An
Decima Seiana
Casa Decima Mercator
Roma
Liebe Seiana,
mir ist eine ganze Sierra vom Herzen gefallen, als ich Deine Antwort bekommen habe! Ich bin so froh dass Du mir nicht mehr böse bist, oder mir sogar gar nicht wirklich böse gewesen bist. Schon komisch, ich hab mir da so lange so viele Gedanken drum gemacht, dabei hätte ich mich bloss früher trauen sollen Dir zu schreiben.
Es ist bestimmt eine gute Entscheidung nach Rom zu ziehen. Die Familie dort ist ja auch so herzlich, da fühlt man sich gleich zu Hause. Oder jedenfalls ging es mir so, als ich eine Weile dort in der Casa gewohnt habe. Zuerst hatte ich in Rom ja versucht ganz auf eigenen Füssen zu stehen, nach dem Streit und dem Zerwürfnis und dem ganzen, nicht als Decimer sondern nur als ich selbst, Du weisst schon, aber irgendwann, als ich dann doch Hilfe gebraucht habe, da war die Familie für mich da, wie ein Rettungsanker.
Es macht mich traurig von Maximians Tod zu hören. So wirklich eng hab ich ihn ja nicht gekannt, aber trotzdem - er war doch nicht viel älter als wir! Das ist nicht fair. Arme Severa, und armer Meridius. Es muss absolut fürchterlich sein, den eigenen Sohn zu verlieren.
Ich habe auch viel zu viele Leute sterben sehen. Das verändert einen schon. Ausserdem mache ich mir immerzu Sorgen wegen Onkel Livianus - Du wirst ja sicher schon davon gehört haben dass er verschollen ist, und es gibt einfach partout keine Neuigkeiten. Es ist so widersinnig, zu Beginn des Krieges hat er mich streng gerügt, dass ich zur Prima bin, und ihn damit zwinge mich in die Gefahr zu schicken, und jetzt ist er, der Feldherr, selber wie vom Erdboden verschluckt. Aber das ist auch so was wo man - bzw. ich - nichts machen kann ausser das beste zu hoffen.
Appius ist in Rom? Das ist ja eine Überraschung! Ich hatte ihn völlig aus den Augen verloren, hatte keine Ahnung wo in der Weltgeschichte er sich rumtreibt. Und Scaurus ist auch da, das ist ja wunderbar! Vielen Dank für die Grüsse! Ich hoffe sie bleiben noch ein bisschen, damit ich sie bald wiedersehen kann. Dann wären wir vier endlich mal wieder komplett. Denn - stell Dir vor, unsere Legion auf dem Rückweg! Wir kommen, so uns die Götter keine Knüppel zwischen die Beine werfen, bald wieder nach Italia, und ich hoffe natürlich, dass ich dann auch mal in Rom vorbeischauen kann. Es hat natürlich einen schlimmen Anlass, den Tod des Imperators, aber trotzdem, gebe ich zu, bin ich froh dass der Feldzug einmal ein Ende nimmt. Es hat zwar den schalen Beigeschmack der Niederlage, aber trotzdem... (Naja, eine richtige Niederlage ist es nicht, aber als Sieg kann man es auch nicht gerade bezeichnen.)
Zur Zeit sind wir schon wieder in Antiochia, weit vom Feindesland. Du musst Dir also keine Sorgen um mich machen, ausser dass ich vielleicht über eine Zeltschnur stolpern könnte oder von einem betrügerischen Fremdenführer übers Ohr gehauen werden könnte. Die sind ganz schön gewieft, diese Syrer hier. Gestern hatten wir Ausgang - wirklich langersehnt, wir kommen ja direkt vom wochenlangen, ununterbrochenen Marschieren - und Du glaubst nicht wie schnell diese Leute uns armen Soldaten den Sold aus der Tasche gezogen habe. Ach, es gibt hier ja so wunderbare Einkaufsmeilen und -hallen und -höfe! Ich habe Lucilla auch schon davon vorgeschwärmt. Die Lichterpracht und die Wasserspiele von Antiochia sind überwältigend, die Preise sind es aber auch wenn man nicht hart feilscht. Und die Stoffe die die hier haben sind derart farbenprächtig, und oft ganz wundervoll bestickt, oder mit Webmustern versehen die je nach Licht changieren - ich hätte gestern am liebsten den ganzen Laden leergekauft.
Es war Glück, dass ich Deinen Brief noch rechtzeitig bekommen habe, wir werden nämlich schon bald nach Seleukia gehen, das ist die Hafenstadt von Antiochia, und dort die Schiffe besteigen, die uns Richtung Heimat bringen sollen. Hoffentlich bekommst Du diesen Brief überhaupt noch bevor ich leibhaftig vor dir stehe - wobei, die Legio braucht wohl immer etwas länger. Und je schneller wir uns wiedersehen desto besser. Ja, ich hab wirklich viel zu erzählen, aber ich spar mir das lieber mal auf.
Aber, ich muss sagen, ein bisschen beleidigt war ich ja schon zu lesen dass Du mir den Soldaten nicht abnimmst. Es ist einfach Übungssache, wie vieles andere ja auch, und ich bin bestimmt nicht der Vorzeige-Soldat Nr.1, (dafür denke ich zu viel) aber schlecht bin auch nicht. Training eben. Und eine Frage des Willes ist es natürlich auch, ich hatte es mir einfach in den Kopf gesetzt, und wenn man etwa wirklich, wirklich will, dann kriegt man es auch hin. Ich will ja nicht angeben, aber nur damit Du mir glaubst: sogar die Prätorianer-Garde, die hier mit uns unterwegs war, hatte Interesse an mir, ehrlich. - Naja, und Glück ist natürlich auch dabei, das will ich ja gar nicht bestreiten. Fortuna schulde ich noch ein grosses Opfer, soviel Schwein wie ich in den Kämpfen immer hatte.
Das klingt ja richtig spannend mit diesem Aelier, mein liebes Schwesterchen. Nein, romantisch geradezu. Bist du jetzt also dazu übergegangen den Jungs die Köpfe zu verdrehen, anstatt sie mit den Fäusten zu verdreschen. Oh weh, die Armen, damit hast Du jetzt noch viel stärkere Waffen. Ach ja meine Liebe, rein politisch gesehen würde ich mir einen Aelier bei der derzeitigen Lage unbedingt warmhalten... - Quatsch, nimm mich nicht ernst, Du weisst ja dass ich keine sonderliche Hochachtung für die Politik hege. Ich bin immer noch der Meinung, sie verdirbt den Charakter. Wobei mir Scaurus da bestimmt energisch widersprechen würde.
Nun ja. So langsam muss ich mich aber mal wieder meinen ungeheuerlich wichtigen Tesserarius-Pflichten widmen. Tatsächlich habe ich gerade wirklich viel zu tun, weil unser Centurio im Lazarett liegt, und ich dem Optio (der ausserdem mein bester Freund ist), bei dem ganzen Riesenhaufen Arbeit, den er jetzt hat, so gut wie möglich zu helfen versuche. Also dann, ich hoffe wir sehen uns sehr bald! Ich drücke Dich ganz fest, und bitte sag der Familie und natürlich ganz besonders Appius und Scaurus viele liebe Grüsse von mir! Und grüss auch Elena von mir!
Jetzt aber - Vale, bis bald!
Dein Faustus