Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

    Ich glaubte tatsächlich im ersten Moment, ich hatte mich verhört. Da äffte mich diese unverschämte Camryn in meiner berechtigten Frage nach dem Kind doch nicht etwa nach!? Woher sollte ich auch wissen, dass wir eine hochschwangere Sklavin im Tross mitführten? Was interessierten mich Sklaven überhaupt? Sie waren für mich so uninteressant wie das Gepäck, wenn ich mal von meinen eigenen Leibsklaven absah, zu denen sich im Laufe der Zeit ein gutes Verhältnis entwickelt hatte, sofern sie zuverlässig und ehrlich waren.


    Bei den darauf folgenden Worten jedoch blieb mir vor Staunen der Mund offen stehen. Ich starrte Camryn an und versuchte die soeben gehörte Vermutung zu verarbeiten, was nicht gelingen wollte. Aus Ärger über diese Tatsache und die Frechheit dieser Sklavin kochte mein Blut hoch. Ich holte aus und drückte ihr in einer Affekthandlung die Faust auf die Nase. Heftig genug, um mir danach die schmerzende Hand zu halten, aber offensichtlich wirkungslos genug, damit sie annähernd ungehindert weiter sprechen konnte. Allein ein rotes Rinnsal zeugte Augenblicke später von der Wirkung meiner Aktion.


    Auf ihre überflüssigen Ratschläge für den Zeitvertreib ging ich nicht ein. Ich strafte sie mit Missachtung.
    Erst jetzt, und wohl im selben Augenblick wie Camryn, bemerkte ich Marc und dreht mich zu ihm um. Noch immer umfasste meine Linke die schmerzenden Fingerknöchel der anderen Hand – nun jedoch hinter dem Rücken. Ich hatte keine Ahnung, ob Marc den Zwischenfall beobachtet hatte, wollte ihn aber nicht selbstständig darauf stoßen. Mein Verhalten war nicht unbedingt einer Patrizierin würdig, das wusste ich. Bereitwillig ging ich auf seine Frage ein.


    „Da kommt wohl ein Kind vorzeitig auf die Welt.“


    Zum Glück kam Assindius in diesem Moment. Das beruhigte mich. Bei aller teils groben Auftretensweise strahlte er doch stets Lebenserfahrung und Ruhe aus. Jedenfalls vertraute ich seiner Erfahrung. Daher verfolgte ich interessiert, was er tat und sagte. Als seine Worte kurz gewirkt hatten, trat ich näher an den Karren heran.


    „Assindius, was heißt jetzt, es wird noch eine Weile dauern? Wie lange sitzen wir denn hier fest? Denn warten möchtest du ja offensichtlich.“


    Edit:

    Sim-Off:

    Jetzt editierst du auch noch. So was. :D


    Die Antwort auf meine Frage kam prompt. Eine Stunde schätzte er, ich zuckte mit den Schultern. 'Dacht ich es doch, es ist wie bei den Pferden: Abwarten und flups ist es raus.' :)

    Die ganze Aufregung konnte ich nicht im Ansatz verstehen. Scheinbar drehten jetzt alle durch. Jeder hatte Ideen, alle wollten sich nützlich machen. Der Vorschlag meiner Sklavin setzte schließlich allem die Krone auf. Annähernd entsetzt drehte ich mich zu ihr um.


    „Wie bitte?“
    Ich sollte eine Schüssel halten? Erstens: Wozu? Bei Pferden war auch kein Wasser vonnöten. Und zweitens: Ich? Mir fielen fast die Augen aus den Höhlen. Eine Antwort sparte ich mir, denn ich ging davon aus, dass meine Sklavin selbst darauf kam, wie absurd ihr Vorschlag war.


    „Das Wichtigste ist Ruhe, so ein Neugeborenes kommt doch ganz von allein!“ Ich schüttelte den Kopf. Dastehen, abwarten und zusehen, so einfach war das bei meinen Pferden, dabei war so ein Füllen noch bedeutend größer als ein Baby.


    „Und bei den Göttern, du willst doch nicht etwa wirklich ziehen?“ Wieder schaute ich meine Sklavin erschrocken an. Im Geist malte ich mir einen extrem langen Hals bei dem Baby aus, der kurz vor dem Abreißen war. Hoffentlich wussten alle, was sie taten. Ich blieb zunächst in meiner Beobachterposition und verfolgte das Geschehen.

    Von dem lauten Gerede aufmerksam geworden, unterbrach ich mein Vorhaben, mich in das lockere Unterholz zu begeben, und versuchte lauschend herauszufinden, was da Sache war. Nach einem Achsbruch sah es jedenfalls nicht aus, denn die Kutsche stand regelrecht auf ihren Rädern. Noch bevor ich den Durchblick hatte, wurde meine Sklavin von Camryn gerufen. Na, also das ging ja wohl zu weit. Seit wann befehligte eine Sklavin meine Leibsklavin, deren Begleitung ich gerade wünschte. Ich raffte meine Tunika, damit sie bloß nicht in diesen Schlick tauchte und machte mich umgehend auf den Weg zum Sklavengefährt. Leider ging es weder problemlos noch schnell: Pfützen zierten den Weg in unregelmäßiger Reihenfolge. Ich kam mir vor, wie bei einem Hindernislauf und ruderte mitunter mit dem freien Arm, um das Gleichgewicht zu halten. Nichts wäre fataler gewesen, als ab- oder auszurutschen.


    Wortfetzen drangen an mein Ohr, die ich nicht lückenlos interpretieren konnte. Von weitem rufen war auch nicht mein Fall, das gehörte sich einfach nicht. Erst als ich in Hörweite und erreichbarer Entfernung für meine Stimme war – immer wieder den Blick nach unten gerichtet, um ja nicht fehlzutreten – fragte ich: „Was soll das Theater? Was für ein Kind?“


    Letztlich erklärte sich die Situation aber von selbst. Bei all der verständlichen Aufregung, aber das ziellose Herumrennen des Cinna konnte ich nicht nachvollziehen.


    „Nun halt doch mal still! Viel anders als bei Pferden kann es auch nicht ablaufen.“


    Eine Pferdegeburt war sogar ein Kinderspiel. Ich sah der Angelegenheit jedenfalls optimistisch entgegen und fühlte mich gerade sehr schlau.

    Hach, es gab jemanden, der die Naturschätze mochte wie ich. Das war wunderbar.


    „Super, Aintzane. Machen wir uns am besten gleich auf den Weg, um den Aufenthalt bestmöglich zu nutzen.“


    Sogleich warf ich die Decke von meinen Beinen und reckte mich. Da jedoch entdeckte meine Sklavin irgendein Tier und sprang unkontrolliert auf. Ich lachte über alle Maßen amüsiert, als sie dabei fast an die Decke gestoßen wäre, schlug mir aber alsbald die Hand vor den Mund. Schuldbewusst schaute ich zu Marc, der spätestens jetzt aufgewacht sein musste. ‚Bestimmt ist er nach diesem Krach und bei der Lautstärke mürrisch gelaunt’, dachte ich. ( :D ;) )


    Nachdem Aintzane aber bereits die Tür geöffnet hatte und ein frisches, nicht kaltes, sondern eher würziges Lüftchen in den mit verbrauchter Atemluft gefüllten Innenraum der Reisekutsche gedrungen war, hielt mich nichts mehr zurück. Ich stand auf, angelte nach meiner Palla, legte sie um die Schultern und wartete darauf, dass meine Sklavin ausstieg, aber sie hielt inne. Auf ihre Worte hin schüttelte ich den Kopf.


    „Nö, ist besser, wenn du voran gehst und mir die Hand reichst“, erwiderte ich. ‚Oder doch nicht? Man sollte sich nicht immer so unselbständig anstellen’, dachte ich. Gerade fühlte ich mich in meine Kindheit versetzt. „Ach, lass gut sein.“ Ich winkte ab und verließ teils hangelnd, teils tastend die Kutsche, wobei ich höllisch aufpassen musste, um auf diesem schlüpfrigen Boden nicht auszurutschen. Vorsichtig bewegte ich mich auf den Waldrand zu.

    Wenn diese endlos langen Kutschfahrten doch nur nicht so langweilig wären: Egal wann man aus dem Fenster blickte, stets bot sich derselbe Anblick. Weil Marc schlummerte und ich ihn nicht aufwecken wollte, waren Gespräche, die ich ohnehin nicht ausgiebig führte, derzeit vollkommen unangebracht. Also rückte ich mir eines der kleinen Kissen zurecht, um den Kopf im Sitzen daran zu betten, und gedankenversunken die Zeit bis zur nächsten Rast zur überbrücken. So ruckelte das Reisegefährt über die teils miserablen Wege, die anzeigten, dass wir längst in Germania waren, bis ein Ausruf die anhaltende Stille durchbrach.


    Nicht aus Neugier, wohl aber wegen der Aussicht auf Abwechslung reckte ich den Kopf, um aus dem Fenster blicken zu können. Camryn kam angehetzt und rief nach meinem Leibsklaven.


    „Bestimmt wieder so ein Achsenbruch“, mutmaßte ich. „Es gibt kaum eine Reise durch diese Provinz, bei der die Straßenverhältnisse nicht für solche Zwischenaufenthalte sorgen.“
    Alsbald tauchte Assindius’ Gesicht an der Wagentür auf. Wie erwartet, gab es beim Begleitgefährt Probleme. Ich nickte auf seine Auskunft hin und war mir sicher, mein Sklave würde sie schnellstens beheben.


    „Wollen wir nicht die Zeit nutzen und uns die Füße vertreten?“, fragte ich leise in den Fahrgastraum hinein, weil ich nicht sicher war, ob Marc noch schlief. „Mein Po schmerzt bereits vom langen Sitzen. Wir könnten nach ein paar Frühjahrsblühern Ausschau halten oder den Vögeln bei der Balz zusehen. Hm?“


    Zwar warf ich einen skeptischen Blick auf den teils aufgeweichten Boden, nahm meinen Vorschlag aber nicht zurück. Ich wollte mich bewegen, etwas frische Luft schnappen und etwas anderes als Wageninnenwände sehen.

    „Ketten?“, rief ich nun meinerseits gekünstelt erschrocken aus, stützte die Hände entrüstet in die Seiten, musste aber bereits leise lachen, als der Frieden stiftende Kuss meine Stirn traf. Na, und mit der Bezeichnung „das Wichtigste“ konnte ich doch schon wieder leben. Prima war in jedem Fall auch, dass ich, wie es aussah, nicht lange warten musste, sondern die Abreise tatsächlich unmittelbar bevorstand. Ich sah Assindius herbeieilen, blickte aber zunächst Corvinus wieder an.


    „Helena? Ich wusste nicht, dass sie in Mantua weilt.“


    Da meine Cousine, oder besser ehemalige Base, die etwas abseits stand, nicht herüberkam, entschloss ich mich, bereits als Erste in die Kutsche einzusteigen, und weil Corvi davoneilte, musste mir wohl nun Assindius behilflich sein. Mein Leibsklave war ohnehin bereits zur Stelle. Ich reichte ihm die Hand, um ihn zur Hilfestellung aufzufordern, erklomm die durchaus hohe Stufe und setzte mich auf die gepolsterte Sitzfläche. Zufrieden nickte ich, weil er für all das, was ich während der Fahrt brauchte, bereits Sorge getragen hatte. Die gereichte Schachtel nahm ich mit einem Lächeln entgegen, wusste ich doch bereits, was sie in etwa enthielt.


    „Vielen Dank! Und bitte trage Sorge, dass wirklich alle Kissen eingeladen werden.“


    Sodann lehnte ich mich zurück und wartete darauf, bis Marc dazu stieg. Wenig später zogen die Pferde an. Gern hätte ich gewusst, wo der erste Zwischenhalt geplant war, aber zunächst schwieg ich. Stattdessen schaute ich aus dem Fenster hinaus, um mich von meiner langjährigen Heimatstadt bis auf weiteres innerlich zu verabschieden. Wer konnte zu diesem Zeitpunkt wissen, ob sie je wieder meine Heimatstadt sein würde? Vielleicht irgendwann Rom, vielleicht aber noch eine andere Provinz. Der Gedanke an eine Seereise ließ mich die langwierige Kutschfahrt plötzlich mit positiveren Augen sehen.

    Zitat

    Original von Lucius Annaeus Florus


    Ich gestehe, ich trage gerne Caligae, weil das so eine Nähe zur Truppe simuliert :D 8)
    Nein, stimmt schon, eigentlich mach ich das auch immer falsch, (...)


    Macer, nimmst du darauf bitte noch mal Bezug. Ich weiß noch, dass du als Legat auch "genagelt" in die Curia Provinzialis gekommen bist.

    Mit einiger Spannung wartete ich auf sein Verhalten, nachdem Vesuvianus gegangen war. Die Augen waren daher um eine Winzigkeit vergrößert, als er sich langsam umdrehte. Da er jedoch ein recht verwegenes Schmunzeln aufsetzte, konnte ich auch nicht lange ernst bleiben.
    Warum musste er eigentlich immer so wirken, als hätte er alles im Griff? Das ist ja nahezu furchtbar, wenn man selbst nur halb so unfehlbar ist. Und dem nicht genug: Er blieb einfach stehen und streckte die Hände aus, seine Aufforderung war leise, all das beeindruckte mich erneut. Aber vielleicht wirkte alles auch nur durch die rosarote Brille derart perfekt. Sie abzusetzen, war mir allerdings nicht möglich, daher grinste ich ob dieser blödsinnigen Gedanken, streckte nun meinerseits die Hände aus und legte sie in seine - er stand ja unmittelbar neben mir.


    Kraft war nicht nötig, um mich hochzuziehen, dafür strebte ich ihm viel zu selbstständig entgegen. Bei abgeschaltetem Kopf genoss ich zunächst lange Momente seine Umarmung. Es gab nichts, was augenblicklich wichtiger oder erfüllender war. Im Zusammensein mit Marc hatte ich gelernt, dass es möglich war, das Drumherum vollkommen zu vergessen. Egal was da draußen war, es interessierte nicht mehr.


    Natürlich hätte ich die zuvor mit meinem Vater besprochenen Einzelheiten gerne gewusst, wobei immer klar war, dass ich nie fragen brauchte, er berichtete stets von selbst. Auch das hatte ich bei ihm erstmalig kennen gelernt. Unbemerkt war dieses Verhalten auf mich übergesprungen, weil ich gemerkt hatte, es machte den Umgang miteinander so spielend leicht. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass es generell Leichtigkeit war, die unsere Verbindung kennzeichnete, sie trug und wertvoll machte.
    Bereitwillig ging ich auf seinen Vorschlag ein.


    „Ja, gehen wir.“


    Ich schob meine Hand in seine und hatte nicht vor, sie demnächst dort wieder fortzunehmen. Welchen Weg er wählte, war mir in dem Moment egal.

    Natürlich schätzte ich vieles an Marc, aber in diesem Moment besonders, dass er nicht ununterbrochen Geschäftsmann war, sondern wenigstens kurzzeitig einfach nur Marc. Schließlich saßen wir ja im heimischen Triclinium, es war kein Fremder zu Gast und die Themen waren auch weit entfernt von Ernst, Trauer oder Sorge. Ich lächelte daher, als er mich im Verborgenen streichelte und betrachtete derweil die Konturen seiner Beine, die sich unter der Toga abzeichneten.


    Um die erneut einsetzenden geschäftlichen Klärungen mit etwas für mich Spannendem zu füllen, beließ ich den Blick einfach auf Marcs Beinen. Ich stellte mir durch die Erinnerung an den Vorabend vor, wie sie wohl ohne Bedeckung aussahen. Da waren Haare gewesen, völlig andere als bei mir, wobei ich zudem über äußerst wenig Haare an den Beinen verfügte. Zum Glück, dachte ich bei mir, denn wenn man so einige Römerinnen in den Thermen betrachtete, musste deren Enthaarung ziemlich langwierig sein. Den einen oder anderen enthaarten Mann hatte ich auch schon einmal gesehen, aber an diesen Anblick konnte ich mich nicht so recht gewöhnen. Hoffentlich fiel Marc nicht einmal so eine Behandlung ein.


    Ich war derart in meinen Gedanken gefangen, dass ich erst Augenblicke später begriff, dass das Geschäftliche vorbei war und Marc mich fragte, ob ich Lust auf einen Spaziergang hatte. Natürlich hatte ich Lust, aber bevor ich etwas erwidern konnte, gab es Nachschlag in Form der Mitgiftregelung. Es war schwierig, aber ich konnte das Verdrehen der Augen noch rechtzeitig verhindern. Irgendwann erhob sich mein Vater und beendete damit die Besprechung. Ich konnte es kaum fassen, war jetzt tatsächlich alles geklärt?

    Zu den ersten, die fertig waren, wenn es auf eine Reise ging, gehörte ich wohl nie, aber dieses Mal dauerte es besonders lange, weil der Aufenthalt ja keineswegs kurzfristig, eher sogar zeitlich nicht absehbar war. Ich brachte eine Zeitlang die claudischen Sklaven mehr durcheinander, als dass ich hilfreich in meinen Anweisungen war. Schließlich winkte ich ab und ließ sie machen. Was mir fehlte, würde ich einfach in Mogontiacum nachkaufen. Der Markt taugte einigermaßen, also machte ich mir ab sofort keine Gedanken mehr.
    Allerdings ließ ich für eine annehmliche Überfahrt sorgen, indem ich diverse Kissen anforderte, mehrere warme Decken und genügend Knabbersachen für zwischendurch in Auftrag gab, weil bestimmt niemand an meine Vorliebe für Zusatz-“Mahlzeiten“ gedacht hatte. Und ich wählte zusätzlich jene Sklavin zu meiner Begleitung aus, die in der Sangeskunst ausgebildet war. Etwas Unterhaltung konnte nie schaden und selbst reden war auf Dauer anstrengend, zudem verursachte es Durst. Ob man an meine Säfte gedacht hatte? Ich hoffte es.


    Irgendwann war ich fertig und trat, begleitet von einigen Packsklaven, vor die claudische Villa. Ein ziemliches Gewusel empfing mich und eine Menge an Personen, die ich weder alle kannte noch auf Anhieb zuordnen konnte. Assindius, Aintzane und natürlich Marc banden aber zunächst meine Aufmerksamkeit. Die restlichen würde ich schon irgendwann kennen lernen.
    Mehr oder weniger nebenbei registrierte ich, dass es gerade um Assindius ging, aber einen rechten Reim konnte ich mir nicht darauf machen. Nur eben der letzte Satz von meinem Schatz ließ mich dann doch stutzen.

    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    "Geh ihm einfach aus dem Weg - oder gib ihm eine Denkaufgabe, das beschäftigt ihn meist stundenlang", riet ich ihm, Assindius dabei schadenfroh angrinsend.


    Möglichst lautlos trat ich heran und murmelte über seine Schulter hinweg:


    „Oh, kannst du gemein sein! Habe ich mir das mit dir eigentlich reiflich genug überlegt?“, fragte ich mit schelmischem Blick und einem fixen Zwinkern in Richtung Assindius. Sodann trat ich hinter seinem Rücken hervor und fügte schmunzelnd an: „Deandra ist nun auch hier und genau … wie weit seid ihr eigentlich? Kann ich einsteigen und los geht es?“

    Nachdem nun meinerseits alles gesagt war, fand ich auch meine Sicherheit wieder. Ich wusste gar nicht, was es nun so lange zu überlegen gab, aber Vesuvianus sah das offensichtlich anders. Er schwieg zunächst beharrlich und vielleicht wäre in mir Unruhe aufgekommen, wenn mir die Unterhaltung der beiden Männer in Gänze bekannt gewesen wäre. So aber wartete ich mit Gelassenheit auf den Entscheid, den ich ja im Voraus kannte – nicht weil ich Gedanken lesen konnte, sondern weil eine Ablehnung für mich unvorstellbar war.


    Wie zur Bestätigung nickte ich dann auch, als er sich endlich anschickte, seine Entscheidung zu verkünden. Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht und wuchs scheinbar beständig. In den Wortwechsel der Männer mischte ich mich jedoch nicht einmal mit einem Wort des Dankes ein. Wie mich die Auskunft freute, konnte mein Vater auch ohne Worte erkennen, er konnte es in meinen Augen lesen, von den zu einem Lächeln geschwungenen Lippen ablesen, vielleicht sogar an meinem Herzschlag hören. Wer wusste das?


    Mit Marcs Frage hatte ich nicht mehr gerechnet. Ich dachte, nun sei alles gesagt, Entkrampfung möglich, das Frühstück konnte nun allen schmecken, aber nein, es wurde hier und heute alles oberkorrekt gehandhabt. In Anbetracht dessen, dass er so todernst war, hätte ich ihm am liebsten einen Schabernack gespielt, aber vermutlich würde weder er noch mein Vater dafür Verständnis zeigen, daher ließ ich es.


    „Es ist mir völlig egal, wohin wir reisen, aber wenn du wissen möchtest, ob ich dich begleite, dann lautet meine Antwort: Sehr gern!“ Am Ende verdrängte ein glückliches Lächeln die zu Beginn spaßig gemeinte und auch so empfundene Auskunft. Allerdings hielt es mich nun nicht mehr auf meinem Platz. Trotz Hunger und guter Erziehung wurde mir das nun alles zu steif. Ich war noch nie ein Freund jener Römer gewesen, die Stöcke verschluckt und ihre Emotionen verloren hatten.


    „Bei den Göttern, ich fühle mich gerade wie der Inhalt eines Werkvertrages. So geht das nicht.“


    Ich lief zunächst zu meinem Vater, sagte artig „Danke“, gab ihm einen Kuss auf die Wange, zirkulierte mich um den zwischen den Klinen stehenden Tisch und setzte mich zu Marc. Allerdings nur an das Fußende, denn mit mehr Konventionen wollte ich heute nicht brechen. In einer flüchtigen Geste legte ich meine Hand auf sein Bein, bevor ich sie wieder in den Schoß legte.

    Als mein Vater zu sprechen begann, löste ich den Blick von Marc und hörte ihm aufmerksam zu. Das Thema „Heirat“ überraschte mich nun wahrlich nicht mehr. Allerdings hatte ich in diesem Zusammenhang Sophus inzwischen gänzlich verdrängt, weswegen ich verwundert die Brauen hob, als Vesuvianus auf ihn zu sprechen kam.


    „Ob ich etwas von Sophus gehört habe?“ Von der Frage nicht nur überrascht, sondern durchaus auch irritiert, schaute ich zu Marc. Gern hätte ich ihn gefragt, wer dafür verantwortlich war und warum Sophus ins Gespräch gebracht wurde, wo ich doch wusste, dass es hier um sein Anliegen, oder eben unser Anliegen ging. In dem Augenblick, als ich zu meinem Vater zurückschaute, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Vesuvianus hatte mich ja adoptiert, damit ich Sophus ehelichen konnte.


    „Äh …“, ich hob kurzzeitig die rechte Schulter, „… im letzten dreiviertel Jahr nicht.“
    Weil ich nicht sofort eine Antwort bekam und eine zweite Frage im Raum stand, wandte ich mich kurz entschlossen dieser zu. Ich konzentrierte mich darauf, Marc nicht bei seinem Vornamen zu nennen, das gehörte sich in der Öffentlichkeit nicht, denn noch stellten Vesuvianus und er ja keine Verwandtschaft füreinander dar.


    „Corvinus, … ähm …“
    Weil mir zunächst Worte einfielen, die mir keineswegs angemessen erschienen, suchten die Augen an irgendwelchen Stellen im Speisezimmer nach DER Eingabe. Ich musste über so viel Durcheinander im Kopf lächeln. „Ja, … ich …“ Der gestrige Abend kam mir in den Sinn. Da war so vieles geschehen, das mir eigentlich nicht gestattet gewesen, aber gleichzeitig sehr bedeutungsvoll war. Der aufziehenden Röte gegenüber hilflos ausgeliefert, senkte ich den Blick. Diese Verhörsituation machte mir wohl mehr zu schaffen als ich zunächst dachte. Möglicherweise lag es aber auch daran, weil für mich sonnenklar war, mit wem ich mein Leben teilen wollte und die Thematik Sophus mich unvorbereitet getroffen hatte.


    Schließlich schaute ich meinen Vater, der Röte ungeachtet, wieder an und erwiderte mit der mir eigenen, leisen und doch festen Stimme: „Ich habe mich verliebt, Vater; möchte bei ihm sein.“ Es gab viel mehr zu sagen, aber nichts, das wichtiger war als das.

    Seit langem wach, aber noch immer versonnen im Bett liegend, wurde ich durch ein heftiges Klopfen aufgeschreckt. Die Sklavin stand eher im Zimmer, als ich „herein“ sagen konnte. Schon runzelte ich die Stirn, als ich jedoch Marcs Sklavin erkannte, die hastig sprach und auch sonst einen unruhigen Eindruck vermittelte. Ich seufzte und beschloss, nun endlich aufzustehen. Worum es im Gespräch der beiden Männer ging, war mir sofort klar: Marc hatte vor Stunden sein Vorhaben angekündigt.

    „Wie ist die Stimmung zwischen den beiden?“,
    fragte ich, während ich mich der Einfachheit halber gleich von Camryn waschen ließ. Die Auskunft war wenig geeignet, Beruhigung aufkommen zu lassen, also blieb ich schweigsam bis zu jenem Moment, als ich eingekleidet, frisiert und geschminkt war – dezent genug und damit wenig aufwendig für diesen noch jungen Morgen. Zeit mochte verstrichen sein, die womöglich das Blatt im Triclinium gewendet haben konnte. Ich beschloss, unvoreingenommen zu bleiben, ließ mir die Tür öffnen und strebte in Camryns Begleitung dem Speisezimmer entgegen.


    Äußerlich ruhig, innerlich durchaus angespannt, betrat ich den Raum, schaute zunächst zu meinem Vater, dann zu Marc, dem ich ein Lächeln schenkte, und grüßte schließlich fröhlich, als wäre es ein Tag wie jeder andere.


    „Salvete! Der Morgen beginnt gut, wenn ich an der Seite der beiden mir wichtigsten Männer das Frühstück einnehmen darf.“ Ich lächelte unschuldig, durchquerte den Raum und nahm in einem Korbsessel Platz, von dem aus ich sowohl meinen Vater als auch Marc betrachten konnte.


    „Ich nehme gemischtes Obst, Brot und Käse“, wies ich die Sklavin an, die zur Bedienung bereitstand. Dabei blickte ich aus den Augenwinkeln zu Marc, betrachtete sein Gesicht, weil es mir nie so schön wie an diesem Morgen erschienen war, und versuchte gleichzeitig, in seinen Augen den Stand der Dinge abzulesen.

    Es bedurfte nicht großer „Überredungskunst“, mich heranzuziehen. Auch wenn ich dabei gespielt zerknirscht die Brauen runzelte.


    „Das ist nicht gerecht. Du trägst Berge von Stoff auf dem Leib und mich entledigst du selbst dieses dünnen Fähnchens.“


    Dabei traute ich mich kaum, ihn meinerseits zu umarmen. Wer konnte wissen, wie die gerade gerichtete Toga danach aussehen würde? Deswegen nahm ich seine Umarmung umso intensiver auf und suchte wenigstens mit der Wange und der Stirn die erstrebenswerte Nähe. Wieder merkte ich, zu welcher Unvernunft ich fähig war, weil mir eigene Wünsche wichtiger als Konventionen waren. Offensichtlich war er der Vernünftigere von uns, wenn auch seine Worte eigenes Bedauern ausdrückten. ‚Wenigstens das’, dachte ich, seufzte bedauernd und legte die linke Hand schließlich auf seine, während er sprach.


    „Dir auch schöne Träume, wenngleich ich lieber gemeinsam mit dir geträumt hätte.“


    Nach seinem Abschiedskuss schlang ich die Arme um den Körper und verweilte regungslos bis er den Raum verlassen hatte. Dass Samira kurz darauf erschien empfand ich als sinnlos und störend zugleich.


    „Du kannst gleich wieder gehen. Und kein Wort von dem, was du gerade erlebt hast. Verstanden?“


    Irgendwann übermannte mich der Schlaf, nachdem ich ins Bett gefunden hatte.

    Die Veranstaltung hatte plötzlich jedweden Reiz für mich verloren. Was interessierten mich die Wagenrennen, wo doch meine Zukunft gerade einem großen Fragezeichen glich? Briefkontakt war ja schön und gut, aber er ersetzte nur notdürftig die reale Begegnung. Tja, abwarten war wohl das Schicksal vieler römischer Frauen, aber vornehmlich meins, wie es schien.


    „Es sei denn …“, wiederholte ich hoffnungsvoll und hob wieder den Kopf. Ich suchte seinen Blick und durchdachte gleichzeitig die Alternative, die sich natürlich bot. Allerdings hatte ich auch bei Sophus in der Stadt seines Standortes gelebt, ohne ihn großartig zu Gesicht zu bekommen. Monatelang eine fremde Provinz, eine, die ich nicht mal mochte, und als Ausgleich die Möglichkeit, ihn wenigstens ab und zu sehen zu können? „ .. ich würde dich begleiten“, beendete ich den Gedankengang. Ich stellte mir die Frage, ob ich das wolle, musste aber nicht lange nachdenken. Völlig klar, ich wollte wenigstens in seiner Nähe weilen, wenigstens das.

    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    So ging ich die wenigen Schritte zu Deandra zurück und stellte mich mit der Schriftrolle in der Hand neben sie. Ich lächelte sie an und sagte kein Wort. Mir genügte es, den Stolz in ihren Augen funkeln zu sehen, und damit war ich für den Moment recht gut gefordert.


    Die erhoffte Erklärung blieb aus, als er neben mich trat, aber es war auch keine mehr nötig. Die Ernennung war fix, er schaute stolz aus und ich lächelte zurück, weil ich mich für ihn freute. Bis, ja bis ich realisierte, dass er in Kürze nach Germanien abreiste. Augenblicklich verschwand mein Lächeln, ich schaute besorgt drein und senkte kurzzeitig den Kopf.


    „Du wirst lange fort sein. Ein unglücklicher Zeitpunkt, auch wenn es mich für dich freut, aber du wirst mir fehlen.“


    Mein Blick streifte über sein Gesicht und hielt sich anschließend beharrlich in Brusthöhe. Viele Gedanken wirbelten durch den Kopf, Ordnung schien unmöglich zu sein.

    Wenigstens schaute er auch nicht glücklich bei seinem Vorhaben aus. Das tröstete für den Moment. Ich seufzte noch einmal, aber eher ungewollt, und richtete mich schließlich ebenfalls auf. Vom Bett aus verfolgte ich seine Bemühungen, sich einzukleiden. Eine gewisse Freude beim Misslingen konnte ich nicht gänzlich unterdrücken. Jedes Hindernis wäre mir derzeit recht gewesen, das sein Vorhanden vereiteln würde. Wie unglaublich kurzsichtig diese Denkweise war, fiel mir nicht auf. Ich war noch nie ein Musterbeispiel an Vernunft gewesen.


    Auf seine Frage nach Hilfe lächelte ich zunächst, verschränkte demonstrativ die Arme und ließ ein paar Augenblicke abwartend verstreichen. Schließlich verzog ich säuerlich den Mund, rutschte auf die Bettkante und stützte mich mit beiden Händen ab.


    „Wie kommst du zu der Annahme, dass ich dir dabei helfen kann? Ich bin doch keine Sklavin.“


    Mit einem erneuten Seufzer erhob ich mich schließlich, angelte nach meiner Palla, die auf dem Boden lag, und legte sie locker um den Leib. Das Format war natürlich nicht geeignet, alles zu bedecken, aber das war mir egal. In eine Tunika würde ich heute, und noch dazu selbständig, ganz sicher nicht mehr schlüpfen.
    Da ich nicht auf den Gang treten wollte, öffnete ich die Tür einen Spalt, ließ eine kleine Glocke erklingen, die stets für Samira das Zeichen war, in mein Cubiculum zu eilen, schloss selbige wieder und nahm in einem Korbsessel Platz – die Beine angezogen und die Arme darum geschlungen. In dieser Haltung wartete ich auf meine Leibsklavin, die kurz darauf erschien, mit einem Blick von mir eingewiesen wurde und ans Werk ging.

    An Schlaf war nicht zu denken, viel zu aufregend waren die letzten Minuten - Oder waren es Stunden? - gewesen. Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Ab und an setzte ich erneut mit Streicheln ein, die meiste Zeit lag ich aber ruhig, dachte nach. Irgendwann wurde Marcs Schlaf unruhig und bald darauf erwachte er. Reglos wartete ich ab, wie er sich verhalten würde, wurde aber alsbald von seinem Wunsch überrascht aufzustehen. Ohne es verhindern zu können, machte sich eine gewisse Enttäuschung breit. Natürlich wusste ich, dass man in Rom stets getrennt schlief, aber nicht alles musste sich schön anfühlen, was üblich war. Über die Unmöglichkeit, dass er zum jetzigen Zeitpunkt unserer Beziehung überhaupt in meinem Zimmer blieb, dachte ich gar nicht nach, obwohl es angebracht gewesen wäre.


    Letztlich blieb mir aber nichts anderes übrig, als den Kopf anzuheben, ein trauriges Seufzen dabei nicht unterdrückend.


    „Du möchtest gehen?“, flüsterte ich in die Stille hinein und hatte das Gefühl, als würden diese Worte den gesamten Raum ausfüllen – ihn mit einer Schwere belasten, die sich wie eine derbe Decke nieder senkte, mich einhüllte, obwohl ich frei und unbeschwert bleiben wollte. Ich suchte seinen Blick in dem Dämmerlicht, konnte ihn aber nur erahnen.

    "Bei den Göttern!", entfuhr es mir, aber zum Glück in gedämpfter Tonlage. 'Hatte ich gerade richtig gehört? Nein!' Ich runzelte die Brauen. 'Oder doch?' In diesem Augenblick trat Corvinus vor. 'Moment', dachte ich. 'Ich komme gerade nicht mehr mit.' Hatte ich nicht gerade "Marschbefehl", "Legio II" und "Germanica" gehört? Was hatte denn Corvinus damit zu tun?


    Darum bemüht, die äußere Fassade sowohl von Überraschung als auch einem gewissen Stolz frei und unbeteiligt erscheinen zu lassen, verfolgte ich die Vorgänge auf der Tribüne schweigend. Irgendwann würde ich eine Erklärung erhalten, das wusste ich, also wartete ich geduldig auf diesen Moment.

    Noch bevor ich mich ankuscheln konnte, drehte er sich mir entgegen. Seinem Bedürfnis, mich nahe anzudrücken, gab ich nur allzu bereitwillig nach. Zwar kam ich dadurch in Kontakt mit der Feuchtigkeit, die sich zunächst kühl, später aber angenehm temperiert anfühlte, aber ich stellte fest, es machte mir nichts aus – im Gegenteil.


    Was ich an Corvi schätzte, war seine Entschlossenheit, mit der er Pläne schmiedete und schließlich durchsetzte. Bei ihm brauchte man sich um nichts sorgen, um nichts kümmern, um nichts Gedanken machen. Daher erwiderte ich auf seine Bemerkung nicht viel, eigentlich nur ein registrierendes und zustimmendes „Hmhm?“ Das aufgrund der pipsigen Stimme kaum zu hören war.


    Mit Bedauern registrierte ich, dass Corvi schläfrig wirkte, wo ich doch gerade munter ohne Ende war. Vermutlich würde ich noch lange wach liegen, um die Erlebnisse noch einmal zu durchdenken, während ich mit der freien Hand mal auf seinem Rücken verweilte, mal nach unten strich, um für geraume Zeit bei seinem Po innezuhalten und irgendwann den Rückweg anzutreten.