Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

    „Oh!“ Die Enttäuschung war mir nicht nur anzuhören, sondern auch anzusehen. Mir fiel gar nicht auf, dass nun von „germanischen“ Göttern die Rede war. Es war schlimm genug, dass sich meine Hoffnung auf eine interessante Erfahrung scheinbar zerschlagen hatte. Die Schultern sanken nach unten, das Lächeln verschwand. Ich fühlte mich wie eine Zwölfjährige, der man das einzige Spielzeug fortgenommen hatte: Ich war nicht bereit, mich bereits wie eine Erwachsene zu geben, aber ohne Spielzeug blieb nur die Aussicht auf langweilige Ersatzbeschäftigungen in der viel zu umfangreichen Zeit des Alleinseins.


    Sim-Off:

    Lass uns warten. Loki ist vorübergehnd abwesend.

    Die Unterhaltung in seiner Heimatsprache wertete ich als Unhöflichkeit des Germanen. Zudem drängte sich der Gedanke auf, dass Unaufrichtigkeit im Spiel war, was Loki nicht nur einen missmutigen, sondern auch einen anklagenden Blick von mir einbrachte. Demonstrativ drehte ich mich meinem Leibsklaven zu, der diese Geste sicherlich richtig verstehen würde und mich hoffentlich über den Inhalt der unverständlichen Worte unterrichten würde.


    Erst im Anschluss daran wollte ich meine Entscheidung mitteilen, die ich sicherlich erst nach umfassender Kenntnis der Sachlage treffen würde. Kurzzeitig ging mir durch den Kopf, das Vorhaben zunächst mit Marc zu besprechen. Andererseits begleiteten mich stets genügend Sklaven, die für meine Sicherheit sorgen konnten. Zunächst wollte ich aber wissen, was der Germane vor mir verheimlichen wollte. Mit gewisser Spannung blickte ich Assindius an, hob die Brauen und ließ ein ungeduldiges „Hm?“ erklingen.

    Ich war derart in das Gespräch mit Loki vertieft, dass ich meine Tragsklaven und selbst meinen Leibsklaven völlig vergessen hatte. Eine kräftige Stimme rief mir seine Anwesenheit in das Gedächtnis zurück, ich wandte mich um, durchdachte nochmals seine Frage und schüttelte schließlich energisch den Kopf. Die Ohrgehänge klimperten im Takt.


    „Nein, im Gegenteil. Loki ist ein Landsmann von dir und er hat mir gerade angeboten, mir in den Wäldern jene Stellen zu zeigen, an denen man die Götter treffen kann.“


    Mein Blick wanderte zu dem Germanen.


    „So ist es doch, oder?“


    Mit einem Lächeln, das von Begeisterung sprach, schaute ich Loki selbstbewusst an. Der Tag schien gerettet, uns allen stand eine aufregende Expedition bevor.

    „Falsch?“ Ich schaute Loki fragend an, weil ich nicht wusste, was falsch gewesen sein sollte. „Lange bin ich freilich noch nicht in Germanien. Es ist, um genau zu sein, der dritte Besuch, wobei dieser etwas länger geplant ist als die vorherigen.“


    Offensichtlich plante der Germane eine Art Expedition, die einen längeren Aufenthalt vonnöten machte. Meine Augen begannen bei diesem Gedanken zu funkeln und erneut erschien ein Lächeln auf meinem Gesicht. Von einer inneren Unruhe ergriffen, die mit Aufregung zu erklären war, trat ich plötzlich von einem Bein auf das andere.


    „Mach einfach deine Vorschläge, ich kann es kaum erwarten, sie zu hören.“


    Fahrig strich ich eine imaginäre Haarsträne aus dem Gesicht, während ich förmlich an Lokis Lippen hing.

    Den folgenden Erklärungen lauschte ich wieder verwundert bis mir endlich ein Licht aufging: Loki benutzte einfach die falschen Begrifflichkeiten. Walhalla war die andere Seite des Flusses, das Elysium, und die Walküre war der Fährmann. Ich lächelte verständnisvoll über seine Unwissenheit, sparte mir jedoch eine Richtigstellung. Vermutlich war das Bildungsangebot für Germanen dürftig und zudem war es nicht nett, jemanden auf seine Defizite hinzuweisen.
    Bald darauf taten sich aber neue Ungereimtheiten auf.


    „Und was ist jetzt eine Albe? Und vor allem, warum küsst sie denn?“
    Küssen hatte etwas mit Liebe zu tun, das stand fest. Für die Liebe war Amor zuständig, das stand ebenfalls fest. Allerdings küsste Amor nicht, sondern versendete an die von ihm Ausgewählten Pfeile. Hier stimmte etwas vorne und hinten nicht. Sicherlich war der Germane insgesamt über die Götterwelt notdürftig informiert, immerhin bezeichnete er ja auch die Götter als Geister, und andere als die römischen Götter existierten nicht. Daher musste ich noch etwas richtig stellen.


    „Es steht außer Frage, dass sich die Götter vor allem uns Römern zeigen.“ Schließlich waren alle anderen Völker von geringerer Bedeutung. „Wenn du also weißt, wo man sie in diesem tristen Landstrich treffen kann, dann führe mich doch am besten dorthin. Ich würde mich auch für deinen Dienst erkenntlich zeigen.“

    Die erste Reaktion verwunderte mich, daher nahm ich meinen vorgestreckten Kopf wieder zurück.


    „Natürlich haben wir Geister, Hausgeister allerdings, aber doch keine im Wald. Die wohnen im Haus, das ist doch sonnenklar.“ Diese Germanen immer, man musste ihnen alles erklären, weil sie nicht einmal das Einfachste wussten. ( ;) )


    Ich überlegte mit gekrauster Stirn, ob mir möglicherweise der Teil der Bildung, der Waldgeister betraf, entgangen sein konnte. Immerhin war es möglich, dass ich ausgerechnet während dieser Gelehrtenstunde geschwatzt oder sie gar gänzlich versäumt hatte, weil ich stattdessen in den unliebsamen Handarbeiten unterrichtet wurde.


    „Germanische Drolle? Sind das dickliche Wesen? Diese Bezeichnung ist doch sicherlich von „drollig“ oder von „drall“ abgeleitet. Namen haben meistens einen tieferen Sinn.“ Ich nickte, weil ich die Bemerkung geistreich fand. „Hm, aber Walkyren? Was mag das wohl bedeuten? „Wahl“ hat etwas mit „entscheiden“ zu tun. Und „küren“ kommt eindeutig von „Ernennungen“. Erwählen sie jemanden oder etwas? Aber wozu? Hm, irritierend.“


    Mein Blick war auf das Straßenpflaster gerichtet, während die Gedanken um die Vorstellung kreisten, wie ein solches Wesen einen Baum bewohnen sollte. Hockte es im Geäst wie ein Vogel? Oder lag es wie eine Maus zwischen den Wurzeln in einer Erdhöhle?
    Als Loki zu weiteren Erklärungen ansetzte, hob ich erneut den Blick und fixierte ihn. Mein ursprünglich ernstes Gesicht überzog jedoch zunehmend ein amüsiertes Lächeln. Der Germane dachte offensichtlich, er könne mir Angst einjagen, aber da hatte er sich getäuscht. So lange keine Spinnen im Spiel waren, verfügte ich über erstaunlichen Mut.


    „Ich glaub dir kein Wort“, erklärte ich selbstsicher. „Das sind Geschichten, mit denen man kleine Kinder erschrecken kann, aber doch nicht mich.“

    Als ich mit beiden Füßen auf der Straße stand, dankte ich mit der Andeutung eines Lächelns für die erwiesene Hilfe. Zwar wusste ich nicht, wie die Gepflogenheiten in Germanien waren, aber in Rom wäre diese Form des Dankes angemessen gewesen. Anschließend hörte ich seinen Ausführungen interessiert zu.


    Nachdem er geendet hatte, schaute ich an mir herab, warf einen skeptischen Blick auf die feinen Schuhe aus weichem Leder und den geschmeidigen Stoff der weißen Tunika. Die ebenfalls aus feinem Garn hergestellte Palla bot auch nicht wesentlich mehr Schutz, aber darauf wollte ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Ich schaute auf, meine Brauen hoben sich eine Winzigkeit und mein Kopf streckte sich unmerklich vor.


    „Du sprichst von Geistern? Was sind das für Gestalten? Und ist es gefährlich, ihnen zu begegnen?“ Immerhin hatte er den Wald erwähnt, und wie dicht dieser stellenweise war, hatte die Reise nach Mogontiacum gezeigt.


    Neugier hatte mich erfasst und ließ mich mit Spannung auf seine Antwort warten, während die Oberzähne auf der Unterlippe Platz gefunden hatten. Dieser wenig elegante Gesichtsausdruck blieb zum Glück meinen Familienangehörigen erspart.

    Unvermittelt schob sich eine breite Brust in mein Gesichtsfeld. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, damit der Blick noch oben wandern und das Gesicht in Augenschein nehmen konnte. Sogleich stellte ich Überlegungen, die Herkunft betreffend an. Ein Römer schloss sich durch Gestalt und Optik von vorn herein aus. Vielleicht ein Einheimischer? Der Akzent gab schließlich Aufschluss darüber: Er klang wie mein germanischer Leibsklave Assindius.


    „Wie man „anspruchsvoll“ definiert?“, wiederholte ich nachdenklich. „In meinem Fall wäre „wählerisch“ vermutlich das richtige Wort, weil ich eigenwillig bin. Alles, was sich von der breiten Masse abhebt, kann daher schon einmal meine Aufmerksamkeit wecken.“


    Ich musterte den vor mir stehenden Mann, der genauso ungeniert grinste wie es Assindius oft tat. Vermutlich war das eine germanische Eigenheit, schlussfolgerte ich. Auch die Verbeugung kam mir bekannt vor, allerdings hatte die mein Sklave inzwischen abgelegt.


    „Hmhm, Loki also. Woher stammst du, Loki? Und kennst du dich gut in dieser Gegend aus?“


    Ich folgte einer plötzlichen Eingabe und klopfte an das Holz der Sänfte, die sich daraufhin absenkte. Ich hielt dem Fremden die Hand hin, damit er mir beim Herausklettern behilflich sein konnte, sofern er die Geste verstand. Die Gedanken schufen und verwarfen dabei in Windeseile mögliche Vorhaben bezüglich der Nutzung dieser unerwarteten Begegnung.


    „Hat dieser Landstrich etwas Spannendes zu bieten?“, fragte ich daher.

    Zitat

    Original von Duccia Verina
    Salve begrüßte sie den Sklaven und nahm die Rolle entgegen. Das sind dann 5 Sesterzen oder existiert eine Familienwertkarte wollte sie wissen und legte die Rolle zu den anderen die in wenigen Tagen an ihrem Bestimmungsort sein würden.


    Der Sklave legte das mitgebrachte Geld hin, über eine Familienwertkarte wusste er nicht Bescheid.


    "Ist so alles in Ordnung?"


    Er wusste nicht, ob er gehen konnte oder ob es noch etwas zu klären gab.

    Wochen waren seit meiner Ankunft in Germania vergangen, in denen ich mich sowohl mit der neuen Wohnsituation als auch mit den veränderten klimatischen Bedingungen angefreundet hatte. An eines jedoch konnte ich mich nicht so recht gewöhnen: Den Müßiggang. Mir fehlten Freundinnen, nicht einmal Aelia weilte derzeit in der Provinz, wie ich bereits herausgefunden hatte, mir fehlte eine Aufgabe, der langweiligen Hausbeschäftigung war ich längst überdrüssig geworden. Meine ehemalige Cousine Helena war auch nicht gerade ein Ausbund an Ideenüberfluss, Marc weilte oft im Castellum. Letzteres hatte ich eingeplant, schließlich kannte ich seit Jahren die Situation, wenn man Versprochene eines Offiziers war.


    Um wenigsten ein paar neue Eindrücke zu erhalten, ließ ich die Tragsklaven rufen, setzte mich in die Sänfte und gab die Anweisung, einfach der Nase nach durch Mogontiacum zu wandern. Als der Markt in Sichtweite kam, zog ich die Gardine weiter auf.


    „Nicht zum Markt, nicht schon wieder dieses Geschrei und Angebiedere. Sucht ein anderes Ziel. Egal was, nur nicht diese langweiligen Verkaufsstände.“


    Ich lehnte mich wieder zurück, ließ aber die Vorhänge auf, um die Umgebung betrachten zu können. An einer Straßenkreuzung gab ich das Zeichen zum Halt. Etwas wie Resignation machte sich breit, weil das Leben hier ungewohnt scheinbar träge und inhaltleer verlief.


    „Gibt es hier eigentlich witzige oder gebildete Bewohner? Jemand, der einen anspruchsvollen Geist unterhalten kann?“, rutschte mir heraus, ohne jemand vor mir zu haben, an den diese Worte gerichtet waren.

    Ich fragte mich, woraus die eigene Zufriedenheit resultierte, wenn der andere den Entspannungszustand erreichte. Diese Frage stellte ich mir nicht zum ersten Mal, und wieder war sie mit der Tatsache gepaart, dass ich selbst im Gefühlsstrudel verblieb, der die Sehnsucht in großen Dimensionen hielt, der das Herz weiterhin hoch schlagen und das Blut pulsen ließ. Ich seufzte bedauernd.


    Allerdings nahm ich nicht alles ergeben hin, denn der derzeit – wenn auch eingeschränkt – möglichen Befriedigung meiner Bedürfnisse war eine vorschnelle Lösung der innigen Umarmung abträglich. Ich brauchte dieses Nachklingen – keine Küsse, keine Liebkosungen, sondern einfach nur ausharren und den Empfindungen nachsinnen. Eine Hand an seinem Po, die andere um die Taille geschlungen, erzeugte ich Gegendruck, wenn er vorzeitig fortstreben wollte. Der Erhalt der Körpernähe war ein dringliches Bedürfnis, von dem ich erst nach langen Minuten gewillt war abzurücken.


    Die Kunst, Zufriedenheit mit dem Leben zu erreichen, bestand für mich darin, einerseits niemals auf irgendetwas dringlich Benötigtes zu verzichten und mich andererseits aber auch nie in eine Abwartehaltung zu begeben. Ich stellte mir stets die Frage: Was brauche ich unbedingt? All jenes holte ich mir ohne Zurückhaltung und ohne falsche Scham, denn darauf zu warten verursachte Mangelzustände, die schwer zu ertragen waren.
    Vieles im Leben fiel jedoch nicht in die Kategorie „dringlich benötigt“, auch wenn es angenehme Dinge, vielleicht sogar übliche waren. Es machte keinen Sinn, Gedanken an noch nicht Erhaltenes zu verschwenden, denn gleichgültig was man ersehnte, es traf ja in aller Regel nicht dann ein, wenn die Erwatung einsetze. Demnach war es in meinen Augen töricht, Geschenke, Entscheidungen, Handlungen oder sonst was zu erwarten. ‚Nimm dir, was du dringend brauchst, und ansonsten empfange, was dir freiwillig gegeben wird.’ Ich lächelte, weil mir diese Grundhaltung eine größtmögliche Zufriedenheit garantierte.


    In diese Gedanken drangen Marcs Worte. Ich fragte mich, warum er wohl viel Raum zwischen uns bringen wollte. Ihm ging es doch augenscheinlich gut oder täuschte der Eindruck?


    „Warum wünschst du dir Abstand? Ich verstehe das nicht“, gab ich mit erhobenen Brauen zu, musste aber bald wegen der nachfolgenden Ankündigung lächeln. Da wartete also eine Überraschung auf mich, die – weil ich an eine solche Gabe bisher keinen Gedanken verschwendet hatte – mein Gesicht erhellte.


    „Ein Geschenk?“ Die Augen fingen zu strahlen an. „Ich bin sehr gespannt, was es sein wird.“


    Schließlich drängten sich aber wieder die körperlichen Sehnsüchte in den Vordergrund. Ich ließ mich in das Wasser gleiten und schwamm dem Ausstieg des Beckens entgegen. Was blieb mir auch übrig? Er konnte mir nicht helfen, mit der angesammelten Erregung umzugehen. Den Sklaven würdigte ich keines Blickes, stattdessen befahl ich ihm, Penula holen zu gehen.
    Bis die Sklavin eintraf, setzte ich mich an den Beckenrand, zog die Beine an, stützte die Arme hinter dem Rücken auf, beugte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Der Atem ging noch immer nicht vollends ruhig, ich verspürte eine gewisse Unruhe, fast konnte man sie als leichte Gereiztheit bezeichnen.
    ‚Nicht gut’, dachte ich. ‚Das war doch beim ersten Mal auch nicht der Fall gewesen.’


    Bald darauf öffnete sich die Badtür und die Sklavin trat ein. Sie näherte sich leise, jede Anweisung erübrigte sich, denn ich ließ mich stets nach jedem Bad mit Olivenöl einreiben.
    Ich umschlang die Beine und beugte mich nach vorn. Alsbald spürte ich Penulas Hände, die angenehm wie immer waren. Sie strichen vom Nacken über die Schultern und anschließend bis zu den Lenden. Mit geschlossenen Augen genoss ich die Behandlung, bis ich die Meinung vertrat, dass der Rücken ausreichend versorgt war. Ich nahm die ursprüngliche Position mit hinten abgestützten Armen ein und ließ sie weiter gewähren. Bei der Berührung der Brüste atmete ich unwillkürlich tief ein. Die Gedanken wanderten zu Marc zurück, ließen die Hitze zurückkehren und beschleunigten den Atem. Dass die Sklavin meiner Reaktion entsprechend agierte und die Versorgung dieser Hautpartie ungewöhnlich lange ausdehnte, bemerkte ich erst, als ich in die Wirklichkeit zurückkehrte. Mit gerunzelter Stirn und einem warnenden Blick durch leicht geöffnete Lider wies ich Penula zurecht.

    Einer der claudischen Sklaven betrat das Officium und legte eine Briefrolle auf den Tisch.


    "Mit normaler Post nach Italia soll ich ausrichten."




    An
    Claudia Epicharis
    Villa Claudia, Roma
    Italia



    Meine liebe Schwester,


    das war eine Freude, als ich deinen Brief in den Händen hielt. Ich freue mich über jeden Kontakt und jede Nachricht von zu Hause, denn es ist recht einsam in Germanien, obwohl wir in der Provinzhauptstadt leben.


    Mir scheint auch, als wäre seit meiner Abreise eine Ewigkeit vergangen, denn du sprichst von einem Ring und einem Versprechen. Was muss ich alles verpasst haben! Wir hätten uns gewiss viel zu erzählen – du mir und ich dir. Auf jeden Fall wünsche ich dir von Herzen, dass die Liebe in dieser Verbindung Einzug halten wird.
    Durch Amors zutun verändert sich einfach alles.


    Trifft sein Pfeil dich, schmeckt Wasser plötzlich wie Wein, du siehst die Sonne selbst durch dicke Wolkenberge scheinen und Mutlosigkeit wird dich nie wieder erfassen, denn du verspürst dauerhaft Kraft. Sogar der zukünftige Gatte verändert sich, denn er reiht sich in deinen Augen in die Göttertrias ein. Er wird lebensbestimmend und sein Wirken ist erfüllend wie unsere Religion.


    Und wenn es die Götter besonders gut mit dir meinen, dann trifft Amor zusätzlich ihn. Dann, liebe Schwester, wird er in dir eine Göttin sehen und dich wie eine Kostbarkeit behandeln.
    Mögen die Götter mit euch sein!


    Ich hoffe, ich kann bei deiner Vermählung anwesend sein und auch du bei meiner. Lasse mich bitte rechtzeitig wissen, wenn ein Termin feststeht. Deine Grüße werde ich ausrichten, und grüße mir auch Flavius Aristides. Ich bin sehr gespannt, ihn einmal kennenzulernen.


    Bis dahin, liebe Epi, lass es dir gut ergehen und melde dich einmal wieder.

    Deine Schwester Deandra


    Mogontiacum - ANTE DIEM XVI KAL MAI DCCCLVII A.U.C. (16.4.2007/104 n.Chr.)

    Hätte jemals meine Mutter mit mir darüber gesprochen, wie sich die Finger eines Mannes anfühlen, wenn sie in den geschützten Raum zwischen den Beinen eindringen, mir wäre dennoch nicht klar gewesen, welche Empfindungen sie auslösen konnten, und er benutzte gleich zwei. Zwei!
    Um dem Gefühlsansturm standzuhalten, hielt ich mich bei ihm fest, merkte jedoch erst nach dem Abflauen, dass nur eine der Hände an unbedenklicher Stelle, nämlich in seinem Nacken, lag. Mit der anderen hielt ich ihn ja umschlossen. Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht, das beständig wuchs und obwohl es geplanter Maßen lautlos bleiben sollte, ließ sich ein leichtes Beben des Brustkorbs nicht vermeiden. Zu Schaden konnte er bei der Action jedoch nicht gekommen sein, aber was er wohl dachte, als sich der Druck spürbar vergrößert hatte? Ich wollte es lieber nicht wissen. Vielleicht würde er sich ja merken, dass ich an dieser Stelle hochsensibel war, sensibler noch als in den nachfolgenden Regionen, die er bedauerlicher Weise bald danach aufsuchte. Oder war es eine Reaktion auf mein Verhalten? Weil meine Empfindungen auch über die Hand spürbar waren? Zeit zum Nachdenken blieb nicht und das war auch gut so, denn das viele bewusste Denken und Wahrnehmen störte mich langsam, war aber wohl in den Anfängen nicht zu vermeiden, denn alles war Neuland.


    Weil die Empfindungen nachließen, hob ich den Kopf und suchte seinen Blick. Nein, mir gefiel sein Rückzug aus jenem Gebiet keineswegs. Zudem fragte ich mich, was er denn außerhalb ergründen wollte. Die Antwort kam prompt. Meine Augen vergrößerten sich und die Lippen öffneten sich unwillkürlich, als er eine Stelle fand, von deren Existenz ich bisher nichts ahnte, allerdings - so zielstrebig wie er vorging, musste sie ihm bestens bekannt sein. Die erste Berührung ließ mich zusammenfahren, die Körperkontrolle schien verloren zu sein. Eine süße Hilflosigkeit ließ mich erneut bei ihm anlehnen; seine Hand, mit der er den Kopf schützend hielt, vermittelte Sicherheit. Aber vor was? Vor den eigenen Körperreaktionen? Vor der Ungewissheit, welche Steigerung noch möglich war? Vielleicht auch vor dem Versagen der Beine? Fragen, die keine Antwort fanden.


    Der in schneller Folge ausgestoßene Atem fand an seiner Schulter wenig Raum, um fortzugleiten, was den Sauerstoffgehalt der neu geatmeten Luft herabsetzte und mich bald dazu veranlasste, den Kopf zu heben und die ohnehin sauerstoffarme, wasserträchtige Luft hastig zu inhalieren.
    Sein Ertasten währte nur Momente, aber ich spürte schnell, dass im Gegensatz zu den Liebkosungen in meinem Innern, eine wiederholte Berührung an dieser Stelle durchaus umschlagen konnte. Mein Blick bereitete ihn darauf vor, dass nun ich ihm etwas zeigen wollte. Ich strich an seinem Arm hinab, mein Zeigefinger legte sich auf seinen und ich führte ihn eine Nuance seitlich, sodass eine der dort befindlichen Lippen nun als Schutz zwischen dieser empfindlichen Stelle und seiner Fingerkuppe lag. Ein Lächeln zeigte die deutlich verbesserte Situation an.
    Es verstärkte sich, als er meine andere Hand umschloss und sie in einem mir inzwischen bekanntem Rhythmus bewegte. Hier musste ich nicht mehr denken, analysieren und abspeichern, diese Erlebnisse waren längst verinnerlicht. Ich schloss die Augen, und nachdem sich die Sinneseindrücke hauptsächlich auf das Ertasten beschränkten, spürte ich überdeutlich seine Form, dass es eine Kuppe gab, die – wenn man über deren Rand hinweg fuhr – Reaktionen bei ihm hervorriefen. Es reizte mich unsagbar, vor allem dieses herauszufordern.


    So ausgeliefert ich mich im Moment seiner Erforschung meiner bisher unberührten Zonen auch fühlte, mir entging nicht, dass auch ich ihn im wahrsten Sinne des Wortes in der Hand hatte. Sexualität zwischen zwei Menschen hatte demnach auch etwas mit Macht zu tun: Man begab sich vertrauensvoll in die Hand des anderen und im nächsten Moment konnte man den Partner mit den kleinen Finger führen. Gleich einem Schwamm sog ich all diese Erfahrungen auf, speicherte sie auf das sorgfältigste ab und suchte sie sogar durch offensives Austesten zu vervollkommnen.


    Eines verstand ich nur bislang noch immer nicht: Wieso zogen ganze Armeen imaginärer Krabbeltieren durch mein Inneres, um in einem finalem Schwung in der Körpermitte zu landen, mir den Atem und der Beine Standhaftigkeit zu nehmen, und ein Zittern des Körpers auszulösen, wenn ich ihn reizte? Er war doch der Empfangende und nicht ich. Und doch, wenn er in meiner Hand lag, sorgte das für mehr Aufregung als jede Berührung von ihm, gab das mehr Erfüllung als sein Streichen über sensible Regionen. Und ob es wohl normal war, dass sein Lustempfinden mir Hitzewellen durch den Körper trieb?


    Mir schoss durch den Kopf, dass ich den Genuss für mich noch steigern konnte. Hier im Bad war es hell, anders als in meinem Cubiculum. Und ich war soo neugierig auf seinen Anblick, den Erguss, einfach alles. Das Lächeln war nicht zu unterdrücken und meine Augen blitzten in Vorfreude, als ich seinen Blick suchte.


    „Das Wasser verbirgt so viel“, flüsterte ich mit ungewohnt belegter Stimme. Hoffentlich verstand er, aber wenn nicht, würde ich schon deutlich machen, was ich mir wünschte.

    Mit vielem hatte ich gerechnet, aber sicherlich nicht so zeitig mit Besuch in dieser für mich annähernd fremden Provinz. Auf dem Weg zum Atrium grübelte ich darüber nach, warum der Besucher nun auch ausgerechnet von mir etwas wollte. Warum nicht von Corvinus? Ich warf meiner Sklavin beim Eintreffen einen fragenden Blick zu, doch sie zuckte mit den Schultern. Also musste ich ohne Vorinformation in das Gespräch gehen, ich seufzte leicht.


    "Salve, Quintilius!", begrüßte ich den Mann, dessen Name mich an einen Statthalter erinnerte, der vor etlichen Jahrzehnten in diesem Landstrich für einige Umstürze gesorgt hatte. Er hatte Platz genommen und soweit war das auch in Ordnung. Mit einem flüchtigen Blick musterte ich ihn, bevor ich näher trat, ohne direkt auf ihn zuzugehen. "Ich meine, wir kennen uns nicht. Sprich, was ist dein Begehr!"


    Der Kopf war dem Gast zugewandt, während ich vor dem notdürftig bepflanzten Teil des Atriums innehielt. Hier musste auch noch etwas passieren, damit ich mich wohl fühlen konnte.

    Der gefühllose Zustand löste sich auch dann nicht auf, als Marc seine Stirn auf meine Schulter lehnte – eine Geste, die mich sonst immer anrührte. Ich schaute über seine Schulter hinweg auf eines der Mosaike an der Wand, das mir zwar gefiel, dem ich aber derzeit keine weitere Beachtung schenkte. Meine Gedanken kreisten um die Situation, um Marc, und obwohl ich sein Argument durchaus nachvollziehen konnte, dass ja ohnehin er es war, der mir die Jungfräulichkeit nehmen würde, egal zu welchem Zeitpunkt, löste sich die Verkrampfung in mir nicht auf.
    Was war es also, das mich erschreckt hatte? Sein Verhalten? Nein, nicht wirklich. Es war schön gewesen, ihn voller Begehren zu erleben. Vielleicht die kategorische Ablehnung eines geschmälerten Genusses? Diese Form von Rücksichtslosigkeit kannte ich von ihm nicht. Betrachtete man sein Argument, konnte das aber wiederum auch nicht der Hauptgrund sein … mal abgesehen davon, dass es mir ja ähnlich wie ihm ging. War es die Ungewissheit, wie er weiter damit umgehen würde? Zum Grübeln blieb wieder keine Zeit, denn seine Hände zwangen mich, ihn anzublicken, was ich dann auch mit stetig wachsendem Augenausdruck tat, je länger er sprach.


    Ich fragte mich, ob und wenn ja, wie ich auf solche Worte reagieren sollte. Wobei es weniger die Worte, sondern vielmehr die Sprechweise und der Gesichtsausdruck waren, die mir ein gewisses Unwohlsein vermittelten. Noch immer verblüfft und sicherlich auch nicht bis ins letzte Detail durchdacht, rutschte mir dann eine Bemerkung heraus.


    „Ich lege keinen besonderen Wert auf große Feiern. Wenn es nach mir ginge, würde ich ohnehin nicht zweimal feiern wollen.“ Aber eigentlich war das ja nicht das aktuelle Thema. Ich seufzte und sah mich von einer neuerlichen Reaktion Marcs überrascht, als er so plötzlich fortstrebte.
    War mein Blick bisher an Belanglosem haften geblieben, so zog ihn sein Rücken fortan magisch an, und weil die Gedanken um seine möglichen Entscheidungen kreisten, die mich sogar kurz an Camryn denken ließen, was er zum Glück nicht wusste, entkrampfte sich unbemerkt mein Zustand. Ich war abgelenkt, fühlte sogar Sorge aufsteigen, meine Stirn runzelte sich, als er lange unter Wasser blieb. Spätestens jedoch als er zurückkehrte, war die Beklemmung von eben fort. Fraglich war nur, was er sagen oder tun würde. Ich sah ihm gespannt, aber durchaus auch zurückhaltend entgegen.


    Die Skepsis war unberechtigt. Vielmehr überraschten mich bereits seine einführenden Worte, denn nach dem Verhalten vorhin hatte ich mit vielem, aber bestimmt nicht mit einer Entschuldigung und gar noch einer liebevollen Betitelung gerechnet. Damit brach das Eis vollends. Die neue Anrede löste ein Lächeln aus und ließ den Wunsch nach Nähe, nach seiner Haut wieder aufkommen, der schon restlos verschüttet schien. Ich musste ihn einfach umarmen, mich an ihn schmiegen, die Augen schließen, die Stirn anlehnen, nur noch fühlen und ihm einen langen Kuss geben, der in vielen kleineren auslief. War es die Wange, der Ohransatz, eine Stelle am Hals, die ich traf? Vielleicht auch von jedem etwas, es spielte keine Rolle.


    „Ich verstehe sehr gut, dass es dir schwer fällt. Und wenn ich ehrlich bin, hat das für mich ja auch etwas Schönes. Ich würde es gar nicht anders wollen.“ Ich lächelte vor mich hin und dachte: ‚Wäre dem nicht so, würde ich das noch viel trauriger finden, als deine Bedrängnis vorhin.’


    Er schien versunken, als sein Kopf auf meiner Schulter ruhte. Dieses Mal verfehlte die Geste ihre Wirkung nicht: Mein Herz stand wieder für ihn und seine Wünsche offen. Die Nerven waren erneut sensibilisiert, nahmen sein aufkeimendes Verlangen wahr, leiteten es als Botschaft an meine Seele und meinen Körper weiter, die gleichermaßen reagierten. Die Aufmerksamkeit bezüglich seiner Signale wuchs, die Bereitschaft für ein Entgegenkommen stieg, ich wurde empfänglich für das sanfte Pulsen, das meine Haut traf, sich zu streuenden Schauern ausbreitete und die ohnehin gereizte Region unter Wasser erneut aufwühlte. Alle Sinne darauf gerichtet, wohin er meine Hand führen würde, löste die wahrgenommene Nähe dieser begehrenswerten Stelle und nicht zuletzt sein tiefes Einatmen, mehrere Lawinen an rieselnden Hautempfindungen aus, die allesamt die Körpermitte als Ziel anvisierten, und bei deren Eintreffen sich unwillkürlich ein Ton der Lust von den Lippen löste. Atmen fiel fortan wieder schwer, vor allem als meine Hand den Weg allein weiter beschritt, bald darauf ihr Ziel fand, es umschloss und in seiner Vollkommenheit ertastete.


    Nie hätte ich gedacht, dass mich etwas von diesen Wahrnehmungen ablenken könnte, aber Marcs Hand schaffte das. Es zog sie genau dorthin, wo derzeit eigentlich keine Reizung von außen auftreffen durfte, weil bereits die inneren Vorgänge kaum zu verarbeiten waren, wenn ich nicht Gefahr laufen wollte, den sicheren Halt der Beine oder am Ende den Verstand zu verlieren. Vielleicht waren meine Empfindungen ja normal, aber weil ich sie in diesem Maße nicht kannte, zudem nicht wusste, welche Intensität überhaupt zu ertragen war, tat die Ungewissheit ihr Übriges, um den Herzschlag auf Hochtouren zu bringen. Sämtliche winzigen Härchen von den Schultern angefangen bis zu den Knöcheln standen mir ab, als seine Finger eindrangen. Atmen fiel jetzt nicht mehr nur schwer, es ging auch nicht mehr leise. Und jetzt war ich es, die mit der Stirn Halt an seiner Schulter suchte.

    Da stand ich nun – bestürzt über vielerlei Dinge: Die aus allen Fugen geratene eigene Beherrschung, die unkontrollierbare Atmung, die neue Dimension an Sehnsucht, das riesige schlechte Gewissen und seinen dringlich vorgebrachten Wunsch, der mir wie ein Ultimatum erschien. Wenn all dies aus meinen Gesichtszügen herauslesbar war, musste ich einen nicht nur hilflosen, sondern vor allem fassungs- und ratlosen Eindruck machen, als ich ihn anblickte.


    In diesem Zustand blieb der Genuss der empfangenen Liebkosungen auf ein Minimum beschränkt, weil ich mich in einer Art Erstarrung befand, die immerhin ein begrenztes Arbeiten des Geistes ermöglichte, der allerdings keine brauchbare Lösung für die Situation produzierte. Mein Herz wollte für Marc das Beste, aber mein Verstand blockierte mehr und mehr. Meine eigenen Wünsche wurden von dieser Last erdrückt, waren dadurch nicht mehr ergründbar und somit auch nicht erfüllbar. Die empfundene Leere erschreckte mich. Marc hatte die aus meiner Sicht einzige Möglichkeit ausgeschlagen, bei der er zu einer den Umständen entsprechend annehmbaren Erfüllung kommen konnte, und die mir ein, wenn auch eingeschränktes, aber trotzdem lustvolles Erleben geboten hätte. Was blieb, war die reine Ernüchterung.


    Natürlich konnte ich seine Lust nachvollziehen, ebenso den Wunsch oder besser Drang nach optimaler Umsetzung, denn es lagen viele Tage hinter uns, die von kühler Distanz geprägt waren, obwohl Nähe und Einvernehmen erstrebenswerter gewesen wären. Und doch musste ich mich zwingen, Verständnis für sein kompromissloses Handeln aufzubringen. Mehr noch: Hatte ich zu Beginn noch mitfühlend an seinem Arm entlang und über den Rücken gestreichelt, und hatte mich sein Herandrängen innerlich wie äußerlich berührt, empfand ich plötzlich eine Ernüchterung der Gefühle, als wäre mir die Fähigkeit zu empfinden, dauerhaft abhanden gekommen. Eine unbekannte Hilflosigkeit hatte von mir Besitz ergriffen, hielt mich umklammert und tötete jeden an einer sofortigen Lösung orientierten Gedanken.


    „Ich wollte als ehrbare Frau in die Ehe gehen“, bekräftigte ich meine Ansicht nochmals, aber dieses Mal nicht nur mit leiser, sondern auch monotoner Stimme. „Allerdings hatte ich geglaubt, wir könnten Zärtlichkeiten bis dahin austauschen, könnten uns dem Vorgeschmack und der Sehnsucht hingeben, deren teilweise Stillung mir viel gegeben hätte, dir aber offenbar nicht.“


    Ich stockte, weil ein Kloß der Enttäuschung in meinem Hals entstand, den ich mühsam mit Schlucken bekämpfen musste, bevor ich weiter sprechen konnte. Schlagartig, und erst bei den geäußerten Worten, war mir klar geworden, dass die Liebe gering sein musste, die Marc empfand, weil ihm der Hautkontakt und die Liebkosungen offensichtlich nicht viel, aber die Vereinigung alles bedeutete. Ohne Kraft lag mein rechter Arm um seinen Hals und die Schulter, der linke hing herab.


    „Es liegt zudem an dir, den Zeitpunkt der Vereinigung fernzuhalten oder ihn in greifbare Nähe zu legen.“ Diese Bemerkung rutschte mir unüberlegt über die Lippen, denn obwohl sie tatsächlich eine zeitnahe Lösung der Problematik darstellte, fragte ich mich gerade, ob nicht eine verlängerte Wartezeit mir Aufschluss über Marcs tatsächliche Gefühle bieten würde.

    Nach der Überflutung mit den durch die Sinneseindrücke ausgelösten Empfindungen war es eine der schönsten Erfahrungen gewesen, Marc in ähnlicher Situation zu erleben. Nicht nur zu empfangen, nicht als einzige wie ein Spielball den aufregenden Handlungen des anderen und damit ihm ausgeliefert zu sein, sondern selbst über so viel Einfluss zu verfügen, um dem anderen die Beherrschung zu rauben, bei ihm solcherlei Empfindungen aufkommen zu lassen, dass er für Momente handlungsunfähig wird – das war ein einzigartiges Glücksgefühl, das mit nichts anderen zuvor Erlebtem vergleichbar war. Der Augenblick, in dem ich ihn an jeder besonderen Stelle berührte, die mich ohnehin wie ein Magnet anzuziehen schien, und in dem er seinen Kopf in meiner Halsbeuge vergrub, stellte ein beeindruckendes Erlebnis dar. Er wirkte für Momente schwach und vermittelte mir gleichzeitig ein Gefühl der Macht, wo doch bislang ich diejenige war, die sich der durch ihn ausgelösten Empfindungen wegen ausgeliefert fühlte. Zu wissen, dass ich, so unerfahren wie ich war, gleichsam geben konnte, war tröstlich, war ermutigend und beflügelnd. Ich hatte meine Hand liebevoll auf seinen Hinterkopf gelegt, ihm einen Kuss auf den Blondschopf gegeben, die Augen geschlossen und den Kopf an seinen gelehnt, während ich die samtige Haut an der bei ihm offensichtlich heißesten Stelle berührt, ihn umschlossen und mit sanftem Druck Bewegungen ausgeführt hatte. Anschließend lag er zwischen uns gebettet, was sich allerdings änderte, als Marc dazu ansetzte, mein Bein anzuheben.


    Weil der Wunsch, ihm nahe zu sein, so groß war, legte ich bereitwillig das angehobene Bein um seine Hüfte, und als er herandrängte, spürte ich ihn dort, wo derzeit abertausende Tastkörperchen danach lechzten, irgendeinen Berührungsreiz wahrzunehmen. Seine Worte und die Sprechweise lösten zusätzliche Schauer aus, die spürbar über oder durch den Körper jagten. Regelrecht hilflos den Empfindungen ausgeliefert erwiderte ich seinen Blick, der zudem Bände sprach. Bei den Göttern, ich wollte ihn so gern, aber mein Verstand rüttelte mich just in diesem Moment wach. Es durfte nicht sein, es war gegen die Sitte. Ein quälender Ausdruck trat in meine Augen, bevor ich sie schloss, meine Stirn bei ihm anlehnte und hauchte:


    „Es darf nicht sein. Aber, bei Iuno, ich würde es dir so gerne geben.“


    Während eine Hand inzwischen von seinem Kopf auf die Schulter herab geglitten war, suchte die zweite, die bislang seinen Po gestreichelt hatte, seine Hand, die mein Bein angewinkelt hielt. Ich schob die Finger darunter, löste damit seinen Griff, behielt die Hand in meiner und führte sie zu meinem Gesicht. Die Lippen berührten zunächst die Handinnenfläche, bevor ich sie an meine Wange drückte und dort festhielt. Ich fühlte mich traurig wie lange nicht mehr, denn ich hatte unser beider Wünsche ignoriert und Regeln nachgegeben, deren Nutzen ich derzeit nicht einmal verstand. Wenigstens sollte er nicht leer ausgehen, das beschloss ich. Was mit mir geschah, war in diesem Moment egal.


    Daher nahm ich die Hand von seiner und tauchte erneut in das Wasser ein. Das Lächeln kehrte zurück, als ich ihn umschloss. Ihm stand es frei, sich in meiner Hand zu bewegen oder sich zwischen die relativ geschlossenen Beine zu betten. Weil ich jedoch letzteres der Illusion wegen lieber erleben würde, führte ich ihn nahe heran und kam ihm sogar ein Stück entgegen, bevor ich die Beine wieder zusammendrückte. Er war genau dort, wo er vorhin schon einmal war, allerdings – das nahm ich zumindest an – war ein Eindringen bei gleichzeitiger Außenreizung in diesem Winkel unmöglich. Ich wusste es nicht, aber es fühlte sich trotz des Verzichtentschlusses gut an und nichts anderes zählte. Wieder nahmen die unzähligen Tastkörperchen jede Nuance einer Bewegung wahr, während mein Herz hoffte, dass er Verständnis zeigte und seine Enttäuschung für mich verarbeitbar war.

    Sachte Bewegungen der Unterarme hielten mich sowohl in der Mitte des Beckens als auch in annähernder Rückenlage. Noch immer erfasste mein Blick Marc, aber die folgenden Eindrücke waren mehr als die bloße Registrierung, dass die Sandalen abgestreift wurden oder die Tunika fiel. Bereits sein Entgegenkommen bei der Erforschung der Lippen hatte mir gezeigt, dass meine Wünsche auch seine waren, wer wen inspirierte oder ob wir uns gegenseitig hoch puschten, war egal. Ich war aufgeregt und sein Entkleiden steigerte noch den Pulsschlag und die Körperwärme. Er war weit von mir entfernt und doch erreichte er mich durch den sich bietenden Anblick und die Vorfreude auf den lange entbehrten Hautkontakt.


    Spätestens als das Subligaculum fiel, war der bislang eingenommene Schwebezustand nicht mehr zu halten. Das Herz schien bis in den Hals zu schlagen, die Armbewegungen wurden fahriger und ich musste schlucken. Atmen bei geschlossenem Mund war unmöglich geworden. Mein Blick klebte so lange fest, bis ihm das Wasser in Hüfthöhe stand und das verbarg, was mich fesselte. Ich suchte seine Augen und fand einen Ausdruck darin, der vermutlich meinem zum Teil glich, obwohl er zusätzlich den Anteil eines Jägers innehatte. Beute zu sein, hatte in diesem Moment etwas unsagbar Schönes, weil mich sein Verlangen aufreizte. Weil das Zentrum der Lust, das sich zwar ohnehin bereits im Aufruhr befand, auf jede noch so kleine Geste mit einer neuen Welle dieser begehrenswerten inneren Schauer reagierte, die mich die Luft anhalten ließen und dabei gleichzeitig einen kleinen Seufzer entlockten.


    Als er tauchte, musste ich schmunzeln. Die Ungewissheit, wann er auftauchen würde und was er beabsichtigte, hatte seinen Reiz. Wie gebannt schaute ich auf die Wasseroberfläche, die nur teilweise den Blick unter Wasser zuließ, und obwohl bei der Größe des Beckens das Auftreffen gut abschätzbar war, hatte diese Aktion dennoch etwas sehr Aufregendes für mich. Als er an der Hüfte zufasste, konnte ich mir daher auch einen kleinen Quieker nicht verkneifen.


    Danach überschlugen sich förmlich die Ereignisse: Marc drängte zum Beckenrand. Die Art, wie er meinen Körper umfing, wie er küsste, sein Blick, sein Körperzustand – so hatte ich ihn noch nie erlebt. Nie hätte ich vermutetet, welche Auswirkungen das auf mich hatte. Glaubte ich bislang, Verlangen sei mit Sehnsucht vergleichbar, dann kannte ich das Wort „Begehren“ noch nicht. Ich wollte ihn spüren, drängte einerseits seinem Körper entgegen und hielt ihn andererseits mit den Armen fest. Während ich mich dem Kuss hingab, suchte meine Hand den Zustand zu verändern, der ein vollkommenes Anschmiegen derzeit unmöglich machte. Ich hielt die begehrenswerteste Sache der Welt jedoch für einige Augenblicke umschlossen, bevor ich sie zwischen seinen und meinen Bauch bettete, um nun den Kontakt auf ganzer Länge auszukosten, es konnte nicht genug Hautkontakt sein. Und als ob er nicht bereits genügend Körperdruck ausübte, drängt mein Becken an seines, und suchte meine Hand seinen Po noch näher an mich zu pressen.
    So schön seine Berührung an der Brust auch war, der ich mich hingab und die ich mit geschlossenen Augen genoss, ich passte vor allem darauf auf, den Kontakt zu seinem Becken nicht zu verlieren. Daher beließ ich die eine Hand an seinem Po, während die andere durch seine Haare fuhr. Oder konnte man das noch „fahren“ nennen? War es nicht mehr ein Greifen oder ein Andrücken? Den Kopf zurückgelehnt war es fortan schwer zu entscheiden, auf welche Berührungen ich vordergründig achten sollte, denn allesamt waren geeignet, den Verstand auszuschalten. Mein Atem kam stoßweise und immer dann, wenn sein Atmen, seine Geräusche, in mein Bewusstsein drangen, lösten sie ein körperumfassendes Kribbeln aus, dass ein leises inneres Pulsen zur Folge hatte. Es war nicht der Wille, der steuerte, sondern eine unweigerliche Körperreaktion, die es unmöglich machte, die Beine geschlossen zu halten. Groß war der Wunsch, fast übermächtig, ihn zu spüren, ihn aufzunehmen.

    In dem Maße, wie sich seine Gesichtszüge lockerten, wuchs ein Gefühl der Befreiung in mir. Es erstaunte mich immer wieder, wie bedeutungsvoll sein Wohlbefinden für meine Zufriedenheit war. Gleich einer Welle schwemmte es jeden belastenden Gedanken fort. Zurück blieben die Leichtigkeit des Augenblicks, die Dankbarkeit darüber, dass es ihn gab, dass er so viel von sich gab, wenn er unbeschwert war, und die Vorfreude auf die sich eröffnende Möglichkeit, Zweisamkeit zu genießen. All das spiegelte sich in einem Lächeln wieder, das sich wie das vorherige dauerhaft hielt.


    Mein Blick wanderte überall dort entlang, wo ich ihn gern berührt hätte, aber wegen der uns trennenden Entfernung nicht hingelangen konnte. Und plötzlich erfasste mich wieder dieses bittersüße Gefühl der Sehnsucht, die, so erstrebenswert ich sie auch empfand, gleichsam etwas Quälendes hatte, weil Wünsche unerfüllt blieben, die mehr und mehr auf der Seele brannten. Ich fragte mich, was sich wohl derzeit alles in meinen Augen widerspiegeln mochte. Mehrfach wurde mir bereits gesagt, dass ich Empfindungen stets mehr als deutlich erkennbar machten konnte, wobei das nie beabsichtigt und mitunter nicht einmal vorteilhaft war.
    Als er sich an den Beckenrand kauerte, registrierte ich einen erhöhten Herzschlag und ein Kribbeln auf der Haut, das dieses Mal nicht durch die Berührung des Wassers zustande kam, sondern einem Aufruhr im Innern entsprang. Ich schaute für einen Moment zur Seite, um hinter einem verlegenen Lächeln zu ergründen, warum er so viel Macht über mich hatte. Zu einem Ergebnis kam ich nicht, denn ein Schaumklecks auf meiner Nase lenkte mich vom Nachdenken ab. Ich wandte mich ihm wieder zu und schmunzelte Augenblicke später über seine Frage.


    „Unmoralisch ist es nur in den Augen Dritter, aber wir sind allein, und zwischen dir und mir kann doch gar nichts unmoralisch sein, oder?“, flüsterte ich - einerseits von der Richtigkeit der Aussage überzeugt, aber andererseits in Unkenntnis darüber, wie Marc dachte. Inzwischen war er zum Greifen nahe, was den Wunsch nährte, über sein Gesicht zu streichen. Es kostete dennoch Überwindung, die Hand zu heben, denn da war eine Scheu durch den emotionalen Abstand aufgekommen, gegen die ich ankämpfen musste. Die Selbstverständlichkeit solcher Berührungen war verloren gegangen – zumindest lag sie im Ringen gegen das Verlangen, das unzweifelhaft vorhanden war. Der erste Kontakt war daher mehr als zaghaft. Ich strich über seine Schläfe und die Wange, registrierte ganz nebenbei, wie das Lächeln gewichen war, weil ich mich teils befangen, teils gefangen genommen fühlte, weil Wünsche mit selbst aufgebauten Blockaden im Streit lagen. Und doch zogen mich seine Lippen magisch an, sodass sich der anfangs nur mit den Fingerkuppen erfolgte Hautkontakt in ein Auflegen der Hand wandelte, während der Daumen sachte die Form seines Mundes nachzeichnete.


    Offensichtlich waren die Wünsche im Kampf gegen die Unsicherheit erfolgreich gewesen, denn ein zaghaftes Lächeln kehrte zurück. Ich unterbrach die Erforschung seiner Lippen, drückte einen Kuss auf die Innenseite der Finger und legte sie anschließend auf seinen Mund, der trotz der Nähe für meine Lippen in unerreichbarer Ferne lag. Anschließend stieß ich mich von Beckenrand ab und ließ mich, ohne den Blick abzuwenden, in die Mitte des Bassins gleiten. Ich war gespannt, wie er sich weiter verhalten würde.

    Der erste Morgen in Mogontiacum begann für mich mit Sonnenschein, der einerseits durch die Fenster meines Cubiculums drang und sich andererseits auch in meinem Herzen befand. Die Lieder waren noch viel zu schwer, um sie zu öffnen, aber die Gedanken gingen bereits auf Wanderschaft. Sie suchten zielstrebig eine bestimmte Person, die – gleichgültig ob sie Freude bereitete oder Kummer verursachte – seit einiger Zeit immer im Mittelpunkt meiner Gedanken war. Die kummervollen Tage lagen zum Glück hinter mir und so schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, während ich mich an das gestrige Bad erinnerte.


    Es mochte bereits eine halbe Stunde vergangen sein, ehe ich mich dazu entschloss, die kuschelige Decke zurückzuschlagen, die Beine über den Bettrand zu schwingen und mich aufzusetzen. Die morgendliche Luft war kühl, ein Schauer lief mir über den Körper. Für den Moment schaffte eine Palla Abhilfe, bis meine Sklavin erscheinen würde, nach der ich sogleich rief.


    Mein Tagesvorhaben stand bereits fest: Ich wollte das Waldstück, das sich „Garten“ nannte, in eine kultivierte Anlage verwandeln. Dazu musste ich ein Gärtnerunternehmen ausfindig machen, diverse Gewächse ordern, Wege und Plätze planen und mir Pavillons aussuchen, die schnellstmöglich errichtet werden sollten.
    Ich hatte mir vorgenommen, Helena mit einzubeziehen. Es musste ja jemand auf meine ehemalige Cousine aufpassen. Die Beschäftigung mit Blümchen würde ihr sicher gefallen, vermutete ich. Vielleicht sollte ich auch eine separate Fläche einplanen, auf der sie sich mit gleichaltrigen Nachbarkindern treffen und spielen konnte.


    „Aintzane, nach dem Waschen, Ankleiden, Schminken und Frisieren möchte ich unverzüglich das Frühstück einnehmen. Sag Helena Bescheid, dass ich in etwa einer Stunde mit in die Stadt nehmen möchte. Sie möge bis dahin mit allem fertig sein.“