An den
Legatus Augusti pro Praetore
Marcus Vinicius Lucianus
Mogontiacum, Germania
Salve mein Bruder,
lange hast du warten müssen auf diesen Brief und doch kann ich dir nicht viel berichten. Es ist schon beängstigend ruhig in Rom, das Fehlen eines Kaisers wirkt sich derzeit nicht wirklich auf die Bevölkerung aus. Du liest richtig, der Kaiser fehlt noch immer, obwohl er gerüchteweise bald in Rom eintreffen soll, doch wirklich genaues weiß man nicht. Man sagt ihm eine Krankheit nach, doch wie schwer diese sein soll, ist ebenfalls unbekannt. Vielleicht liegt es auch am Widerwillen des Valerian, ich habe ihn bisher nur als Angehöriger des Militärs kennengelernt, nie aber als Politiker. Warum Iulian ihn zu seinem Nachfolger bestimmt hat, werden wir auch nie erfahren und warum er ihn nicht in Rom eingesetzt hat, damit er in die Arbeit hineinwächst. Du bemerkst, nicht das Fehlen von Valerian an sich bereitet mir Sorgen, eher das, was kommt, wenn er dann tatsächlich hier ist, obwohl ich mir zugleich wünsche, er wäre schon hier. Wie du siehst, eine seltsame Mischung. Selbstverständlich habe ich schon die Cohortes Urbanae auf ihn eingeschworen und die anderen Stadteinheiten haben es mir soweit ich weiß gleich getan. Das gebietet schon das Andenken an Iulian.
Ansonsten kann ich dir nichts berichten. Ich wünschte, ich könnte dir zumindest von einigen kleinen Skandälchen erzählen, doch so wie der Frühling auf sich warten lässt, so winterlich erscheint mir auch das römische Gemüt zu dieser Zeit. Einzig meine Tochter scheint das nicht weiter zu kümmern, so kommt es mir vor. Sie steht schon und wird wohl bald ihre ersten Schritte gehen. Wie schade, daß sie nur eine Tochter ist. Ich sollte mich wohl bald wieder verheiraten, wenn ich noch realistische Chancen auf einen Erben haben möchte. Wie sieht es da bei euch aus? Kommt schon was? Und wie ist die Lage generell in Germania?
Mögen die Götter weiter über dich wachen.
Vale bene,
M. Vinicius Hungaricus