An
Centurio Marcus Iulius Licinus
Legio Prima
Mantua
Italia
Salve Licinus!
Na, da bin ich ja froh, dass Du den Schock verkraftet hast! Und was den Wein angeht, werde ich Dich beim Wort nehmen. Leider erst in ferner Zukunft, denn zuerst mal wird es mich in den fernen Süden verschlagen – stell Dir vor, ich bin nach Ägypten versetzt worden! Ich werde Tribun bei der XXII. Das kam völlig überraschend, und, so schwer es mir auch fällt, Rom zu verlassen, ich freue mich unheimlich darauf. Ich will einfach noch mehr von der Welt sehen, auf dem Feldzug sind wir zwar viel rumgekommen, aber Land und Leute konnten wir ja nicht so wirklich kennenlernen, und Ägypten hat mich immer schon fasziniert, die uralte Kultur, die griechischen Einflüsse..
Das Problem mit den Papyrus-Bergen kenne ich übrigens sehr gut. Ich habe mich, als ich so urplötzlich versetzt wurde, in aller Eile in den Kampf mit dem auf meinem Schreibtisch gestürzt, und mein bestes getan, ihn zu bezwingen, um meine Centurie wenigstens einigermassen geordnet übergeben zu können. Ich kann Dir sagen, er hat sich mit aller Macht gewehrt, einige Male wäre ich um ein Haar von seinen steilen Papyrus-Hängen abgeglitten, im staubigen Treibsand seiner Täler erstickt, oder in Tintenseen ertrunken. Doch am Ende habe ich, bewaffnet nur mit Stylus und Abakus, obsiegt!
Nach dem, was Du da von eurem Übungsmarsch erzählst, seid ihr ganz schön einfallsreich bei der Ausbildung. Pass nur auf, dass es sich nicht rumspricht, dass sich die Prima seit neustem bloß noch mit Rindviechern herumschlägt. Und tröste Dich über Deine lahmen Rekruten – die hier bei den CU sind noch viel schlimmer. Es ist unglaublich, was für Rübensäcke hier teilweise antanzen und Soldat werden wollen. Manche schaffen noch nicht mal ein paar Klimmzüge, und vor allem fehlt ganz vielen der Biss, der einfach nötig ist um die Grundausbildung durchzustehen. Mal sehen wie die bei der XXII. so sind.
Was ist denn mittlerweile aus dem kleinen Mädchen geworden, das ihr gerettet habt? Die Geschichte klingt so schon echt dramatisch, und da ich weiß, dass Du eher zur Unter- als zur Übertreibung neigst, noch viel mehr. Ich meine, da herauszuhören, dass Du Dich ernst mal um sie kümmern willst? Finde ich gut.
Neulich, da ging es mir ähnlich, da habe ich eine Selbstmörderin aus dem Tiber gefischt (sie war zum Glück erst halbtot) und danach habe ich mich auf einmal so richtig verantwortlich für sie gefühlt. Zuerst schien sie völlig jenseits von hier und jetzt, nicht zu erreichen, vollkommen verzweifelt, und als ich sie zu ihrer Familie zurückbringen wollte, ist sie mir einfach entwischt. Einige Zeit später – ich dachte, sie sei längst Fischfutter – tauchte sie plötzlich vor der Castra auf, mit ihrem kleinen Sohn an der Hand, schien wieder ganz bei Sinnen zu sein und hat sich höflich bedankt. War ein tolles Erlebnis.
Ich hoffe, dass es auch Deiner kleinen Esquilina bald besser geht!
Und damit schließe ich für heute. Wünsch mir Glück auf der Überfahrt, und in der neuen Truppe.
Vale bene,
Dein alter Kamerad
Faustus