[Triclinium] Cena zur Ankunft der Seia Fusca

  • Ich hörte Fusca aufmerksam zu, wobei ich mich zwar bemühte, meine Freude nicht zu offenkundig zu zeigen, als sie mich in die Reihe gebildeter Männer Athens stellte, jedoch betrogen mich meine Augen, die leuchteten, während ich höflich lächelte.


    "Nur wenige Vorteile sind absolut, doch nützlich sind sie allemal. Deine Tugenden scheinen mir außer Frage zu stehen, wobei Athen dafür ein ungewöhnlicher Ort ist. Ohne jemals dort gewesen zu sein, muss ich leider zu meiner Schande gestehen. Am Museion lernt man recht schnell den Glauben, dass man nicht die Welt bereisen müsse, weil alles Interessante über jeden Ort der Welt in den Büchern der Bibliothek zu finden ist. Ein Irrglaube, doch einer, der nur allzu verlockend ist."


    Mein Mund fühlte sich etwas trocken an, was mir seltsam vorkam. Schließlich hielt ich vor Gericht sehr viel längere Reden. Nachdem ich einen kleinen Schluck aus meinem Glas genommen hatte, fuhr ich fort.


    "Im Übrigen denke ich, dass du mehr als nur den einen oder anderen Gedanken aufgenommen hast. Und ich denke auch nicht, dass es eine bloße Aufnahme war. Vielmehr denke ich, dass du viele Gedanken aufgenommen hast, und sie auch selbst weiterentwickelt hast. Wobei ich natürlich anerkenne, dass dich deine Bescheidenheit ehrt und deinen Glanz verstärkt."


    In Erwartung einer Erwiderung sah ich sie an.

  • Fusca richtete sich etwas auf und führte den Becher Mulsum erneut zu ihren Lippen, wobei sie Tacitus über den Rand ihres Gefäßes hinweg ansah. Die vormals neugierige Musterung war aus ihren dunklen Augen gewichen und hatte einem wohlwollend zugeneigten Ausdruck Platz gemacht. Mit ausgestrecktem Arm stellte sie den Becher vor sich auf dem Tisch ab. "Vielleicht eine Täuschung im Versuch, einen möglichst guten, ersten Eindruck zu hinterlassen", sagte Fusca kess und lächelte schelmisch. "Immerhin bin ich eine Seia."


    Dann senkte sie ihren Wimpernschlag einen auffällig langen Moment. "Vielen Dank, verehrter Tacitus, für Deine freundlichen Worte. Lass mich Dir empfehlen, die Welt mit eigenen Augen zu entdecken. Zugegeben, das mag reichlich vermessen klingen von jemanden, der kaum mehr kennt als das eigene Atrium. Doch beschreiben Bücher und Schriftrollen nur, was der Autor gesehen hat. Ich selbst glaube, für jeden sieht die Welt ein klein wenig anders aus." Fusca legte eine kurze Pause ein. "Außerdem", fügte sie schließlich mit leiser, andeutungsvoller Stimme hinzu, "verspricht eine Reise nach Athen in angenehmer Begleitung gewiss mehr Unterhaltung als ein trockenes Pergament."

  • Ich lauschte ihren Ausführungen, doch verstand ich die Andeutungen nicht, wenngleich mir ihr schelmisches Lächeln gefiel. Auch den langen Wimpernschlag nahm ich zwar wahr und mir gefiel dieser Moment, doch vermochte ich es nicht zu deuten. Ein Problem, das ich bereits am Museion hatte.


    "Ob ein Buch tatsächlich nur die subjektive Wahrnehmung des Autors wiedergibt, sei dahingestellt. Sicher ist es niemals völlig objektiv, aber vielleicht doch näher an der idéa einer Stadt, eines Landstrichs oder auch nur eines Gebäudes, als es die eigene subjektive Wahrnehmung je sein wird. Denn um etwas auf das Pergament zu bringen, bedarf es einer genauen Überlegung, die zwangsläufig zu einer Abstraktion führt. Bücher können also durchaus den der Vergänglichkeit entzogenen Kern einer Sache beschreiben. Vor allem dann, wenn man die gleiche Sache von verschiedenen Autoren beschrieben findet."


    Es dauerte nur einen kurzen Moment, bis sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen legte.


    "Allerdings hat die subjektive Erfahrung durchaus auch ihren Reiz. Man sollte nur den Moment des Staunens gut auskosten, doch nicht zu lange in diesem verharren, sondern zum wahren Wesen vorzudringen suchen, wohlwissend, dass dies niemals zur Gänze gelingen wird. Das gilt auch für eine Reise nach Athen, wenngleich es dort viel zu entdecken und zu bestaunen geben sollte und... ähm..."


    In diesem Moment war bei mir der Groschen gefallen und mir wurde klar, wie das mit der angenehmen Begleitung gemeint war. Besser spät als nie. Ich errötete leicht, was mir schon sehr lange nicht mehr passiert war.


    "Ähm... was wollte ich sagen? Achja, also... in angenehmer Begleitung wäre so eine Reise sicher unterhaltsamer, um nicht zu sagen interessanter."


    Gut gerettet? Wohl eher nicht. Danke, Minerva, dass du mir immerhin spät ein wenig Erleuchtung gegeben hast.

  • Als die Dame Fusca den Raum betrat, schnappte Stilo kurz nach Luft. Sie war schön, definitiv schön! Um es einfacher zu beschreiben, verschlug es ihm die Sprache. So lag er still da und hörte interessiert den Gesprächen zu, ohne sich groß einzumischen. Aber eine Sache wurde ihm klar. Später mal, wenn er das passende Alter erreichen sollte, würde seine Frau ebenfalls so nobel aussehen sollen.


    Allerdings bemerkte er auch, dass Tacitus sich gänzlich anders benahm. Es schien, als würde Tacitus ebenfalls das Gleiche denken, allerdings war bei ihm die Möglichkeit bereits vorhanden.

    Stilo schmunzelte bei der Vorstellung und freute sich darüber. So hob er sein Becher zum Gruße auf, ohne die Unterhaltung groß stören zu wollen und rief, " Auf Fusca!".

  • Fusca sah Tacitus einen langen Moment unverwandt an, lauschte seinen Ausführungen - die, wie sie feststellte, ausgesprochen vernünftig klangen - und rang darum, das Zucken ihrer Mundwinkel unter Kontrolle zu halten. Letztlich aber versagte ihre Selbstbeherrschung und sie begann leise zu kichern, was sich schon nach wenigen Sekunden in ein melodisches Lachen verwandelte; - nicht von der Art, dass es sie schüttelte, sondern vielmehr herzlich amüsiert. Fusca mochte Tacitus und seine offene Art, für die ihr spontan das Wort 'unschuldig' einfiel, obschon es seinem Wesen nicht in Gänze gerecht wurde.


    "Du bist wahrhaftig ein Philosoph, verehrter Tacitus, und vor Gericht gewiss ein gewiefter Anwalt, stringent auf das Ziel konzentriert, da durch keine Verlockung abzulenken." Fusca zwinkerte ihm zu. "Mein Gefühl sagt mir, dass auch Deiner Feder eines Tages - oder gar schon heute - wertvolle Schriften entspringen. Gerne würde ich diese lesen. Behalte nur stets im Blick, dass es neben Städten, Landschaften und Gebäuden viele Formen gibt, die der Betrachtung und Beschreibung lohnen." Wie zufällig hob sie ihre Hüfte und positionierte sich neu, um so auch Sextus Iunius Stilo in das Gespräch einbinden zu können. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, erhob der Mann seinen Becher zu einem Trinkspruch und Fusca lächelte. Sie angelte nach ihrem Gefäß. "Vielen Dank. Doch erlaube mir, den Kreis ein wenig weiter zu fassen: Auf uns, Bürger Roms."

  • Mir gefiel ihr Lachen. Es klang schön. Ein wenig musste ich auch schmunzeln und nahm noch einen Schluck verdünnten Wein, während Fusca sprach. Spätestens mit dem Zwinkern war mir klar, was sie wohl damit meinte, dass ich durch keine Verlockung abzulenken sei. Sie brachte mich damit fast zum Lachen, weshalb ich mich beinahe am Wein verschluckt hätte. Aber nur beinahe.


    Während sie weitersprach, hörte ich aufmerksam zu. Sie würde meine Bücher gerne lesen? Vielleicht sollte ich ihr eins schenken? Doch dann war auch schon der nächste Gedanke im Vordergrund. Ja, es gab ganz sicher noch andere Formen, die der Betrachtung und Beschreibung lohnten. Beispielsweise könnte ich Fusca stundenlang ansehen. Nicht nur ihre physis, sondern auch ihre kínēsis war es zweifellos wert, betrachtet zu werden. Sie bewegte sich so schön.


    Der Trinkspruch meines Vetters unterbrach meine Gedanken jäh. Doch zu meiner Überraschung - warum war ich eigentlich überrascht? - erweiterte Fusca den Kreis auf uns in unserer Eigenschaft als römische Bürger. Oder auf die Bürger Roms allgemein und uns im Speziellen? Ich würde die Worte später einmal als Übung in Philologie tiefergehend analysieren. Im Moment fehlte dazu die Zeit, denn ich musste meinen Becher heben.


    "Auf uns, Bürger Roms."


    Dabei lächelte ich und nickte zuerst Fusca, dann Iunius Stilo und schließlich Seius Stilo zu,

  • Ausgerechnet jetzt hatte er natürlich reines Wasser in seinem Glasbecher. Er hob ihn trotzdem und sagte ebenfalls: "Auf uns, Bürger Roms!"


    Er selbst kam nicht auf den Gedanken, dass vielleicht alle Bürger damit gemeint sein könnten, dafür gab es einfach zu viele Subjekte, die keinen guten Gedanken verdienten oder zum Wohle des Kaisers und des Volkes aus dem Verkehr gezogen werden mussten. Ginge es nach Stilo, wären das noch weitaus mehr. So bezog er das Trinksprüchlein rein auf ihren beschaulichen Kreis.

  • Fusca hob ihren Becher empor, sah den anwesenden Männern der Reihe nach in die Augen und schob mit zwei ausgestreckten Fingern ihrer linken Hand den Blumenkranz, der ihr Haupt zierte und als Folge der letzten Bewegung ein wenig verrutscht war, um einige Millimeter zurecht. Dann lächelte sie und nahm einen tiefen Zug aus dem Gefäß. Der Mulsum war kräftig, wurde von einer einnehmenden Süße beherrscht und offenbarte zu ihrer Überraschung eine herbe, aber nicht unangenehme Note im Abgang. Fusca spürte schon jetzt, wie das Getränk ihren Geist zu umnebeln begann, die Gedanken einfing und ihre Zunge zu allzu provokanten Antworten verlockte. Die unweigerliche Folge des Genusses auf leeren Magen.


    Sie schloss für einen Moment die Augen, ganz so, als würde sie sich ihren Sinneseindrücken ergeben, sammelte sich innerlich, ehe sie von Vitalität erfüllt die Lider wieder öffnete. "Nun, meine Herren, welche Ereignisse treiben die Bewohner dieser Stadt derzeit um? Was sollte ich wissen, um nicht allzu offensichtlich preiszugeben, dass ich lange Zeit in der Ferne weilte?"

  • Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich bei einigen der aktuellen Ereignisse involviert war. Aber ich wollte mich hier nicht in den Mittelpunkt stellen. Das konnten andere machen. So entschied ich mich, das zu erwähnen, wo meine Person nicht unbedingt genannt werden musste.


    "Im Senat wird ein neues Ehegesetz diskutiert, welches der Praetor Urbanus eingebracht hat. Soweit ich das erkenne, wird damit der status quo festgeschrieben. Das heißt, dass eine Ehe grundsätzlich sine manu geschlossen wird. Und dass eine funktionierende Ehe nicht durch den Vater eines Ehepartners geschieden werden kann. Also letztlich soll die bestehende Rechtsprechung in Gesetzesform gegossen werden. Das ist für uns alle in Zukunft sicher nicht ganz unwichtig."


    Dabei versuchte ich, sie möglichst neutral anzusehen, was mir aber nur bedingt gelang.


    "Frag mich jetzt aber nicht, wie weit die Debatte fortgeschritten ist. Ansonsten fällt mir noch ein, dass wir momentan einen Aemilier als Vigintivir haben, der... sagen wir... bereits zu ziemlicher Bekanntheit gekommen ist. Er hat recht... wie soll ich sagen... konservative Ansichten. Und damit meine ich nicht römische Tugenden, sondern eher Ansichten, wie man sie in einer Adelsherrschaft bei Barbaren erwarten würde. Mal sehen, ob er sich damit nicht selbst im Weg steht."


    Ich fand, dass ich mich hier sehr diplomatisch ausgedrückt hatte.


    "Allerdings hat er sich mir gegenüber stets einwandfrei benommen. Ich habe also keinen Grund zur Klage. Des Weiteren scheint es wohl ein Problem mit Falschmünzern zu geben. Da scheint besagter Vigintivir aber bereits an einer Lösung zu arbeiten."


    Kurz dachte ich nach, bevor ich weiter erzählte.


    "Es gab wohl auch eine Gruppe von radikalen Christianern, die Tempel geschändet und - weit schlimmer - die Virgo Vestalis Maxima ermordet hatten. Das Problem scheint aber durch die Cohortes Praetoriae und Cohortes Urbanae inzwischen gelöst worden zu sein. Will sagen, die Täter wurden gefasst und hingerichtet."


    Ich nahm einen Schluck meines verdünnten Weins und sah zu Seius Stilo.


    "Korrigiere mich bitte, wenn ich mich darin irre. Ansonsten bist du sicher auch für weitere aktuelle Ereignisse die beste Quelle hier im Raum. Wobei natürlich fraglich ist, ob du über alles reden darfst, wovon du weißt."

  • "Über alles?" Sein Lächeln war nicht so zauberhaft wie das seiner Schwester, doch auch Stilo sah in diesem Moment entspannt und freundlich aus, denn er freute sich sehr über Fuscas Heimkehr. "Natürlich nicht, Stichwort Dienstgeheimnis. Ich erzähle euch die Dinge, die ihr theoretisch auch ohne mich in Erfahrung bringen könntet, Dinge, die sowieso in der Öffentlichkeit kursieren."


    Und weil es die Familie war, gab es gelegentlich auch mal einen Happen an ausgewählten Informationen zusätzlich, doch das durfte Stilo nicht einmal in den eigenen vier Wänden aussprechen. Sie mussten es selbst erahnen.


    "Aber von jenen Dingen höre ich viel. Was interessiert dich, Schwesterchen? Das Militär wohl kaum. Oder doch? Vielleicht eher Wagenrennen? Gladiatorenkämpfe? Hoffentlich nicht die feine Gesellschaft, dafür müsste ich dich an Ravilla verweisen. Was möchtest du von mir hören? Wie hat Athen dich verändert - oder bist du immer noch die Gleiche?"


    Wer kannte schon Fuscas langfristige Pläne? Allenfalls Ravilla ... ihre anderen Bruder hatte sie bislang nicht eingeweiht. Er trank noch einen Schluck.

  • Als der Mundschenk in Richtung Küche marschierte, weil die Häppchen zur Neige gingen, erhielt er außerhalb der Sichtweite der Herrschaften einen saftigen Hieb auf den Hinterkopf. Dazu einen strengen Blick von Terpander. Eine Erklärung erhielt er nicht.


    Die übrigen Sklaven begannen derweil, den Hauptgang aufzutischen. In Anbetracht des schwülen Wetters gab es heute Fisch statt Fleisch: Fangfrischen Kabeljau vom Markt, in mundgerechte Häppchen geschnitten und in Weißwein gebraten. Garniert wurde das Ganze mit frischen Kräutern, schwarzem Pfeffer und Rosinen. Wem das nicht zusagte, der konnte Brot und Obst essen oder sich vertrauensvoll an Terpander wenden, der äußerst liebenswürdig in die Runde schaute, während er die Mimik der Herrschaften beobachtete, um herauszufinden, wie gut (oder auch nicht) ihnen das heutige Essen schmeckte.


    Auch der gerügte Mundschenk war wieder dabei, um für die passenden Getränke zu sorgen.


    Und endlich perlten auch die Klänge einer wunderbaren Melodie durchs Triclinium ...

  • Fusca lauschte den Erzählungen Tacitus' und wandelte auf einer Woge der Emotionen, beginnend bei interessierter Neugierde - eine Ehe sine manus; vielversprechend -, weiter zu gelindem Erstaunen - ein eigenwilliger, doch erfolgreicher Vigintivir der Gens Aemilia -, über den Anflug von Zorn - marodierende Christen(!) - bis hin zu erschrockenem Entsetzen - die Virgo Vestalis Maxima, ermordet(!). Als sie schließlich von der Hinrichtung der Täter erfuhr, nickte Fusca beifällig, ließ die Hand, die sie mit erblichenen Wangen vor ihren offenen Mund gehoben hatte, wieder sinken und sah aus den Augenwinkeln gen ihres Bruders Stilo, im Geist die stumme Frage, ob er wohl einen Beitrag zur Ergreifung der Schuldigen geleistet haben mochte. Sie zögerte, ihn direkt zu fragen, insbesondere nach seinem Verweis auf die Pflicht des Dienstgeheimnisses. Nun, es mochte sich eine andere Gelegenheit ergeben.


    "Ravilla", sagte sie schließlich, der Klang ihrer Stimme eigenartig fern, als verliere sie sich in Erinnerungen. Dann, zwei Atemzüge später, hob sie wieder den Blick. "Vielen Dank, verehrter Tacitus, für diesen Einblick in Roms dunkle Seele." Sie grinste verschmitzt, offensichtlich mehr als angetan von dieser Fülle an Neuigkeiten. "Ich fürchte, mein lieber Bruder, für das Militärische kann ich mich nur wenig begeistern; - wenn die marschierenden Kolonnen bisweilen auch angenehm anzusehen sind." Fuscas Grinsen wandelte sich zu einem Lächeln, das eine Spur der Anzüglichkeit enthielt. "Doch lass mich Dich sogleich beruhigen, der Tratsch der feinen Gesellschaft ist nicht mein ureigenstes Interesse. Ausgenommen, er trägt einen Vorteil in sich." Fusca stellte ihren Becher ab, neigte den Kopf zur Seite und lauschte einen Moment der leisen Musik, wobei sie ihren Blick kurz mit Terpander kreuzte. Dann hob sie die schmalen Schultern, während sie nach einem Stück weißen Kabeljaus auf einem der dargebotenen Tablette angelte. "Hat Athen mich verändert? Gewiss. Und doch auch Nein. Es ist den Griechen nicht gelungen, Vaters Wunsch zu erfüllen, aus mir eine bescheidene, sich allein der Tugend ergebende Dame zu formen. Gleichwohl wurde ich darin bestärkt, wer ich bin. In meiner Brust schlägt eine Seia." Fusca sprach den Satz aus, als sei jede weitere Erklärung hinfällig. "Also", fuhr sie fort, "erzähl mir, zu wem die Menschen in dieser Stadt aufschauen, auf dass ich weiß, wen ich vom Thron stoßen muss." Sie lachte in einem hellen Sopran, biss in den Kabeljau und hatte Mühe darin, sich ihren verlangenden Appetit nicht anmerken zu lassen. "Der Sand der Arena, ob nun von Hufen durchwühlt oder im Blut getränkt, ist durchaus von Reiz. Denn wie sagt man: Die wahrhaftig wichtigen Geschäfte werden oft auf den Bänken einer Tribüne geschlossen."

  • "Sand und Blut ... mein letzter Besuch bei den Spielen ist viel zu lange her." Er verstand Fuscas Sehnsucht nur zu gut. Natürlich hatte Stilo eine Reihe an Favoriten, sowohl in den Reihen der Gladiatoren als auch in denen der Wagenlenker. Er vermisste das Mitfiebern und auch das Wetten, das den Nervenkitzel noch erhöhte, das gegenseitige Gestichel, wenn ein Bekannter andere Favoriten unterstützte.


    "Vielleicht sorgt der nächste Wahlkampf wieder für sehenswerte Unterhaltung? Das letzte Blut habe ich auf der Gemonischen Treppe gesehen."

    Er erwiderte Tacitus fragenden Blick und hob den Kelch etwas. "Deine Schilderungen sind korrekt, Tacitus. Da ich im Gegensatz zu meiner bezaubernden Schwester leider nicht in Athen war, um Bescheidenheit und Tugend zu lernen, möchte ich meinen eigenen nicht unerheblichen Beitrag nicht verschweigen."


    Er blinzelte Fusca zu. Dass sie plötzlich bescheiden wäre, kaufte er ihr erst dann ab, wenn er es gesehen hatte. Wahrscheinlich hatte sie in Athen nur gelernt, sich zu verstellen. Wie sie den Namen ihrer Gens aussprach und ihre unverhohlenen Ambitionen nach Macht, erfüllte Stilo mit Stolz, weshalb er sich dazu veranlasst sah, etwas auf den Putz zu hauen:


    "Ich habe das Einsatzkommando geleitet, das zur Ergreifung des Packs geführt hat. Wir haben sämtliche Nester ausgehoben", prahlte er, wobei er die Leistung der anderen drei Einsatzkommandos geflissentlich unter den Tisch fallen ließ. "Die Christen wurden von mir persönlich verhört und anschließend abgeurteilt. Inzwischen ist auch der letzte dieser Staatsverräter seinem gerechten Urteil zugeführt worden. An ihren Gebeinen nagen jetzt die Fische. Was das betrifft, kann Rom endlich wieder ruhig schlafen."


    Aber was den aufbrausenden Vigintivir betraf, so schwieg Stilo. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass man mit dem jungen Mann Geschäfte zum gegenseitigen Vorteil abwickeln konnte, so dass er keinen Anlass zur Klage sah. Es mochte sein, dass Aemilius Secundus im weiteren Verlauf seiner Karriere für Stilo noch von bedeutsamerem Nutzen sein würde.


    Sim-Off:

    Ich hab mich beim Antworten mal vorgedrängelt, da ich vergessen hatte, auf des Tacitus Beitrag einzugehen. Es war schon spät, ich wollte dich im letzten Post nicht absichtlich übergehen, sorry!

  • So ganz konnte ich nicht mit der Aussage Fuscas, sie sei eine Seia, etwas anfangen, wenngleich ich mir natürlich etwas zusammenreimen konnte, basierend auf dem Ruf, den die Gens Seia hatte, und wie ich Seius Stilo bislang kennenlernen durfte. Und die kleineren Anzüglichkeiten in ihren Bemerkungen hatte ich durchaus zur Kenntnis genommen. Auf jeden Fall war Fusca selbstbewusst und zweifelsfrei gesellschaftlich sehr vorzeigbar. Und sie hatte ein schönes Lachen.


    Ob Stilo seinen Beitrag zur Ergreifung der radikalen Christen übertrieb oder nicht, konnte ich nicht beurteilen. Die Urbaner hatte er dann vielleicht doch etwas sehr deutlich in seiner Bemerkung ausgelassen, doch nahm ich ihm das nicht übel. Erstens hatte ich keine besondere Beziehung zu den Urbanern und zweitens waren keine anwesend. Stilo hingegen war Prätorianer und so war es durchaus angemessen, dass er sein Verdienst hier darstellte, selbst wenn er es größer darstellte, als es vielleicht war.


    Ich hob meinen Becher und lächelte.


    "Auf die Effizienz der Cohortes Praetoriae in der Bekämpfung von Staatsfeinden! Und ganz besonders auf den anwesenden Praetorianer!"


    Nach einem guten Schluck war mein Becher nun auch leer und ich ließ mir nachfüllen, natürlich wieder gut mit Wasser verdünnt.


    Sim-Off:

    Sind Familienfeiern (ich subsumiere die Cena mal darunter) nicht immer etwas chaotisch? ;) Das passt ganz gut mit dem leichten Chaos bei den Antworten.

  • Fusca bemerkte, dass ihre Frage, wer dieser Tage in Rom auf dem höchsten Gipfel gesellschaftlichen Ansehens stand, mit keinem Namen beantwortet wurde. Sie wölbte ein wenig, nur für den aufmerksamen Beobachter sichtbar, ihre schmalen, so sorgfältig gezupften wie sanft geschwungenen Augenbrauen, und zog ein weiteres Stück weißen Kabeljaus zwischen ihre Finger; - wobei sie darauf achtete, dass es mit einer Vielzahl an Rosinen belegt war. Sie vermutete, der Schalk, der in ihrer Betonung der Worte lag, hatte die durchaus vorhandene Ernsthaftigkeit verdrängt. Nun, sie würde es schon noch erfahren, schließlich weilte sie kaum mehr als eine Stunde in Rom. Mochte Geduld auch nicht ihre größte Stärke sein, derart eilig hatte sie es wahrlich nicht.


    Mit aufrichtiger Neugierde lauschte sie dem Bericht ihres Bruders über die Ergreifung der christlichen Unholde und obschon ihr Unterbewusstsein ahnte, dass seine Geschichte womöglich ein wenig selbstherrlich vorgetragen sein mochte, war ihr dies einerlei. Ein fast schon strahlendes Lächeln erhellte Fuscas Gesicht, als Stilo erwähnte, dass ein jeder der Verbrecher seinem gerechten Urteil zugeführt worden war. "Wundervoll", sagte sie und nickte anerkennend, hob eine Hand an Stilos Oberarm, um ihre Bewunderung durch Gestik zu unterstreichen. "Zu den vielen Gründen, als Deine Schwester Stolz empfinden, gesellt sich ein weiterer hinzu." Als dann Tacitus erneut das Glas erhob, stimmte Fusca mit ein, trotzdem ihre Vernunft sie leise warnte, dass zwei Bissen gewürzten Fisches kaum eine geeignete Unterlage für den Genuss allzu vielen Weines boten. "Auf die Cohortes Praetoriae und Sisenna Seius Stilo", sagte sie und nahm einen weiteren Schluck Mulsum, der sich warm in ihrem Oberkörper ausbreitete.


    Fusca stellte ihren nahezu leeren Becher ab, atmete durch, rückte die Klarheit ihres Verstandes zurecht und schürzte sodann die Lippen. "Du erwähntest einen Wahlkampf. Ist es bald wieder soweit? Wird einer von euch für ein Amt antreten?"

  • Stilo saß weiterhin schweigend da, offensichtlich auch etwas eingeschüchtert einen Soldaten der Praetorianer zu sehen. Nicht ängstlich, sondern bewundernd, da dies als große Ehre aufgenommen wurde. Dabei verschwand er in Gedanken und überlegte, wie das wohl sein müsste. Und nur die Götter wussten, ob sich jemals Stilo's Einsatz bei der Legionen so auszahlen würden, dass er für die Cohorta Praetoria berufen würde.


    Auf die Frage von Fusca wurde er wieder Teil dieser angenehmen Gesellschaft.


    "Nun, ich bin ganz neu in Rom und kenne mich hier nicht aus. Dementsprechend habe ich keine Neuigkeiten. Was ich aber sagen kann, ich hatte eine bemerkenswerte Stadtführung," dabei zeigte er ganz amüsiert in die Richtung von Tacitus, "die kann ich dir nur empfehlen."


    Er hoffte dabei, Tacitus und auch Fusca etwas zu helfen, denn die beiden strahlten eine gewisse Zuneigung füreinander aus.



  • Stilo grinste, als Tacitus das Glas für ihn erhob, tat es ihm gleich und trank einen Schluck. Auch wenn er ein wenig dick aufgetragen hatte, waren seine Pflichten kein Zuckerschlecken und jeder Erfolg hart erarbeitet. Das Lob seiner Schwester war ein weiteres Zuckerwürfelchen, das Stilo sich gut schmecken ließ. Unter ihrer feinen Hand konnte sie seine Oberarmmuskulatur spüren und er erwiderte ihr Lächeln. Am Ende war es nicht das Streben eines Einzelnen, sondern der Ehrgeiz von ihnen allen, der zum Erfolg ihrer Gentes führen würde oder - im Falle eines Mangels - auf den Weg in die Bedeutungslosigkeit. Auch Fusca kannte ihren Weg. Was das Streben nach Höherem Betraf, waren sie trotz seiner Prägung, die im hellenischen Kulturkreis stattgefunden hatte, Römer durch und durch.


    "Als Optio ist mein Weg nicht die Magistratur", beantwortete er die Frage seiner Schwester, "aber mal schauen, wohin der Fluss der Zeit mich noch trägt."


    Seine konkreten Karriereambitionen behielt er erst einmal für sich. Noch mindestens eine Leitersprosse musste er erklimmen, ehe er einen sehr großen Schritt in Angriff nehmen konnte. Doch er war gespannt zu hören, ob Tacitus vielleicht entsprechend plante. Dass der andere Stilo mit der Legio liebäugelte, war ihm bereits bekannt. Mit seiner juristischen Expertise würde Tacitus eins Tages einen hervorragenden Praetor abgeben und für die bucklige Verwandtschaft wäre es das Elysium, einen einflussreichen Magistraten von solchem Kaliber in ihren Reihen zu wissen.

  • "Ist das so?", flötete Fusca und ihre Worte waren ein wenig schneller ausgesprochen als noch vor einer halben Stunde, wenn sie auch nicht an Klarheit einbüßten; - sah man von dem unüberhörbaren, hellenistischen Akzent ab. Fuscas dunkle Augen ruhten auf Tacitus und das weiße Schimmern ihrer Schneidezähne glitt über ihre mohnrot leuchtende Unterlippe. "Meine Erinnerungen an die Straßen Roms sind allzu lückenhaft, welch Närrin wäre ich daher, eine solche Gelegenheit ungenutzt zu lassen, mich auf den neusten Stand zu bringen? Vielen Dank für diesen Hinweis, werter Stilo", zwinkerte sie schließlich in Richtung des jungen Mannes.


    Während Fusca sprach, hielt sie die Hand auf dem Oberarm ihres Bruders gelegen und löste sie erst, nachdem dieser sich zu seinen Ambitionen geäußert hatte. Beinahe wäre ihr dabei ein Kichern entwischen, doch sie beherrschte sich; - unter dem Einfluss des Mulsums indes mit einiger Mühe. Dass sich ihr Bruder mit dem Posten eines Optio zufrieden geben würde, und sei es nur für kurze Zeit, war eine kaum glaubhafte, um nicht zu sagen lächerliche Vorstellung. Sicher strebte er nach nicht weniger als der Kommandantur über die Prätorianer, gewiss hatte Stilo jedoch gute Gründe, über seine Ziele nicht offen zu sprechen. Und so spielte Fusca mit, nickte beflissentlich, als sei seine Bescheidenheit das natürlichste Ereignis zwischen Himmel und Erde. "Ein Fluss", griff sie die Metapher auf, "sucht sich stets den für ihn besten Weg."

  • "Nun, werte Fusca, was deine ursprüngliche Frage anbetrifft: Niemand der hier Anwesenden wird für eine Magistratur antreten. Das liegt daran, dass niemand die formalen Voraussetzungen erfüllt."


    Meine Antwort war völlig emotionslos. Es war eine klare, juristische Aussage. Es war eben manchmal so simpel. Wer nicht das Glück hatte, in den Ordo Senatorius geboren zu werden, konnte nicht kandidieren. Hätte man mich gefragt, ob ich mich von meinen Fähigkeiten her für geeignet halten würde, so wäre die Antwort eine andere gewesen. Meine philosophische Ausbildung machte mich meiner Meinung nach weitaus geeigneter, als die Hälfte der patrizischen Senatoren zusammen. Aber das war eben nicht die Frage. Das Thema war für mich entsprechend abgehakt.


    Anders sah es bei der Stadtführung aus, die mein Vetter ins Gespräch brachte. Ich erwiderte Fuscas Blick und lächelte. Der Akzent, den sie nun hatte, gefiel mir. Vielleicht war doch etwas mehr Griechenland in ihr haften geblieben, als zunächst erschien? Kurz dachte ich darüber nach, auf Attisch zu antworten, jedoch entschied ich mich dagegen und blieb bei Latein.


    "Was die Straßen Roms anbetrifft, so könnte ich es sicher einrichten, dich einmal durch diese zu führen. Vorausgesetzt natürlich, dass dein Bruder nichts dagegen hat."


    Ich sah Seius Stilo an, wobei mein Blick weniger fragend als fordernd war.

  • Als Tacitus meinte, dass niemand die formalen Voraussetzungen für eine Kandidatur besäße, warf Stilo weise in den Raum: "Noch nicht."


    Denn die Dinge ließen sich durchaus ändern, mit den richtigen Leuten im Bekanntenkreis sowie dem notwendigen Engagement. Stilo würde eine entsprechende Entwicklung begrüßen, daraus machte er keinen Hehl. Als es darum ging, dass seine Schwester sich von Tacitus ausführen lassen wollte, zeigte sich ein sehr breites Lächeln auf Stilos Gesicht. Es galt jedoch nicht, wie man annehmen mochte, seinem Segen für die beiden Turteltäubchen sondern einzig Ravilla, der nichtsahnend in Germania verschimmelte und für seine geliebte Schwester enthaltsam wie ein Mönch lebte. Armer Bruder ...


    "Nur zu", ermunterte er Tacitus. Wenn sie klug waren, pfiffen sie auf den obligatorischen Anstandswauwau und ließen Terpander zu Hause, bei dessen Gesichtsausdruck jeder noch so kleine Schmetterling im Bauch unweigerlich zu Staub verdorrte.

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