Bald war alles vorbereitet und man gab Valeria ein Zeichen. Sie widerum nickte dem Haruspex zu, welcher die Leberschau durchführen würde. Sein Name war Pannapius Porcus, und er schritt nach Valerias Zeichen in seiner Zeremonienkleidung zu dem Tisch, welcher für die Opfervorbereitet worden war. Seine Arbeit hier würde nicht lang dauern, und bald konnte er sich unter die Gäste mischen und das gute Essen und den leckeren Falerner genießen...
Porcus räusperte sich und hob schweigend die Arme, bis ihm die ganze Aufmerksamkeit zuteil war. Dann machte eine wedelnde Handbewegung in Richtung eines Priesterschülers. Er war bereit, und man sollte ihm das Lamm nun bringen. Noch einmal ließ er seine Fingerknöchel knacken, dann verfolgte er mit den Augen, wie man das reinweiße Lamm an einem kurzen Strich hereinführte. Das Lämmchen legte die Ohren an, als es so viele Leute auf einmal sah und roch, doch trabte es munter weiterauf ihn zu. Porcus fuhr prüfend mit dem Daumen über die Klinge, wie er es immer tat. Sie war scharf, kein Wunder, immerhin hatte man sie am Morgen nochmals geschärft.
Zuversichtlich lächelte Porcus die Brautleute an, dann setzte er das Messer an das inzwischen bereits mittels Hammerhieb betäubte und auf den Tisch gelegte Lamm und schnitt es auf, ohne es vorher zu töten. Man konnte am besten der Götter Willen erkennen, wenn die Leber sehr frisch war. Mit geübten Handgriffen bahnte der Haruspex sich einen Weg durch Gedärme und Blut, die aus dem kleinen Körper hinausliefen und teilweise auf den Boden tropften. Dann fanden seine tastenden Finger, was sie suchten, schlossen sich um die warme Leber des kleinen Schafes und hielten sie fest. Mit der anderen Hand, die das Messer hielt, trennte er das glitschige Organ heraus. Dann legte er die Leber vorsichtig auf eine Patera und studierte sie. Rings um ihn herum war es still, während er mit spitzen Fingern hier tastete und dort drüber strich. Die Leber war rein und sah gut aus, sie hatte eine gesunde Farbe und eine angemessene Größe. Die Häuser der Götter wiesen keine schlechten Merkmale auf, sodass Porcus nach einigen Minuten des Prüfens guten Gewissens verkünden konnte: "Die Götter stehen eurer Verbindung nicht im Wege! Euch wird eine kinderreiche Ehe mit vielen glücklichen Tagen bevorstehen!" Man reichte ihm ein Tuch, an dem er sich die Hände abwischte. Er lächelte dem Brautpaar freundlich zu und nickte dann schließlich gen Valeria, die augenblicklich fortfuhr.
Die Kohlen waren bereits während der Leberschau stillschweigend entzündet worden und glimmten nurmehr. Der Zeitpunkt für das Opfer war gekommen.Valeria bedeckte ihren Kopf mit der weißen Palla und wandre sich um, um die unblutigen Opfergaben darzubringen. Zuerst streute sie einige Kräuter und Weihrauch über die Kohle, die zischend zerschrumpelten und einen aromatischen Duft freigaben. Dann nahm sie den ersten Opferkuchen, wandte sich zu der Hochzeitsgesellschaft um und sagte mit unüberhörbarer und klarer Stimme:
"Mutter Iuno, ich bitte dich mit diesem Kuchen, sei diesem Paar wohlgesonnen und gnädig, segne sie wie ihre Kinder, ihr Haus und ihre Sklavenschaft. Ich bitte dich, gewähre diesem Paar und den Kindern, die aus ihrer Verbindung hervorgehen werden, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft deinen Schutz."
Valeria legte den ersten Kuchen auf die Glut. Während er verbrannte, konnte man auf den kleinen Votivgaben auf dem provisorischen Altar den Schein der Flammen erkennen, die den Kuchen zuerst schwärzten und dann nach und nach geirig verzehrten. Valeria nahm nun den zweiten Kuchen, wandte sich zu der Festgesellschaft um und sagte diesmal:
"Mutter Tellus, ich bitte dich mit diesem Kuchen, sei diesem Paar wohlgesonnen und gnädig, gewähre ihnen wie ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft deine nährende Kraft und Fruchtbarkeit."
Der Kuchen folgte seinem Vorgänger. Die Sacerdos wandte sich nun nach dem dritten der fünf Opferkuchen um, nahm ihn und hielt ihn gen Decke des Raumes.
"Mutter Ceres, ich bitte dich mit diesem Kuchen, sei diesem Paar wohlgesonnen und gnädig, gewähre ihnen wie ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft deine reifende Kraft und dein Wachstum."
Der Kuchen tat es den anderen gleich und wanderte auf den nun schon recht besetzten Foculus. Aber irgendwie fand sich doch immer ein Plätzlein für ein weiteres Küchlein. Valeria nahm nun den vierten Kuchen.
"Pilumnus und Picumnus, ich bitte euch mit diesem Kuchen, seid diesem Paar wohlgesonnen und gnädig, gewährt ihnen wie ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft eure nährende und schützende Kraft."
Der Kuchen wanderte auf den Foculus und der fünfte und damit auch der letzte Kuchen folgte seinem Vorgänger gleich hinterher. Nun würde das Schwein geopfert werden. Valeria wandte sich um und machte eine kurze, wedelnde Bewegung mit der Hand, damit die anwesenden Gäste eine Gasse für das Tier machten. Just in diesem Moment erschien auch der octavianische Sklave mit dem Schwein, welches er an einer Kordel in den Raum führte. Es war gänzlich mit Kalk geweißt und trug leuchtend rote Bänder auf dem Rücken. Die Sacerdos nickte gefällig und trat zur Seite, damit das Schwein in die richtige Position gebracht werden konnte.
"Mutter Iuno, ich bitte dich, nimm dieses Opfer zu deinen Ehren an, sei den Brautleuten wohlgesonnen und gewähre ihnen deinen gütigen Segen", sprach Valeria. Dem Tier wurde die rote Zierde abgenommen. Etwas Kalk löste sich in einem staubigen Wölkchen. Valeria zog das blitzblanke Opfermesser und strich dem Tier über den Rücken, dann drückte sie das Messer einem ihrer beiden Schüler in die Hand. "Agone?" fragte die junge Iunopriesterin und hob den Blick zu Valerias Gesicht. Die Decima nickte und sagte mit entschiedener Stimme: "Age!", woraufhin die Schülerin dem Schwein das Messer in den Hals stieß. Sofort sprudelte ein heller Strom warmen Blutes hervor und ergoss sich auf dem Boden, und der letzte Quieker des Tieres ging im gurgelnden Laut des Blutes über, das nun von zwei fleißigen Helferlein in einer großen Opferschale aufgefangen wurde. Als die Schale schließlich gefüllt war, stellte man sie auf den provisorisch errichteten Altar und ließ das Tier vollends ausbluten. Blut lief in den feinen Fugen des Bodens entlang, zuerst noch rasch, dann langsamer, denn es geronn allmählich. Unterdessen herrschte erwartungsvolles Schweigen im Raum. Eine Weile später war das Schwein ausgeblutet und man konnte die Eingeweide herausschneiden. Wenig später beäugte die Sacerdos die Eingeweide des Schweines auf einer Patera mit kritischem Blick.
Die Frage war nun: Hatte Iuno das Opfer angenommen? Würde sie dem Paar ihren Segen geben? Aufmerksam studierte Valeria die warmen Innereien.
Sim-Off:Sorry, ist etwas länger geworden...