Beiträge von Rediviva Minervina

    Wenn sie nicht überall stünden nicht, nein ;)


    Es kommt drauf an auf welche Art und Weise sowas rübergebracht wird und irgendwie deucht mir diese als die Falsche. Mag auch gut sein, dass ich humorlos bin weil ich diverse Begrifflichkeiten nicht so gut abkann.


    Und ich jedenfalls rette ab jetzt den Thread und behalt meine Meinung lieber wieder für mich :D

    Bitte bitte lasst es sein ;) Der Thread ist schon so lange offen, ich will nicht dass er wegen irgendwelcher Streitigkeiten geschlossen wird :D


    Auch wenn ich ehrlich sagen muss, dass die Beleidigungen langsam lächerlich werden ;)

    Etwas verwirrt beobachtete sie, wie er sich bückte. Doch mit einem kurzen Blick konnte sie die Muschel erkennen, nach der er wenige Augenblicke hernach griff. Eine ganze Weile beobachtete sie ihn weiter, während er die Muschel reinigte. Es schien ihm wie ein Stück Heimat zu sein. Sicher hatten sie in Germanien auch Muscheln. Und wenn er schon das Meer nicht kannte, dann doch sicherlich Flüsse. Dann dachte sie an seine 'Frage' zurück, wohin es nun am Besten gehen sollte. Doch sie selbst konnte sich auch nicht so recht entscheiden. Würden sie nach Hause gehen, wären sie noch recht lange dem Regen ausgesetzt und auch wenn sie ohnehin schon so nass war, so schien der Weg unendlich. Sie wollte nicht gegen Sturm und prasselnden Regen ankämpfen, hatte dafür einfach keine Kraft. Andererseits würde sie sich gern andere Kleider anziehen, wenn dies auch schier unmöglich schien, betrachtete man dass sie sich hier völlig abgeschieden befanden. Sie fühlte sich mehr als nur unbehaglich in dieser Hülle, die wie eine zweite Haut an ihr klebte.


    So überlegte sie noch wenige Augenblicke, in denen sie weiterhin angestrengt die Augen zusammenkniff. Dann deutete sie in einer beinahe fest entschlossenen Geste in Richtung der Hütte oder was auch immer das war. Sie konnte es durch den dichten Regenschleier nicht erkennen. Beinahe verkrampft hielt sie die Hände vor den Leib und hoffte sich dadurch ein wenig zu wärmen, aber es schien hoffnungslos. der Wind drang durch jeden Spalt zu ihrem durchnässten Körper durch und ließ sie frieren. Die Unsicherheit in ihrem Herzen ließ sie allerdings ebenso frösteln. Warum nur kam sie gerade am heutigen Tag so schlecht mit dem nun schon verjährten Verlust ihres Vaters zurecht? Lag es daran, dass sie mit einem Germanen unterwegs war?


    Mühsam schleppte sie sich nun in Richtung des Holzverschlags, wieviel Schutz auch immer dort zu bieten war. Ihre Beine kamen ihr ungewohnt müde vor und der Wind zerrte noch immer so stark. Sie kam voran, doch trotz des gleichen oder stärkeren Aufwands ebenso langsam wie vorhin, als sie noch in Gedanken versunken war. Kurz wandte sie sich um, um sicherzustellen, dass Belenor auch nahe hinter ihr war.

    Nachdem sich für eine etwas längere Zeit Schweigen eingestellt hatte, wandte sie sich wieder der tosenden Kraft zu, die sich dort entfaltete. Und sie wagte einen Schritt weiter in Richtung des Meeres, während ihr Blick in diesen Weiten zu versinken schien. Aus den Augenwinkeln konnte sie knapp noch Belenor erkennen, doch sie nahm keine weitere Notiz von ihm. Das, was sich dort hinten abspielte zog ihre gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Sie spürte ihre angespannte Haut, die deutlich zeigte, dass sie schauderte. Doch dieses Schaudern wurde nicht nur durch den kalten Wind verursacht, sondern ebenso durch eine ungewohnte Stimmung, die sich in ihr breit machte. Dieses Grau zog sie wie magisch an und sie blinzelte so selten es nur ging.


    Bis sie den ersten Regentropfen auf ihrer Stirn fühlte und nur kurz darauf ein weiterer knapp neben ihrer Lippe landete. Erst dachte sie, dass sie sich dies einbildete und hob die Hand um sich einen Beweis zu erbringen. Doch kaum, dass sie die Feuchte von ihrer Stirn fortwischte, prasselte immer mehr Tropfen in immer kürzeren Abständen auf die so trockene Erde. Dieser Regen war für die junge Römerin etwas fast vollkommen Ungewohntes, denn auch wenn es hin und wieder einmal in Hispania nieselte - eine solche Masse war eine absolute Ausnahme. Sie rieb sich sacht über ihre nassen Arme, während sich in ihrem, durch den Wind zerzausten, Haar der Regen sammelte und auch die Kleider wurden immer schwerer und lagen unangenehm auf ihrer hellen Haut. Ja, Minervina hatte keine allzu dunkle Haut, denn sie war nicht der schweren Sonne ausgeliefert, wie manch anderer, der auf dem Feld arbeitete. Die Bräune die sich mittlerweile schon vererbte war natürlich da, aber jene die sich durch Arbeit nachbildete fehlte beinahe gänzlich.


    Nun da der Regen sie hart im Gesicht traf und sie zwang, ihre Augen zusammenzukneifen, wuchs das Gefühl in ihr, dass sie sich nicht gut fühlte. Sie wusste nicht, welchen Ursprung dieses Gefühl hatte, aber sie empfand Ketten. Unsichtbare Ketten die sich um ihr Herz schlossen und Zweifel in ihr sähten, als habe man ihr Gift injiziertl. Sie wusste in diesem Moment nicht mehr genau was sie wollte. Ob sie ihr eigenes Leben von Anfang an bestimmen wollte oder sich gänzlich nach den Wünschen ihres Vaters richten sollte, die sie nicht einmal mit Sicherheit festlegen konnte. Schließlich war er tot und eine Antwort auf ihre Fragen würde sie nicht bekommen. Noch am vorigen Tag hatte sie einen warmen, sanften Hauch in ihrem Gesicht gespürt, den sie als eine sanfte Geste ihres Vaters deutete.


    Und was war der Sturm? Zorn? Iuppiters Zorn? Es wirkte so skurril. Der Wind konnte ihr Wärme schenken, doch verstärkte sich dieser zu einem wütenden Sturm, sähte der Wind Angst in ihrem ohnehin zerrissenen Herzen. "Oh Vater, gib mir doch ein Zeichen. Was soll ich tun? Ich bin ohne dich wie ein Schiff in den Weiten von Neptuns Reich." Sie spürte kaum, wie sich das salzige, warme Wasser sich mit dem Wasser, welches sich aus dem Himmel ergoss, vermischte. Sie weinte, stille und traurige Tränen rannen ihre Wangen hinab. Doch der Regen hüllte diese in seinen Mantel und ließ nicht zu, dass sie verräterisch im ohnehin spärlichen Licht schimmerten. Einzig ihre Miene, die sich traurig und fast verzweifelt verändert hatte, verriet ihre Gefühle.


    Doch nicht ihre Gedanken die wie ruhelose Geister in den Weiten ihres Kopfes herumspukten. Ein wenig fühlte sie sich auch wie eine Verräterin. Sie hatte ihren Bruder sterben lassen, der den gleichen Namen wie ihr Vater hatte getragen. Es war pure Unachtsamkeit und wohl auch Naivität gewesen, aber das brachte ihn nicht zurück. Kurz zuckte ihre Hand auf, da sie sich aus einem inneren Reflex die Tränen zurückwischen wollte, als ihr wieder gewahr wurde, dass sie nicht alleine war. Ein ganz kleines Stück drehte sie ihr Gesicht wieder in Richtung des Germanen, doch außer der Leere die ihr Herz umfasste, war nichts in ihren Augen zu erkennen. Und nun machte sie doch diese verräterische Geste, aber es konnte ja genauso gut sein, dass sie sich nur das Wasser aus den Augen wischen wollte.


    Es half alles nichts, sie musste wieder aus ihrer Welt zurück in die Realität finden. Doch machte die Tatsache dies nicht leichter, dass sie fest daran glaubte, es nicht zu schaffen. Wie sollte man so einfach wieder aus den vielen Wirren eines Herzens herausfinden, dass sich über den Weg uneins war? Sie machte langsam wieder ein paar Schritte auf ihn zu, dpch mied sie seinen Blick und schien stets woanders hin zu schauen. Sie befürchtete, dass man ihre Gefühle ergründen konnte. Niemand würde davon erfahren, denn er sprach weder ihre Sprache, noch kannte er jemanden hier in Tarraco, dem er es erzählen könnte. Und doch wollte Minervina nicht, dass ein anderer Einblick in ihre chaotische Gefühlswelt hatte, die, wie sie vermutete, mit dem Erwachsenwerden zusammenhing. Und doch hatte dieser Gedanke etwas lächerliches. Das Erwachsenwerden sollte so schwer sein und so viel Schmerz bergen? Das konnte sie sich kaum vorstellen.


    Auch ihre Kleider klebten ihr mittlerweile schwer am Leib und wirkten doch hauchdünn. Es war ihr Stand, der ihr erlaubte, solch fein gewebte Stoffe zu tragen, die aber nun durch den Regen für ihren Geschmack deutlich zu eng an ihrem Körper saßen und zuviel von diesem verrieten. Sie war beinahe ebenso durchnässt wie Belenor, der aber doch freiwillig ins Wasser gegangen war. War es nicht so gewesen, dass sie sich, obwohl sie der Wolkenfront bewusst gewesen war, ebenfalls freiwillig diesen Weg gewählt hatte? Und sie fror. Obwohl es in Hispania im Vergleich zu Germanien noch immer richtig warm war, war die Luft doch so weit abgekühlt, dass die Gänsehaut allein den Regen als Ursprung hatte.


    Mit leicht schiefgelegtem Kopf lauschte sie seinen Worten, während der Regen weiterhin niederprasselte. Doch sie hatte sich schon beinahe an das Trommeln auf ihrem Kopf gewöhnt und machte keine Anstalten mehr, gleich eine Krise zu kriegen. Sie verstand seine Worte nicht, aber sie klangen ohnehin eher zu sich selbst gerichtet. Kurz folgte sie seinem Blick und fast hatte sie das Gefühl, doch verstanden zu haben was er sagte. Gewiss wurde ihm der Regen allmählich ebenfalls zuviel und er sah sich nach einem geeigneten Unterstand um.

    Minervina konnte kaum mehr den Blick von der näher rückenden Gewalt abwenden. Ob Iuppiter ihnen zürnte? Ob es daran lag, dass dem Capitol nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt ward, als das Grundstück seine Weihe erhielt? Der kühle Wind zog an ihren Kleidern. Es war erstaunlich, wie rasch sich soch der Himmel verdunkelt hatte, während das Gewitter immer näher rückte. Doch da hörte sie seine Antwort und folgte seinem Fingerzeig auf die Blitze. Doch er sprach zuviel und wusste nicht, was nu Vorrang hatte. Sie hatte den Namen Thor verstanden, diesen immerhin kannte sie. Also schien es sich... Aber natülich, es war auch nicht Tyr, sondern Thor gewesen. Diese Namen waren für ihre römischen Ohren zugleich und da germanische Götter nicht zu ihrem Alltag gehörten vertauschte sie diese rasch einmal.


    Wie war das mit den Göttern eigentlich? Sie glaubte fest an jene der römischen Bürger, wie sollte es auch anders sein. Doch die verschiedenen Götter hatten so unsagbar viele Gemeinsamkeiten. Thor schien dem Iuppiter sehr ähnlich zu sein. Kannten sich diese beiden Götter vielleicht oder mochte es gar möglich sein, dass es die gleiche Person war, von den verschiedenen Völkern aber nur anders betrachtet wurde? Menschen hatten seltsame Gedankenwege und Minervina konnte sich diese Theorie nur zu gut als bestätigt vorstellen. Sie schrak allerdings aus ihren verstrickten Gedanken auf, als sie einen lauten Ausruf vernahm.


    Ihr Kopf schnellte wieder zu Belenor, der sich trotzig der göttlichen Gewalt zu stellen schien. Was bewog ihn zu diesem Schritt? Und vor Allem, was rief er da? War es eine Herausforderung oder ein Name einer Gottheit? Ob ihrer Unsicherheit legte sie ihren Kopf schief, während sie fröstelnd die Palla enger um ihren Leib schlang. Die morgendliche Wärme war einer erdrückenden Schwüle gewichen, die wiederum von den Winden hinfort getragen wurde. Wie spät mochte es sein? Gewiss noch nicht ganz die Mittagszeigt, aber schon fortgeschrittener Tag.


    Und wietere Fragen kamen in ihr auf. Wie lange würde sie noch warten müssen, bis er Regen kam und sie durchnässte? Bis auf die Haut? Sie mochte es nicht sonderlich gern, so klatschnass zu sein, wie es der Germane an ihrer Seite bereits war. Sie betrachtete seine Gestalt nachdenklich. Er war wirklich groß gebaut und musste unter seinesgleichen auch als groß gelten, selbst wenn sie alle ein wenig stämmiger gebaut waren. Und sein Haar war blond. Ob Mutter auch derlei Blut in ihrem Leib trug, dass auch sie blondes Haar hatte? Selten war Minervina blonden Römern begegnet. Doch sie wusste nichts über die gens Rediviva, nicht einmal die Namen ihrer Ahnen. Es war nur ein Name, der sie zeichnete, keine Geschichte und keine Familie. Ihre Familie weilte ihn Rom, denn sie fühlte sich ganz und gar der gens Tiberia verbunden.


    Als er wieder begann zu sprechen, trat ein verlegenes Lächeln auf ihr Gesicht. Sie lauschte aufmerksam und verstand wieder das Wort Gwyn. War Gwyn vielleicht der Name der blonden Sklavin am Stand gewesen? Seine große Liebe, sein Weib? es war durchaus möglich. Doch eine Antwort gab sie nicht, denn alsbald wandte er sich wieder "Donnar" zu, oder wie auch immer das Wort lautete, welches er den Winden entgegenschrie.


    Nun besorgter traf ihr Blick abermals die Wolkendecke und die kargen Lichtstrahlen, die den Weg zum Boden fanden wurden immer spärlicher. Es herrschte beinahe ein Zwielicht und das Meer wirkte nicht mehr freundlich wie sonst. Wellen waren auf die fast glatte Oberfläche getreten und es schien nach etwas greifen zu wollen. Aber eines mochte sie, eigenartiger Weise, doch an diesem ungemütlichen Wetter. Das Donnern und das laute Rauschen des Windes. Ihr Haar, welches durch ihr Gesicht flatterte, schmerzte beinahe und doch sah sie weiterhin stolz in die Weite hinaus. Das Lachen ihres Begleiters klang bezwingend, doch sie hatte aufgegeben, zu versuchen, seine Gedanken nachzuvollziehen und genoss still die kurze Zeit, die ihr noch blieb, ehe sie durchnässt würde.

    "Das Grundstück für die capitolinische Trias wurde geweiht. Die Gladiatorenschule bekommt ordentlich Zuwachs." Minervina ärgerte sich im Stillen ein wenig darüber, dass sie so kurz angebunden war, aber Claudias Worte hatten ihre Begeisterung wieder mächtig gebremst. Als sie sich wieder aus der Umarmung gelöst hatte, lächelte sie ihre Tante etwas unbeholfen an. "Aber besondere Neuigkeiten gibt es nicht. Keine, die jetzt angebracht werden." womit sie ihrer Mutter einen dezent strafenden Blick zuwarf.

    Minervina stockte kurz, als Claudia erwähnte, dass ihr Aufenthalt weniger positiv bedingt war. Es war gewiss wegen ihrem Vater, der in einem nicht schönen Zustand hierher kam. Sie versuchte allerdings, die Grimasse des Todes wieder hinfort zu schieben, die letzte und frischeste Erinnerung, die sie an ihren Vater hatte. Eine schmerzliche Erinnerung. "Leider." sagte sie also nur knapp. Als sie Claudia das letzte Mal sah, war alles noch gut gewesen. Damals war ihr Vater zwar schon fort, aber noch nicht so lang, dass es besorgniserrend geworden wäre. Man sah ihr deutlich an, dass die Sache ihr große Magenschmerzen bereitete. Und der 'Neue' von ihrer Mutter trug nicht unbedingt zur Besserung bei.

    In der Tat, das war ihre Tante, die allerdings vom Blute her noch weiter entfernt war als eine solche. Sie allerdings war es, die ihrem Vater und auch ihrer Mutter immer sehr nahe gestanden hatte. Näher wohl als ihre wirkliche Tante Messalina. Das dunkle Haar hatte Minervina von ihrem Vater geerbt, eben so die braunen Augen. Auch die weichen aber strengen Züge hatte sie offensichtlich nicht von ihrer Mutter. "Ich.. ich weiß." meinte sie etwas unsicher, ehe sie aber zu einem 5 - Schritt - Spurt ansetzte und ihre Tante fest umarmte. Mochten sie patrizisch sein, Claudia hatte sie neben ihren Eltern aus der Familie immer am Meisten geliebt. Und es tat so gut sie nach all der Zeit wieder zu sehen. Sie war die letzte der Tiberia, die sie gesehen hatte. Und die erste, die sie nun wieder sah. Eine einzelne, kleine Träne bildete sich und kurz darauf folgte die nächste. "Wie schön, dass du endlich hier bist!"

    Minervina hatte Daphne im Atrium angetroffen und hatte in Erfahrung bringen können, dass Besuch da war. Es war schon immer so gewesen, dass Minervina eine nahezu unbezähmbare Neugier hatte und so folgte sie der Sklavin in den Garten. Auf der Schwelle allerdings blieb sie ungläubig stehen und sah zu der Frau die dort neben ihrer Mutter saß. Es war für sie kaum vorstellbar, wen sie dort erblickte. Lag eben noch pure Überraschung in ihrem Blick, wurde diese langsam durch Freude ausgewechselt. "Claudia? Tante Claudia?" sagte sie erst ein wenig leise, ehe sie sich langsam in ihre Richtung bewegte.

    Während sie ihn ansah, begann sie sich zu fragen, was wohl ihm momentan durch den Kopf zog. Gewiss am Meisten die Erinnerungen an seine Heimat. Ganz bestimmt musste er nun oft daran denken, wie gering die Aussichten für ihn doch waren, Germanien wieder zu sehen. Und wie sehr er seine Freunde dort doch vermisste. Und ob er Familie hatte? Ob die blonde Frau vorhin in der Tat seine Frau gewesen war? So wie er um sie gekämpft hatte, würde es sie nicht verwundern, wenn es so war. Während sie so da stand, senkte sie den Blick wieder gen Boden.


    Dann vernahm sie, wie er begann zu sprechen und erblickte, wie er dabei auf sein Herz deutete. Und sie konnte sehr gut erahnen, was er damit sagen wollte. Als er dann auf seine Ohren deutete, bestätigte sich ihr Verdacht und ein leichtes Lächeln trat in ihr zartes Gesicht. Was seine Darauffolgenden Worte bedeuteten, wusste sie wahrlich nicht. Vielleicht brauchten die Germanen mehr Worte um sich auszudrücken, als die Römer. Vielleicht suchte er aber auch nach mehreren Definitionen um ihr seine Gedanken verständlich darzustellen. "Ja, ich schätze du hast Recht." erwiderte sie mit leiser Stimme, ehe ihr klar wurde, dass er sie ja genauso wenig verstand wie sie ihn. So nickte sie also nach ihren Worten noch bekräftigend.


    Dann blickte sie ein wenig abwesend wieder hinauf aufs Meer und ließ ihre Hand unbewusst zu ihrem Herzen tasten, wo diese dann ruhte. Allzuviel Fleisch hatte sich noch nicht gebildet, wenn auch unschwer zu erkennen war, dass sie einmal eine recht weibliche Figur erhalten würde. Ob dieser Körper eines Tages der Welt einen neuen Sohn schenken würde? Oder auch nur eine Tochter? Sacht schloss sie die Augen und versuchte ihren Herzschlag zu fühlen, dessen Rhythmus wahrzunehmen. Langsam und gleichmäßig begann sie in dessen Takt zu atmen. Es war eigenartig, dachte sie in dieser Dunkelheit, dass sie sich und Belenor schon soviel zutraute. Es war ungewöhnlich, dass sie sich mit einem Germanen und noch dazu einem Fremden in diese Einsamkeit hinauswagte. Und doch hatte jede Angst Auszug aus ihrem Herzen gehalten. Sicher, bis einiges an Vertrauen aufgebaut war, würde lange Zeit vergehen. Eine längere Zeit, als wenn sie Kaya wieder vor sich hätte, die ihrer Mutter Gift eingeflößt hatte.


    Denn Belenor war ein Germane.


    Sacht öffnete sie wieder die Augen und blickte über das Wasser, das nunmehr an eine wabernde Masse erinnerte. Der Glanz verschwand zunehmend und nur noch die wenigen Sonnenstrahlen, die zwischen der Wolkendecke hindurchbrachen, erhellten das Grau zu ihre Füßen ein wenig. Auch schien das Meer zunehmend unruhiger zu werden. Es würde kein leichter Gewitter werden und vielleicht sogar verheerende Folgen für jene haben, die direkt am Hafen wohnten. Auf der anderen Seite möglicherweise aber auch nicht. Das würde die Zukunft zeigen. Wie so alles, wozu sie immer Fragen hatte, auf die sie aber so rasch keine Antwort würde finden können.


    Eine Bö griff nach ihrem Haar und ließ es in unregelmäßigen Abständen flattern. Es war nicht mehr das ausgeglichene auf und ab, was noch vor dem Gespräch am Hafen geherrscht hatte. Deses Mal wirkte es wie eine Warnung, die da lauten sollte, dass sie sich besser in Sicherheit begeben sollten. Aber warum? Wenn es ihr vorbestimmt war zu sterben, dann würde alles verstecken nicht helfen. Dies hatte sie von ihrer Mutter gelernt und es war eine der wenigen Lehren von eben jener, die sie auch angenommen hatte. Alles andere war eher konservativ. Niemals würde es ihr einfallen, in die Politik einzusteigen, wie ihre Mutter damals diesen Schritt gewagt hatte. Frauen gehörten ihrer Meinung nach einfach nicht dort hin. Viele zumindest nicht, die diesen Weg mit Gewissheit beschritten.


    Sie drehte sich mit ihrem wehenden Haar wieder zu dem Germanen um, wobei ihr Haar nun unpraktisch in ihrem Gesicht hing, da der Wind vom Meer auf das Festland getragen wurde. Eine Zeit lang blickte sie ihn an. Das Schweigen, das hier herrschte, sagte mehr als tausend Worte es jemals konnten. Sie musste keine Angst haben, dass er ihr in den Nacken fiel. Rodrik hätte lügen können, doch in den Worten des Quelles dieses Versprechens lag keine Lüge. Darin, Gefühle und Gedanken aufzudecken, war Minervina schon immer sehr gut aufgewesen. Noch zu jener Zeit, da die Beziehung zwischen ihrer Mutter und Metellus als Inzest gegolten hätte, hatte sie die Beziehung gespürt.


    Und so hoffte sie auch, dass sie sich nicht in ihrem 'Sklaven' täuschte. Es wäre ein herber Verlust, wenn er sich letztlich doch als Lügner und Betrüger herausstellte. Vermutlich sogar der Verlust ihres Lebens. Wenn er Römer hasste, würde er auch sie verabscheuen, denn immerhin hielt sie ihn als Sklaven. Das musste sehr verletzend für ihn sein. Sie deutete hinaus auf die Wolken. Auch über germanische Götter hatte sie einmal gesprochen und nach wie vor wollte sie, dass er ihre Bemühungen sah. Doch sie konnte sich nur an wenige Namen erinnern, noch weniger daran, mit welchen Eigenschaften sie zusammen hingen. "Tyr?" scholl es aus ihrem Mund und sie musste etwas lauter sprechen als bisher, da der Wind sonst ihre Worte zerrissen hätte.

    So standen sie also nun da. Sie musste ziemlich weit zu ihm aufsehen, wie ihr nun wieder stark bewusst wurde. Nicht sie fühlte sich wie eine Herrin, sondern empfand er ihn als einen solchen. Und das lag nicht nur an der Größe, sondern auch an den Gefühlen die sie hegte. Irgendetwas war falsch, doch Minervina hoffte, dass sie nicht die Schwäche ihrer Mutter geerbt hatte. Diese würde sie nirgendwo weiterbringen, weder in Tarraco, in Rom und schon einmal gar nicht in dieser Situation. Solange sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle bekam, würde sie ihm die Möglichkeit geben zu dominieren. Und diesen Schritt wollte sie nicht dulden. Eine gute Beziehung zwischen ihnen, konnte ihr nur Recht sein, aber sie wollte sich nicht durch ihre Gefühle leiten lassen, denn das war falsch.


    Doch in dem Moment, da sich seine Hand auf ihre Wange legte, zuckte sie unmerklich zusammen. Und mit diesem Zucken schienen auch ihre Vorsätze für zumindest diesen Moment abzufallen. In ihrem Blick lag keine Angst mehr, weder Trauer noch Hass. Sie schien sich für den Moment in sich selbst zu verlieren und erwiderte ohne tiefere Gedanken seinen Blick. Es schien, als wollte sie niemanden bis in ihren Geist vordringen lassen. Dabei war es ihr in diesen Momenten selbst verwehrt. Als er seine Hand von ihrer Wange nahm, sank auch ihr Blick zu Boden. Jetzt wusste sie, was in ihrem Herzen wiederhallte. Pentesilea. Sie war die Sklavin ihres Vaters gewesen und dieser hätte sie nach ihrer Flucht gewiss nicht zimperlich behandelt, hätte sie wohl auch nicht getan. Aber heute blieb Pentesilea aus freien Stücken bei Mutter und ihr. Als Freigelassene und eine enge Freundin. Aus der Sklavin war ein wunderbarer Mensch gewesen. War sie nicht auch schon vor der Freilassung so gewesen? Alleine ihr verdankte doch Minervina ihr Leben, die doch krank zur Welt gekommen war.


    Minervina schüttelte sich kurz, als wollte sie diese Gedanken abschütteln. Doch gegen die Melancholie, die wahrscheinlich die Wolken in ihr auslösten, konnte sie nichts tun als zu lächeln. Aber ob das weitergehend helfen würde? Ihre Gedanken wanderten kurz zurück in die naheliegende Vergangenheit, nach gestern. Die junge Frau war eigentlich der Grund gewesen, weshalb sie ihn gekauft hatte. Sie hätte ihr nur zu gern geholfen und dies wurde ihr verwehrt. Stattdessen wurden ihre Gewissensbisse nun stärker, weil sie geholfen hatte. Sie ruckte plötzlich mit ihrem Gesicht wieder hoch und lächelte ihn schlagartig an. Es schien, als habe sie die Trauer schneller besiegt, als diese gekommen war. Doch wer genauer hinsah, konnte sehen, dass dem nicht so war.


    Und damit rechnete auch Minervina. Sie wirkte dem Aufspüren entgegen, indem sie nach seiner Hand griff und mit warmer Stimme "Komm!" sagte und sich umwandte. Fast wäre ihr aus den verräterisch funkelnden Augen eine Träne gewichen, doch mühsam hatte sie sich unter Kontrolle gehalten. Ihre Melancholie rührte von vielen Gedanken her. Gedanken, die ihrem Vater galten und wohl auch ihrem aktuellen Begleiter. Was würde dieser erst sagen, wenn ihr Weg sie nach Rom führte? Viel Zeit würden sie nicht mehr in Tarraco haben. Er war dann nicht unbedingt weiter von seiner Heimat entfernt, was die geographischen Dinge anging, eher wohl noch weniger. Aber die Distanz würde dort in seinem Herzen noch drastischer zunehmen. Nun, vielleicht würde das alles noch eine gute Wendung nehmen, erst einmal war es wichtig, dass sie den Schatten aus ihrem Herzen vertrieb. Er passte nicht zu 'Minervina' wie alle sie kannten und liebten.


    Ihre Schritte waren nur langsam, während sie am Wasser entlang ging. Ihr Griff verlor nach und nach an Kraft, denn sie konzentrierte sich etwas mehr auf die Umgebung und die Kontrolle ihrer Gedanken. Sie wusste nicht, ob sie Belenor mögen oder lieber doch nicht mögen sollte. Er war auch einer jener Männer, die ihr ihren Vater genommen hatten. Und wenn sie ihn an der Grenze geschnappt hatten, wovon sie ausging, dann mochte es sogar sein, dass er seinen Tod verantwortete. Sie stieß die Luft in einer resignierten Geste aus, während ihre Hand aus der seinen Glitt. Sie blickte Belenor mit einem tiefen Blick an, ehe sie versuchte, ihm eine Frage zu stellen. Doch sie achtete weniger auf die Worte, denn auf den Ton. "Meinst du, wir werden das schaffen? Wir zwei?" Wobei sie einmal zu ihm und dann zu sich deutete.

    Rodrik's Miene zeigte Bedauern für den Hünen, denn dieser schien gerade frisch seiner Heimat entrissen. Es würde gewiss nicht leicht für ihn werden, sich an diesen nicht unbedingt schönen Gedanken zu gewöhnen. Und doch hoffte er für die junge Herrin, dass der Germanie dies vermochte, denn mit einem Rebellen würde sie nicht zurecht kommen. Dafür war sie viel zu zart und gebrechlich. Für ihn, Rodrik, würde es auch nicht leicht werden, wenn er von hier entrissen würde, denn die arme Fischerfamilie war für ihn etwas wie eine eigene Familie geworden. So gerne er Germanien auch einmal mit eigenen Augen erblicken würde, dieses Leben wollte er nicht tauschen. Er kannte den Hauch der Freiheit nicht und vielleicht war es auch gut so.


    Und auch in Minervinas Augen konnte man gemischte Gefühle erkennen. Sie empfand ebenfalls Mitleid für diesen Germanen, diesen Wilden. Für zivilisierte Menschen wie es die Griechen waren, mochte es keine allzu schwere Umstellung sein, doch Belenor kannte diese Art des Lebens offensichtlich nicht. Es musste wie ein Sprung ins kalte Wasser sein. Wenn nicht sogar schlimmer. Und auch wenn sie es nicht ändern konnte, dass er sich an ihre Welt gewöhnen musste, so wollte sie ihm doch bei diesen Schritten helfen und ihm nie wieder Ketten anlegen. Diese Zeit, so kurz sie auch war, sollte für immer vorbei sein, das nahm sich die junge Frau fest vor. Da vernahm sie in dieser erdrückenden Stille wieder einen Laut.


    Rodrik sagte mit leiser und wohl auch etwas rauher Stimme: "Ja, so wird es sein. Aber auch ein Sklavenleben muss nicht schlimm sein. Es kommt drauf an wie man sich benimmt und wie die Herren sind - du scheinst mir ein gutes Los gezogen zu haben." Auch Rodrik schien die Ungewissheit in Belenors Augen genauso wenig zu behagen, wie es bei Minervina der Fall war. Vor Allem wenn man sich versuchte, die Tragweite dieser Nachrichten für ihn, vorzustellen. "Und Soldaten.. Sie werden nichts das einzige Hindernis sein, doch du wirst diese Welt gewiss noch besser kennenlernen und verstehen." Damit schwieg der Junge, denn er fürchtete, dass er den Schmerz Belenors nur verschlimmern würde.


    Und auch Minervina wurde das Gefühl nicht los, dass dieser Stunde etwas sehr Trauriges anhaftete. Es fiel ihr nicht leicht, zu beobachten, wie sehr sich Belenors Schicksal zu seinem Nachteil veränderte. Gerne würde sie nach seiner Hand greifen und ihm auf diese Weise irgendeiner Art Trost spenden, doch sie zweifelte, dass er dies nun überhaupt noch duldete. Er ahnte gewiss, was Sklaverei bedeutete, denn auch die Germanen nahmen sich römische Bürger, Soldaten um diese mit fürchterlichen Aufgaben zu quälen. Minervina nahm sich fest vor, dass er erkennen würde, dass sie sich nicht solche bestialischen Dinge einfallen lassen würde. Er sollte lernen, dass das zivilisierte Leben der Römer weit anenehmer war als jenes der Germanen. Als sie seine Worte hörte, lief ihr ein leichter Schauer über den Rücken. Auch wenn es schien, als wolle er keines seiner Gefühle nach außen dringen lassen, diese Worte verrieten viel seines Schmerzes. Ihr Blick wandte sich kurz zum Meer...


    ... und dort draußen erblickte sie etwas, was ihr nicht nur einein leichten, sondern einen eisigen Schauer hinter dem ersten hinterherjagte. Dort am Horizont baute sich schon jetzt am frühen Morgen eine nicht zu verachtende Wolkenfront auf und sie erblickte Blitze in den finsteren Bergen. Auch ein entferntes Grollen war schon zu hören. Als ihr Blick den Himmel in ihre Richtung absuchte, konnte sie erkennen, dass sich auch hier schon ein paar Wolken auf dem Himmel verteilten. Sie seufzte leicht. Das würde wieder ein ordentliches Desaster geben und trocken kämen sie gewiss nicht mehr nach Haus. Aber wollte sie dies überhaupt? Sie hatte gesehen, wie sehr ihm die Hitze zusetzte und konnte es auch jetzt in seinen Augen sehen, dass ihm dieses Wetter ein wohliges Gefühl gab. Sie glaubte zumindest, oder fühlte, dass es so war. Da war Iuppiter wieder, und verdunkelte den Himmel mit Wolken um ihn sogleich wieder mit den Blitzen zu erhellen. Deshalb war also am heutigen Tage auch der Wind ein wenig schwerer als an anderen Tagen. Fröstelnd zog sie die Palla etwas fester um ihren Oberkörper. Sie mochte Gewitter nicht unbedingt gerne, ihnen haftete immer etwas Bedrückendes an.


    "Deine Götter haben dich nicht verlassen, doch hier herrschen andere." riss der Junge sie wieder aus ihren Gedanken. Er lächelte, doch war es ein ernstes Lächeln, dessen Minervina gewahr wurde. Und es richtete sich ganz allein auf Belenor Nun ruhten auch ihre Blicke wieder auf dem stämmigen Germanen, aus seinem Blick konnte sie deshalb allerdings nicht mehr erkennen. "Es scheint ein ordentliches Gewitter aufzuziehen, ich schätze ich mache mich wieder an meine Arbeit." meinte der Junge wieder in der latinischen Sprache zu Minervina und blickte Belenor an, der nun endlich wieder das Schweigen brach und seine Stimme erhob. Minervina hatte nicht erahnen können, was als nächstes folgte und hatte die ganze Zeit in beinahe ängstlicher Ungewissheit gewartet. Nun seine Worte und keine unschöne Tat zu vernehmen, erleichterte sie ungemein. "Lebe wohl, Belenor. Ich wünsche euch Glück." sagte der Junge wieder in seiner Heimatsprache und wandte sich noch einmal kurz Minervina zu, die völlig verständnislos den Worten des Kriegers lauschte.


    Der Junge erklärte Minervina mit einem Zwinkern: "Er bedankt sich ein weiteres Mal bei seiner Wohltäterin. Er ist ein aufrichtiger Mann, enttäusche ihn nicht und er wird Dich nicht enttäuschen, Herrin. Er hat dir gerade etwas ungemein Wichtiges gegeben. Sein Wort, dich vor allem zu beschützen." Minervina betrachtete den sich abwendenden Jungen mit einer Mischung aus Überraschung und... Bestürzung? Ja, solche war es, denn sie schämte sich beinahe, einen solchen Mann als Sklaven zu halten, was beinahe untypisch für sie war. Es würde Zeit, dass sie wieder unter Claudias Fittiche kam. Sie ahnte nicht, das der Junge etwas nicht Unwichtiges ausgelassen hatte, als er ihr seine Worte übersetzte. Nämlich, dass Belenor auf Rache seiner Götter wettete. Doch befand Rodrik selbst es nicht wichtig, denn hier waren sie in Rom, hier waren es die römischen Götter.


    Als Rodrik aus ihrem Blick verschwunden war, sah sie noch immer eine ganze Weile in diese Richtung, ehe sie sich der Frau zuwandte und sich, unfähig eines weiteren Wortes, mit einem Nicken bei dieser bedankte. Sie hingegen warf Minervina ein munteres Zwinkern zu und folgte Rodrik, denn der Wind frischte auf. Nur zögerlich und äußerst unsicher wagte sie es nun, den Blick zu heben und Belenor in die Augen zu schauen. Er sah sie noch immer an und einen Moment lang schlug ihr Herz doller, als sie glaubte es ertragen zu können. Sie schämte sich wirklich, doch er sollte nicht denken, dass sein Eid sie traurig stimmte. Und so lächelte sie. Sie lächelte ein trauriges Lächeln, während hinter ihm und somit gut für sie sichtbar, das Unwetter näher kam.

    Zweifel zeichneten sich in dem Gesicht des schmächtigen Jungen ab, während er den Worten des weitaus älteren Germanen lauschte. Er war hier in Hispania geboren, wenn sein Vater auch aus Germanien stammte. Auch eine besonders gute Bildung hatte der Junge nicht genießen können, lediglich die Sachen die Vater und Herren ihm nahe gebracht hatten. Und er entstammte eines armen Haushaltes, der kaum genug Brot für seine zwei Sklaven aufbringen konnte. Entsprechend sah auch sein Kiefer aus, denn es fehlten gut und gerne zwei oder mehr Zähne in seinem Mund, viele waren schief. Und doch glitzerte in seinen Augen etwas wie Freude über das Leben. "Das ist kein Fluss sondern ein Meer. Es liegt zwischen vielen römischen Provinzen. Und es gibt die Möglichkeit über das Wasser nach Rom zu kommen, auch nach Griechenland und sogar Germanien." Das zumindest hatte er immer vermutet, wissen tat er es nicht. Er ließ wieder ein lückenhaftes Grinsen sehen. "Ein Meer ist viel größer als ein Fluss, viel gefährlicher. Es ist das Reich des römischen Gottes Neptun." erklärte er weiter.


    Rodrik blickte zu seiner Herrin, die ihm aber nur ein sanftes Nicken schenkte, also wandte er sich wieder an Belenor. "Ich bin hier geboren und kann dir gut helfen, wenn du möchtest. Die Herrin hat mir alles beigebracht, was ich wissen muss, um mich hier zurecht zu finden." versuchte der Junge dem Älteren Mut zu machen, weitere Fragen zu stellen. "Tarraco ist eine große römische Stadt in der Provinz Hispania, wie die Römer sie nennen. Also ist dies schon Rom." Doch wirklich verstand der Junge die Schwierigkeit des Germanen nicht. Wie kam er darauf, dass dies nicht Rom war? Langsam begann der Junge ein wenig daran zu zweifeln, ob der Germane überhaupt wusste, in welcher Lage er war. Das Ende der Welt? Dem jungen Mädchen sagen, dass er ihr dankbar war? Er antwortete allerdings erst auf seine Frage, eher er das Mädchen ansprach. "Und nein, das Ende der Welt ist noch einmal ganz woanders. Ich glaube dieses kennen nicht einmal die Römer, die sich doch schon so gut in der Welt auskennen." lächelte er, ehe er sich an Minervina wandte und in lateinischer Sprache fortfuhr.


    "Der Gute sagte, er danke dir dafür, dass... du ihm dein Bett angeboten hast und ihn vor irgendwelchen Männern befreit hast. Kann es sein, dass du ihm noch nicht mitgeteilt hast, dass er ein Sklave ist?" Minervina blickte in die funkelnden Augen des Jungens und eine heiße Röte ergriff ihre Ohren, wovon auch ihre Wangen nicht verschont wurden. Hatte Belenor wirklich diese Wortwahl benutzt? Was musste dieser kleine Bengel jetzt nur denken, in welcher Form sie ihm sein Bett angeboten hatte. Sie machte kurz den Mund auf, aber zuerst brachte sie kein klares Wort heraus. Erst beim zweiten Versuch, zu sprechen, sagte sie: "Doch, doch ich habe es ihm gesagt, aber er schien mich nicht verstanden zu haben. Vielleicht könntest du es ihm... erklären, dass er in dieser Lage ist. Und bitte so, dass er sich nicht allzu sehr erschreckt." Minervina blickte dem Jungen bittend in die Augen. Dass Belenor das alles missverstand, tat ihr sehr leid. Da fiel ihr noch etwas ein. "Ach und... erkläre ihm bitte, was eine Lupa ist." fügte sie an, worauf sie allerdings einen verständnislosen Blick von Seiten der Alten und auch des jungen Germanen erntete.


    Der Junge wandte sich wieder dem nassen Belenor zu, doch noch hatte er nichts aufgrund seiner nassen Tunika verlauten lassen. Er wusste nicht recht, wo er anfangen sollte und suchte noch kurz den Blick seiner eigenen Herrin, die ihm wieder aufmunternd zunickte. Also machte er sich daran, die schlechten Nachrichten zu übermitteln. "Also erst einmal bat die Herrin mich, dir zu erklären, was eine Lupa ist. Nun... eine Lupa... ist.." Nur zu deutlich merkte man dem Jungen die Verlegenheit an. Insgesamt konnte er noch nicht viel mit diesen Dingen anfangen, war die einzige Liebe die er bisher erhielt doch von seinen Eltern gewesen. "Sie ist eine Frau, die körperliche Liebe an... Männer verkauft." brachte er es dann endlich hervor. Doch im Gegensatz zu jenen Ohren Minervinas liefen seine nicht rot an. Langsam fuhr er dann, mit leicht bedrückter Stimme allerdings, fort. "Und.. was deinen Stand betrifft hast du wohl einiges falsch verstanden. Sicher war es die Herrin, die dich von den Männern erlöste, doch..." Er hoffte, dass Belenor den Wink mit dem Zaunpfahl verstand und sah fragend zu ihm auf.


    Auch Minervina hatte an der Mimik des Jungen erkannt, in welche Richtung sich das Gespräch nun gewandt hatte und langsam verschwand die Röte wieder und wich einem nervösen, wie auch mitleidigem Blick. Sie betrachtete Belenor, der noch vor wenigen Augenblicken das Meer kennengelernt hatte. Und der hier in völliger Fremde allein war, sich wahrscheinlich gar nicht zurecht fand und nun auch noch solche Worte übermittelt bekam. Unsicher verschränkte sie ihre Arme vor dem Bauch. "Belenor.." sagte sie mit leiser Stimme und suchte seinen Blick.

    Eine ganze Weile lang betrachtete Minervina etwas ratlos den großen Germanen, den sie sich am Vortag angelacht hatte. 'Marinternum' nannte er etwas unbeholfen das große, mittige Meer. Dann allerdings begannen ihre Mundwinkel leicht zu zucken und ein leises Lachen bildete sich in ihrer Kehle. Doch war es ein freundliches Lachen, das zeigte, dass sie ihn damit offensichtlich nicht verhöhnen wollte. "Verzeih, aber.." Langsam schrumpfte ihr Lachen wieder zu einem leisen Kichern, welches den Abschluss mit einem glucksenden Schütteln des Kopfes fand. Langsam kam es ihr vor, als würden die ärgsten Gegensätze aufeinander prallen.


    Als ihr Blick wieder zu der älteren Dame abdriftete, errötete sie kurz wieder, doch der Frau haftete ein freundliches Lächeln an. Ein verständnisvolles Lächeln. Minervina kam sich so hiflos vor, wie schon lange nicht mehr. Was der Frau wohl durch den Kopf schoss? Langsam schlenderte Minervina auf diese zu, um diese in ein Gespräch zu verwickeln, vielleicht wusste sie sogar Rat. Und Belenor schien den gleichen Gedanken zu hegen, da auch er die wenigen Schritte auf die Frau zuhielt, sie allerdigs unverblümt ansprach. Die ersten Worte konnte Miinervina sogar deuten, denn offensichtlich war er so höflich, sich vorzustellen. So schwieg Minervina höflich, während sie ein Zwinkern der älteren Dame bemerkte, welches sehr zu ihrer Erleichterung beitrug. Als er geendet hatte, wandte sich Minervina mit freundlichen Worten an die Frau, worauf eine kurze Unterhaltung folgte.


    "Sein Name ist Belenor, ich bin Rediviva Minervina, Tochter des Tiberius Maximus." stellte sie sich vorerst höflich vor und brachte auf diesem Wege in Erfahrung, dass die Frau vor ihr Severa war und die Mutter eines jungen Fischers, deren Mann bereits in den elysischen Feldern wandelte.


    "Verzeih, doch er beherrscht unsere Sprache noch nicht so recht und langsam bin ich auch mit meinem Latein am Ende. Ich verstehe einfach nie, was er sagt. Und ich schätze, ihm geht es nicht anders."
    "Nun, das ist nicht verwunderlich. Höre ich nicht germanische Worte aus seinem Mund? Wer würde einem so jungen Ding wie dir auch zumuten, dass du diese Sprache sprichst."
    "Richtig, wenn dies auch kein Grund sein sollte, mich zu richten."
    "Keineswegs meinte ich dies abwertend, Minervina. Ich... RODRIK!"


    Minervina runzelte die Stirn. Was wollte die Frau mit diesem lauten Ausruf bezwecken? Rodrik war offensichtlich ein Name. Da sah sie auch schon recht bald einen Jungen heranlaufen, er mochte ein paar Jahre älter als sie selbst ein. Und an seinem blonden Schoß erkannte Minervina, worauf die Alte hinauswollte. Sicherlich würde er ihr ein wenig helfen können und grobe Unverständlichkeiten aus dem Weg räumen. Und sollte es auch daheim noch Probleme geben, gewiss sprachen Walburga oder wenigstens Gunhild auch die germanische Sprache.


    "Rodrik, dein Vater hat dir doch gewiss beigebracht, wie du dich in dieser uns fremden Sprache verständigst. Wärest du nicht bereit, dieser jungen Dame kurz zu helfen?" Der Junge grinste, nickte dann aber hilfbereit und betrachtete den Hünen, der selbst größer als er und sein Vater war. Viele Germanen traf man hier nicht, die größte Abnahme war vermutlich in Germanien selbst. Viele Sommersprossen zierten seine groß geratene Nase, das Haar war bis kurz unter die Ohren gestutzt. Er wandte sich allerdings nicht an Minervina, sondern direkt an den Germanen. In ihrer gemeinsamen Sprache begann er, wenn auch stockend und mit mangelnder Sicherheit: "Heilsa, ihr habt Verständigungsprobleme? Ich bin Rodrik." Er kratzte sich am Kopf. Ein wenig dumm kam ihm das ganze hier schon vor, was ihm an der Nasenspitze anzusehen war, denn was er sagen wollte war ihm nicht im Geringsten bewusst.


    Minervinas Lippen selbst zierte ein leichtes Lächeln. Was das ganze ergeben würde, konnte sie sich nicht im Geringsten vorstellen, aber sie würde einfach abwarten. Besseres fiel ihr auch kaum ein, denn dass sie zumindest eine kleine Beschäftigung für ihren triefend nassen Begleiter gefunden hatte, beruhigte sie doch sehr.

    Als die frische Brise, die heute glücklicherweise sogar ein wenig stärker wehte als an den meisten Tagen, durch ihr Haar fuhr schloss sie für wenige, kurze Schritte die Augen. Sie genoss das sanfte Streicheln des Windes auf ihrer Haut sichtlich und wusste genau, dieses Gefühl würde sie, war sie erst in Rom, unglaublich vermissen. Den Ausblick auf das Meer. Als sie ihre Augen wieder öffnete, hatten sie sich der Weite schon ein ganzes Stück genähert und ihre Gedanken schweiften nach Rom. Ihr größtes Ziel war es, ihrem Vater Ehre zu machen und dies verlangte nach Einhaltung der Traditionen. Doch was sollte sie tun? Sollte sie sich der Keuschheit 'hingeben' und eine Vestalin werden oder lieber der Schutzgottheit der gens Tiberia widmen, der großen Minerva? Beide Wege würden ihrem Vater Ehre einbringen. Doch schränkten die Vestalinnen nicht allzu sehr ein?


    In diese Gedanken verstrickt bemerkte sie erst relativ verspätet, dass er erstaunt stehen geblieben war und ruckartig hielt auch ihr Gang inne. Verwundert sah sie nach hinten, um zu erfahren, warum Belenor auf einmal nicht mehr neben ihr ging. Ihr klappte für Bruchteile von Sekunden der Mund auf, als sie seine Verwirrung bemerkte, behielt ihre Gedanken aber für sich: Super gemacht, Minervina. Offensichtlich kannte er das Meer doch nicht und schien nicht zu glauben, was er da vor sich hatte. Sie seufzte leis und rieb sich nachdenklich die Schläfe. Als er sich wieder in Bewegung setzte, lief sie neben ihn, während sie ihn besorgt ansah. Sie wusste nicht wo sie mit ihm als nächstes hinsollte, denn am Ende würde ihm der nächste unbekannte Anblick einen riesigen Schrecken versetzen. Als sie am Wasser wieder stehenblieben, wollte Minervina zaghaft das Wort an ihn richten, doch er fiel ihr mit leisen Worten in dieses, die sie wieder einmal nicht verstand. Es schien beinahe, als würde seine ganze Weltanschauung durcheinander gerüttelt und so schloss sie den halb geöffneten Mund wieder um ein sachtes Lächeln zum Vorschein kommen zu lassen.


    So stumm lächelnd beobachtete sie ihn nun, was er vorhatte und wie er weiterhandeln würde.. Und er tat etwas, womit sie keineswegs gerechnet hatte: Er probierte dieses salzige Wasser. Zugegebenermaßen, als Kind hatte sie dies ebenfalls getan, aber als erwachsene Frau? Schien es für ihn so unbegreiflich, dass er kein Ufer erblicken konnte? Langsam begann in ihr die Frage zu reifen, ob er vielleicht wahnsinnig wurde. Das würde möglicherweise erklären, warum er nun auch noch ins Wasser hineinging. Mit einem Blick in sein Gesicht allerdings wurde diese Frage sinnlos, denn er schien nicht verwirrt sondern einfach nur erstaunt zu sein. Sie selbst allerdings hielt sich geziert am Ufer. Sie wollte nicht, dass sich ihre ohnehin schon schweren Kleider sich auch noch mit Wasser vollsogen. Zudem würde es bei ihr wohl noch alberner wirken als bei ihm.


    Sie sah sich kurz um, hoffend, dass sie noch nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. Ihre Hoffnung bestätigte sich, lediglich eine ältliche, recht korpulente Frau ließ ihren Blick auf ihnen Ruhen. Minervina nickte ihr freundlich zu, doch diese schien davon keine Notiz zu nehmen. Sie schien auf Belenor zu starren. Und auch Minervina wandte sich wieder zu dem leisen Plätschern um und beinahe wäre ihr Kopf in theatralischer Geste nach vorne geruckt - er wusch sich. Hier beim Hafen wusch er sich. Möglicherweise waren die Germanen doch barbarischer, als sie geglaubt hatte. Immerhin waren sie auf einem Spaziergang, während sie ihm die Stadt zeigen wollte. Er hätte doch auch... Leichte Röte der Verlegenheit zog über ihre Wangen und durchaus etwas verschüchtert wandte sie den Blick wieder ab und starrte auf die Ringe im Wasser, die leichten Wellen, die von ihm ausgingen. Dezent hob sie wieder den Blick und wollte sehen wo er war. Er schwamm tatsächlich. Er schwamm, hier im Hafen. Ihre Augenbraue zuckte leicht.


    "Oh ihr Götter." flüsterte sie leise. Sie fühlte sich beinahe als wäre sie mit einem Welpen unterwegs der ebenfalls auf kein einziges Wort hörte. Und dieser 'Welpe' war ebenso unschuldig, denn er schien auch diese Sitte nicht zu kennen: Nicht am hellichten Tag durchs Hafenbecken schwimmen. es war unvorstelbar für sie, dass er sie nun einfach hier stehen ließ und sich offensichtlich den Schmutz vom Leibe waschen wollte. Als er sich wieder in ihre Richtung aufmachte, blickte sie ihm vorwurfsvoll entgegen. Auch in ihrem Blick stand Unglauben, doch weniger wegen des Meeres als wegen seines Verhaltens. Da hatte sie noch ein wirklich ordentliches Stück Arbeit vor sich. Barbar. So schlimm konnte es nicht einmal in den nördlichen Regionen vor sich gehen. Doch ernsthaft böse war sie nicht und so seufzte sie leicht. Vor kurzem hätte sie wohl noch gelacht.


    Als er begann zu plappern, tat sie, als hörte sie interessiert zu, wobei sie doch kein Wort verstand und letztlich auch mit den Schultern zuckte um diesen Gedanken zum Ausdruck zu machen. Wahrscheinlich wollte er mit diesen kehligen Worten ausdrücken, wie überrascht er war - natürlich, was auch sonst. Sie fasste sich allerdings dann wieder ein Herz und deutete auf das Meer, während sie "Mare internum" sagte und sich wieder ein schwaches Lächeln abrang. Wieder ging ihr Blick über seine klebende Tunika und sein nasses Haar, ehe sie den Blick hob und ihm ins Gesicht sah.

    Verdutzt betrachtete Minervina Nantosuelta, aber eigentlich sollte ihr Vorschlag sie nicht weiter überraschen. Mit ihrer altgewohnten Ruhe, die sie angewöhnt hatte, nach außen hin zu zeigen überlegte sie laut: "Nein, ich denke das muss nicht sein. Höchstens zwei Handtücher für uns zwei, alles andere stellt ja die Therme." meinte sie und zwinkerte Nantosuelta zu. "Anschließend können wir ja noch am Hafen entlangschlendern. Vorausgesetzt, du möchtest das."

    We vom Donner gerührt starrte Minervina das Mädchen vor sich an und rührte sich einen kurzen Moment kein Stück. Erst dann schaffte sie es zaghaft den Mund zu öffnen um ein verlegenes: "Oh, verzeih, das wusste ich nicht." zu murmeln. Da war sie ja wieder gehörig ins Fettnäpfchen getreten. Sie hatte nicht im Traum daran gedacht, dass dieses Mädchen eine Sklavin sein könnte. Dann räusperte sie sich vernehmlich und fügte an: "Nun, auch Sklaven können sich recht frei bewegen und ich denke nicht, dass Mutter etwas dagegen hat, wenn du mich begleitest."