Beiträge von Seia Fusca

    "Ist das so?", flötete Fusca und ihre Worte waren ein wenig schneller ausgesprochen als noch vor einer halben Stunde, wenn sie auch nicht an Klarheit einbüßten; - sah man von dem unüberhörbaren, hellenistischen Akzent ab. Fuscas dunkle Augen ruhten auf Tacitus und das weiße Schimmern ihrer Schneidezähne glitt über ihre mohnrot leuchtende Unterlippe. "Meine Erinnerungen an die Straßen Roms sind allzu lückenhaft, welch Närrin wäre ich daher, eine solche Gelegenheit ungenutzt zu lassen, mich auf den neusten Stand zu bringen? Vielen Dank für diesen Hinweis, werter Stilo", zwinkerte sie schließlich in Richtung des jungen Mannes.


    Während Fusca sprach, hielt sie die Hand auf dem Oberarm ihres Bruders gelegen und löste sie erst, nachdem dieser sich zu seinen Ambitionen geäußert hatte. Beinahe wäre ihr dabei ein Kichern entwischen, doch sie beherrschte sich; - unter dem Einfluss des Mulsums indes mit einiger Mühe. Dass sich ihr Bruder mit dem Posten eines Optio zufrieden geben würde, und sei es nur für kurze Zeit, war eine kaum glaubhafte, um nicht zu sagen lächerliche Vorstellung. Sicher strebte er nach nicht weniger als der Kommandantur über die Prätorianer, gewiss hatte Stilo jedoch gute Gründe, über seine Ziele nicht offen zu sprechen. Und so spielte Fusca mit, nickte beflissentlich, als sei seine Bescheidenheit das natürlichste Ereignis zwischen Himmel und Erde. "Ein Fluss", griff sie die Metapher auf, "sucht sich stets den für ihn besten Weg."

    Fusca bemerkte, dass ihre Frage, wer dieser Tage in Rom auf dem höchsten Gipfel gesellschaftlichen Ansehens stand, mit keinem Namen beantwortet wurde. Sie wölbte ein wenig, nur für den aufmerksamen Beobachter sichtbar, ihre schmalen, so sorgfältig gezupften wie sanft geschwungenen Augenbrauen, und zog ein weiteres Stück weißen Kabeljaus zwischen ihre Finger; - wobei sie darauf achtete, dass es mit einer Vielzahl an Rosinen belegt war. Sie vermutete, der Schalk, der in ihrer Betonung der Worte lag, hatte die durchaus vorhandene Ernsthaftigkeit verdrängt. Nun, sie würde es schon noch erfahren, schließlich weilte sie kaum mehr als eine Stunde in Rom. Mochte Geduld auch nicht ihre größte Stärke sein, derart eilig hatte sie es wahrlich nicht.


    Mit aufrichtiger Neugierde lauschte sie dem Bericht ihres Bruders über die Ergreifung der christlichen Unholde und obschon ihr Unterbewusstsein ahnte, dass seine Geschichte womöglich ein wenig selbstherrlich vorgetragen sein mochte, war ihr dies einerlei. Ein fast schon strahlendes Lächeln erhellte Fuscas Gesicht, als Stilo erwähnte, dass ein jeder der Verbrecher seinem gerechten Urteil zugeführt worden war. "Wundervoll", sagte sie und nickte anerkennend, hob eine Hand an Stilos Oberarm, um ihre Bewunderung durch Gestik zu unterstreichen. "Zu den vielen Gründen, als Deine Schwester Stolz empfinden, gesellt sich ein weiterer hinzu." Als dann Tacitus erneut das Glas erhob, stimmte Fusca mit ein, trotzdem ihre Vernunft sie leise warnte, dass zwei Bissen gewürzten Fisches kaum eine geeignete Unterlage für den Genuss allzu vielen Weines boten. "Auf die Cohortes Praetoriae und Sisenna Seius Stilo", sagte sie und nahm einen weiteren Schluck Mulsum, der sich warm in ihrem Oberkörper ausbreitete.


    Fusca stellte ihren nahezu leeren Becher ab, atmete durch, rückte die Klarheit ihres Verstandes zurecht und schürzte sodann die Lippen. "Du erwähntest einen Wahlkampf. Ist es bald wieder soweit? Wird einer von euch für ein Amt antreten?"

    Fusca lauschte den Erzählungen Tacitus' und wandelte auf einer Woge der Emotionen, beginnend bei interessierter Neugierde - eine Ehe sine manus; vielversprechend -, weiter zu gelindem Erstaunen - ein eigenwilliger, doch erfolgreicher Vigintivir der Gens Aemilia -, über den Anflug von Zorn - marodierende Christen(!) - bis hin zu erschrockenem Entsetzen - die Virgo Vestalis Maxima, ermordet(!). Als sie schließlich von der Hinrichtung der Täter erfuhr, nickte Fusca beifällig, ließ die Hand, die sie mit erblichenen Wangen vor ihren offenen Mund gehoben hatte, wieder sinken und sah aus den Augenwinkeln gen ihres Bruders Stilo, im Geist die stumme Frage, ob er wohl einen Beitrag zur Ergreifung der Schuldigen geleistet haben mochte. Sie zögerte, ihn direkt zu fragen, insbesondere nach seinem Verweis auf die Pflicht des Dienstgeheimnisses. Nun, es mochte sich eine andere Gelegenheit ergeben.


    "Ravilla", sagte sie schließlich, der Klang ihrer Stimme eigenartig fern, als verliere sie sich in Erinnerungen. Dann, zwei Atemzüge später, hob sie wieder den Blick. "Vielen Dank, verehrter Tacitus, für diesen Einblick in Roms dunkle Seele." Sie grinste verschmitzt, offensichtlich mehr als angetan von dieser Fülle an Neuigkeiten. "Ich fürchte, mein lieber Bruder, für das Militärische kann ich mich nur wenig begeistern; - wenn die marschierenden Kolonnen bisweilen auch angenehm anzusehen sind." Fuscas Grinsen wandelte sich zu einem Lächeln, das eine Spur der Anzüglichkeit enthielt. "Doch lass mich Dich sogleich beruhigen, der Tratsch der feinen Gesellschaft ist nicht mein ureigenstes Interesse. Ausgenommen, er trägt einen Vorteil in sich." Fusca stellte ihren Becher ab, neigte den Kopf zur Seite und lauschte einen Moment der leisen Musik, wobei sie ihren Blick kurz mit Terpander kreuzte. Dann hob sie die schmalen Schultern, während sie nach einem Stück weißen Kabeljaus auf einem der dargebotenen Tablette angelte. "Hat Athen mich verändert? Gewiss. Und doch auch Nein. Es ist den Griechen nicht gelungen, Vaters Wunsch zu erfüllen, aus mir eine bescheidene, sich allein der Tugend ergebende Dame zu formen. Gleichwohl wurde ich darin bestärkt, wer ich bin. In meiner Brust schlägt eine Seia." Fusca sprach den Satz aus, als sei jede weitere Erklärung hinfällig. "Also", fuhr sie fort, "erzähl mir, zu wem die Menschen in dieser Stadt aufschauen, auf dass ich weiß, wen ich vom Thron stoßen muss." Sie lachte in einem hellen Sopran, biss in den Kabeljau und hatte Mühe darin, sich ihren verlangenden Appetit nicht anmerken zu lassen. "Der Sand der Arena, ob nun von Hufen durchwühlt oder im Blut getränkt, ist durchaus von Reiz. Denn wie sagt man: Die wahrhaftig wichtigen Geschäfte werden oft auf den Bänken einer Tribüne geschlossen."

    Fusca hob ihren Becher empor, sah den anwesenden Männern der Reihe nach in die Augen und schob mit zwei ausgestreckten Fingern ihrer linken Hand den Blumenkranz, der ihr Haupt zierte und als Folge der letzten Bewegung ein wenig verrutscht war, um einige Millimeter zurecht. Dann lächelte sie und nahm einen tiefen Zug aus dem Gefäß. Der Mulsum war kräftig, wurde von einer einnehmenden Süße beherrscht und offenbarte zu ihrer Überraschung eine herbe, aber nicht unangenehme Note im Abgang. Fusca spürte schon jetzt, wie das Getränk ihren Geist zu umnebeln begann, die Gedanken einfing und ihre Zunge zu allzu provokanten Antworten verlockte. Die unweigerliche Folge des Genusses auf leeren Magen.


    Sie schloss für einen Moment die Augen, ganz so, als würde sie sich ihren Sinneseindrücken ergeben, sammelte sich innerlich, ehe sie von Vitalität erfüllt die Lider wieder öffnete. "Nun, meine Herren, welche Ereignisse treiben die Bewohner dieser Stadt derzeit um? Was sollte ich wissen, um nicht allzu offensichtlich preiszugeben, dass ich lange Zeit in der Ferne weilte?"

    Fusca sah Tacitus einen langen Moment unverwandt an, lauschte seinen Ausführungen - die, wie sie feststellte, ausgesprochen vernünftig klangen - und rang darum, das Zucken ihrer Mundwinkel unter Kontrolle zu halten. Letztlich aber versagte ihre Selbstbeherrschung und sie begann leise zu kichern, was sich schon nach wenigen Sekunden in ein melodisches Lachen verwandelte; - nicht von der Art, dass es sie schüttelte, sondern vielmehr herzlich amüsiert. Fusca mochte Tacitus und seine offene Art, für die ihr spontan das Wort 'unschuldig' einfiel, obschon es seinem Wesen nicht in Gänze gerecht wurde.


    "Du bist wahrhaftig ein Philosoph, verehrter Tacitus, und vor Gericht gewiss ein gewiefter Anwalt, stringent auf das Ziel konzentriert, da durch keine Verlockung abzulenken." Fusca zwinkerte ihm zu. "Mein Gefühl sagt mir, dass auch Deiner Feder eines Tages - oder gar schon heute - wertvolle Schriften entspringen. Gerne würde ich diese lesen. Behalte nur stets im Blick, dass es neben Städten, Landschaften und Gebäuden viele Formen gibt, die der Betrachtung und Beschreibung lohnen." Wie zufällig hob sie ihre Hüfte und positionierte sich neu, um so auch Sextus Iunius Stilo in das Gespräch einbinden zu können. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, erhob der Mann seinen Becher zu einem Trinkspruch und Fusca lächelte. Sie angelte nach ihrem Gefäß. "Vielen Dank. Doch erlaube mir, den Kreis ein wenig weiter zu fassen: Auf uns, Bürger Roms."

    Fusca richtete sich etwas auf und führte den Becher Mulsum erneut zu ihren Lippen, wobei sie Tacitus über den Rand ihres Gefäßes hinweg ansah. Die vormals neugierige Musterung war aus ihren dunklen Augen gewichen und hatte einem wohlwollend zugeneigten Ausdruck Platz gemacht. Mit ausgestrecktem Arm stellte sie den Becher vor sich auf dem Tisch ab. "Vielleicht eine Täuschung im Versuch, einen möglichst guten, ersten Eindruck zu hinterlassen", sagte Fusca kess und lächelte schelmisch. "Immerhin bin ich eine Seia."


    Dann senkte sie ihren Wimpernschlag einen auffällig langen Moment. "Vielen Dank, verehrter Tacitus, für Deine freundlichen Worte. Lass mich Dir empfehlen, die Welt mit eigenen Augen zu entdecken. Zugegeben, das mag reichlich vermessen klingen von jemanden, der kaum mehr kennt als das eigene Atrium. Doch beschreiben Bücher und Schriftrollen nur, was der Autor gesehen hat. Ich selbst glaube, für jeden sieht die Welt ein klein wenig anders aus." Fusca legte eine kurze Pause ein. "Außerdem", fügte sie schließlich mit leiser, andeutungsvoller Stimme hinzu, "verspricht eine Reise nach Athen in angenehmer Begleitung gewiss mehr Unterhaltung als ein trockenes Pergament."

    Ein flüchtiger Schatten, kaum mehr als der sanfte Lufthauch an einem Frühlingsmorgen, huschte über Fuscas Gesicht. Sie hob ihren reichlich verzierten Becher, nahm einen Schluck Mulsum und schien den Geschmack über ihre Zunge dahinfließen zu lassen. Dann wandte sie sich wieder Tacitus zu und ihr Lächeln war so aufrichtig sanftmütig wie zuvor; - ergänzend stahl sich eine leichte Röte auf ihre Wangen. "Vielen Dank. Doch fand meine Ausbildung leider nicht in den heiligen Hallen der Künste des Geistes statt. Vielmehr wurde ich darin geschult, die ... Tugenden einer römischen Dame zu verinnerlichen." Fusca schwang ihre offene Hand durch das Triclinium, um das Haus und seine Verwaltung zu umfassen. "Zu meinem Vorteil und wohl auch Glück", sagte sie langsam und richtete ihren Blick nachdenklich scheinend auf ihre Füße, ehe ein nur schwer zu deutendes Lächeln ihre Mundwinkel umspielte, "konnte ich in jener Zeit, da ich in der Tat Athen meine Wohnstatt nannte, regelmäßig die Gesellschaft gebildeter Männer wie Dir genießen." Fusca fixierte Tacitus. "Es gelang mir, den ein oder anderen Gedanken aufzunehmen."

    Ein herausforderndes Lächeln stahl sich auf Fuscas Lippen und sie neigte den Kopf sachte zur Seite, senkte ihre Augenlider um eine Nuance. "Ich stimme Dir zu, dass ein Philosoph und ein Jurist gewiss viele Gemeinsamkeiten haben. Das wohl gewählte Wort, die Präzision, die Dialektik der Perspektiven. Doch ob die Wahrheit selbst dazu gehört, erlaube ich mir zu bezweifeln." Fusca hob ihre feingliedrige Hand, als Begoas ihr den geforderten Becher Mulsum reichte, drehte diesen zwischen ihren Fingern und schien nachzudenken. "Wo der Philosoph, wie ich annehme, nach dem sucht, was er tatsächlich als Wahrheit erachtet, ist ein Jurist oft bemüht, glaubhaft zu machen, was als Wahrheit gewünscht wird." Fusca seufzte, ein wenig übertrieben, ehe sie zu Schmunzeln begann. "Einen Juristen zu kennen kann jedoch nur von Vorteil sein und so freue ich mich, Deine Bekanntschaft zu machen. Darf ich Deinen Namen erfahren?"

    Fusca genoss den Moment, da sich alle Aufmerksamkeit ihr zuwandte und ließ ihn gerade lange genug währen, auf dass es für niemanden unangenehm wurde; - zumindest hoffte sie das. Dann stellte sie ihre Füße voreinander, den linken auf der Ferse, ergriff den gelben Stoff der Stola in Höhe ihrer Oberschenkel und hob ihn um die Breite zweier Finger an, um ihre Knie anschließend begleitet von einem charmanten Lächeln ein wenig durchzufedern. Eine schwungvolle Geste, die so rasch kam wie sie ging. "Vielen herzlichen Dank, meine Herren. Mit solchen Worten wird meine Rückkehr in die Heimat eines jeden Römers umso mehr versüßt."


    Fusca folgte der Einladung ihres Bruders, ließ sich mit einem behaglichen Seufzen auf die Liege nieder - eine Hand im Schoß, die andere zur Seite abgestützt - und gab dem Sklaven Begoas - da er einen Krug hielt, hatte sie ihn als Mundschenk ausgemacht - ein Zeichen, ihr gleichfalls einen Becher Mulsum anzureichen. Ihre Gedanken wanderten (wieder einmal) zu dem bevorstehenden Bad und sie fragte sich, ob sie Ralloú wohl gegen Terpander ... "Ein der Wissenschaft geschuldeter Umtrunk? In Athen schien es mir, als frönten die griechischen Gelehrten in aller Selbstverständlichkeit und auch Notwendigkeit dem Wein, um ihre Denkprozesse anzuregen", sagte Fusca rasch und hob sodann die Augenbrauen. "Ein weiterer Stilo?" Ihr Blick fiel auf den dritten Mann im Raum. "Ich wage einen Versuch und kombiniere mit dem alexandrinischen Museion: Ein Leben als Philosoph?"

    Seia Fusca saß auf ihrem Schemel, die Augenlider zur Hälfte niedergeschlagen, und ließ Terpander sein Werk vollführen. Hände und Füße gewaschen zu bekommen war ihr wahrlich kein unvertrautes Gefühl, jedoch lag ein bedeutsamer Unterschied darin, ob ein Sklave lediglich der Pflicht nachkam, oder die Aufgabe mit Sorgfalt anging. Terpander gehörte zu Letzteren und als er ihr gar die entflohenen Haarsträhnen richtete, kam sie nicht umhin, verschmitzt zu Lächeln. Sein Angebot, Hals und Gesicht zu waschen, nahm sie nur allzu gerne an und legte kurzerhand den Kopf leicht in den Nacken. Weshalb selbst Hand anlegen, wenn kräftige Alternativen diese Aufgabe erledigen konnten? Beinahe gab Fusca so etwas wie ein Schnurren von sich, als das kühle Nass den Staub des Tages mit sich trug. "An Dir ist ein Meister für die Bäder verloren gegangen, Terpander, so scheint es mir", sagte sie schließlich, während sie wieder in ihre Sandalen schlüpfte und die Riemen sich um ihre Knöchel legten.


    Auf dem Weg zum Triclinium ließ Fusca sich bereitwillig den Blumenkranz um den Hals wie auch das Gesteck auf den Kopf legen. Wann hätten Blumen eine Dame nicht geziert? Und ihr Nutzen war schließlich weithin bekannt. Als Terpander sie schließlich entließ, zog Fusca ihre Fingerspitzen nochmals um seinen Oberarm zusammen - sein Angebot hatte sie angenommen - und in Tat konnte man glauben, einen harten Baum umfassen zu wollen. Äußerst beachtlich. Indes hütete sich Fusca, diesmal gleichfalls eine Mimik zu offenbaren.


    Fuscas dunkle Augen wanderten durch den Raum, kaum dass Terpander sie vorgestellt hatte. Und wohl einem Centurio nicht unähnlich, der seine Soldaten eingehend musterte, taste Fusca die anwesenden Herren von der Sohle bis zur Haarspitze ab. Was sie von einem Soldaten indes eindeutig unterschied, war das gewinnende Lächeln, welches ihre Lippen umspielte, und das neugierige Glänzen ihrer Pupillen, dem - zumindest für den Moment - jede Härte fehlte. Sie erkannte Sisenna Seius Stilo ihren Bruder, wobei sich Wärme in ihre Betrachtung stahl, wogegen die anderen Männer ihr fremd waren. "Ich hoffe, nicht den Austausch neuer Erkenntnisse zu stören, vermag ich zur Wissenschaft doch recht wenig beizutragen. Andererseits kann eine neue Perspektive gewinnbringend sein." Eine kleine Anspielung auf den Umstand, fortan die einzige Bewohnerin der Domus Iunia zu sein. Fusca lächelte. "Ich grüße euch und bedanke mich schon jetzt, dass meine Ankunft eurer Zeit wert ist."

    Fusca wandte sich herum, als Terpander das Mädchen Ralloú erwähnte. Tatsächlich sah die Sklavin reiflich erschöpft aus. Ihr Atem folgte bemüht kontrollierten Stößen, die braunen Haare hatte der Küstenwind zu einer eigenwilligen Frisur geformt und zwischen den sanft lockigen Strähnen präsentierten sich Spuren so manchen Gewächses. Einzig die Augenlider schienen nicht von jenem dunkelgrauen Staub bedeckt, der zwar auch Fusca "zierte", bei ihr jedoch weitaus weniger intensiv ausgeprägt war; - der Innenraum der Kutsche hatte angemessenen Schutz geboten. "Ein guter Vorschlag", sagte sie sodann und gab Ralloú einen Wink. "Du hast es gehört, erhole Dich, erfrische Dich und ich erwarte Dich zu später Stunde für ein Bad." "Ja, Domina." Ralloú verneigte sich vor Fusca, warf Terpander einen Blick zu, da ihre dunklen Pupillen vor Dankbarkeit schimmerten, und eilte davon. Zwar wusste sie nicht wohin, das Haus war ihr schließlich ebenso fremd wie Fusca, doch es würde sich jemand finden, der weiterhelfen konnte; - und es war besser, sich zu sputen, bevor ihre Herrin auf andere Gedanken kam.


    "Also", wandte sich Fusca wieder an Terpander, "dann zeige mir, wo ich mich stärken kann. Und auf dem Weg kannst Du mir womöglich verraten, wer die Domus Iunia sein Zuhause nennt, auf dass ich nicht allzu sehr wie das Dummchen aus dem fernen Griechenland wirke." Sie legte eine feingliedrige Hand auf Terpanders Oberarm; - es sah aus wie eine Einladung, ihr voraus zu gehen, doch mit sanftem Druck schien Fusca ebenso nach der Kraft seiner Muskeln zu tasten.

    Sim-Off:

    Ralloú ist eine Griechin von etwa 16 Jahren. :)


    "Terpander?" Fuscas Frage war mehr rhetorischer Natur. Natürlich wusste sie, wer vor ihr in der Türe stand; - die harten, kantigen Gesichtszüge, das grau melierte Haar und die dazu passenden, bestechend grauen Augen waren unverkennbar. Ihrer Frage ging der stille Eindruck voraus, Terpander müsse geschrumpft sein, denn in ihren Erinnerungen erschien der Mann weitaus größer. Doch Fusca erkannte schnell, dass nicht er kleiner, sondern sie größer geworden war. Ihrer Jugendlichkeit war sie beinahe entwachsen und obschon sie ihm noch immer kaum bis zur Nasenspitze reichte, hatte sie dereinst den Kopf heben müssen, um ihn anschauen zu können.


    Fusca folgte der Einladung, wobei sie dem sich entwickelnden Trubel allenfalls am Rande Aufmerksamkeit widmete. Ihre Blicke galten vielmehr der Domus Iunia selbst und der Einrichtung, dem sich vor ihr eröffnenden Atrium, den Teppichen, Büsten und Möbelstücken. "Es freut mich, dass Du wohlauf bist. Tatsächlich habe ich häufig an Dich gedacht." Nun, ganz so häufig vielleicht nicht, doch enthielt es ein Körnchen Wahrheit.


    Seine unerwartete Frage ließ Fusca innehalten. Unter dem Mantel der Erschöpfung hatte sie beinahe erfolgreich verdrängt, dass der Staub der Reise sich vermischt mit feinem Schweiß als schmutzig-dunkler Film auf ihrer orientalisch eingefärbten Haut abgelegt hatte. Einige Strähnen hingen lose aus der zweckmäßigen Frisur und die Stola hatte zweifellos ebenso schon bessere Zeiten erlebt. Gleichzeitig meldete sich jedoch ihr Magen mit einem dezenten Knurren. Um rechtzeitig vor Einbruch der Nacht die Stadt zu erreichen, hatten sie lediglich eine kurze Pause an diesem Tage eingelegt. "Kaum habe ich die Schwelle überschritten, bietet man mir an, mich auszuziehen", flötete Fusca butterweich mit einem Unschuldsblick, der von ihrem neckischen Lächeln Lügen gestraft wurde. Ralloú, die junge Sklavin, schien ein wenig in sich zusammen zu sinken. "Ich denke, eine kleine Stärkung wäre wohl angemessen", fuhr Fusca nach sehr kurzer Pause rasch fort. "Ich habe gehört, wenn man mit allzu leerem Magen in das Bad steigt, kann man das Bewusstsein verlieren."

    Klopf, Klopf


    Den Vorhang am Fenster ihrer Kutsche hatte Fusca schon kurz nach ihrer Passage des Stadttores zur Seite geschoben, um einen möglichst guten Blick auf all die Häuser und Bauwerke zu erhaschen, die während der Fahrt zur Domus Iunia an ihr vorbeizogen. Einzig das abnehmende, sich zunehmend ins Rot verfärbende Licht der untergehenden Sonne und die dunkler werdenden Schatten trübten die Aussicht. Gleichwohl boten die sich nun entzündenden Feuer ihren ganz eigenen Charme; - sah man davon ab, dass der Rauch einem bisweilen die Nase reizte.


    Wie der Torwächter prophezeit hatte, kamen sie gut voran und mussten nur einmal einen Umweg wählen, als ein Wagen beladen mit Amphoren die Straße blockierte. Schließlich kamen die Pferde mit einem Schnauben zum Stillstand und von der Bank des Kutschers drang ein feucht gurgelndes Brummen an Fuscas Ohr. In den vergangenen Tagen hatte sie gelernt, dass der alte Mann an den Zügeln auf diese Weise ihre Aufmerksamkeit zu erregen suchte. Doch auch ohne sein Zutun wusste sie, dass sie nun - endlich - am Ziel angekommen waren. Fusca öffnete die Kutschentür und trat in die Nacht hinaus. Sofort war Ralloú an ihrer Seite. Das Bellen eines Hundes durchschnitt die Luft, irgendwo glaubte Fusca Gesang zu vernehmen; - die Qualität war indes leidlich. "Jetzt kommt der wahrhaft spannende Teil." Fusca raffte ihre blassgelbe Stola, sog ihre Lungen gegen die bleierne Erschöpfung voll und ging entschlossenen Schrittes auf die Tür der Domus Iunia zu. Im Abstand von zwei Schritten blieb sie stehen, Ralloú hingegen trat bis zu der hölzernen Pforte und - auf einen Wink ihrer Herrin hin - hämmerte mit der Faust dagegen.

    Als Ferox den Namen ihres Bruders erwähnte, öffnete Fusca überrascht den Mund um eine Nuance, verzichtete indes darauf, das Verwandtschaftsverhältnis aufzuklären. Vielmehr strich sie sich mit den Schneidezähnen sachte über die Lippen und deutete so etwas wie einen spielerischen Knicks an. "Es wird mir eine Freude sein, den Gruß zu entrichten. Ich danke Dir für Deinen Dienst, Germanicus Ferox", sagte Fusca, lächelte ein weiteres Mal zuvorkommend und betrat dann wieder die Kutsche. Wenn die Stunde günstig war, wie der Torwächter sagte, so wollte sie wahrlich keine Zeit verlieren.


    Mit einem Schlag der Zügel setzte sich das Gespann wieder in Bewegung, schob sich durch das Stadttor, doch schon nach wenigen Metern streckte Fusca nochmals den Oberkörper aus dem Fenster der Kutsche und richtete ihren Blick auf Ferox. Gegen das Klappern der Räder auf der Straße rief sie: "Soldat! Pflichtbewusste, ehrliche Bürger Roms finden stets meine Bewunderung. Besuche mich einmal, wenn Du Gelegenheit findest." Sie zwinkerte ihm zu und verschwand wieder in der Kutsche, die sich nun jenseits des Stadttores ihren Weg durch die Gassen bahnte.


    (-> Fortsetzung: Domus Iunia)

    Der Kutscher, ein Mann mit schütterem, grauen Haar, der seinem Lebensende näher war als seiner Geburt, beäugte die Soldaten misstrauisch und folgte Nero Germanicus Ferox mit reserviertem Blick, gab jedoch keinen Laut von sich; - was nicht weiter verwunderlich war, fehlt ihm als Folge jugendlicher Missetaten doch die Zunge. Der Reiseunternehmer aus Brundisium hatte Fusca über diesen Umstand aufgeklärt, ihr jedoch nicht verraten, welchen Vergehens der Mann sich einst schuldig gemacht hatte. Seinen Beschwörungen, der Kutscher sei die Zuverlässigkeit in Person, hatte Fusca - auch aus Ungeduld - letztlich Glauben geschenkt. Und dies bis hierhin nicht bereut.


    "Meine Herrin ist ...", weiter kam Ralloú nicht, denn in jenem Moment öffnete sich begleitet vom Knarzen der Scharniere die Kutschentür. "... Seia Fusca", beendete Fusca den Satz der Sklavin und setzte ihren Fuß auf die Straße. Ihre haselnussbraunen Augen hielt sie dabei unentwegt auf Ferox gerichtet, den Kopf leicht zur Seite geneigt, während ein freundliches Lächeln ihre Lippen umspielte. Fusca betrachtete den Mann, strich von seinem Hals abwärts über seine Arme und seine Brust, eine Musterung, die kaum einen Atemzug andauerte und doch unübersehbar war. Dann wandte sie sich seinem Gesicht zu. "Mein Weg führt mich von Griechenland zurück in meine Heimatstadt und mein Ziel ist die Domus Iunia." Fusca deutete mit ausgestreckter Hand auf die Truhe, die rückwärtig an der Kutsche befestigt war. "Nur meine persönliche Habe, keine Waren. Das heißt, soweit Geschenke für die Familie hiervon ausgenommen sind."

    Alte, neue Welt


    Die Räder der Kutsche klapperten über die Via Appia auf Roms Stadtmauern zu, während die über Fusca hereinbrechenden Sinneseindrücke mit jedem zurückgelegten Meter an Intensität zunahmen. Wo vormals, in den Weiten der italischen Landen, nur das Schnaufen der Pferde und der enervierende Klang von Metall auf Stein zu hören gewesen war - unterbrochen vom seltenen Schnalzen einer Peitsche -, füllten nun verschiedenste Sprachen, schwere wie leichte Schritte und die Klänge des Lebens die Luft; - vom Schreien der Kinder bis zum Streit der Unversöhnlichen. Fusca schob mit zwei Fingern den Vorhang am Fenster zur Seite, schuf eine ausreichend große Öffnung und schürzte die Lippen, als sie in der späten Abendsonne die sieben Hügel des römischen Herzens erblickte. Es lag viele Jahre zurück, seit sie Rom auf Geheiß ihres Vaters hin hatte verlassen müssen, um in Griechenland ihr Leben zu bestreiten. Weit abseits von ...


    Abrupt wurden Fuscas Gedanken unterbrochen, als eine feingliedrige Hand in den Vorhang griff und ihn zur Seite riss. "Wir sind da, Domina!" Das weich gezeichnete, sonnengebräunte Gesicht Ralloús, ihrer persönlichen Sklavin, starrte Fusca aufgeregt entgegen. Als diese vor Schreck auf der Bank beinahe hintenüber fiel, wandelte sich die Aufregung der Sklavin jedoch in Entsetzen. "Verzeiht mir, Domina! Das ..." Fusca schnaubte unwillig und richtete sich wieder auf, zupfte an ihrer Stola und warf Ralloú einen zornigen Blick zu. "Wie wäre es mit Klopfen?" Die junge Sklavin, die sich auf das Trittbrett der Kutsche geschwungen hatte, nickte betreten. "Ja, ich weiß, dass wir am Ziel sind", fügte Fusca schließlich in ruhigerem Tonfall hinzu. Zwei Monate. So lange hatte die Reise nach Rom gedauert. Eine Zeit der Strapazen und auch Unsicherheiten. Nun aber konnte sie beginnen, die Stadt - und mit ihr ein Imperium - zu erobern.

    Das Stadttor wuchs in die Höhe empor und seine Ausmaße wurden umso beeindruckender, als die Kutsche in den langen Schatten des massiven Steinbaus eintrat. Seine Geschwindigkeit hatte das Gefährt nun, umringt von so vielen kommenden und gehenden Menschen, deutlich reduziert. Fusca klopfte ihr Herz bis zum Hals, denn was sie sich vormals nur ausgemalt hatte, wurde nun Wirklichkeit. Da rief eine befehlsgewohnte Stimme plötzlich: "Halt!"