Man konnte Minervina gut ansehen, dass sie dieses Gespräch als unter ihrem Niveau betrachtete. UNd dass sie diesen Gedanken hegte, war in ihrem bisherigen Leben äußerst selten vorgekommen. Es kam ihr absurd vor, dass sie nun mit einem völlig Fremden, gleich aus welchem Grund, über moralisch Verwerfliches diskutieren sollte, wo sie doch lediglich einen kurzen Augenblick nicht achtsam war. Sie runzelte die Stirn und bewegte den Kopf leicht und kaum merklich hin und her, ehe sie erwiderte: "Ich wüsste nicht, wo ich mein Leben nicht rechtlich geführt haben sollte. Ich habe niemals gegen irgendein römisches Gesetz verstoßen und nun da wir aneinander geprallt sind und beide wohl Teilschuld tragen, wirfst du mir vor, nicht sittlich zu leben?" Zorn begann erneut in ihrer Stimme aufzulodern.
"Es ist schlicht und ergreifend absurd, was du hier für Behauptungen aufstellst!" platzte es aus ihr heraus. Wie konnte er, ausgerechnet er es wagen, ihr ein nicht ordentlich geführtes Leben vorzuwerfen? Sie fixierte ihn mit bitterbösem Blick. Man mochte ihr alles vorwerfen, wenn aber jemand derart unbedacht über sie sprach, kochte in ihr die Wut. Gerade darauf, ein gesetzliches Leben zu führen war ihr oberstes Bestreben. Das Leben einer sittsamen und römischen Frau. "Dann werde ich nun allerdings etwas tun, was mir ebenso in den Sinn kommt. Und zwar werde ich mich diesen Unterstellungen, die zudem eine bodenlose Frechheit sind, entziehen. Du hingegen solltest darüber nachdenken, ob du an dieser naiven Lebenseinstellung, die zudem von Egeoismus geprägt ist, nicht etwas ändern solltest. Selbst wenn ich Schuld gehabt hätte, ziemt es sich einer Frau gegenüber ihr zumindest aufzuhelfen und nicht, ihr etliche Unterstellungen zu unterbreiten." Leicht rötliche Zornesflecken waren auf ihren Wangen und sie musste hart mit sich kämpfen um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren.
Sie wandte sich um und musste tief durchatmen. O tempores o mores. Erst wurde sie umgelaufen und dann bekam sie dafür auch noch Vorwürfe zu hören. Und Unterstellungen, die mit diesem Falle rein gar nichts zu tun hatten. Sie mochte heulen vor Wut. Sie legte ihren Kopf leicht seitlich um aus den Augenwinkeln diesen Burschen zu erspähen, sah dann aber wieder rasch nach vorn. Ihre Schultern bebten. Wenn dies ihr armer Vater miterleben müsste..