Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

    Ich folgte Marcs Rundgang mit den Augen und merkte dabei recht bald, dass er nicht in der Stimmung war, auf das Spiel einzugehen. Für ihn gab es etwas aus der Welt zu schaffen, er wollte reden. Ich nickte, um meine Zustimmung erkennbar zu machen, denn ich betrachtete es stets als Vorteil, Unstimmigkeiten zu klären und Störendes zu beseitigen, um eine unbelastete Grundlage zu schaffen, sofern sie zeitweise nicht vorhanden war. Mein verwegenes Lächeln war verschwunden, es hatte einem ebenfalls ernsten, aber keineswegs unfreundlichen Gesichtsausdruck Platz gemacht. Die zuvor eingenommene Rückenlage erschien mir ebenso unangebracht. Einem Sklaven gegenüber hätte es gereicht, wenn ich – falls überhaupt nötig – den Kopf gewendet hätte, aber ich hatte Marc vor mir. Also beendete ich den Schwebezustand unter Wasser, drehte mich ihm frontal zu und näherte mich der Beckenseite, an der er Platz genommen hatte. Die Unterarme auf den Marmor gestützt, der erheblich warm durch die Fußbodenheizung war, verharrte ich für Momente, indem ich seine Worte nachklingen ließ.


    „Ich wusste nicht, dass dich die Vorkommnisse noch immer belasten“, erwiderte ich schließlich leise. „Ich hatte angenommen, wir konnten vor Ort alles klären, aber offensichtlich habe nur ich den erlebten Schreck bereits verarbeitet. Du hingegen warst über meine Reaktion entsetzt und ich verstehe das, aber ich wusste bisher nicht, wiesehr es dich getroffen hat.“


    Ich legte mein Kinn auf einen der Handrücken und dachte an die Reise zurück. Eigentlich war ich diejenige, die geschockt wurde, aber bei all dem Schreck hatte ich einen Fehler gemacht. Das war mir inzwischen klar. Und doch empfand ich bei all dem ausgestandenen Stress sogar im Nachhinein Dankbarkeit, weil ich wichtige Erkenntnisse aus seinem Verhalten gezogen hatte, weil ich selbst dazugelernt hatte und die erfolgte Klärung der Verhältnisse mir – selbst unter diesen schmerzhaften Umständen – wichtiger als der Erhalt der aufgebauten Scheinrealität war. Ich hob den Kopf und schaute ihn an, denn er wartete ja noch immer auf eine Antwort.


    „Streiten liegt auch nicht in meinem Interesse. Ich denke jedoch, dass wir dieses Vorhaben auch dann umsetzen können, wenn dein Vorleben einmal wieder zur Sprache kommen sollte, denn ich habe aus den Ereignissen gelernt. Nicht ist wichtiger, als dem anderen bedingungslos Glauben zu schenken, selbst dann, wenn nicht nur Worte, sondern Fakten scheinbar gegen ihn sprechen. Und was dein Angebot betrifft: Es muss uns möglich sein, über alles, also auch deine Vergangenheit, sprechen zu können, denn alles was zählt, ist nicht sie, sondern unsere Zukunft. So sehe ich das jedenfalls.“


    Ein Lächeln verdrängte den ernsten Gesichtsausdruck. Aus meiner Sicht war alles gesagt. Natürlich wäre ich noch für seine Äußerungen offen, aber mir lag gleichzeitig daran, das in ihm aufgestapelte germanische Eis abzutragen. Ich benetzte daher meinen rechten Zeigefinder und tippte ihn zwischen die Reimchen seiner Sandale.


    "Wolltest du nicht baden?", fragte ich lächelnd.

    Nicht einmal fünf Minuten konnte ich ungestört entspannen und sinnieren, als die Tür geöffnete wurde. Ein unwilliges Brummen entwischte mir, wenn auch ganz leise. Eine weitere Sklavin hatte ich nicht angefordert, also konnte es sich nur um Assindius handeln, der – und das kam ja öfter bei ihm vor – nicht immer alle Regeln des guten Anstandes beachtete. Ich beschloss, ihn einfach zu ignorieren, denn eine Zurechtweisung würde mich aus meiner Entspannung reißen. Als jedoch das erwartete Losplatzen ausblieb, blinzelte ich seitlich in Richtung Tür.


    Nur mit knapper Not konnte ich mir verkneifen, die Augen vor Überraschung aufzureißen, als ich Corvinus gewahr wurde. ‚Das ist ein Ding!’, dachte ich, schloss im Eiltempo die Augen, hielt gleichzeitig in der Fußbewegung inne und versuchte den akut entstandenen Wirrwarr in Kopf zu ordnen. Das Wasser wogte indes weiter und trug die Schaumberge mal näher an mich heran und im nächsten Moment wieder fort.
    Hatte ich nicht gerade noch an Marc gedacht? Sowas gab es doch nur in Theaterstücken, dass der Held genau dann auftauchte, wenn von ihm die Rede war. Allesamt alberne Vorstellungen, deren realistischen Inhalt ich stets anzweifelte, nun aber völlig anderer Meinung war. Längst hatte sich ein Lächeln auf mein Gesicht geschlichen, weil der Götter Fügungen offensichtlich nicht berechenbar waren. Ohne mich zu regen, versuchte ich zu ergründen, wie er mit der Situation umzugehen gedachte: Blieb er oder verließ er den Raum? War er zufällig hier oder aus Absicht? Ein beständig kühler Luftstrom verriet, dass er noch immer bei geöffneter Tür im Badezimmer stand.


    Mein Lächeln verstärkte sich. Eine Reihe an verwegenen Bildern zog an meinem geistigen Auge vorbei. Die Neigung, an unüblichen, reizvollen oder gar gefährlichen Situationen Gefallen zu finden, stellte ich in letzter Zeit häufiger bei mir fest. Es war, als wäre ich des langjährigen Tageseinerleis überdrüssig geworden. Auch fragte ich mich, ob ein Lächeln wohl sämtliche Empfindungen widerspiegelte. Freude sicherlich – keine Frage, aber auch Risikobereitschaft, ein wenig Amüsement über die Situation oder gar eine unausgesprochene Aufforderung?
    Wieder blinzelte ich. Zunächst verfolgte ich einen Schaumberg, der quer über meinen unter Wasser befindlichen Bauch zog. Von ihm sprang mein Blick über den Beckenrand und wanderte seitlich die Fliesen entlang, bis er zwei Füße erfasste; ihnen folgten Männerbeine, eine rote Tunika und schließlich ein sehr vertrautes Gesicht. Marc besaß schöne Augen, ich mochte sie ljedoch ieber, wenn sie lachten. Zuletzt hatten sie oft ernst geblickt. Im Augenblick besaßen sie keinerlei Ausdruck, zumindest konnte ich keinen zuordnen.


    Der Entschluss war schnell gefasst: Ich war bereit für ein Spiel, dessen Regeln ich selbst noch nicht kannte, aber gerade das stellte für mich den Reiz dar. Marc hatte den Eröffnungszug gemacht, nun war ich an der Reihe. Ohne den Kopf zu wenden, suchte ich den Blickkontakt zu Aintzane; mit einer Kopfbewegung schickte ich sie aus dem Raum. Ein Lächeln, das mehr einer Andeutung glich, umspielte meinen Mund, als ich wieder zu ihm schaute.


    „Das Spiel ist freigegeben, du bist am Zug.“ Obwohl meine Stimme gedämpft war, mussten Botschaften zu erkennen sein: Das Blitzen der Augen verriet mein Vergnügen, das verschmitzte Lächeln die Herausforderung.



    edit: Rechtschreibung.

    Endlich wies das Wasser die richtige Temperatur auf. Ich ließ mich entkleiden und glitt in das Becken, dessen Inhalt inzwischen von einer beachtlichen Schaumschicht bedeckt war. Nur wer wochenlang nicht angemessen baden konnte, denn die Straßenstationen besaßen nur notdürftigen Komfort, der schätzte diesen Augenblick gleichermaßen wie ich.


    Doch das Bad gab mir noch mehr. Mein Fuß hielt das Nass in Bewegung, weil diese Berührungen genau das waren, was ich derzeit brauchte. Vielleicht stellten sie einen notdürftigen Ersatz für vermisste Zärtlichkeiten dar – ich wusste es nicht und wollte auch nicht darüber nachgrübeln. Mit geschlossenen Augen nahm ich jede sanfte Woge wahr, die über die Beine, den Bauch oder den Rücken rollte. Wasser war sanft, es umschloss lückenlos, kroch bis in jede noch so versteckte Stelle des Körpers vor. Winzige Perlen aus Luft entstanden, und während sie an der Hautoberfläche entlang rieselten, um wenig später an die Oberfläche zu steigen, überkam mich ein Gefühl der Sehnsucht nach etwas, das weder Wort noch Bild hatte. Es umfasste Sicherheit, Geborgenheit, Wärme, Sinnlichkeit und Aufregung gleichermaßen. Gab es so etwas denn? Und falls ja: Wo konnte man das finden? War es nicht vielleicht nur ein Wunschtraum? Eine Fantasie, die entstanden war, weil ich vor Wochen berührt wurde, wie noch nie zuvor.


    Bei diesem Gedanken angekommen wurde mir klar, dass die Frage nicht lautete, ob man es finden kann, sondern wie man es halten kann, ohne das es sich wie Wasserdampf verflüchtigte. Liebe war damit nicht gemeint, oder zumindest nicht allein, denn sie weilte ja in meinem Herzen; ich hatte sie nicht verloren, auch wenn sie auf eine Probe gestellt worden war. Aber was war dieses andere, dem meine Sehnsucht galt?

    Ich registrierte erfreut, dass Aintzane inzwischen zur Stelle war und sich um die nötigen Vorbereitungen für das Bad kümmerte. Derzeit wünschte ich mir nichts sehnlicher, als den Reisestaub und mit ihm die Erinnerung an die teils traurigen Vorkommnisse während der mehrwöchigen Fahrt loszuwerden. Zu dem Streit über das Thema „Treue“ kam noch seine Zurückhaltung, die vermutlich erst den Boden für meine Zweifel vorbereitet hatte, denn seit ich in Mantua in die Kutsche gestiegen war, vermisste ich unsere gewohnte Vertrautheit, seine Aufmerksamkeit, selbst seine Nähe. Es gab kaum Zärtlichkeit.


    Der Gedanke ließ mich seufzen, denn er weckte Erinnerungen an Sophus. Auch bei ihm war die Zeit vor der offiziellen Absprache, vielleicht noch zwei oder drei Tage später, die schönste gewesen. Danach war alles abgeflacht. Vermutlich war es illusorisch zu glauben, liebevolles Verhalten überdauerte den Zeitpunkt der geglückten Absprachen, denn eine Frau galt dann ja als „erworben“. Warum sich also noch um sie bemühen? Allerdings hatte ich immer geglaubt, wenn das Herz bei einer Verbindung beteiligt ist, kommt man um einen gefühlsarmen Umgang drum herum.


    Aintzanes Frage riss mich aus den Gedanken, mein Kopf ruckte herum.


    „Ja, Schaum, aber du kannst das auch noch arrangieren, während ich bereits im Wasser bin. Wichtiger wäre, dass die Temperatur erträglich ist. Du schaust so skeptisch, ich habe sie nicht getestet. Das ist doch eure Aufgabe und ihr wisst, ihr mag ein gut temperiertes Bad: Nicht zu kühl, aber auch keineswegs zu heiß.“


    Ich blickte auffordernd zu Assindius, der nötigenfalls für Wassernachschub sorgen müsste.

    Ich legte den Kopf schief und die Stirn kraus. Natürlich waren die Aussagen keineswegs falsch, aber so einfach, wie Assindius es darstellte, war es eben nicht. Sicher, es gab nur die Wahl, zu schlucken oder auszuspucken, aber manchmal unterschied sich das Wollen vom Handeln. Vielleicht, weil man sprachlos war? Und grade dagegen musste sich ein Mittel finden lassen. Am besten getroffene Vereinbarungen. Bei diesem Gedanken reckte ich den Kopf wieder in die Höhe.


    „Das Dumme ist, dass nicht nur Inhalte falsch verstanden werden können. Was, wenn der andere in seinen Gesten abweisend wirkt, es aber eigentlich gar nicht ist? Vielleicht ist er ja auch abgelenkt und es kommt wie Interesselosigkeit an? Verschließt sich dann nicht automatisch der Mund?“


    Ich schüttelte den Kopf.


    „Langsam komme ich zu der Erkenntnis, dass man vor allem immer höflich bleiben muss, auch wenn man sich angegriffen fühlt. Nur so kann man erreichen, dass der andere stets offen für Argumente bleibt. Ein Rückzug muss ebenfalls ausgeschlossen sein, denn damit entzieht man dem anderen die Möglichkeit, zu erklären, richtigzustellen oder sich – falls sich doch ein fataler Fehler herausstellt – zu entschuldigen. Letztlich stellt sich ja doch in fast allen Fällen heraus, dass es einfach nur ein Missverständnis ist, aber ist man erst einmal verletzt, sieht man die Dinge kaum noch objektiv. Und genau da muss man aussteigen. Gibst du mir da Recht?“


    Mein Blick streifte das Becken und der Wunsch nach frischer Kleidung und einem Bad wurde übermächtig. Entschlossen, die Unterhaltung ein anderes Mal weiterzuführen, wandte ich mich wieder Assindius zu.


    „Und von „aussteigen“ nun zum „einsteigen“. Wo bleibt meine Sklavin? Wenn sie nicht kommt, musst du mir assistieren. Ich habe wenig Lust, hier noch länger zu warten.“

    Während sich Assindius um das Wasser kümmerte, sann ich der Gedanken nach, die mich auf dem Weg hierher beschäftigt hatten. Ich fand, mein Vorhaben war das beste der ganzen letzten Monate, und ich wollte gleich bei seinem Eintreffen mit der Übung anfangen, so lange Aintzane noch nicht zur Stelle war. In der Zwischenzeit schlenderte ich durch die Räumlichkeit, prüfte hier und da, wie reinlich die Anlage war, konnte allerdings tatsächlich nichts beanstanden. Ich würde nachher mit gutem Gefühl in das Becken steigen können.


    Glücklich darüber, dass in dieser Villa bereits eine Fußbodenheizung eingebaut war, schlüpfte ich schon einmal aus den Schuhen und folgte dem Steinmuster des Fußbodens mit entsprechend unregelmäßig großen Schritten. Nicht oft, aber manchmal kam das Kind wieder zum Vorschein, das längst zur Frau gereift war. Oft gesellte sich dazu der Wunsch, einfach noch einmal alles anders machen zu können, als es bisher im Leben gelaufen war. Es war ja nun beileibe nicht alles schlecht gewesen, keineswegs, aber die Chance, vor jeder einzelnen Situationen erneut zu stehen, die – aus welchen Gründen auch immer – einfach nicht gut gelaufen war, hatte etwas Tröstendes. Man könnte aus seinen Fehlern nicht nur im Nachhinein lernen, sondern sie ganz einfach gar nicht erst machen. Mir war klar, dass dies alles Wunschdenken war. Ebenso klar war, dass nicht einmal das Lernen aus Fehlern reibungslos funktionierte. In manch blöde Falle tappte man erneut. Warum konnte das Leben eigentlich nicht einfach sein?


    In diesen Gedanken hinein kam Assindius. Ich beendete meinen Balanceakt und sah ihn abwartend an. Sodann platzte ich einfach heraus:


    „Ich finde, es ist notwendig, dass ein Mann der Frau sagen kann, wie er sie versteht und umgedreht, denn nicht immer kommt das an, was man eigentlich übermitteln will, und von allein merkt man die Fehlleitung meistens ja nicht. Nur eben, wie geht das am Besten? Habt ihr Germanen dafür ein Rezept?“


    Ob es auf die mir wichtigen Römer übertragbar war, musste sich erst noch zeigen, aber gespannt war ich nun doch. Ich legte den Kopf leicht schief, verschränkte die Arme und wartete auf die Erklärungen.

    ‚So ist das mit den Frauen und den Männern’, dachte ich, als Assindius brummig wurde. Ich wollte einzig unterstreichen, dass die Spinnenfrage für mich eine essentielle war, wollte keineswegs seine Gründlichkeit anzweifeln, und doch hatte ich genau das bewirkt. Ich seufzte fast schon resigniert. Warum war die Verständigung zwischen Mann und Frau manchmal so schwer? Ob nun Sklave, Nachbar oder Geliebter … irgendwie haperte es oft, dabei war das Wenigste tatsächlich bös gemeint. Falsch! Nichts war bös gemeint – selbst dann nicht, wenn es so klang. Dann nämlich war Angst zwischen die Zeilen gekrochen und hatte bewirkte, dass Worte, die als Schutzschild für das eigene Herz und die eigene Seele fungieren sollten, plötzlich zu Angriffswaffen für den anderen wurden - unbeabsichtigt, unbemerkt und gnadenlos.


    Ich strich mir müde über die inzwischen schmerzende Stirn.


    „Nicht brummig werden, sondern für mich klar und verständlich sagen, dass dich meine Nachfrage geärgert hat. Bist du einfach nur brummig, fühle ich mich unverstanden, vielleicht sogar angegriffen, ohne zu wissen, dass ich selbst dafür verantwortlich bin.“


    Während ich meinem Leibsklaven folgte, kam mir der Gedanke, mich bei ihm an einer verbesserten Verständigung mit dem anderen Geschlecht zu üben. Patzte ich bei Assindius, war es nicht so schlimm, patzte ich bei meinem Liebsten, konnte das fatale Folgen haben.

    Das war eine der besten Auskünfte, die derzeit möglich waren: Zwei Bäder - da würde ich kaum in Konflikt mit den anderen reinigungsbedürftigen Familienmitgliedern geraten.


    „Ja, dann lass uns gehen“, erwiderte ich, konnte dabei aber nicht verhindern, dass meine Stimme matt klang. Hatte mir die Reise so sehr zugesetzt oder war eine Krankheit in Verzug? Ich wollte es nicht hoffen, obwohl mein letzter Germanienbesuch ähnliches für mich bereitgehalten hatte. Um den Gedanken nicht nur geistig fortzuwischen, strich ich mir über die Stirn. Ein innerer Befehl war es, der die Schultern straffte.
    ‚Das wird schon wieder alles’, redete ich mir ein und ging auf das Haus zu. Während dem Laufen blickte ich nur flüchtig zu Assindius, zumeist hing mein Blick an etwas Belanglosen, das in seiner Bedeutung nicht einmal den Weg bis in das Bewusstsein fand.


    „Du hast nichts gesagt, aber ich nehme an, das Haus ist nun spinnenleer?“ Eigentlich war die Frage überflüssig, denn mein Leibsklave war stets gründlich in der Ausführung der Befehle. Allerdings in der Spinnenfrage konnte eine doppelte Absicherung nicht schaden.


    „Und benachrichtigst du nach dem Einlassen des Wassers sogleich Aintzane, damit sie mir behilflich ist. Ja, und noch etwas: Ich fühle mich derzeit etwas angeschlagen. Suchst du bitte entsprechende Badezusätze heraus, die dem entgegen wirken? Ich weiß nicht, was man da nimmt, aber du wirst das schon machen. Und dann veranlasse bitte, dass mir eine leichte Mahlzeit in dieses Bad gebracht wird. Ich muss unbedingt etwas essen, auch wenn der Appetit gänzlich fehlt.“


    Unbewusst legte ich die Arme um den Leib. In diesem Moment betraten wir die Eingangshalle. Mein Blick streifte die Wände und die Decke. Ja, schön war diese Villa. Es musste ja auch nicht jedes Haus so wie das des Nachbarn aussehen. Etwas Individuelles fand ich schon immer schön.
    ‚Vielleicht werde ich dieses Haus ja sogar einmal lieben lernen’, dachte ich in einem Anflug von Romantik. Es lag stets an einem selbst, wie man das Leben, die Umstände und die nicht abänderbaren Sachen nahm. Das war doch schon immer mein Leitspruch gewesen. Ich atmete einmal tief durch und folgte anschließend meinem Sklaven, der sich ja bereits in dem Gebäude orientiert hatte. Von den anderen Familienmitgliedern war nichts zu sehen. Sie hatten wohl die Besichtigung bereits ohne mich begonnen. Aber ich tröstete mich damit, dass nach dem Bad ja auch noch genügend Zeit für einen gemeinsamen Rundgang war.

    Ich atmete erleichtert auf, als Assindius die Lage erkannte. Auf seine Frage hin antwortete ich:


    „Ja, ich sehe mir einstweilen das Grundstück an. Es wäre gut, wenn du das gesamte Haus inspizieren könntest, denn niemand weiß, wie lange es bereits unbewohnt steht und wie einladend es auf derlei Krabbeltiere gewirkt hat.“


    Obgleich ich sehr müde war, mich nach Reinigung und Entspannung sehnte, wandte ich mich ab und wollte soeben die hübschen Blütenpolster aus der Nähe begutachten, die mir bereits zu Beginn ins Auge gefallen waren, als mich Corvi ansprach. Ich blickte auf und betrachtete sein Gesicht, weil mir nicht klar war, ob seine Belustigung wie ein Necken oder eher wie eine Unnettigkeit zu verstehen war. Leider kam ich zu keinem Ergebnis.


    „Nein, das bedeutet es nicht“, erwiderte ich leise. „Ich kann über mich hinauswachsen, wenn kein Mann zur Stelle ist, aber wenn doch, dann darf er gern den Helden für mich spielen. Du müsstest dir also für den Fall, dass du mich fernhalten willst, eine kleine Armee solcher ekligen Dinger besorgen.“


    Ich seufzte leise, als er bereits weitergegangen war. Warum konnten Männer diese Abneigung eigentlich nicht nachvollziehen? Erinnerungen an früher wurden wach, als Jungs die Schwäche der Mädchen zu ihrem Vergnügen ausnutzten und Spinnen, Frösche oder Schnecken, manchmal auch Regenwürmer nach ihnen warfen. Zu meinem Glück waren Spinnen das einzige, was ich eklig fand, und während andere Mädchen schreiend wegliefen, sammelte ich die bedauernswerten Frösche ein und suchte für sie einen schützenden Ort.


    Während Assindius das Haus absuchte und ich auf seine Nachricht wartete, schlenderte ich in Gedanken versunken durch den Garten. Ein neuer Lebensabschnitt hatte begonnen, aber was würde er für mich bereithalten? Niemand konnte vorhersagen, was die Zukunft brachte, und mitbestimmen konnte man sie nur zu einem gewissen Teil, der andere lag in der Hand der Götter. Ich schaute ohne Ziel in die Ferne, spürte weder den noch frischen Frühlingswind noch die bereits wärmende Sonne, als mein Leibsklave wieder zu mir trat.


    „Assindius, du hast dich bereits umgeschaut, wie viele Bäder besitzt dieses Haus? Ich möchte jetzt nichts lieber als baden.“

    Bereits als wir die Stadtgrenze erreicht hatten, setzte ich mich gerade auf und schaute fortan neugierig aus dem Fenster. Diese Gegend würde also für lange Zeit meine Heimat sein. Ich tröstete mich damit, dass sich die Wetterlage wegen der Jahreszeit eindeutig in Richtung Besserung verändern würde. Nach Frühjahrsboten konnte man hier lange Ausschau halten – es gab weder aufgebrochene Knospen noch ein paar hübsche Frühjahrsblüher. Alles grau in grau, aber gut, von der Wetterlage hatte ich mir noch nie die Stimmung trüben lassen und würde sicherlich auch nicht gerade jetzt damit anfangen.


    Als wir in das kleine Villenviertel einbogen, reckte ich den Hals noch weiter vor. Jedes Anwesen, das ins Blickfeld rückte, begutachtete ich daraufhin, ob es die von Marc neu erworbene Villa Aurelia war. Manche fand ich ganz nett, andere wiederum undiskutabel. Ein erleichtertes Lächeln erschien jeweils auf meinem Gesicht, wenn wir solch ein unwürdiges Haus passiert hatten, denn damit stiegen ja die Chancen auf eine angemessenere Unterkunft. Oft hielt Assindius und fragte nach dem Weg. Endlich schien das richtige Anwesen erreicht zu sein, mein Sklave hielt jedenfalls die Kutsche an. Wenig später bestätigten seine Worte meine Annahme.


    „Puh, endlich!“ Mein Blick streifte den Teil des Gartens, der von der Einfahrt aus bereits einzusehen war. Zwischen hohen Bäumen, die sich – welch Überraschung – kaum von denen der letzten Wochen am Wegrand unterschieden, standen vereinzelt Büsche, die offensichtlich nicht in dieser Gegend heimisch waren. Hier hatte also bereits ein Landschaftsgärtner Geschmack bewiesen und die Umgebung in Teilen römischen Verhältnissen angepasst. Ich entdeckte kleine Blüten, die ihre weißen Köpfe der untergehenden Sonne entgegenreckten, frisches Blattgrün nahm begierig Nährstoffe für die Stärkung der Zwiebeln und Knollen auf. Zumindest kam es mir so vor, als ich versonnen diese Blütenteppiche betrachte.


    Ich fuhr zusammen, als Assindius mich aus den Gedanken schreckte. Die Tür stand offen und frische Luft lud ein, das Reisegefährt möglichst umgehend zu verlassen. Ich reichte ihn meine Hand und ließ mir aus der Kutsche helfen. Mein nächster Blick galt dem Haus. Es war derber gebaut als es für römische Villen üblich war, aber es strahlte dennoch Eleganz und einen besonderen Baucharakter aus. Ich mochte es auf seine Art.


    Beim näher kommen jedoch fiel mir ein dunkler Fleck ins Auge, der mich kurz darauf erstarren ließ. Der Klecks besaß acht Beine, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. Einem Wachposten gleich haftete er an der Hauswand unmittelbar neben der Eingangstür.


    „So, und in dieses Haus trete ich nicht ein!“, sagte ich voller Überzeugungskraft, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte das Vieh grimmig an.



    Sim-Off:

    Ich musste jetzt die Tötung der dritten (!) fetten Hausspinne in meinem Wohnzimmer in diesem Monat verarbeiten. :D Was soll der Mist dieses Jahr?

    Inzwischen standen die beiden Helden wieder auf ihren Beinen. Fette Schlammtropfen plumpsten zu Boden, was allerdings den Matschanteil an der Kleidung nur unbedeutend reduzierte. Ein wahrhaft göttlicher Anblick, wie ich fand.


    Eigentlich hatte ich ja vorgehabt, bei der Kutsche auf einen meiner Sklaven zu warten, um mir die Füße reinigen zu lassen. Gekommen war allerdings bisher keiner und so konnte ich Corvis Verstimmung, die sich nach dem Lachanfall erneut ausbreitete, durchaus nachvollziehen.
    Auch wenn er nicht gerade verlockend oder gar stattlich aussah, ein Lächeln legte sich auf mein Gesicht, weil ja der äußere Schein unerheblich war, der Mensch alleine zählte. Und weil sich so gar nichts tat, jeder der Sklaven irgendwas machte, das sich für mich aber nicht auszahlte, und ich zudem das Bedürfnis verspürte, ihm nahe zu sein, weil es mir so vorkam, als wären wir uns seit wir germanischen Boden betreten hatten, noch kein einziges Male nahe gewesen, setzte ich mich vorsichtig in Bewegung.


    Der Boden gluckste bei jedem Schritt unter meinen Füßen, während ich mich vorsichtig und unter Umgehung der Pfützen vorwärts bewegte. Nichts wäre fataler gewesen, als mich nun auch noch in den Schlamm zu legen. Der Weg war kurz, schnell hatte ich ihn erreicht.


    „Von vorn bist du ja noch trocken“, tröste ich, musste aber sogleich erneut grinsen. Das belustigte Lächeln wandelte sich aber umgehend in ein liebevolles. Ich fuhr mit den Fingerspitzen über seine Stirn, seine Wange und den Hals. Wir waren hier fern der strengen römischen Gepflogenheiten, solcherlei Zärtlichkeiten gehörten sich eigentlich in der Öffentlichkeit nicht, aber wen interessierte das hier schon? Mich jedenfalls nicht.


    „Bin ich froh, dass ich mich hier nicht umziehen muss“, flüsterte ich. „Wie stellst du das denn an? Und wie soll das mit Helena funktionieren?“

    Ich blickte von meinen beschmutzten Fingern auf, als Helena vorschlug, ich solle mich schon einmal in die Kutsche setzen und alsbald klimperte der Ohrschmuck vernehmlich bei jeder Bewegung des Kopfes, die eine deutliche Verneinung ausdrückte.


    „Auf keinen Fall steige ich mit diesen Füßen hinein. Dann trete ich mit neuem Schuhwerk auf den Dreckfleck und wieder ist ein Paar verdorben. Ich bleibe jetzt hier stehen, bis mir jemand die Füße sauber macht und neue Schuhe besorgt.“


    Um den Entschluss zu bekräftigen, setzte ich mich auf die Stufe beim Einstieg und legte die Hände in den Schoß. Bald darauf ging Helena einen Sklaven holen. Derweil legte ich den Kopf etwas in Schieflage, weil ich über mir ein Rufen gehört hatte und nun nach der Geräuschquelle suchte. Die Hand schützend über die Augen gelegt, denn trotz des annähernd bedeckten Himmels waren die Wolken recht hell, was vielleicht auch an dem dusteren Wald lag, an den man sich zwangsläufig bereits gewöhnt hatte, suchte ich Stück für Stück den Sichtkorridor ab. Natürlich musste der Vogel, denn dass es einer war, lag auf der Hand, ja nicht unbedingt dieses schmale Blickfeld kreuzen, aber ich hoffte es. Irgendwann gab ich aber auf, denn die Kopfhaltung war alles andere, aber nicht auf Dauer angenehm.


    Weil ich mich langweilte, blies ich hörbar die Luft durch die Lippen aus, aber im Grunde konnte ich mir das sparen – es hörte ja doch niemand. Auch meine Melodie „Hm, hm, hm“ verklang ungehört. Ein Seufzer folgte, dann beschloss ich, still zu sein und einfach abzuwarten. Doch die Götter meinten es gut mit mir: Abwechslung war im Anzug, denn ich hörte einen spitzen Schrei, der so gar nicht zu Tullias bisherigen Äußerungen passte. Ob was mit ihrem Kind geschehen war? Hatte jemand das Bündel fallen gelassen? Oder war es nun tot, weil ich nicht dafür sorgen konnte, dass die Nabelschnur wirklich abgebunden wurde?


    Auf jeden Fall sprang ich auf. Etwas schnell, wie ich leider zu spät feststellte, denn ich rutschte weg. Glück im Unglück – eines der Räder war da, um mich dort festzuklammern. Wieder seufzte ich. Bloß gut, dass hier sonst kein Römer war, dem ich sonst mit Patrizierwürde entgegentrat. Davon war im Augenblick nicht mehr allzu viel zu sehen. Wenigstens die Tunika rückte ich notdürftig wieder zurecht, bevor ich um den Wagen lugte, um nachzusehen, was nun Schreckliches passiert war.


    Noch immer stand dieser Pferdekarren wartend hinter unserem Sklavenkarren und dort schien auch alles normal zu sein. Was ich jedoch keineswegs als normal ansehen konnte, war das Bild, das sich mir in kurzer Entfernung bot. Corvi, eigentlich ja ein respektabler Mann, saß mitten auf dem Weg im Schlamm und fing just in diesem Moment zu lachen an.


    „Meinst du nicht, dass es in der Kutsche gemütlicher und auch trockener ist“, fragte ich mit einem belustigten Blick. Mit der Hand vor dem Mund schaute ich kurz Helena an, die es sich ebenfalls im Dreck bequem gemacht hatte. Das würde nun eine Großreinigung für die Sklaven bedeuten. Mit unterdrücktem Lachen wartete ich die weiteren Ereignisse ab.

    Ich wurde bereits an der Schulter weggelotst, aber mein Kopf war noch immer zum Karren gewandt. So kam es, wie es kommen musste: Ich trat in eine Pfütze. „Mist“, fluchte ich unfein, als es aufspritzte. Zumindest schaute ich von nun an nach vorn, oder besser nach unten. Corvis Schimpflawine ließ ich zunächst wortlos über mich ergehen, nur ab und an warf ich einen wenig begeisterten Seitenblick auf ihn. Den einen Arm an ihm abgestützt, damit ich trotz des von ihm vorgelegten Tempos die Pfützen umgehen und dennoch Schritt halten konnte, erreichte ich die Reisekutsche. Der Weg war nicht weit, aber immerhin durch die Straßenverhältnisse schwierig gewesen.


    „Ich kenne mich halt auch mit Geburten niederer Geschöpfe aus“, schob ich vor, um nicht erklären zu müssen, dass mich der Vorgang an sich interessiert hatte. Irgendwann würde ich auch damit zu tun haben und man konnte nie genug wissen. Meine Wissbegier jedenfalls schien niemals gestillt zu sein. Warum verstand er das denn nicht?


    Schließlich stapfte er missmutig davon und ich drehte mich Helena zu.


    „Meine Schuhe sind nass. So kann ich unmöglich weiterreisen, aber alle Sklaven sind ja beschäftigt. Weißt du, wo unsere Sachen sind?“


    Vermutlich nicht, denn weder sie noch ich kümmerten uns je darum. Ich überlegte, ob ich mich einfach barfuß vor die Kutsche stellen und warten sollte, bis mir jemand die Füße wusch und neue Fußbekleidung holte. Vielleicht das beste, dachte ich bei mir und stützte mich mit der Linken an dem Reisegefährt an, während ich zunächst mit den Füßen versuchte, die Lederklumpen, die sie nunmehr waren, abzustreifen. Irgendwann gelang auch das, von einigen Hopsern unterstützt, die vereinzelt Spritzer produzierten. Die letzte Lasche des rechten Schuhs allerdings musste die freie Hand abstreifen. Angewidert betrachtete ich den Schmutz an Daumen und Zeigefinger.

    Als die Geräusche aus Richtung des Sklavenkarrens an Intensität zunahmen, hielt mich dann doch nichts mehr auf meinem Platz. Ich schaute flüchtig zu Marc und Helena, lächelte entschuldigend, zog gleichzeitig verlegen die Schultern hoch, um sie sogleich wieder fallen zu lassen und in flinken Hopsern von einem annähernd trockenen Plätzchen zum nächsten zu hüpfen, bis ich schließlich am Karren angelangt war.


    Ich hielt mich mit beiden Händen am Rand fest, stellte mich auf die Zehenspitzen und lugte über den Rand. Mit verkniffener Miene begleitete ich jede Wehe, aber wohl nur deswegen, weil die Geburt bei Pferden wesentlich geräuschloser ablief und ich nicht wusste, ob sich Tullia besonders zimperlich anstellte oder das Gehabe bei Menschen üblich war. Als das Köpfchen ein kleines Stück zu sehen war, musste ich schlucken. Und das dauerte alles …
    Schon bald atmete ich mit. Als ob das helfen würde, aber na ja.


    Regelrecht erleichtert registrierte ich schließlich die Ankunft dieses kleinen verbeulten und verklebten Wesens. Nicht unbedingt so lecker, dachte ich bei mir. Auch hier sah es bei Pferden wesentlich netter aus. Oder lag es daran, weil sie Fell besaßen? Aufmerksam verfolgte ich jede von Assindius’ Handlungen. Als er die Nabelschnur durchschnitt, runzelte ich die Brauen, sagte aber noch nichts. Doch das solle es sein? Aufgeregt winkte ich mit den Armen.


    „Oh, Assindius, das geht doch nicht. Mutter und Kind verbluten, wenn du die Gefäße glatt durchtrennst. Reißen, abdrücken oder abbinden, anders wird das nix. Schau, das Blut läuft förmlich heraus. Selbst bei der Mama, wenn der Mutterkuchen noch festsitzt und versorgt wird.“


    Meinen Augen waren größer als sonst und ich hoffte, mein Sklave nahm mal ausnahmsweise meine Tipps als sinnreich wahr und damit ernst. Befehle waren schließlich was anderes, die konnte er nicht umgehen.

    Wir standen also inmitten eines germanischen Nadelwaldes, dessen Urtümlichkeit nur von einem schmalen Fahrstreifen durchbrochen wurde, und schlugen uns mit ernsten Themen herum. Weder der geeignete Ort noch der geeignete Moment, wie nicht nur Tullia wiederholt erinnerte, sondern auch der anrollende Pferdekarren bald deutlich machten würde. Immerhin wusste Marc, dass liebevolle Gesten viel abdecken konnten, was zuvor noch Kummer breitet hatte. Ich lächelte, als seine Hand über meine Wange strich. Diese Geste bedeutete mir mehr als jedes Wort.


    Er wollte sich schon abwenden, als offensichtlich noch etwas anlag. Ich hob gespannt die Brauen. Allerdings folgte ein Wunsch, die generelle Behandlung seine Sklaven betreffend. Ich nickte, musste jedoch zugleich schmunzeln. Ganz bestimmt hatte ich nicht vor, solche Aktionen des Öfteren zu wiederholen, wenngleich ich auch nicht sicher sein konnte, ob ich in einem ähnlichen Fall nicht wieder zuerst handeln und dann erst nachdenken würde.


    „Kann ich verstehen und ich werde mich bemühen“, entgegnete ich zwar einsichtsvoll, mir aber darin bewusst, kein verlässliches Versprechen abgeben zu können. Auf jeden Fall würde ich mein Bestes geben. Vielleicht wusste Marc von dieser Diskrepanz, denn sein Zwinkern wirkte auf mich, als könne er in meinen Gedanken lesen. Möglicherweise ein Irrtum, aber kein Grund, jetzt darüber nachzugrübeln.


    Er drehte sich nach diesem Hinweis um und schritt zu Helena. Mein Blick weilte auf seinem Rücken, bis er bei ihr angelangt war. Auf die Idee, ihm zu folgen, kam ich nicht, denn ich hatte nicht den Eindruck gewonnen, dass er genau das erwartete. Also trat ich mit einem großen Schritt auf ein dickes Moospolster, um von trockener und leicht erhöhter Stelle die Fortgänge bezüglich der Wagenkollision zu verfolgen. Kurzzeitig kippelte ich vor und zurück, während meine Arme, um Halt bemüht, herumruderten. Letztlich fand ich aber die passende Position und reckte alsbald den Kopf in Richtung des Germanen, der mich in gewisser Weise an Assindius’ Art erinnerte. Mit einigem Interesse betrachtete ich die Gäule, die schwer und eher zweckdienlich als hübsch anzusehen waren. Eines prustete laut, aber ansonsten ließen sie ihre Köpfe hängen. Da war kein Feuer dahinter. Na ja, was konnte man schon von Nutzpferden erwarten?


    Neugierig linste ich immer wieder auf den Sklavenkarren. Zu gern wäre ich dort gewesen, um zu sehen, wie so eine Geburt bei einem Menschen ablief. Ich nahm mir vor, die nächst beste Gelegenheit zu nutzen, um mich näher ans Geschehen zu bringen.

    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    "Camryn ist nicht dumm, Deandra. Sie weiß, was du mir bedeutest, also verwendet sie Dinge gegen mich, um dich damit zu verletzen. Sie ist eifersüchtig, auch wenn es ihr nicht zusteht und ich das nicht tolerieren werde. Vermutlich ist ihr einfach nicht klar, dass sie all die Jahre nur eine Sklavin war, in Achaia gekauft um mir zu Diensten zu sein", entgegnete ich erklärend und sah sie dabei an.
    ...


    "Ich werde darauf achten, dass sie sich angemessen entschuldigt", sagte ich in geschäftlichem Tonfall, denn er schien mir angebracht. Mehr als entschuldigen konnte sie ein Mensch nicht für seine Taten oder Worte. Strafen und Peinigungen mochten kurzweilig die Rachegelüste und den Zorn stillen, aber eine Entschuldigung war etwas gänzlich anderes.


    Als er zu den Erklärungen ansetzte, blickte ich auf. Ich betrachtete sein Gesicht, mied aber dabei weitestgehend den Blickkontakt, denn das Gehörte tat alles andere, aber nicht gut. Den Schmerz zum Ausdruck zu bringen, war mir nicht möglich, vielleicht wusste ich auch um die Sinnlosigkeit, ihn zu offenbaren. Vermutlich stand er jedoch in meinem Blick, den ich aus diesem Grund langsam senkte. Auch wenn er ein Vorleben hatte, ich wollte sicherlich nicht damit konfrontiert werden – weder von ihm noch, oder besser schon gar nicht, durch seine Sklavin. Während ein Schlucken vergeblich den zugeschnürten Hals befreien wollte, suchte der Geist das Gehörte schnellstmöglich zu verdrängen. Ohne es zu merken, malte meine rechte Fußspitze eine Art Pfeil in den Bodengrund – ungeachtet der Tatsache, dass ich die aus feinem Leder gearbeiteten Schuhe damit verdarb.


    Auf seinen Vorschlag bezüglich der geforderten Entschuldigung hin zuckte ich mit der Schulter, sagte aber nichts. Stattdessen malte ich im aufgeweichten Boden weiter. Natürlich würde sie mir etwas bedeuten, gleichzeitig aber das schlechte Gefühl sicherlich nicht rückgängig machen können. Meine Neigung zu einem Trotzkopf stellte sich ohnehin gerade dem vernünftigen Ansinnen gegenüber quer, sein Vorleben doch einfach zu ignorieren oder abzuhaken. Auf den Gedanken, er könnte weiterhin seine Zeit mit Sklavinnen teilen, kam ich nicht. Derartiges schloss sich für mich vollkommen aus, also dachte ich auch gar nicht erst über solche Möglichkeiten nach.


    Einem erneuten Schmerzenslaut aus Richtung des Sklavenkarrens folgend, suchte mein Blick Halt an den dortigen Vorgängen. Endlich eine Ablenkung, anderseits war eine Flucht stets sinn- und auch zwecklos. Daher wandte ich mich ihm wieder zu.


    „Ich möchte gar nicht wissen, wie viele außer ihr in Frage kommen, hoffe nur, dass mich dergleichen bald nicht mehr einholen wird.“

    Es war mir unangenehm, als deutlich wurde, dass Marc über die Vorgänge im Bilde war. Er fasst nach meiner schmerzenden Hand, was alles sagte. Bevor ich eventuell von ihm eine Rüge einstecken musste, wappnete ich mich vorab schon einmal mit einer Portion Trotz und Dickköpfigkeit. Nebenbei verfolgte ich seine Zurechtweisung an Camryn, jedoch verzog ich keine Miene. Es wäre leicht gewesen, etwas wie Genugtuung zu empfinden, aber eine Sklavin konnte mir schließlich egal sein, auch wenn sie es Momente zuvor nicht gewesen war. Bereute ich meine Entgleisung? Flüchtig dachte ich über diese Frage nach. Die Antwort gab ich mir schnell: Nicht wirklich, wenngleich ich beim nächsten Mal Assindius beauftragen würde.


    Schließlich führte mich Marc zur Seite, ich atmete ein, um mich auf alles gefasst zu machen. Es war eine Art von Trotz, mit der ich ihm fest in die Augen blickte, obwohl ich schuldbewusst war. Doch dann kam alles anders, eine Strafpredigt blieb aus. Stattdessen lieferte er eine plausible Erklärung, bei der ich mich allerdings fragte, woher er sie plötzlich herzaubern konnte, wenn er doch gleichzeitig nachfragte, was sonst noch geschehen war. Mein Blick wurde daher skeptisch.


    „Nein, es geht mir nicht gut“, erwiderte ich daher leise. „Es mag eine Provokation gewesen sein, auf jeden Fall hat sie ihre Wirkung nicht verfehlt.“
    Ich blickte nach unten. Nicht etwa, weil ich mich schuldig fühlte, sondern überlegte. Wieder und wieder schaufelte ich das soeben Gehörte in Gedanken um, aber es wurde dadurch auch nicht erträglicher.


    „Woher nimmt sie das Wissen, mich an der richtigen Stelle treffen zu können? Und woher nimmst du das Wissen, ihre Worte als Provokation zu erkennen, weil sie mich angeblich nicht ausstehen kann. Ich habe nie mit ihr zu tun gehabt.“