ich niemals erwartet hätte und die mich wie eine Ohrfeige trafen. Dementsprechend erschrocken fuhr ich zurück. Ich zog die Hand von seiner Schulter fort, als hätte ich eine heiße Herdplatte berührt. Verständnislos starrte ich seinen Rücken an, nachdem er sich abgewendet hatte. Fliegenden Gedanken rangen um eine sinnvolle Erklärung, warum er mich zurückwies. Der Schrecken war zugleich in den Bauch gefahren und hatte dort wie ein gefräßiges Raubtier gewütet. Meine Magenwände fühlten sich durchlöchert an, es brannte im Herzen, atmen fiel schwer, weil diese drei Worte wie eine schwere Last auf meinem Brustkorb lagen.


    Die Erneuerung seines Wunsches, dieses Mal brüllend vorgebracht, ließ mich erneut zurückfahren. Sie beraubte mich aller Kraft, ich stand mühsam auf. Natürlich gewahrte ich, dass er fror, dass es ihm schlecht ging, aber ich verstand nicht wieso? Wenn er mich zurückwies, musste ich auch Schuld haben – Schuld an seiner schlechten Verfassung, an seinem Schmerz und damit selbst Schuld, wenn ich zurückgewiesen wurde. Ich strich mir über die schmerzende Stirn und versuchte krampfhaft zu ergründen, worin mein Fehler gelegen haben könnte. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Hatte ich etwas Unverzeihliches getan? Ich versuchte mich an das letzte Gespräch zu erinnern, suchte nach möglichen Stellen, die ihn verletzt haben könnten, was er vielleicht erst jetzt zeigte.


    Meine Gedanken waren gelähmt, deswegen fiel mir das Pergament, an dem ich vor Augenblicken achtlos vorüber gegangen war, erst ein, als ich bereits alle anderen Möglichkeiten erwogen hatte. Ich wandte mich um, ging die wenigen Schritte zurück und bückte mich, um es aufzuheben. Ich verblieb in gehockter Stellung, als ich versuchte, die zerweichten Zeilen zu entziffern, aber es gelang mir nur bruchstückhaft. Die Wortfetzen machten keinen Sinn, aber sie halfen mir dennoch aus dem Elend, weil ich nun wusste, dass es eine andere Erklärung für seinen Schmerz gab. Eine Erklärung, die ich derzeit nicht kannte, die mir aber auch nicht vordergründig wichtig zu wissen war, weil mir das auch nicht weiterhelfen würde.


    Ich erhob mich, ohne den Brief an mich zu nehmen, denn er gehörte mir nicht. Die Angst, ausgelöst durch seine unverständliche Reaktion, und die Ungewissheit wichen mehr und mehr der Sorge um ihn. Es war schwer, ihn so zu erleben, fast gab es nichts Schlimmeres, als mitzuerleben, wenn starke Männer Schmerz zeigten.
    Schwierig war, weil ich mir nicht erklären konnte, warum ich ihn nicht trösten durfte, warum ihm meine Nähe nichts bedeutete. Vor allem das hätte MIR geholfen, aber es ging ja vornehmlich um ihn. Ich spürte instinktiv, dass ich ihm genau damit helfen konnte, was mir am schwersten fiel: Seinem Wunsch entsprechen und ihn alleine lassen.


    Eines jedoch ging auf gar keinen Fall: Ich konnte ihn unmöglich so frierend und unbekleidet zurücklassen. Ich wäre mir wie ein Barbar vorgekommen. Suchend schaute ich mich um und fand in einem stärkeren Leinentuch eine zweckmäßige Lösung. Es war zwar nicht übermäßig dick, wie die Prüfung erwies, aber es spendete Schutz. Ich seufzte einmal, weil ich gern viel mehr getan hätte, trat dann aber auf ihn zu, kauerte mich hin und breitete das Tuch über seinem gesamten Körper aus. Weil es an seinem Rücken anliegen sollte, schob ich es bestmöglich zurecht.
    Ich wusste nicht, ob er im Augenblick Berührungen als unangenehm empfinden würde, aber ich brauchte es für mich, ihm noch einmal über den Kopf zu streichen.


    „Du weißt ja, wo du mich finden kannst“, flüsterte ich, und wusste sogleich, dass ich keine Antwort erhalten würde.


    Ich erhob mich, ging zur Tür und zog sie nach mir ins Schloss. Mit einem ganzen Wust an Gedanken und Gefühlen kehrte ich in mein Cubiculum zurück.

    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    Ich stellte mir ernsthaft die Frage, warum wir - also Deandra und ich - ihm Unterricht bezahlen sollten. Vermutlich war das Grübeln meinem Gesicht deutlich anzusehen. "Ich denke, er sollte sich zuerst ein Pferd beschaffen. Und was alles Weitere angeht, werden wir dann weitersehen", erwiderte ich abschließend und in einem Tonfall, welcher keinen Widerspruch erwartete.


    Ich erhielt die von mir erwünschte Antwort, doch sie fiel anders als erwartet aus. Für lange Augenblicke haftete mein Blick auf seinem Gesicht. Vergeblich erhoffte ich mir aus den durchaus vorhandenen Regungen, Schlüsse ziehen zu können, die mir behilflich sein konnten, seine Aussage zu deuten, denn sie enthielt weder eine Ablehnung noch eine Zusage. Es schien, als wolle er die Entscheidung hinauszögern. Allerdings glaubte ich weniger daran, dass er sie nach dem Eintreffen des Reittieres treffen wollte. Wahrscheinlicher war, dass er sich nur nicht in Anwesenheit des Klienten meines Vaters äußern wollte. Vielleicht würde er mich hinterher aufklären, vorerst jedoch blieb mir nichts übrig, als seine Aussage zu akzeptieren, mich danach zu richten oder eben nicht.


    Nun gut, die letzte Variante kam ohnehin nicht in Betracht. Ich würde mich niemals in der Öffentlichkeit gegen sein Wort stellen. Dies jedoch nicht deswegen, weil ich Unterwürfigkeit anerzogen bekommen hatte. Meine Erziehung beinhaltete zwar gutes Benehmen, aber darin lag nur die halbe Wahrheit. Es ging vielmehr auch darum, niemals in Anwesenheit Dritter seine Position zu untergraben.


    Ab diesem Zeitpunkt hielt ich es für angebracht, die Klärung von Corax’ Anliegen vollständig in seine Hände zu legen, denn es machte keinen Sinn, dass ich zwischen ihm und dem Besucher einzig als Übermittler fungierte. Ich wusste nun, welches Reittier sich für seine Zwecke eignen würde, und wenn er es bezahlen konnte, sollte er als Klient meines Vaters auch ein gutes erhalten.


    „Wickelst du bitte alles nötige ab?“, bat ich Marc in gedämpftem Tonfall. „Sofern er die erforderlichen 300 Sesterzen bei sich hat, werde ich die Überführung eines geeigneten Tieres veranlassen.“


    Mein Blick weilte weiterhin auf Marcs Gesicht, ich wartete auf eine Antwort.

    Bis zu jenem Kuss auf die Stirn stand nicht fest, ob Marc auf mein Vorhaben eingehen würde oder wieder einmal die Arbeit vor das Vergnügen setzte. Nach diesem Kuss jedoch war alles klar: Ein Blick in seine Augen verriet das Entgegenkommen, auf das ich gehofft hatte, die Art, wie er die Frage stellte, zeigte es ebenso.
    Ein Lächeln steckte stets an, sein Grinsen auch, meins wich nicht mehr aus dem Gesicht. Und noch etwas manifestierte sich: Ein Kribbeln inmitten des Körpers, das sich langsam ausbreitete, um sich doch wieder zu sammeln, um ein hochsensibles Ziel zu bestürmen.


    Ich staunte über mich selbst, weil ich nie vermutet hätte, mit welcher Selbstverständlichkeit ich mir das eroberte, nachdem es mir verlangte. Kein Quäntchen Unsicherheit war in mir, als ich seine herabbaumelnden Arme bemerkte, an ihnen entlang strich und ihn dazu veranlasste, sie anzuwinkeln, bis ich seine Hände fassen konnte. Nach meiner Ansicht waren sie besser an meinem Po aufgehoben, daher führte ich sie dorthin. Gleichzeitig rutschte ich so nahe es irgend möglich war, an ihn heran. Ich wusste genau, was ich nicht durfte, und ich wusste, was ich am liebsten hätte. Leider war es ein und dieselbe Sache, aber diesen Zusammenhang schob ich erst einmal entschlossen fort. Ich befasste mich viel lieber mit seiner Frage.


    „Das, was den Atem anheizt“, antwortete ich im Flüsterton und fuhr mit der Fingerkuppe seine Stirn entlang. „Das, was das Blut schneller durch die Ader pumpt“, raunte ich in sein Ohr, während ich mit der Hand durch sein Haar fuhr. „Das, was die Körperwärme steigen lässt, den Verstand herunterschraubt und wohlige Gefühle entstehen lässt.“
    Ich schloss die Augen und suchte mit den Lippen tastend den Weg vom Ohrläppchen bis zum Mundwinkel. Warmer Atem traf auf seine Wange.

    Zitat

    Original von Aurelia Helena
    "Ja, ich verstehe was du meinst. Wobei aber die Entscheidung, ob man einen anderen Weg geht oder ob man das Hindernis umrundet die schwierigste Entscheidung bei der ganzen Sache ist. Man kann so viel falsch machen..."


    Ich nickte zu Helenas Worten, sie hatte auf jeden Fall Recht. Für mich war auch immer die Zeitspanne, in der ich nach der für mich richtigen Entscheidung suchte, die quälendste. Hatte ich jedoch einmal einen Entschluss gefasst, dann gab es ein Ziel, auf das ich mit voller Kraft zusteuern konnte. Nur der Nachsatz traf nicht meine Zustimmung.


    „Bei mir geht es nie darum, ob ich Fehler machen könnte oder nicht. Ich entscheide stets danach, mit welcher Variante es mir am besten gehen würde. Diese Freiheit nehme ich mir heraus, damit geht es mir gut und dadurch entsteht mein Glücksgefühl. Weißt du, wie ich es meine?“


    Ein fragender Blick mit seitlich geneigtem Kopf traf Helena, die offensichtlich sehr schüchtern war, denn sie mied in aller Regel den Blickkontakt. Die Grundstücksabgrenzung war erreicht und wir beschlossen, denselben Weg zurückzugehen.

    Diesmal schnitt Helena ein neues Thema an – eines, mit dem ich nie im Leben gerechnet hätte, das mich unvorbereitet traf, das nicht nur einen krasses Themenwechsel darstellte, sondern zugleich von einem Inhalt war, der sich im Grunde gar nicht als Gesprächsstoff unter Herrinnen eignete. Sklaven waren es nicht wert, thematisiert zu werden. Aber Helena hatte nicht einfach eine Sklavin angesprochen, sondern Camryn. Ich war derart verdutzt, dass ich mich zwingen musste, relativ unberührt zu erscheinen. Die Gedanken flogen im Kopf durcheinander und ich brauchte geraume Zeit, bis ich zu einer einigermaßen akzeptablen Antwort fähig war.


    „Ähm, ja. Das ist wohl ein weniger rühmliches Kapitel in meiner Geschichte“, begann ich schließlich zögernd. „Ich hatte für einen Moment die Kontrolle über mich verloren, aber wenn ich ehrlich bin … Es tut mir nicht einmal im Nachhinein leid.“


    Nicht nur meine Stimme, auch mein Gesicht nahm einen überzeugten Ausdruck an.


    „Tja, was ist vorgefallen? Auf meine Frage, von wem das Kind der auf der Herfahrt gebärenden Sklavin sei, antwortete mir Camryn, dass es vermutlich von Marcus sei. Ich hab mich derart über diese Bemerkung geärgert, dass ich ausgeholt habe. Naja, in dem Fausthieb lag meine ganze Wut über die üble Nachrede, die sie angestellt hat. Ich weiß, dass Marcus Camryn früher benutzt hatte, aber das bedeutet ja nicht, dass er durch alle Sklavenbetten gezogen ist.“


    Während ich berichtete, verschlechterte sich meine Stimmung, weil ich diese Sklavin seit dieser Aktion bis auf den heutigen Tag nicht mehr leiden mochte.


    „Weißt du, Helena, es sind zwar nur Sklaven, und trotzdem … Wenn du eines Tages auch einmal einen Mann lieben solltest und ihn begehrst, wirst du mich vielleicht verstehen. Du weißt dann zwar, dass er ein Vorleben gehabt hat, aber du möchtest davon am liebsten nichts hören, weil du einfach mit nichts und niemanden mehr teilen willst. Jeder Digitus seines Körpers ist dann heiliges Gebiet, also zumindest empfinde ich das so“, räumte ich einschränkend ein. Möglicherweise waren in diesem Punkt die Menschen nicht gleich. Es machte auch keinen Sinn, Helena diesbezüglich zu befragen, denn sie hatte ja erst vorhin erwähnt, dass sie noch niemals von jemandem geliebt wurde. Nun gut, andererseits bedeutet das nicht zwangsläufig, dass sie das Gefühl der Liebe bisher nicht kannte.
    Mein Lächeln zeige an, dass mit den Gedanken an Marc die schlechte Stimmung wieder verflogen war.


    „Ich weiß, dass er jetzt treu ist. Ich setze das einfach voraus, obwohl wir nie darüber gesprochen haben, aber ich höre es nicht gerne, wenn ihm ein ausschweifendes Vorleben nachgesagt wird. Und ich höre es vor allem dann nicht gerne, wenn die Person es mir deswegen mit voller Absicht sagt, um mich damit zu verletzen. Ich hätte den Erfolg ihrer Attacke nicht offen zeigen sollen, damit habe ich ihr noch einen Gefallen getan, ich weiß. Aber den Fausthieb bereue ich trotzdem nicht.“


    Der letzte Satz verließ zusammen mit einer Spur Trotz meinen Mund