Wieder einmal war ich „ausgebüchst“, doch hatte ich meinen Liktoren gesagt, wo sie mich auffinden würden, wenn ich zulange ausbliebe, denn sonst hätten sie mich niemals gehen lassen. So hatte ich zwar ein Ziel, doch mich würde dort trotz allem Einsamkeit erwarten, ich hoffte es so sehr.
Ich ging sehr schnellen Schrittes und eingehüllt, niemand konnte mein Gesicht erkennen. Als Vestalin kannten sicherlich einige mein Gesicht, doch ich wollte unerkannt bleiben. Der Himmel hatte sich bereits leicht orange gefärbt und lange würde ich nicht fortbleiben können, doch ich suchte Ruhe. Auch Luna war bereits am Himmel erkennbar und suchte sich ihren Platz.
Ich blieb kurz stehen und hüllte mich in meinen Mantel ein, sah hinauf zum Himmel. Wohin mich das Leben wohl noch führen würde? Mir war ein wenig kalt und ich beschloss, schneller zu gehen. Mich würde mein Weg auf die andere Tiberseite führen und dort würde ich ein paar Stunden zubringen. Ich musste Zeit haben, Zeit für mich allein.
Ich überlegte über mich selbst. Wie wirkte ich auf andere? Ich war ziemlich klein, zierlich und aufgrund vieler begehrter Eigenschaften sollte ich froh sein, dass mein Vater mir selbst die Wahl gelassen hat, was ich aus meinem Leben machen möchte. Ich entschied mich für den Weg einer Vestalin. Man hätte mich ebenso auch für Heiraten verwenden können, wie es das Schicksal der meisten Frauen ist und die idealen Voraussetzungen hätte ich mitgebracht. Aber das Leben war nichts für mich.
Ich sah auf den gepflasterten Boden, wieder musste ich meine Tränen zurückhalten, ich wusste nicht genau, wo mein Problem lag. Schnell trugen mich meine Füße nun über den steinernen Boden und mir sahen viele Leute hinterher, auch finstere Gestalten. Ich hatte ein wenig Angst, doch war ich mir sicher, dass mir nichts geschehen würde.
Ich war froh, als ich endlich bei der Tiberbrücke anlangte und ich überquerte sie. Einmal blieb ich am Brückengeländer stehen und sah hinunter auf das fließende Wasser. Die leichten Schaumkronen hatten den Farbton des Himmels angenommen und wenn ich wieder hier stehen würde, würden sie das Blinken der Sterne reflektieren. Ich sah zu, dass ich von der Brücke herunterkam….
Ich suchte mir einen Platz unter einem Baum, entfernt von Häusern und lehnte mich an den Baum. Noch immer konnte ich den Tiber sehen, sein Rauschen hören und entspannt schloss ich meine Augen. Viel lieber würde ich jetzt jemanden bei mir haben, doch es war vollkommen unmöglich. Die Götter hatten ihn zu sich geholt und kaum, dass sich dieser Gedanke in meinem Kopf breit machte, sich meines Herzens bemächtigte kullerte mir eine Träne über die blassen Wangen. Ich konnte sie einfach nicht mehr zurückhalten.
Voller Trauer zog ich meine Knie an meinen Leib. Legte meine Arme um meine Knie und ließ den Kopf auf ihnen ruhen, voller Verzweiflung. Ich bemerkte wie sich meine Schultern begannen zu regen, sie zitterten unter meinem Schluchzen. Eine kalte Hand fasste nach meinem Herzen.
Es ist so schwer zu verstehen, ich brauchte ihn und konnte doch nicht einfach… Und er starb, zwar ehrenvoll, doch er verließ diese Welt einfach. Ob er es wusste? Ob er mit Trauer und Angst im Herzen oder mit der Gewissheit meiner Liebe gestorben war? Oh Alexander….
Oh Lucius Tiberius Alexander…
Ganz leise sprach ich seinen Namen aus, doch so dass ich ihn wahrnehmen konnte. Und ich musste an sein Lächeln denken, an sein fröhliches Lachen. Ich sehnte mich nach ihm, doch mehr als nur ein Häufchen Asche, versteckt in einem dunklen Keller war nun nicht mehr von seiner Wärme da.
Ich war meinem Vater nicht bös, dass er damals dazwischen kam, vermutlich würde es mir jetzt sogar noch schlechter gehen. Am Aventin sei er gestorben, in ein Messer hineingelaufen. Ob mein Tuch mit ihm in den Flammen versank? Ich hätte ihm so gern gesagt, dass ich ihn liebte, ich wollte ich hätte eine Möglichkeit bekommen, ihm diese Gewissheit zu geben bevor er starb. Ob er noch an mich gedacht hat?
Was gäbe ich alles um noch ein letztes Mal in seinen Armen liegen zu können, sein Haar zu streicheln. Doch es war mir verboten gewesen, hätte ich doch dieses eine Mal auf mein Herz gehört. Dann würde mein Herz nun nicht soviel wiegen, dass es mich fast in den Tiber zog. Ich… ich könnte ihm doch einfach folgen? Alexander…
Meine Lippen bebten, mein Körper erzitterte unter den Tränen und der Trauer, oh Alexander. Wir konnten nicht einmal voneinander Abschied nehmen. Vielleicht sollte ich wahrlich die Reise zu den Göttern antreten? Ich stand auf und kuschelte mich tief in meinen Mantel, trat vor und direkt zum Tiber.
Ich musste lange unter dem Baum gesessen haben, denn bereits war der Himmel in dunkles blau getaucht und man sah nur noch ein kleinwenig helles blau. Ich sah in die Strömung, ein weiterer Schritt würde mich mitreißen. Ein weiterer Schritt und… Verzweifelt fiel ich auf die Knie und erneut rannen mir Tränen über die Wangen, über mein Kinn und vermischten sich mit dem Wasser des Tiber.
Die Zeit schien still zu stehen, ich nahm kaum mehr etwas war. Die Kapuze war mir von meinem Kopf gerutscht und legte mein Gesicht frei, meine aufgequollenen roten Augen. Ich hätte es ihm damals sagen sollen. Nun war er weg. Vesta...