Minervina war, zugegebenermaßen, durchaus eingeschüchtert von dem Tumult um sie herum. Es war schon erstaunlich, welche Begeisterung bei den Wagenrennen auftrat und es ließ sie auch nicht völlig unberührt. Heute hatte sie eher einen Gaststatus und sie bezweifelte stark, dass sie sich einer Factio anschließen würde. Aber: Heute würde sie mit ihren beiden ‚Lehrern’ gemeinsam die Factio Veneta anfeuern, so gut es ging. Sie legte sich ja nicht für die Ewigkeit fest und es würde gewiss interessant, ein wenig unter den Fans zu sein. Angestrengt blickte sie auf die Fahrer und erkannte am allgemeinen Tumult, dass der blaue Fahrer sehr erfolgreich war. Wenn es auch zaghaft und kaum wahrnehmbar, versuchte sie ebenfalls ein lautes „Veneta Victrix“ – allein schon wegen der freundlichen Frau zu ihrer Seite.
Da hörte sie neben sich die angestrengt rufende Iulia und mit interessiertem Blick wandte sie sich dieser zu. Erst blickte sie etwas verdutzt und sah wieder auf den Kreis, den die Wagen bestritten, dann sah sie wieder zu der fröhlichen Frau und auch auf Minervinas Gesicht erschien nun erst ein Grinsen und dann ein freundliches Lachen. „Ja, du hast Recht! Es schlägt auch mich schon in den Bann!“ – was wohl wirklich ein kleines Wunder war, denn bisher hatte Minervina immer sehr erfolgreich gegen ihre Gefühle bestehen können. Dass Constantius selbst ein wenig abwesend war, fiel ihr selbst gar nicht weiter auf, denn sie wurde seiner erst wieder richtig gewahr, als sie dicht hinter sich seine Stimme vernahm. Rasch wandte sie sich wieder zu ihm um und lauschte seinen Worten.
„Ich werde mich daran halten und den Blauen anfeuern.“ rief sie nunmehr mit einem eher ausgelassenen Lachen zurück. Rang und Name waren wichtig, aber hier sollten sie nichts beitragen und sie selbst wollte einfach wieder die junge Frau war, die sie so lange nach hinten gedrängt hatte. Gewiss würde Tante Claudia nichts dagegen einzuwenden haben. Sie bemerkte noch seinen Blick, der nach links und nach rechts schweifte, konnte sich aber nicht recht vorstellen warum er dies tat. Suchte er jemanden? Auch sie blickte nun interessiert um sich, als sie durch einen weiteren Jubel direkt an ihrem Ohr wieder aus den Gedanken gerissen wurde. Als hätte man sie dazu angehalten, ließ auch sie wieder ein weiteres „Veneta! Veneta victrix“ vernehmen, doch geschah es so plötzlich, als habe man sie während einer Pause an ihre Pflicht erinnert.
Dann allerdings zeichnete sich Überraschung in ihrem Gesicht ab. Sie musste sich verhört haben, anders konnte sie die Worte „Constantius“, „herkam“ und „Tarraco“ nicht erklären. Doch die Überraschung wich rasch einem Lächeln. „Du stammst aus Hispania?“ fragte sie laut und trat noch den letzten Schritt zurück, um näher bei ihm sein zu können. Doch sollte man das Gespräch nicht besser auf einen anderen Zeitpunkt verschieben? Ach, dachte sie, ein wenig Unterhaltung neben dem Rennen konnte nicht schaden.